Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
Gleich bey abgehung dises curriers kombt mir des herrn brudern schreiben de dato 1.
Februari , warinnen man sich über die von ihr excellenz dem herrn obristen hoffmaister
gegen dem Dr. Krebsen gethane erwehnung haubtsachlich beschweren thuet. Daß nun
der herr brueder vermeint, daß es bey unß groser stimulorum zu erkantnus der
allgemeinen miserien bedarff, daß würdt unserseiths nicht anders aufgenommen, alß das
es von gueter affection herfließ. Er glaub aber, daß wir dieselbige so guet alß die herrn
erkennen und auf ewern selbsteignen gefehrlichen und betrüebten zuestandt, wan sie
sich die consilia separationis übergehen liessen, alß sie selbst reflexion machen und in
ihren unsere miserias, dieweil billich alles für ein geblüet zu schäzen, umb soviel
mehrers erkennen und betauren, dieweil wir sehen, daß man ihnen wohl entgehen
kunte, wan man nur wolte, in selbige aber sich und unß praecipitiert, nit das unnß das
unglückh so weit stürzt, sondern dieweil man in mehrers unglückh sich selbsten stürzen
will.
Seithero würdt der herr brueder mein beantworttung auf seine schreiben empfangen
haben. Anlangent wessen sich des herrn graffen zu Trautmanstorff excellenz gegen dem
Dr. Krebs vernemmen lassen , einer der vil gedultiger alß der Job wer, müeste die
patienz verliehren, wan er ein werkh, waran der ganzen christenheit heil und wohlfart
gelegen und darüber man 16 jahr zu tractiern consumirt, so weit gebracht sähe, daß man
fast beim schlues, hingegen alles, was verhandlet und waran alle potentaten der welt
gearbeittet, durch ein unzeittige praecipitanz eines einzigen so hoch dabey interessirten
disturbierter, wo nit gar verderbter sähe. Ihr herrn müest und habt selbsten dem herrn
obristen hoffmaister die zeugnus geben, daß er sich ewers interesse so guet alß ihrer
Kayserlichen majestätt angenommen, und ungeacht ihme stimuli nit gemangelt, in der
Pfalzischen sachen nicht so genaw zu gehen und der ganzen christenheit tranquilitet
deretwegen in compromiss zu sezen, so hat er sich doch dergleichen nie schrekhen, nie
alteriern lassen, die herrn aber, gleich indem man in conclusione pacis ist und umb
deren willen so viel provinzen, landt und leüth nachsicht, wollen, quidquid pro spe
pacis supererat, mit einziger ihrer unzeittiger resolution alterieren und alle beim
friedenswerkh interessirte theill andere consilia machen fassen, gestaltsamb iüngst
einkommenes prothocoll mit mehrerm zeigt.
Anlangent waß der herr bruder auf des herrn obristen hoffmeisters erinnerung erwehnt,
das ihrer churfürstlichen durchlaucht herzlich leid sey, daß sie ad ista extrema nunmehr
reduciert worden, daß ihro pro salvatione propria nichts mehr alß dise particulartracta-
ten überig und sie umb unser und des Reichs willen disem werkh so lang zugesehen, biß
sie ganz undüchtig worden und also sich anderer discretion gleichsamb underwerffen
müessen, da sie zu zeiten, daß ihre waffen besser floriert, hetten können mit ehr,
reputation und vortheil von dem krieg desistieren und anderen, die damit zu grundt
gehen wollen, zuesehen, da glaub der herr brueder, daß ihrer Kayserlichen majestätt nit
weniger alß der churfürstlichen durchlaucht leid ist, daß sie in solchen standt gebracht.
Es seye aber seiner churfürstlichen durchlaucht andere eluctationsmittel alß einzige
particulartractat überig und leichtlichen zu erachten, daß die gegenthail, wan sie es
aufrichtig mit dem herrn churfürsten meinen, ihro ebenso gern ihr salvation mit unß alß
ohne unß, von denen sie gleichwol so statliche emolumenta zu empfangen, gönnen
werden. Ihre churfürstliche durchlaucht, unser gnedister herr, haben nie anderst alß
löblich und rühmblich gethan, daß sie umb ihrer Kayserlichen majestätt und des Reichs
willen so lang zuegesehen; sie seindt auch so undüchtig nicht worden, daß sie dem
werkh biß zu endt deß so weit gebrachten friedens nit zuesehen können. Solten sie zue
den zeitten, da ihre waffen besser floriert, abgesezt und vom krieg desistiert haben, ist
ungewiß, ob sie sich nit in weit ärgerm standt befänden, alß sie sich iezo befinden. Alle
zeit aber wurd die ehr und reputation bey weitem so groß nit sein, alß ihre
churfürstliche durchlaucht also solche erhalten haben, und pflegt wohl zu geschehen,
daß in dergleichen coniuncturen dieiehnigen, so die nachbarn zu grundt nur wollen
sehen gehen, spectando eher alß andere sich verliehren.
Daß nun fürs ander der herr brueder wünscht, daß wir die consilia pacis zu rechter zeit
ergriffen und nicht zugetrawet [!] hetten, biß der feindt alle creiß unß entzogen, alle
mittel benommen und gleichsamb in die erblandt eingeschlossen, auß welchen wir nun
den krieg füehren müesten, wie lang aber dises tauren werde, Gott allein wissent seye, so
gehe der herr bruder doch umb Gottes willen in die acta pacis zuruckh unnd lasse
darinnen aufsuechen, wehr früeher oder späther in negotio pacis zue zuruckhlassung
landt, leüth, vestungen, iurium und dergleichen sich resolviert. Man lege die Österrei-
chischen erklärungen neben allen andern in puncto praetensae satisfactionis interessirten
und sehe, wer die ersten und wer die leisten gewesen, denen die liebe der allgemeinen
ruehe mehr und weniger extorquiert. Die crais und vil mehrers seindt auch andere mahl
verlohren gewesen, aber auch wider recuperirt worden. Dan würdt man sagen, daß dem
Reich sehr grosse mittel benommen, wan ein ganzes corpus wie das churfürstliche ohne
verlust eines manns, nur umb verlust eines winterquartiers, die waffen niderlegt. In die
erblandt seindt wir nur eingeschlossen bis uf künfftige campagna, daß unser armada
wider auf den bainen ist. Begern auch nit, das es lang, sondern nur bis zum friden daure,
den wir haben können, wan die herrn sich und unß solchen nicht auß den händen
ziehen.
Betreffendt vors dritte, daß wir die Spannischen consilia redlichen Teütschen, mit
vinculo sanguinis und Germana sinceritate bekräfftigten erinnerungen sinceriert, waiß
ich in der warheit nit, waß der herr bruder eigentlich vermeint. Solte es gezogen wollen
werden, daß man sagt, sie seyen ein uhrsach gewest, daß man anno 1627 nit friedt
gemacht
Im Jahre 1627 hatte Kf. Maximilian I. von Bayern (1573–1651; 1623 Kf.) die maritimen
Pläne Spaniens und die Kriegsführung Wallensteins (1583–1634; 1625–1630 und 1631/
1632–1634 Generalissimus der ksl. Armee) nicht unterstützen, sondern mit Hilfe frz.
Vermittlung einen Frieden mit Dänemark abschließen wollen ( Ritter III S. 354–361).
mans aber außdeüten, daß sie etwan von unß unterschietliche succurs empfangen, so
werden sie vermelden, sie hetten unß nit weniger zu mehrmahlen geholffen. In summa
ich waiß nit und kans nit begreiffen, warumben euch herrn die Spanier ein solcher dorn
in augen seindt, da sie doch allezeit für eüch, die Franzosen allzeit wider eüch gestritten,
da doch ewer conservation mit der Spanier erhaltung connexa, ewer und der Franzosen
subsistenz incompatibilia seindt.
Daß wir nit erkennen sollen, wie es mit unserm gelt, profiant, officier, unterhalt etc.
beschaffen, daß kan man unß nicht zeichen, dan wan wir nicht diß alles miteinander
genuegsamb erkhenten, so wurden wir nit so viel landt und leüth, umb das kriegs quitt
zu sein, dahinden lassen. Im übrigen so seindt die pacta zwischen beeden heüßern klar;
es ist darinnen begriffen, wie man sich in krieg einlassen, wie man beysammen stehen
und wan einer ohne den andern friedt könne machen
Im ksl.-bayerischen Münchener Vertrag vom 8. Oktober 1619 (Druck: BA I.1 S. 242–247)
hatten sich beide Vertragspartner verpflichtet, nicht ohne Wissen, Zuziehung und Zustimmung
des anderen einen Waffenstillstand, ein Neutralitätsabkommen oder einen Friedensvertrag
abzuschließen. Auch im Stuttgarter Vertrag vom 19. November 1634 (Druck: Aretin S.
183–187) war Ähnliches vereinbart worden. Nach ksl. Auffassung war die kurbayerische
Armee nach 1635 ein Teil der dem Ks. unterstehenden Reichsarmee ( Haan, Reichsabsolutis-
mus).
geringste unterlassen, wan man nit alle ewere consilia gern und ultro acceptiert, wan wir
eüch mit allem demiehnigen, waß unnß noch übrig gewesen, nur einmahl verlassen
hetten, wan ein einziger dergestalt noch armierter und mit ihr Kayserlicher majestätt
vinculierter churfürst dergleichen gethan hett, wan der friedt so weit were, daß ihre
churfürstliche durchlaucht nit mit mehrerer sicherheit demselben zuewartten alß sich
allein also precipitieren kunten, so liessen sich villeicht des herrn brudern argumenta
hören. Dergestalt aber wüste und kunte ich sie einmahl nit defendieren, nicht allein
deretwegen, daß es einmahl wider die allerseittige obligationes lauffen thuet und indeme
ihre Kayserliche majestätt in keiner sachen, soviel in ihrer macht, es seye in fridens- oder
kriegshandlungen, iemahls gegen den herrn churfürsten in mora gewesen, sondern daß
ich auß dergleichen praecipiti consilio anstatt des herrn churfürsten mehrern salvation
desselben und seines ganzen hauß mehrere gefahr und ruina für augen siehe, der mit
einer bestendigen zusambensezung auf ein kurze zeit noch gesteürt kan werden.