Acta Pacis Westphalicae III A 3,2 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 2. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert
Deputation der lutherischen fürstlichen Gesandten bei Schweden Osnabrück 1645 November 10/20
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Osnabrück 1645 November 10/20
Sachsen-Altenburg A III fol. 5–5’ (= Druckvorlage).
Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten zu Osnabrück über die Admission der Re-
formierten zum Religionsfrieden
Siehe [Nr. 37 Anm. 2] .
Reformierten. Zusage Schwedens. Absicht, der Reformierten in der schwedischen Replik
Gemeint ist die schwed. Replik von 1645 I 7 auf die ksl. Responsion von 1645 IX 25
(s. [Nr. 29 Anm. 4] ). Der Reformierten wird dort gedacht, s. Klasse 1,3 (ksl. Protokoll, Meiern
II, 187 ).
gedenken.
(Im Quartier der Schwedischen zu Osnabrück.) Anwesend: Schweden (Oxenstierna); als Depu-
tierte: Sachsen-Altenburg / Sachsen-Coburg, Braunschweig-Lüneburg-Celle / Braunschweig-Lü-
neburg-Grubenhagen / Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg (Thumbshirn, Carpzov und Lampa-
dius).
Am 10./20. November 1645 haben Sachsen Altenburgische und Braunschweig
Lüneburgischer Dr. Lampadius bey dem Schwedischen legato graffen Oxen-
stirn audientz gehabt, sich nomine evangelicorum bedanckende, das dominus
legatus sich gegen underschiedene evangelische gesandten vernehmen laßen,
wie zwar den reformirten in articulo 4 propositionis Sueciae gedacht
Bezug auf die schwed. Proposition II von 1645 VI 11 (s. [Nr. 2 Anm. 34] ), Art. 4 ( Meiern I,
437 ).
nicht in dem verstande, daß sie des iuris reformandi dadurch fehig werden
und die evangelischen aus ihrem lande vertreiben solten. Daher in der Schwe-
dischen replic solcher articulus solte declarirt werden, inmittelß solten depu-
tati bey abfaßung des guthachtens
Gemeint ist der von dem Ausschuß konzipierte Erste Entwurff der Evangelischen Staende zu
Oßnabrueck Gutachtens auf der beyden Cronen Propositiones und die darauf ertheilten
Kayserlichen Responsiones. Am 16. Oktober hatten die Ausschußmitglieder beraten, wie
man sich mit den Reformierten vergleichen könne (s. Nr. 26).
deputati gethan, und sey das guthachten vorige woche in pleno zur delibera-
tion kommen und verschienen sonnabend zu ende gebracht worden. Do het-
ten reformati geahndet, daß man ihrer bey besagtem articulo 4 nicht gedacht
Siehe [Nr. 36 Anm. 2] .
und gebethen, es hierinn bey der Schwedischen proposition zu laßen.
Heri haben evangelici sich darüber beredet und dahin gestimmet, daß den
Calvinisten zwar ihre securitet und daß sie, soviel den schirm und schutz
belanget, des religionfriedens genießen möchten, zu gönnen, ihnen aber nicht
das ius reformandi et persequendi evangelicos einzureumen, und habe man
sich eines begriffs
chen. Exhibetur proiectum et petitur, dominus legatus wolle seine gedancken
darüber eröffnen und vermitteln, damitt die reformirten durch reversales ob-
ligiret werden, die evangelischen aus ihrem lande nicht zu vertreiben, sondern
ihnen das publicum exercitium zu verstatten, auch, wenn den reformatis
mehr lande zufielen, dieselbe bey der ungeenderten Augsburgischen confes-
sion unbetrübet zu laßen und sich keiner reformation zu undernehmen.
Schweden. (Dominus legatus :) Er sey uber diesenn punct anfangs mitt
herrn Salvio etwas different gewesen, ob selbiger der proposition einzurük-
ken, wie herr Salvius gethan. Ipse helt auß dem reichsabschied anno 1555
Der Augsburger RA von 1555 enthielt den ARF ( Merzbacher, Augsburger Religionsfriede,
259). Die Frage, ob die Reformierten im ARF mitbegriffen waren, hing davon ab, ob sie zu
den AC-Verwandten gezählt wurden (s. [Nr. 37 Anm. 12] ).
und nachfolgenden unstreittbar, daß die Calvinisten nicht in den religionfrie-
den. Der Heßen Caßelische, Scheffer, hette am vergangenen sonnabend bey
ihm angehalten, in künfftiger replic es bey den formalibus propositionis be-
wenden zu laßen. Sie weren ja mitt den evangelischen brüder.
Refert: Alß die königliche leiche von Wolgast abgesühnet worden
Die Leiche Gustav Adolfs befand sich 1633 monatelang in Wolgast, da man mit dem Trans-
port nach Schweden warten mußte, bis die Ostsee eisfrei war. Erst im Juni 1633 traf sie in
Nyköping ein ( Junkelmann, 462f.). Der Ausdruck absühnen bedeutet […] etwas (durch
eine Buße) lösen, entsühnen ( Frühneuhochdeutsches Wörterbuch I, 428f., s. v. absü-
nen Punkt 2).
Churbrandenburg (des itzigen churfürsten herrn vatter ) der procession bey-
gewohnt, bey sich habende den hoffprediger Dr. Bergium
Gemeint ist der reformierte Theologe Dr. Johann Peter Bergius (1587–1658). Bergius war
1618 und 1620–1622 Prediger der reformierten Gemeinde in Königsberg, wurde 1620 dort
zum Hofprediger ernannt, konnte dieses Amt aber wegen des Widerstands der lutherischen
Stände nicht antreten. 1623 wurde er Hofprediger in Berlin. 1645 nahm er an dem Thorner
Religionsgespräch teil. Er lieferte die theologischen Grundlagen des kirchenpolitischen Pro-
gramms des Kf.en Friedrich Wilhelm mit seiner Schrift: Apostolische Regell, wie man in
Religionssachen recht richten soll (Elbing 1641), mit der die Duldung der reformierten
Lehre erreicht werden sollte ( Meinhold, 84f.; Hubatsch, 134–137).
witz
Gemeint ist der lutherische Theologe Dr. theol. Barthold von Krakewitz (1582–1642), der
altem, rügischem Ritteradel entstammte. Versehen mit einem hgl. pommerschen Reisestipen-
dium, besuchte er 1606 Wittenberg. Seit 1607 war er pommerscher Generalsuperintendent und
Prof. in Greifswald. 1631 begrüßte er Kg. Gustav Adolf bei dessen Einzug in die Stadt. Er
veröffentlichte von 1614 bis 1636 eine Reihe polemischer Schriften gegen den Kalvinismus
( Pyl, 25f.; Kiesant, 53; Wollgast, 359).
einem gliede zu gehen, verlesen worden, habe derselbe neben Bergio nicht
gehen wollen, sondern dahe herauß gesagt: Er gieng nicht mitt ihm, wolte
ihn auch nicht würdig achten, mitt ihm alß einem Calvinisten auß einem
glase zu trincken. Der churfürst zu Brandenburg habe zwar bißhero sich
moderirt, vielleicht aber so lange, alß er noch hoffnung zur heyrath der köni-
gin in Schweden
Noch im Juni 1645 hatte Kf. Friedrich Wilhelm den noch von Kg. Gustav Adolf angeregten
Plan nicht völlig aufgegeben, durch eine Heirat mit Kg.in Christina von Schweden
(1626–1689) alle Probleme, die zwischen Schweden und Brandenburg bestanden, zu beseiti-
gen. Allerdings deutete sich schon früh (1642) an, daß Christina überhaupt nicht heiraten
wollte. Auch war Axel Oxenstierna gegen die Verbindung mit Brandenburg. Im Dezember
1645 gab er den einer Absage gleichkommenden Bescheid, daß die Hindernisse, darunter
die Konfessionsverschiedenheit, für eine Heirat zu groß seien ( Opgenoorth I, 27f., 116f.,
145f.).
Gemeint ist Gustaf I. Eriksson Vasa, seit 1523 Kg. von Schweden, gest. 1560. Im Bestreben,
den politischen Einfluß der Bf.e zu brechen, wandte er sich der Konfession Luthers zu. Im
Januar 1528 ließ er sich nach altem kath. Brauch zum Kg. salben und krönen. Der bisher
damit verbundene Eid, die Privilegien der Kirche und die Stellung der Bf.e zu achten, entfiel.
Während seiner Regierungszeit vollzog sich der Ausbau der lutherischen Kirche unauffällig,
aber zielbewußt. Sein Sohn Johann III. (1537–1592, 1668 Kg. von Schweden) erstrebte eine
Union zwischen kath. und prot. Kirchentum. Den Widerstand gegen eine Rekatholisierung
organisierte dessen Bruder Karl, Hg. von Södermanland (1550–1611, 1604 Kg. von Schwe-
den), und 1593 bekannte sich die Nationalsynode von Uppsala förmlich zur Confessio Augu-
stana von 1530. Kg. Sigismund (1566–1632, 1587 Kg. von Polen, 1592–1599 Kg. von
Schweden), ein Sohn Johanns III. und Katholik, mußte vor seiner Krönung (1594) die Be-
schlüsse der Synode eidlich bestätigen. Kg. Gustav II. Adolf mußte sich bei seiner vorzeitigen
Mündigkeitserklärung auf die Königsversicherung von 1611 XII 31 [st.v.] verpflichten, wel-
che die lutherische Konfession zur einzig sanktionierten Religion erklärte. 1634 wurde die Ver-
pflichtung auf die Confessio Augustana in der von Axel Oxenstierna ausgearbeiteten und vom
schwed. RT verabschiedeten Regierungsform als Fundamentalgesetz verankert ( Roberts I,
360f.; Iserloh, Nordische Länder, 319–323; Jedin, Papsttum, 544; Barudio, 49, 594;
Stammtafeln II T. 117; Junkelmann, 55f.).
noch die itzige königin, als sie das regiment angetretten
Christina übernahm am 17. Dezember 1644 die Regierung. Axel Oxenstierna schickte seinem
Sohn Johan eine kurze Beschreibung des Festaktes ( APW II C 1, 474 Z. 25–37); eine nicht viel
längere, irrtümlich auf den 18. Dezember [st.v.] datierte, steht im Theatrum Europaeum
V, 667f. In beiden wird die Verpflichtung auf die Confessio Augustana nicht ausdrücklich
erwähnt.
eyd schwehren müßen, daß sie der ungeenderten Augspurgischen confession
zugethan. Ihm sey eine objection moviret worden, darinn er sich nicht wohl
begreiffen könne, daß nehmlich die reformirten chur- und fürsten sowohl
Wie [Nr. 7 Anm. 51] .
stände des Reichs alß die evangelischen und catholischen, worumb sie sich
dann nicht ebenmeßig ihres iuris territorii et consequenter reformandi ge-
brauchen sollen?
Die Deputierten. (Illi respondetur:) 1. Reformatos asserere, sie weren der
Augsburgischen confession zugethan, item man könne bey unserer religion
seelig werden. Do nu dem also, so haben ja reformati nicht ursach, evangeli-
cos zu verfolgen, zu vertreiben und ihnen ihren gottesdienst zu verwehren.
2. Quemque statum ut et ipsum Imperatorem teneri legibus fundamentalibus.
Ein solcher [ !] lex fundamentalis sey auch der religionsfried, davon die Calvi-
nisten außgeschloßen. Nec pro exemplo posse adduci evangelicos, denn der-
selben halber bedürffe es keiner besondern capitulation, weil sie bereitts im
religionsfrieden begriffen. Die Calvinisten aber seynd oder haben sich viel-
mehr selbst durch irrige lehr excludirt. Daher ihnen auch in camera
camera steht für iudicium camerae Imperialis ( RKG ). Da die Reformierten als nicht im Augs-
burger Religionsfrieden begriffen galten (§ 17 Art. 5 ARF , Ausschluß Andersgläubiger, wandte
sich u. a. gegen die Kalvinisten), wurden ihnen Prozesse super pace religiosa verweigert, wor-
über schon auf dem Augsburger RT von 1566 verhandelt worden war ( Repertorivm Reale
Pragmaticvm, 1044; Ruthmann, 18).
process uff den religionfrieden bißher erkennt worden. Ergo solten sie pro
beneficio erkennen, wenn in pacem publicam genommen und des religion-
friedens, soviel den schutz und schirm belanget, fehig würden.
Schweden. (Ille :) Erclehrt sich, das project in bedencken zu nehmen, mitt
den reformirten daraus zu reden und künfftig diesen punct in der replic zu
erleuttern.
Sachanmerkungen zu Nr. 38