Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
Wenn diese Resolution der endgültige Bescheid des Ks.s ist, muß ich meine Rückreise antreten,
zumal die Angelegenheiten wegen der drohenden großen Gefahr keinen Aufzug leiden. Doch
bitte ich um die Erlaubnis, mein Anliegen noch einmal deutlicher zu erklären, damit es
nochmals besser erwogen werde.
Die substanz aber und ganze scopus meines memorials und anbringens stehet in disen 3
puncten:
1. Super notoria et evidente inpossibilitate et defectu mediorum, den krieg zu fiehren; 2.
super necessitate inevitabili, einen gemainen friden auch quocunque modo fürderlich zu
schliessen; 3. das ihre churfürstliche durchlaucht in widrigen nit allein aus natürlichen
und politischen hochvernünfftigen, ganz billichen, antringenden und unwidertreiblichen
ursachen, sonder auch gewissens und pflicht halben genöttigt sein, ja anderst nit thuen
noch gegen Gott und ihrer posteritet verantwortten khünden, sich, ihre geliebste frau
gemahlin, künder und ganzes haus wie auch landt und leüth, forderist die alleinseligma-
chende religion vor entlichem undergang, der schon vor der thür und nichts gewissers ist,
durch andere mitl und particularaccomodation, so guett sy stattfünden khünden, zu
salviern und zu erretten, also das die frag nit ist und derowegen unnöttig, ihre
churfürstliche durchlaucht zu ermahnen und zu adhortiern, das sy sich nit in particulari
accomodiern, zumahlen sy selbst lieber nit wolten, sonder sy sein darzue wider ihren
willen neccessitiert und getrungen. Und sein dise 3 propositiones also aufeinander
connectiert und gericht, das, wan man aller vernunfft nach darvon iudiciern und
schliessen, auch die principia naturae et omnium gentium nit gar beiseiz stellen will, aine
nottwendig aus der andern folgen muess. Vor allem möchte ich eindringlich betonen, daß
der Kf. von Bayern bisher aufrecht und treu gehandelt hat und sich auch jetzt nur für das
gemeine Wohl einsetzt. Außerdem ist der Kf. überzeugt, vernünftig, dem natürlichem Recht
aller Völker gemäß und nach seinem Gewissen und seiner Pflicht zu handeln.
His praemissis auf die erste proposition notoriae et evidentis impossibilitatis ac defectus
mediorum ze khommen, so ist ja die sachen so clar und unwidersprechlich, das es
khainer demonstration bedarff. Dann ihre churfürstliche durchlaucht haben die mitl
ainmal nit, man glaube es gleich oder nicht. Und würdts ein ieder unpartheyischer vil
lieber und leichter ermessen und glauben, als wan man sagen und inaniter iactiern solte,
ihre churfürstliche durchlaucht und dero in grundt verderbte landt, welches der laidige
augenschein zaigt, hetten noch mitl genueg, den krieg wider ein solche potenz zwayer so
mächtigen, victorios und triumphierenden cronen und ihrer adhaerenten, denen die
mächtigisten könig und potentaten in Europa widerstandt ze thuen nit vermögen, zu
fiehren, dann sy haben weder gelt, pferdt, armaturn, profiant und anders, sonder ein
erschöpfftes, von feindt und freundt in grundt verderbtes landt, und wie khünden sy
dann daraus einen so cosstbaren krieg wider so mächtige potentaten fiehren? Wan sy 2
oder 3 königreich, 3 oder 4 fürstenthumb hetten, so khunden sy vileicht ain oder das
ander in die schanz schlagen und gedenckhen, sy möchten sich und die ihrige noch
underhalten und das verlohrne khünfftig widerumb recuperiern. Es ist sich vilmehr zu
verwundern, das ihre churfürstliche durchlaucht und dero landt 28 jahr hero einen so
cosstbarn krieg fiehren khünden. Wer nichts glauben, sonder weiss für schwarz halten
will, der negiert prima principia, und ist mit ihme secundum rationem weitter nit zu
handlen. Das aber andere stendt des Reichs den krieg zu fiehren nit vermögen, das
bekhennen und bedeüren sy ebenmessig, ist auch so clar alß die sonnen. Und haben sy es
vergangene jahr nit vermögt, so vermögen sy es hinfüro noch vil weniger, weilen der
Fränckhisch und Schwebische craisß, welche bißhero, zwar mit eisserister betrangnus,
bei den wintterquartiern etwas gethan, aber nunmehr in des feindts banden. Die andere
stendt und craiß aber sein aintweder auch in der feindt banden oder ganz zu grundt
gericht oder haben sich durch die neutralitet und particularaccomodation aus den sachen
gezogen.
Ob und was aber ihre Kayserliche majestät für mitl haben, das wissen ihre churfürstliche
durchlaucht nit, aber das wol, wie in meinem memorial auch angedeitt, das ihr
Kayserliche majestät von ihrer churfürstlichen durchlaucht gelt, pferdt, artelleria, muni-
tion, profiant und fuehrwerck begert, welches sy nit wurden gethan haben, wan sy die
mitl selbst hetten, inmassen dan ihrer churfürstlichen durchlaucht die vorgelichne
profiant yber öffters ansuechen bißhero nit erstattet noch mir auf mein memorial
deßhalben ainicher bschaidt erthailt worden. Es hat zwar herr von Traun, alß er
iungstlich bei ihrer churfürstlichen durchlaucht gewesen, sich vernemmen lassen, das
etliche ihrer majestät räth der mainung sein, das im Römischen Reich noch wol mitl
vorhanden, den krieg weitter zu continuiern und man derowegen noch nit in den
extremiteten begriffen sei, wie andere sichs einbilden wöllen. Man hatt aber dise blosse
anschleg und lähre hoffnungen, so nur in speculatione stehn, bishero practice nit
demonstriern noch zaigen khünden, wo dergleichen mitl, welche wider solche mechtige
feindt bei ihren alberaith inhabenden starckhen vorthlen, pässen und landten genuegsam
und erkleckhlich und sich darauf zu verlassen sei, zu finden, dan mit solchen blossen
einbildungen und anschlegen lasst sich der krieg nit fiehren noch der feindt schlagen,
sonder es muess das werckh und die thatt selbst darbei sein.
Man möchte vileicht wol leith und vorschleg findten, die dahin gehn, das, weilen sedes
belli dermalen nit in ihrer Kayserlichen majestät erblandten, sondern in Schwaben und
Bayrn, das man noch so gar mit mitlen nit aufflige noch zu denen conditionen, wie die
cronen begern, ursach habe. Es ist aber eben darumben mit dem krieg desto weniger
fortzekhommen und der friden desto mehr zu befürdern, weilen nunmehr das Reich
vasst ganz in der feindt handen, darzue ein lautters scheleton und zu continuation des
kriegs nichts thuen khan, auch ihrer majestät erblandt mehrernthails ruiniert, thails vom
feindt occupiert und die ybrige zu fiehrung des kriegs nit bastant sein, wie ihre
Kayserliche majestät solches selbst besser wissen und in der thatt bekhennen, weilen sy
die requisita zum krieg bei andern suechen.
Wie es mit den wintterquartiern, so ein fürnemmes haubtstuckh des kriegs ist, beschaf-
fen, das ist laider am tag und darzue khein mitl zu ersinnen. Dan weilen der feindt an der
Thonau einen vessten fuess gesezt und dem ansechen nach nit darvon zu treiben, auch in
Bayrn die vesstung Rhain in seinen handten ist, so hatt und behelt er zu seinen quartiern
den Fränckhischen und Schwebischen craisß, auch einen thail in Bayrn. Und weilen
unmüglich, das volckh yber wintter in Bayrn zu erhalten, so würdt der feindt noch
weiter hineinruckhen, ihrer Kayserlichen majestät und churfürstlichen durchlaucht
armaden aber aus mangl der quartier unfelbar zu grundt gehen und sich verlauffen oder
besorglich gar in unwillen und desperation gerathen miessen; warzue sy umb so vil mehr
anlasß, weilen sy sich weder quartier noch guetten außgangs zue getrössten und ohnedas
aller respect und disciplin bei der armada et sine spe remedii verlohren, dergleichen
unwillen und auffstandt lestlichen auch von landten und underthanen, wan sy sich
kheines fridens zu getrössten haben, zu besorgen ist. Auff auslendische hilffen, man sage
und hoffe, gleich was man wöll, ist sich umb so vil weniger zu verlassen, weilen dieselben
ihnen selbst nit helfen khünden.
So ist auch auf khunfftige besserung oder guette effect des kriegs khein hoffnung zu
machen, dan weilen mit iezigen florierenden, aus ihrer churfürstlichen durchlaucht
landten und mit dero eisseristen verderben zum lesten mahl wolaußgerichten und
gestaffierten armaden, welche mit profiant, munition, artelleria und aller notturfft
fürsechen, auch mueth und lusst an den feindt hatt, wenig gericht und dem feindt sich an
der Thonau zu stabiliern und zu sterckhen lufft gelassen würdt, so würdt khunfftig, da
die armaden an volckh, pferdten und anderm in khürze abnemmen muesß, noch weniger
ze richten und ze hoffen, auch khein mitl mehr ybrig sein, dieselben widerumb in ein
solchen standt zu richten und mit aller notturfft zu fürsechen, weilen khein solches
curfürstenthumb mehr zu aufricht- und underhaltung der armaden vorhanden, sonder
allein disß noch ybrig ist, auch necessario und ohne alles widersprechen erfolgen würdt,
das, gleichwie die feindt von jahrn zu jahren hero, da man noch bessere mitl zur
defension und widerstandt gehabt, ain landt, ain pasß, ain plaz, ain wasserstrom nach
dem andern und lestlichen die Thonau und Bayern, so ihme allain gemanglet, in sein
gewalt gebracht, sy khunfftigs jahr den resst und also das ganze Römische Reich ohne
sondere miehe und widerstandt in ihren dominat und gewalt bringen und dasselbe sambt
der religion undertruckhen, auch von khainem tractat und friden mehr hören, sonder in
politischen und religionssachen alles nach ihrem arbitrio und willen machen werden.
Wan doch nur ein ainzige hoffnung oder realmitl, so probabil und zu demonstrirn,
vorhanden wäre, das man nur das wenige, so noch ybrig ist, erhalten (dan bei oberzelter
wissentlicher beschaffenheit das verlohrne per arma zu recuperiern hatt gar khein
apparenz noch hoffnung), so möchten etwan dieyenigen, so andere gedanckhen haben,
etwas zu entschuldigen sein. Aber weilen weder zu erhaltung des ybrigen noch zu
recuperierung des verlohrnen khain mitl verhanden, sonder nichts anders alß totalis
interitus und völlige undertruckhung zu gewartten, so ist ja besser und aller vernunfft
gemesser, wie auch zu allen saeculis und erst under disem wehrenden krieg von
underschidlichen practiziert worden, das, wan man ye nit khan, wie man will, aufs
wenigist thue, wie man immer khan.
Aus disem fundamento folgt nunn vernünfftig, necessario und consequenter, das die
andere propositio super necessitate inevitabili, einen gemainen friden auch quocunque
modo fürderlich zu machen, fundiert ist, weilen inter bellum et pacem khein mitl und,
wer nit kriegen khan, den friden, wie er denselben haben khan, annemmen muesß; mit
welchem umb so vil mehr zu eilen und ein ganzes zu machen, damit hernach, wan es ad
extrema khommen und alles verlohrn, nit alle hoffnung zum friden aintweder gar
verlohrn oder die conditiones so schwer gemacht werden, das man winschen wurde, man
hette gefolgt und dises oder yenes vergeben, ingestalten man dan eben heur den
frembden cronen solche conditiones landt und vesstungen offeriern miessen, das man
vileicht vor 2 oder 3 jahren, wie mans treulich vorgesagt und gewahrnet, mit wenigern
schaden hette friden machen und aus den sachen khommen khünden. Es vergeben nur
ihr Kayserliche majestät yber das noch ein mehrers, so würdt es doch alzeit besser sein
alß alles verliehrn, und noch ze hoffen, es werde der allmechtig Gott, in cuius manu
conversiones regnorum et vicissitudines rerum sunt, noch andere und bessere mitl, daran
der mensch nit gedenckht, schickhen. Wegen der cron Franckhreich satisfaction ist man
verglichen, wegen der Schwedischen aber, wan sy mit ganz Pommern und was darzue
offeriert worden, ye nit content sein wollen, wäre ohne masßgebung rathsammer, etwan
noch etwas in die schanz zu schlagen als in disen miseriis et periculo amittendi omnia zu
bleiben. Und wan nun beeden cronen also ihr satisfaction, welche vornemblich in den
politicis bestehet, geben würdt, so ist nit zu zweiflen, man werde mit den protestierenden
wegen ihrer gravaminum in puncto religionis auch desto besser fortkhommen und sy ad
mitiora consilia vermögen, zumalen sy ihre exorbitantia und ganz unbilliche postulata
bißhero allein darumben so starckh behauptet, weilen die Schwedische plenipotentiarii
sy immerzue darauf gesteifft haben, in hoffnung, ihr satisfaction durch assistenz der
protestierenden desto eheunder hindurchzutruckhen. Derowegen, wan die Schwedische
ihr begerte satisfaction erlangt, werden sy khein ursach haben, sich weitter an die
protestierende so starckh ze hengen und ihnen in ihren postulaten solchen beistandt, wie
bißhero geschechen, zu laisten, sonder verhoffentlich sich neben den Französischen
plenipotentiarien selbst bemiehen, sy, die protestierende, zu billichmesßigen vergleichs-
mitlen zu disponiern. Es würdt auch leidenlicher und verantworttlicher und ir majestät
zweifelsohne selbst dahin incliniert sein, den Schwedischen zu agiustierung ihrer
satisfaction etwas in politicis nachzugeben alß den protestierenden in ihren zu der
cathollischen religion unwiderbringlichen schaden und genzlichen außtilgung geraichen-
den postulaten zu willfahren.
Da nun bei disem allem der gemaine friden nit baldt beschlossen werden wolte und solte,
so ist fürs dritte aus meinem memorial und mündtlich mehrers außgefiehrten umbstend-
ten ainmahl richtig und pro decreto certo ac imutabili zu halten, man glaube es gleich
oder nit, das ihre churfürstliche durchlaucht, mein genedigister herr, aus wissentlicher
eisserister necessitet getrungen, dann gewissens und pflicht halben, so sy gegen iren von
Gott anvertrautten landten tragen, schuldig und in eventum bestendig resolviert sein,
sich, seine Familie und sein Land vor dem endgültigen Untergang zu retten, zumal er nur
dieses eine Land zu verlieren habe. Ihm tue diese Entscheidung leid, aber er glaube, wegen
seiner langen Dienste und der nahen Verwandtschaft zum Ks.
Kf. Maximilian I. von Bayern (1573–1651; 1623 Kf.) war in zweiter Ehe mit der Schwester
des Ks.s, Ehg.in Maria Anna (vgl. [nr. 33 Anm. 1] ) verheiratet. Seine eigene Schwester, ebenfalls
Maria Anna mit Namen (1574–1616) ( Stammtafeln I Tafeln 16, 25), war die Mutter
Ferdinands III.
zugemutet werden. Auch der Ks. werde gerne sehen, wenn dieses alte Kurhaus erhalten bleibe.
Auf jeden Fall sei sich der Kf. sicher, für Ks., Reich und gemeines Wesen, für Gott und die
kath. Religion sein Möglichstes getan zu haben.
Über dieses bitte ich um eine andere und genehmere Resolution, damit ich die Rückreise
antreten kann.