Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann
I. Die kaiserliche Gesandtschaft in Münster und Osnabrück
Der Schwerpunkt der Verhandlungen lag von Mitte November 1647 bis über das Ende des Editionszeitraums hinaus auf den Verhandlungen mit Schweden und den protestantischen Reichsständen in Osnabrück. Isaak Volmar, der kaiserliche Sekundargesandte für die Verhandlungen mit Frankreich, nahm auf ausdrücklichen Wunsch der protestantischen Reichs-stände
an diesen Verhandlungen teil, so daß von den kaiserlichen Ge-sandten, die für die Verhandlungen mit Frankreich bevollmächtigt waren, Johann Ludwig von Nassau alleine in Münster verblieb. Die Verteilung der kaiserlichen Gesandtschaft stellt sich somit über den gesamten Edi-tionszeitraum wie folgt dar: Lamberg, Krane und Volmar verhandelten in Osnabrück, Nassau in Münster.
Im Gegensatz zu den Gesandten Frankreichs und Schwedens, die ihren an-gestammten Verhandlungsort aus unterschiedlichen Anlässen verließen
Servien hielt sich vom 6. bis 9. Dezember 1647 in Osnabrück auf (vgl. oben
[ Anm. 11] ), Oxenstierna vom 10. bis 14. Dezember bei Wrangel in Minden (vgl. das PS zu
[Nr. 33] sowie
[Nr. 48] ) und Salvius vom 6. bis 8. Februar 1648 in Münster (vgl.
[ Nr. 113] und
[116] ;
APW
[ III C 2/2, 974] ). Darüber hinaus hat Oxenstierna Osnabrück am 4. Februar 1648 in Richtung Münster verlassen, den in Angriff genommenen Abschiedsbesuch bei Longue-ville jedoch vorzeitig abgebrochen (vgl. Nr. 113).
,
[p. LIV]
[scan. 54]
unternahmen die kaiserlichen Gesandten keinerlei Reiseaktivitäten. Auch in puncto Gesandtschaftsharmonie unterschied sich die kaiserliche von den Gesandtschaften der Kronen, bei denen tiefsitzende innere Rivalitäten und Aversionen die innere Verfassung der Gesandtschaften prägten
Zur Feindschaft zwischen Servien und d’Avaux vgl.
Tischer,
Diplomatie, 127–157. Auch das Verhältnis zwischen Oxenstierna und Salvius war getrübt (vgl.
Odhner,
115f;
Dick-mann,
197f).
. Auf kaiserlicher Seite sind aus den bearbeiteten Korrespondenzen keiner-lei Streitigkeiten oder sonstige Mißtöne erkennbar, was aufgrund der Ak-tivitäten Volmars im Aufgabenbereich Lambergs und Kranes zumindest denkbar gewesen wäre. Ein einziges kurzes Störfeuer in Bezug auf die Verhandlungsbeteiligung Volmars in Osnabrück kam von schwedischer Seite, dessen Gesandte nach Volmars Ankunft eine Erweiterung seiner Vollmacht forderten, wovon sie jedoch bald darauf von den protestanti-schen Gesandten wieder abgebracht wurden
.
Die Berichterstattung an den Kaiserhof erfolgte geordnet und regelmäßig. Die Gesandten in Osnabrück verfaßten ihre Relationen montags und donnerstags, Nassau jeweils einen Tag darauf (d.h. dienstags und frei-tags)
Der Transport der Post zwischen den beiden Kongreßorten, die untereinander mit doppel-ten Reitposten verbunden waren, benötigte einen Tag. Von Münster aus führte seit 1645 ein neuer Postkurs über Frankfurt und Nürnberg zum Ks.hof (vgl.
Behringer, Thurn und Taxis, 91).
. Der Takt der Berichte aus Westfalen resultierte aus dem Rhythmus der Thurn und Taxis’schen Postübermittlung, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts zweimal wöchentlich erfolgte.
Die Führung der Korrespondenz in Osnabrück lag für die Dauer seiner Anwesenheit in den Händen Volmars
. Er verfaßte die Konzepte aller in diesem Band edierten Relationen aus Osnabrück sowie der Schreiben im Namen aller Gesandten an den Kaiser. Diese wurden Nassau bereits aus-gefertigt nach Münster übersandt, verbunden mit der Aufforderung, seine Unterschrift hinzuzufügen und sie dann an den Kaiserhof nach Prag weiterzuleiten. Gleichermaßen wurde mit den Relationen Nassaus und Volmars verfahren, auch wenn diese der guten Ordnung halber unter der Ortsbezeichnung „Münster“ ausgefertigt wurden. Die Führung der Kanzlei Kranes lief im vorliegenden Band parallel zu der Volmars und blieb von der Tatsache, daß Volmar für den Großteil der Korrespondenz aus Osnabrück verantwortlich zeichnete, unberührt
Vgl. bspw. die Relation der
Ges.
in Osnabrück vom 2. Januar 1648 über die Unterredung mit den
Ges.
von Sachsen-Altenburg und -Weimar (wie
[Nr. 70 Anm. 4] ). Diese fehlt in der Dienstregistratur Volmars, muß also folglich aus der Kanzlei Kranes stammen. Ferner ver-wies Volmar in seinem Diarium von Zeit zu Zeit explizit auf Protokolle Gails (vgl.
APW
[ III C 2/2 unter 1648 I 3] ,
[ 14] ) oder auf
Crane[s] protocoll (
ebenda unter
[1648 I 26] ).
.
[p. LV]
[scan. 55]
Volmar füllte im Editionszeitraum weiter die Rolle des faktisch führenden kaiserlichen Gesandten auf dem Friedenskongreß aus, die er nach der Ab-reise Trauttmansdorffs eingenommen hatte
Zur Rolle Volmars nach der Abreise Trauttmansdorffs am 16. Juli 1647 vgl.
Ruppert,
28f; APW
III C 2/1, XXXVIII;
Auer,
169 und demnächst die Einleitung zu APW
II A 6.
. Mit diesem führte Volmar außerdem einen gesonderten, eigenhändigen Schriftwechsel, in dem er Trauttmansdorff parallel zu den Berichten der kaiserlichen Gesandtschaft in Osnabrück in persönlicherer Form über die Vorkommnisse auf dem Friedenskongreß berichtete
Lediglich zu den Relationen vom 13. und 23. Januar 1648 (
[Nr. 83] ,
[ 96] ) konnten keine parallelen Schreiben Volmars an Trauttmansdorff ermittelt werden.
. Vergleichbar intensive Schriftwechsel mit einflußreichen Personen am Kaiserhof sind in den ausgewerteten Bestän-den für die übrigen kaiserlichen Gesandten auf dem Friedenskongreß nicht nachweisbar. Im Bewußtsein seiner hervorgehobenen Position konnte sich Volmar gelegentlich auch ein kleines Eigenlob gegenüber Trauttmansdorff nicht verkneifen
Vgl. Nr. 7. Volmar neigte offenbar auch dazu, seine Unentbehrlichkeit am Kongreß zu-mindest für sich selbst zu dokumentieren (vgl.
APW III C 2/1, XXVIII).
.
Der Verhandlungsort Münster spielte aus kaiserlicher Sicht im Vergleich zu Osnabrück in dieser Zeit eine untergeordnete Rolle. In den Relationen aus Münster schlägt sich dieser Umstand insofern nieder, als Nassau in Ermangelung an originär kaiserlichen Themen um so ausführlicher über die spanisch-niederländischen sowie spanisch-französischen Verhandlun-gen berichtete
Vgl. exemplarisch Nr. 90.
. Die zu dieser Zeit zweitrangige Bedeutung Nassaus läßt sich auch daran dokumentieren, daß er die kaiserliche Hauptinstruktion vom 6. Dezember 1647
am 6. Januar 1648 noch immer nicht als Kopie aus Osnabrück erhalten hatte, da sie dort ununterbrochen benötigt wurde
[Vgl. Nr. 75] . Die Hauptinstruktion war am 25. Dezember 1647 in Osnabrück eingetroffen.
.
Nassau wurde im Dezember 1647 von einem schweren Gichtanfall heim-gesucht, der ihn für mehrere Wochen ans Bett fesselte
Benannt in
[Nr. 38.] Vgl., auch zum folgenden,
[Nr. 32] ,
[ 47] ,
[50] ,
[ 58] und
[63] . – Lamberg war im Dezember 1647 nur kurzzeitig bettlägerig (vgl. Lamboy an Lamberg, Köln 1647 De-zember 25. Ausf.:
KHA
A 4 nr. 1628/44 unfol.), Volmar berichtete zu Beginn desselben Monats über eine anhaltende Beeinträchtigung seiner Sehfähigkeit (vgl. Nr. 32), die ihn allerdings nicht ans Bett band. Krane scheint von den vier ksl.
Ges.
im Winter 1647/48 die beste körperliche Konstitution besessen zu haben, denn von ihm sind im Editionszeitraum keinerlei Berichte über Krankheiten oder Gebrechen überliefert.
. Die Wahrneh-mung seiner Gesandtschaftstätigkeit wurde hiervon jedoch nicht grund-legend beeinträchtigt, da ihm die Verlagerung des substantiellen Verhand-lungsgeschehens nach Osnabrück hier zugute kam. Besuche anderer Diplomaten (z.B. Peñarandas) empfing er an seinem Krankenlager, die Übermittlung der kaiserlichen Vorbehalte zum kaiserlich-französischen
[p. LVI]
[scan. 56]
Vorvertrag vom 11./14. November 1647 delegierte er an seinen Sekretär Geych
Vgl.
[Nr. 47.] – Am 13. Januar 1648 begann Nassau wieder damit, die
Ges.
anderer Mächte in deren Unterkünften aufzusuchen (vgl.
[ Nr. 85] , im folgenden exemplarisch
[Nr. 90] ,
[ 94] ,
[ 101] ). Bis zu diesem Zeitpunkt waren andere
Ges.
und die Mediatoren stets zu Nassau gekommen, ohne daß dieser, den Gepflogenheiten entsprechend, die Besuche erwiderte (vgl.
[ Nr. 54] ,
[ 63] ,
[ 77]
[, 81] ).
.
Kurz nach seiner Genesung erlitt Nassau jedoch zwischen dem 7. und 10. Februar 1648 einen Schlaganfall
Der gen. Zeitraum ergibt sich aus der vorerst letzten Osnabrücker Relation, von der in Münster eine vollwertige Abschrift angefertigt wurde (Relation vom 6. Februar 1648, d.i.
[ Nr. 113] ), und der ersten, bei der dies nicht mehr der Fall war (Relation vom 10. Februar, d.i.
[ 118] ). Volmar erwähnte den Vorfall erstmals am 13. Februar 1648 (vgl.
APW
[ II A 8 Nr. 4 bei Anm. 9] ).
. Die in seiner Kanzlei angefertigten Kopien der Osnabrücker Relationen änderten von diesem Zeitpunkt an grundlegend ihren Charakter, indem anstelle der vollwertigen Abschriften fortan nur noch Teilkopien und/oder Zusammenfassungen der Relationen aus Osnabrück erstellt wurden
Erstmals ist dies bei der Relation Lambergs, Kranes und Volmars vom 10. Februar 1648 der Fall (vgl.
[Nr. 118 Anm. 1] ). Für die Folgezeit vgl. ausführlicher
APW
[II A 8, LIV.]
. Der zeitliche Zusammenhang mit der ersten Erwähnung von Nassaus Schlaganfall durch Volmar am 13. Fe-bruar 1648 legt den starken Verdacht nahe, daß die Kanzleiführung in Münster durch die neuerliche schwere Erkrankung Nassaus in dieser Form beeinträchtigt wurde.
Am Kaiserhof war die Zufriedenheit mit dem Verhalten der kaiserlichen Gesandten, verglichen mit den vorausgegangenen Jahren, besonders im Januar 1648 außergewöhnlich gering. Die Gesandten wurden in drei Fällen ausdrücklich wegen ihrer Verhandlungsführung in grundlegenden Fragen gerügt, namentlich wegen des Fehlens kaiserlicher Vorbehalte zum kaiserlich-französischen Vorvertrag über die französische Satisfaktion
Vgl. die Weisungen vom 27. November und 18. Dezember 1647 (
[Nr. 13] ,
[ 52] ).
, wegen der Mitte Dezember 1647 herausgegebenen Erklärung über die Religionsverhältnisse in Niederösterreich
Vgl. die Weisung vom 11. Januar 1648, d.i.
[ Nr. 82.] Die ksl.
Ges.
hatten am 17. Dezember 1647 ohne entsprechende Weisung die Zustimmung des Ks.s zu den Regelungen über die Religionsverhältnisse in Niederöst. im Trauttmansdorffianum erklärt. Die gen. Erklärung war Bestandteil der Korrekturvorschläge der ksl.
Ges.
zum Trauttmansdorffianum (s. hierzu bei
[Anm. 131] ).
sowie wegen der Verhandlun-gen über den kurkölnischen Tauschplan zum dauerhaften Erhalt des Fürstbistums Osnabrück für katholische Fürstbischöfe
Vgl. die Weisung vom 22. Januar 1648, d.i.
[ Nr. 95.]
.
Darüber hinaus wurden noch drei weitere Punkte von den kaiserlichen Räten mißbilligt, ohne daß die Gesandten dafür jedoch ausdrücklich kritisiert wurden. Dies waren die Aufnahme der Klauseln betreffend die Religionsverhältnisse im Hochstift Hildesheim in den Textvorschlag zur
[p. LVII]
[scan. 57]
Autonomie im Reich, den die kaiserlichen Gesandten am 11. Januar 1648 den Gesandten der katholischen Kurfürsten übergeben hatten
Vgl. das
Ga.
dep.
Räte vom 23. Januar 1648 (d.i.
Ga.
I zu
[Nr. 97] ).
; außerdem die Herausgabe der Korrekturvorschläge zum Trauttmansdorffianum im Dezember 1647
Vgl. das
Ga.
dep.
Räte vom 17. Januar 1648 (d.i.
Ga.
zu
[Nr. 91] ). Wegen eines Einzel-aspekts der gen. Korrekturvorschläge wurden die ksl.
Ges.
auch ausdrücklich vom Ks.hof gerügt (wie
[Anm. 59] ).
sowie schließlich die Verhandlungen mit den schwe-dischen Gesandten über die
Declarationes ultimae der protestantischen Reichsstände Ende Januar 1648, weshalb die deputierten Räte den Ge-sandten vorwarfen, zuvor nicht hartnäckig genug bei den protestantischen Gesandten auf eine Erklärung zum gesamten Friedensinstrument ge-drängt zu haben
Vgl. das
Ga.
dep.
Räte vom 7. Februar 1648, d.i. zu
[Nr. 117.]
.