Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
128. Lamberg und Krane an Ferdinand III Münster 1646 November 20
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Münster 1646 November 20
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 22–22’, 31 = Druckvorlage – Kopie: Giessen 208 nr. 6
p. 20–22.
Kein Verhandlungsfortschritt aufgrund der Abreise Oxenstiernas. Verhandlungen mit Salvius
und den französischen Gesandten. Zurückhalten der kaiserlichen Antwort an die Herzöge von
Braunschweig und Lüneburg.
Ob man zwar allerseits in hofnung gestanden, es sölte gegenwertige friedens-
handlung bey also an einen orth gewünschter zusamenfüegung aller, sowol
der interessirten cronen alß auch churfürsten, fürsten und stendten gesandt-
schafften in weenig tagen zu gewünschten endt und schluß gebracht worden
sein, so ist doch der Oxenstern uber allen angewendten fleiß und zuespre-
chen, sowol des Venedischen ambassadors (der sich in allem zu beforderung
Ewer Mayestätt diensten trew und eifferig bezeigt) alß der Frantzösischen
gesandten selbst und dern protestirenden ständten, nit dhahin zu bewegen
gewest, daß sich alhie hette lenger aufhalten oder zu einiger handlung
einlaßen wöllen, sondern ist heüd, unverrichteter sachen, iedoch mit zurück-
laßung des Salvii, mit welchem aber allein schwehrlich zu waß schließlichs
wirdt zu gelangen sein, wieder nach Oßnabruck zuruckgreiset. Die Chur-
sachßische haben unß noch gestern gesagt, von gutem orth zu haben, daß der
Oxenstern etlichen von den protestirenden stendten, in specie dem Braun-
schweig Lüneburgischen Dr. Lampadio, das herüberreisen von Oßnabrück
sölte verbotten haben.
Waß auch zwischen unß und dem Salvio eben dieses wercks halben beym
discursu fürgelauffen, dhavon geruhen Ewer Mayestätt ihro auß beyverwahr-
tem prothocollo sub numero 1, sodan ferners auß der beylag sub numero 2
allergnädigst referirn zu laßen, waß sich die Frantzösische gesandten bey
gestrigs tags mir, dem graven von Lamberg, in meiner, Cran, gegenwarth
gegebener visita uber ein und anders vernhemmen laßen.
Weil die Religionsverhandlungen in Gang kommen, ist das ksl. Schreiben an die
Hg.e von Braunschweig und Lüneburg auf Anweisung Trauttmansdorffs nicht
fortgeschickt worden.
1 Protokoll, [Münster] 1646 November 17. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 23–26 = Druckvor-
lage ; Giessen 208 nr. 4 p. 6–17; RK FrA Fasz. 91 II fol. 243–246.
Alß wir beede, der graff von Lamberg und ich, Cran, den Schweedischen gesandten
Salvium zu Münster heimbgesucht, hatt derselb unß berichtet, daß der Oxenstern gleich
zum duca de Longaville gefahren, umb sich bey denen Frantzösischen gesandten zu
beurlauben. Der seie bedacht, auf ubermorgen seinen weeg wieder nach Oßnabruck
zuruckzunhemmen. Habe allerhandt bedencken, warumb sich alhie nit könne zu
tractaten einlaßen, hette sich zwar noch heüd ploß der ursachen halben, weiln der de
Saint Romain vom churfürsten von Brandeburg wieder zurückkommen
Saint-Romain war am 16. November 1646 nach Münster zurückgekehrt ( Meiern, APW III
S. 753 ).
vernhemmen, waß derselbe mitbringe, aufgehalten. Der bringe aber keine andere
erclehrung
gesandten newe instruction, wegen Pommern zu tractirn, zugeschickt hetten. Nuhn
wüsten die Schweedische gar wol, daß der Churbrandeburgische principalabgesandter
graff von Witgenstein nit hiehero kommen würde. Dhahero seie es vergeblich, sich alhie
lang aufzuhalten und die zeit zu verlieren. Er, Salvius, halte es zwar seinstheils dhafür,
daß die abhandtlung der materialien alhie, weiln alle gesandtschafften beyeinander an
einen orth sein, zu beforderung des schlußs gar nützlich, auch ohnpraeiudicirlich sein
würde, sönderlich wan dhabey außgedingt würde, daß die fertigung und subscriptio zu
Oßnabrück beschehen sölte. Der Oxenstern aber seie einer andern meinung, und müße er
sich demselben conformirn.
Nos: Wir lebten der hofnung, der Oxenstern werde sich eines beßern bedencken und die
gute gelegenheit, so sich itzo zu beforderung des friedenschluß bezeige, nit außer acht
laßen. Der praeliminarschluß
stünde die wahl, ahn waß orth eine oder andere materi abzuhandtlen, in der gesandt-
schafften discretion und wilkhur, sogar daß auch locum intermedium darzunhemmen
könten. Warumb sölte man dan bedencken machen, alhie zu tractirn? Es kommen viele
sachen für, warüber mit beeden cronen, Franckreich und Schweeden, zugleich müße
tractirt oder weenigst communicato inter coronas consilio verfahren werden. Solches
könte nit füeglicher beschehen alß an einem ort, dha alle interessirte beysamen sein. Habe
aber dhabey die meinung nit, daß man den Oßnabrückischen convent begehre hiehero zu
transferirn oder auß dem praeliminarvergleich zu schreiten, sondern es seie dies gantze
werck zu nichts anders angesehen, alß umb desto ehender zum Schluß zu gelangen. Ire
excellentz herr graff von Trautmansdorff wölten gern selbst nacher Oßnabrück hinüber,
wan es dero leibsdisposition zuließe. Man wiße gleichwol, daß die gantze christenheit ir
absehen und hofnung auf diese tractaten gesteh; die müße nit so lang in solcher hofnung
vergeblich aufgehalten werden. Es gehe keine stundt vorüber, daß nit christenblut
vergoßen würde; es müße einmahl von solcher bluitbadter ein endt gemacht werden; die
menschen verwilterten im krieg. Man seie mit den sachen zimblich weith kommen; daß
vornhembste haffte ahn der cron Schweeden erclehrung in puncto satisfactionis. Warumb
wolte man mit einer ceremonie, ob dieselbe hir oder zu Oßnabrück eröfnet und
abgehandtlet werden sölle, den frieden aufhalten? Die Churbrandeburgische gesandten
würden gern herüberkommen, man habe auch die churfürstliche durchlauchtt itzo alhie
in der nähe, könte mehr dieserentz in einem tag alß, wan man in beeden maalplätzen
zertheilter ligge, in einer gantzen wochen gerichtet werden. Es hette die cron Schweeden
auch auf die Churbrandeburgische so groß absehen nit zu machen, wan sie bey irer
resolution, Pommern auch invito electore anzunhemmen, zu stehen gemeindt sein.
Ille: Er müße es bekennen, daß sie khein groß absehen auf die churfürstliche durchlauchtt
zu machen. Sie wölten aber lieber halb Pommern mit dero guten willen alß gantz
Pommern mit dero wiedersprechen und ire churfürstliche durchlauchtt in perpetuum zu
feiendt haben. Der cron Schweeden praetensiones sein zu papyr gebracht; würden itzo
abgeschrieben und noch heüd des graven von Trautmansdorff excellentz eingeliefert
werden. Dha seie paldt außzukhommen, und wan es dhamit seine richtigkeit hab, würden
sich die ubrige sachen auch wol schicken. Hat unß darauf das memorial, so sie irer
excellentz herrn graven von Trautmansdorff zu überreichen gemeindt, fürgeleßen. Darin
die vornhembste difficultet in der condition wegen immutation der ertz- und stiffter
Bremen und Verden zu weltlichen standt, auch privilegio de non appellando, sodan
multiplicatione votorum in comitiis ratione singularum provinciarum bestanden. Die
ubrige sein nit so wichtig gewest, daß nit könten uberwunden oder vergliechen werden.
Wir haben aber dhagegen remonstrirt, daß iro die cron selbst bey diesem passu im weege
lige, dan würde wegen solcher praetendirten immutation der ertz- und stiffter die
sämbtliche ständte des Reichs, catholische und uncatholische, ia ire eigene confoederatos,
die Frantzosen, zuwieder haben, alle alte verschreibung, privilegia und donationes, so
intuitu spiritualitatis zu bemelten stifftern angeben, in gefahr setzen, die stendte und
underthane in den stifftern, auch zugehörige vasallen sehr hart betrüben, wan nach
andern gesetzen und gewohnheit, alß bey ihnen herkommen, sölten gubernirt werden. Sie
müsten gedencken, daß sie verlangten, ein newer standt des Reichs zu werden, und also
sich bey menniglichen, bevorab den stendten des Reichs, beliebt machen.
Ille: Wie mans dan sölte angreiffen? Es hetten ire excellentz herr graff von Trautmans-
dorff durch Dr. Volmar ihnen von einem anderen medio, wie diese difficulteten zu
überwinden, sagen laßen, nhemblich daß die geistliche anderswohin ire residentz rücken
möegten
closter im ertzstifft Bremen zu erkauffen. Es würde beßer für beede, die cron und die
geistliche, sein, dan die geistliche würden sonsten exemptionem praetendirn, die cron
aber solches nit gestatten wöllen und man also steets lites haben.
Nos: Das privilegium de non appellando gleich itzo per modum conditionis außzudingen
habe eine gestalt, ob wölte man sich gar eximirn und khein oberhaubt erkhennen,
welches die underthanen selbst fürn kopff stoißen würde und dieselbe dhadurch in die
gedancken gebracht werden, ob solten sie hinfuro mehr iuxta leges Suecicas alß Romani
Imperii gerechtfertigt werden, wohmit dan dern affection gegen die obrigkeit vergehen
werde. Seie also beßer für die cron, diese praetension fallen zu laßen, oder möegte unsers
ermeßens dies werck etwoh mit einem privilegio de non appellando intra certam
summam vermittelt werden. Es ließen sich aber dergleichen sachen beßer hirnegst bey
Kayserlichem hoffe alß itzo hir negotiirn.
Ille: Es würde sich hernegst hievon weiters reden laßen. Sein darauf auf andere discursus
kommen, so kheiner sonderbarn relation würdich, und dhamit voneinander schieden.
2 Protokoll, [Münster] 1646 November 19. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 27–29 = Druckvor-
lage ; Giessen 208 nr. 5 p. 17–19; RK FrA Fasz. 91 II fol. 247–249.
Hatt der duca de Longavilla sambt dem graffen von Avaux und Servient mich, den graven
von Lamberg, me, Cran, praesente heimbgesucht, der duca de Longaville anfenglich
höflich complementirt und gleich darauf mit diesem discurs herausgangen, daß es itzo das
werck selbst bezeige, waß für gute würckung ire, der Frantzosen, negotiation zu
Oßnabruck gehabt. Es seien die sachen nuhmehr so weich kommen, daß der friedt in
einer stundt könte geschloßen werden. Die Schweedische hetten volnkommene instruc-
tion und gewaldt, zu schließen. Man würde gewißlich bekennen müeßen, daß sie,
Frantzösische gesandten, das irige und zwar mit solchem fleiß und eiffer gethan, alß der
allerfleißigster hette thuen können oder möegen. Wölten auch ferners nit abstehen, biß
alles zum gewünschten standt gebracht. Müsten es beclagen, daß sich der Oxenstern waß
opiniatrire und nit zu gewinnen seie, sich alhie waß aufzuhalten oder in handlung
einzulaßen. Wölten zwar noch einmahl ahn denselben setzen und versuchen, ob er
möegte zu erbitten sein, könten aber noch nit darauf zulagen, obzwar verhofften, daß
zum weinigsten der Salvius alhie verpleiben und mit demselben allein sowol alß mit
beeden zugleich würde zu handtlen seien. Sie zweifleten nit, wir würden der Schweeden
praetension in puncto satisfactionis gesehen haben. Dern memorial seie auch denen
Churbrandeburgischen selbst zugestelt worden, dhamit dieselbe sehen möegen, warauf
die sache beruehe. Die Kayserliche gesandtschafft wie auch sämbtliche ständte des Reichs
müesten eine abordtnung ahn den churfürsten thuen, weiln derselb in der nähe seie, und
man allerseits die handt anschlagen, denselben mit der alternativa von hinderlaßung halb
oder gantz Pommern [zu] constringirn; so würde er sich wol eins beßern bedencken.
Fragten dhabey, ob aber Kayserliche mayestätt und das Reich auf den fall des churfürsten
nitbequemung der cron Schweeden indemnitatem wegen gantz Pommern praestirn
würden
Vgl. die schwed. Satisfaktionsforderungen vom 7./17. November 1646 (Druck: Meiern,
APW S. 754–755, hier S. 755 ).
Responsum: Es würden Kayserliche mayestät und das Reich die cron Schweeden bey den
landen, so man derselben überlassen würde, schützen helffen, wie andere stendte des
Reichs geschützt würden. Wüsten sönsten von kheiner andern indemnitet.
Illi: Wie es dan mit den stifftern zu halten, ob dern veränderung zue weltlichen weesen
nachzugeben. Responsum: Quod non. Stünde in Kaißerlicher mayestätt macht nit; die
fundation müße in irem weesen gelaßen werden. Der graff von Avaux: Es seie auch
wieder beeder cron, Franckreich und Schweden, abred und vergleich, die fundationes und
kirchengüter zu verändern
Bremen sambt allen clöstern selbigs ertzstiffts nacher Verden transferirte und hernacher
den stifft Verden auß der Schweeden praetension wieder eximirte? Nos: Beede thumb-
stiffter Bremen und Verden würden sich schwehrlich darüber vergleichen können, doch
hette man den sachen nachzudencken. Die materi an sich selbst seie zu zart und zu
gewißenhafft, niemandt begehre sich darin zu vertieffen propter metum maledictionis, so
dardurch auf eine gantze famili könte gezogen werden. Soviel wüsten wir wol, daß die
uncatholische thumbstiffter und clöster selbst nit verlangten, under den Schweeden zu
pleiben.
Illi: Wie es mit Wollin und Stetin zu halten. Nos: Stetin wölte der churfürst nit laßen, seie
auch in der vorigen abtheilung zu Hinderpommern gerechnet worden, und müeße itzo
selbiger theilung auch nachgegangen werden.
Illi: Wie unß das begehrtes privilegium de non appellando fürkomme. Nos: Es komme
unß also für, ob wölten die Schweeden gern ein reichsstandt sein und doch das Reich und
deßen oberhaubt nit erkennen. Die geistliche churfürsten hetten selbsten dergleichen
privilegia nit
Vgl. [nr. 126 Anm. 3] .
sie es begehrten, verlierten dhamit die affection bey den stendten, weiln sich dardurch von
underhaltung des cammergerichts gedächten zu entziehen, die devotion der underthanen,
alß welchen das privilegium secundae instantiae competire, darüber schwihrig werden
und keine andere gedancken machen würden, alß daß inskünfftig nacher Stockholm
appellirn sölten. Die Schweden würden beßer thuen, wan sie mit dergleichen praetension
thäten zuruckhalten und sich hernegst etwoh umb ein privilegium de non appellando
intra certam summam bey Kayserlichem hoffe bewerben, welches alßdan mit mehrn
glimpff erhalten würde.
Illi ließen sich unsere discursus wol gefallen und nahmen dhamit abschiedt. Waß die
insinuation wegen der Kayserlichen, auch chur-, fürsten und stendten gesandten abordt-
nung an Churbrandeburg belangen thuet, selbige haben wir mit stillschweigen vorbey-
gangen.