Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert

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Donnerstag, den 14. Decembris 1645. Titel de la Bardes. In discursu hat er sich [de la
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Barde] nach abgelegten complementen fürnhemblich auf die streitigkeit wegen verglei-
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tung der mediatstendten beworffen und es dhafür halten wöllen, wan nur vor die
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stette Stralsundt und Erfurdt würden gleidtsbrieffe außgefolgt werden, daß unß alß-
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dan die Schweeden bei diesem passu ferners nichts würden zumuthen. Vermeinte, man
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solte sich darin lenger nit aufhalten, sondern der cron Schweeden deferirn, sönsten
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dörffte sich die cron Franckreich des wercks mit annhemben, und es alßdan soviel
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desto schwehrer werden. Maßen bey dem puncto admissionis dergleichen beschehen
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und durch der ständte cunctirn, daß man die Heßen Caßlische ad sessiones zuzulaßen
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bedencken machen wöllen, verursacht seie, daß die cron Franckreich, umb solche ad-
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mission zu behaubten, die cron Schweeden zu hülff nhemmen müßen, selbe cron
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Schweeden aber sich durch solche gelegenheit wegen Magdeburg interessirt gemacht
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und endtlich beede cronen dhahin verbunden heten, daß diese für Magdeburg, iene für
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Heßen Caßel reden solte, entlich selbe stendte beede zugelaßen werden müßen, dha

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man zuvor mit zulaßung der Heßen Caßlischen von aller ansprach wegen Magdeburg
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heten befreyet seien khönnen.

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Dhagegen wir erinnert, daß man selbe bedencken ahn seinen orth gestelt sein ließe, die
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admission mit Magdeburg gleichwol eine solche newerung seie und so hochschädtlichs
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praeiudicium der catholischen religion im Römischen Reich, dergleichen von zeiten des
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religionfriedens niemahl gesehn worden. Ob man solches mit gutem gewißen thuen und
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dergestalt die catholischen religion im Reich untertrücken khönte, würde Gott urtheilen.
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Daß vornhembste kleinodt, waß die catholische stendte zu erhaltung der religion im
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Reich seithero gehabt, seie der geistlich vorbehalt, selbigen vorbehalt seie gleichwol
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durch dieses praeiudicium sehr nahe getretten, und habe derselbe so darzu geholffen,
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eine schwehre verantwortung bey Gott auff sich geladen.

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Der resident hat dhagegen behaubten wöllen, daß durch daß Magdeburgische reversal
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aller gefahr entgangen würde, wahr auch soviel von denen protestirenden eingenhom-
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men, daß ers dhafür halten wöllen, ob wehre der geistliche vorbehalt denen protesti-
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renden mit gewalt abgetrungen worden, wie wir daß gegenspiel behaubtet und dha-
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gegen angezeigt, daß der geistliche vorbehalt ein von den protestirenden selbst beliebtes
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weesentlich stück des religionfriedens seie, die catholische auch in ewigkeit selben reli-
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gionfrieden nit würden eingangen haben, wan ihnen nit hingegen selbige geistliche
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vorbehalt wehre eingewilligt und zu gutem außgedingt worden, unß auch auf die
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veriahrung und praeiudicia bezogen, daß man nach selbigem geistlichen vorbehalt
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sowol am Kaiserlichen cammergericht alß bey Kaißerlichem hoffe nun uber 80 jahr
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urtheil und recht gesprochen und in iudicando nachgangen, wie darüber vornheme
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praeiudicia alß mit Cölln

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Weihnachten 1582 war Gebhard, Kf. und Ebf. von Köln, zum Protestantismus überge-
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treten. Auf dem folgenden Landtag ließ K. Rudolf II. am 28. Januar 1583 verkünden,
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daß Gebhard infolge seiner Konversion sein Stift gemäß dem Geistlichen Vorbehalt ver-
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loren habe. Eine Koalition aus K., Papst und Domkapitel vollstreckte mit spanischer
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Hilfe diesen Spruch und brachte am 23. März 1583 Ernst von Bayern auf den Kölner
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Erzstuhl. Vgl. M. Ritter I S. 589–607 und K. Ruppert, Landstände S. 79–84.
und Straßburg

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In Straßburg war es am 2. Mai 1592 zu einer Doppelwahl gekommen. Der folgende
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Umschwung der politischen Verhältnisse in Europa und im Reich erlaubten es K.
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Rudolf II., der im April 1584 mit Berufung auf den Geistlichen Vorbehalt vergeblich
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den protestantischen Magistrat zum Vorgehen gegen die protestantische Minderheit des
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Kapitels aufgefordert hatte, doch noch seinen Rechtsstandpunkt durchzusetzen. Er be-
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lehnte im März 1599 den kath. Prätendenten Karlv. Lothringen mit dem Stift,
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nachdem dieser Erzhg. Leopoldv. Steiermark zum Koadjutor angenommen hatte. Vgl.
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M. Ritter II S. 38–156 passim.
verhanden, hatt er unsere information nit
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recht anhören wöllen.

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Veneris 15. eiusdem. Auß befehl ihrer excellentz, herrn graven von Thrautmansdorff,
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bin ich, Crane, zu denen Churmentzischen gangen, umb mit denselben uber die formb,
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wie sie etwah vermeinten, daß die gleidtsbrieff für die stätte Erfurdt und Stralsundt
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(alß für welche dieselbe von denen Schweedischen fürnhemblich begehrt würden) ein-
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zurichten, zu unterreden.

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Die haben sich aber darüber nit einlaßen wöllen, sondern angezeigt, daß chur-, fürsten
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und stendte abgesandte diese materi zu der sämbtlichen ständte ehisten beykhombst
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verwiesen, alß gebühre ihnen, solchen Schluß zu inhaerirn. Zudeme heten sie von irer
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churfürstlichen gnaden zu Mentz

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Anselm Casimir Wamboldt von Umstadt (1583–1647), Ebf. und Kf. von Mainz
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(1629–1647), Reichserzkanzler, ein treuer Parteigänger des K.s und Spaniens. Vgl.
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ADB I S. 479–480 und NDB I S. 310 .
deütlichen befehl, in vergleitung der stadt Erfurt
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anderer gestalt nit zu verwilligen, es würden dan neben selbiger stadt auch gleidts-
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brieffe für noch mehr andere begehrt. Weiln aber neben Erfurdt kheine andere alß

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Stralsundt benendt würden, müsten sie es dhafür halten, daß ihre instruction nit
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zulaße, für die stadt Erfurt einzuwilligen. Drittens müste auch daß ius superioritatis in
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den gleidtsbrieffen außtrüddidi außgedingt und eine reservatori hineingerückt wer-
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den, daß dieienige mediatstätte, so vergleitet werden sölten, alhie nichts tractirn oder
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handtlen sölten, so der landtsfürstlichen obrigkeit zuwieder seie. Ehe nicht mit den
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anderen Reichsständen über diesen Vorbehalt verhandelt, wollen sich die Mainzer nicht
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weiter äußern.

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Von denen Churmentzischen bin ich zu den Churbrandeburgischen gangen und den-
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selben obgemeltes gleichergestalt fürgehalten. Die haben sich verwundert, daß die
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Schweedische vor die stadt Stralsondt dergleichen gleidtsbriefe begehren sölten, nach-
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demahl dieselbe ihnen, Churbrandeburgischen, in handt versprochen hetten, für die
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statt Stralsundt dergleichen nit zu begehrn, die Stralsondische abgeordtnete auch schon
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underweegs und etwoh ehender hie sein würden, alß die forma der gleidtsbriefe ver-
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gliechen und eingerichtet sein. Wölten den sachen waß nachdencken, sich mit den
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Churmentzischen underreden und hernacher hirüber gegen unß vernhemmen laßen.

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