Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
Habe ich, Crane, den Schweedischen gesandten Salvium wegen ihme zugestandenen
unpäßlichkeit heimbgesucht, denselben aber nit so schwach, alß es außgeben worden,
befunden. Meine herzukhombst ist demselben angenhemb gewest, und nachdeme wir
eine graumbe zeit mit allerhandt privatdiscursen, so kheiner relation würdich, zuge-
bracht, ist der Oxenstern auch herzukommen, wohmit es dan gelegenheit gegeben, auch
materiam pacis zu berühren. Der Salvius vermeldete, daß er die sachen bey diesen
tractaten nuhmehr also praeparirter befünde, daß zwischen hir und newen jahr der
friede gar wol könte geschloßen werden, dan laße sich bey allen interessirten ein
sonderbares desiderium pacis vermercken. Der Oxenstern exaggerirte in specie, wie
hoch die cron Schweden den frieden und er für sein particulare gern wieder in
Schweeden zu sein verlange. Ich, daß an seithen Kayserlicher mayestätt das werck selbst
rede. Und wans bey deroselben allein stündte, würde man auch heüd schließen und biß
zum newen jahr dhamit nit zuzuwarten nötig haben. Man erwarte mit höhistem
verlangen auf die erclehrung auß Schweeden, dhamit zuvorderist der punctus satisfactio-
nis coronae Sueciae moege richtig gemacht werden.
Salvius: Man habe doch ire volmacht gesehen, und seie man wol dhamit zufrieden
gewest.
Ego: Man seie auch noch dhamit zufrieden und dieselbe dießeits niemals in einigen
zweifl gezogen worden. Weiln aber sie, Schweedische gesandten, selbst sich defectu
mandati bey diesem passu entschüldigt und es für eine notturfft erachten wöllen,
vorhero sich bey königlich Schweedischen hoffe fernerer instruction zu erholen, hette
mans dießeits auch beschehen laßen müeßen. Wan sie sich aber gnugsamb plenipotenti-
irter befünden und es unnötig zu sein erachteten, auf die antwort auß Schweeden zu
warten, so sölten sie sich mit irer erclehrung auf iüngste durch unß in nahmen
Kaiserlicher majestätt und des Reichs beschehene offerta lenger nit aufhalten. Der
Oxenstern: Man solte zuvoderist sehen, wie man bey Churbrandeburg consensum
erwerbe. Scheine, daß man sy mit selbigem churfürsten gedencke zu committiren. Der
seie ein mächtiger churfürst und der cron Schweeden gelegenheit nit, mit demselben in
krieg zu gerathen. Man könte demselben wol ein aequivalens auß Silesien verschaffen
oder mit geldt contentirn. Man sölte es nur einmahl versuchen und geldt anerbiethen,
möegte sich etwoh ire churfürstliche durchlauchtt dhamit befriedigen laßen.
Ego: Wir verpleiben in terminis factae oblationis. Darüber müße sich die cron
Schweeden vorhero erclehren. Wan solches geschehen, würde hernacher von contenti-
rung irer churfürstlichen durchlauchtt zu Brandeburg zu reden sein. Solches gienge aber
die cron nit an. Die hette sich auch dhabey kheinsweegs interessirt zu machen. Die
oblatio seie nit beschehen, umb die cron mit irer churfürstlichen durchlauchtt aneinan-
der zu pringen, sondern umb dieselbe in allen fall, auch wan die interessirten nit wölten,
der offerirten satisfaction zu versichern, ja würde solchergestalt ir churfürstliche
durchlauchtt viel mehr mit Kaißerlicher mayestätt und dem Reich alß der cron
Schweeden zu thuen bekommen. Die würden sich aber alß haubt und glieder verhof-
fentlich wol miteinander vergleichen und die churfürstliche durchlauchtt auf Kaißerli-
cher majestätt und sambtlicher stendte des Reichs beweglichs zusprechen sich weisen
laßen, bevorab weiln Kaiserliche majestätt mit einem heroischen exempl fürgangen und
von iren erbpatrimonialgütern so ansehentliche stücke zurückgelaßen. Es könte aber mit
der churfürstlichen durchlauchtt nichts negotiirt werden, solang der punctus satisfactio-
nis nit richtig seie, dan das aequivalens müße ie nach dem quanto, so der cron
Schweeden würde eingeraumb werden, angeschlagen werden. Auf Silesien oder einige
particul von den Österreichischen erblanden seie khein absehen zu machen. Kaißerliche
Maiestätt wollen dhavon nit hören. Die hetten schon so viel hergeben, alß sie
herzugeben gedächten. Seie auch unbillich, deroselben ein mehrers zuzumuthen.
Oxenstern: Sie wölten die sachen noch waß in bedencken ziehen. Es lige aber nit allein
ahn dem puncto satisfactionis pro corona, sondern es müsten auch die protestirende
stendte ire satisfaction haben, bevorab aber die gravirte, und alles wieder in standt, wie
anno 1618 gewest, gesetzt werden. Dan das seie der haubtpunct der satisfaction, darumb
würde der krieg geführt, und ohne selbiger gravaminum abhelffung sey die anerbottene
satisfaction gleichsamb vonnichten. Sie vermeinten aber, es sölte auch wol auß selben
werck zu kommen sein, wan die sachen zwischen unß, den Kaiserlichen, und ihnen,
Schwedischen, möegte vergliechen und von beeden theilen in unß beederseits compro-
mittirt werden. Die protestirende würden ihnen deswegen gern commission auftragen,
die catholische müsten auch dergleichen denen Kaiserischen thuen. Seie sönsten zu
befahren, daß die stendte mehr dörfften aneinanderwachßen alß einig werden. Ego: Wir
under unß würden viel weiniger darüber einig werden können. Seie eine materi, so die
stendte principaliter angehe. Hetten beederseits ire prothocolla und die beste nachrich-
tung, wie es für und nach in religionssachen hergangen, wüsten, wie einer dem andern
begegnen und informirn sölte, welches unß beederseits, bevorab aber denen Schweedi-
schen abgehe. Es würden auch die catholische denen Kaiserischen dergleichen gewaldt
nit einraumen, sondern immediate selbst mit iren nebenstendten daraus reden wöllen
nach dem modo, der fast von 100 jaren her in hac materia seie gehalten worden, und
würden sich nit wöllen daraußsetzen laßen.
Illi: Hielten diese materi für die wichtigste. Auß den ubrigen difficulteten würde noch
wol zu kommen sein. Die gantze Schweedische armada nhemme sich umb dies werck
sehr eiffrig ahn und wölle es fast für ein religionkrieg halten. Hette an sie geschrieben,
daß der religion wölten eingedenck sein, dan derentwegen führten sie den krieg und
wagten leib und leben, dhahero sie, Schweedische gesandten, hiebey behaitsamb gehen
müsten. Die protestirende liggen ihnen auch an. Die wölten 1. den geistlichen fürbehalt
für ein weesentliches stück des religionfriedens nit erkennen, sondern nur auf 100 jahr
oder solang alß ihnen die geistliche güeter zu behalten würde verwilligt werden, gelten
laßen, 2. das ius emigrandi auch voluntarium und in macht der underthanen zu stehen
verstanden, sodan die autonomiam, woh nit durchgehent im Reich, weenigst in denen
erblanden zugelaßen haben, dan dha hetten die underthanen durch gewiße pacta
In den ksl. Erblanden und im Kg.reich Böhmen hatten der Ks. oder die Ehg.e von Österreich
seit dem letzten Drittel des 16. Jh.s mit den prot. Ständen ihrer Länder Religionsvergleiche
geschlossen oder diesen Privilegien erteilt bzw. Assekurationen gegeben. Die wichtigsten von
diesen waren im Ehgt. Innerösterreich die Pazifikationen der Jahre 1572–1578 (Druck:
Loserth S. 32–101), in den Ehgt.ern Österreich ob und unter der Enns die Konzessionen vom
18. August und 7. Dezember 1568, die Assekuration vom 14. Januar 1571 (Druck: Kuzmány
S. 4–5) sowie die im Jahre 1610 erweiterte Kapitulation vom 19. März 1609 (Druck:
Ebenda S. 9–13) und in Böhmen und Schlesien die Majestätsbriefe vom 9. Juli (Druck:
Ebenda S. 23–34) und vom 20. August 1609 (Druck: Konrad S. 93–100) ( Mecenseffy
S. 44–139).
dieselbe schon erworben und an sich pracht, der maiestetbrief allein denselben 96
tonnen goldts gecostet. Die würden sich also lehr nit können abweisen laßen, dhahero
müße hirin auf temperamenta gedacht werden, dan sie befünden die protestirende darin
fundirt. Die Pfaltzische sach würde auch nit weenig difficultät haben, und könte
dieselbe in denen terminis, wie sie in unserm instrumento pacis gesetzt, nit beliebt
werden. Imgleichen müeße die bezahlung der Schweedischen armada von Kaißerlicher
mayestätt und dem Reich ubernhommen werden.
Ego e contra, daß die catholische stendte den geistlichen vorbehalt ferners nit wöllen
angefochten, sondern alß ein weesentlich stück des religionsfriedens, wie er ist und
dhafür alzeit gehalten worden, erkhent haben. Hetten sönsten kheine ursach, so viel
stiffter und güeter auf 100 jahr zurückzulaßen, wan nit dhagegen aller fernern
anfechtung wieder den geistlichen vorbehalt solten versichert sein. Es würde sogar
niemaln der religionfriedt sein placidirt worden, wan der vorbehalt nit zuvor wehre
beliebt gewest. Ebenselbige meinung habe es mit dem iure emigrandi und autonomia, so
man den underthanen kheinesweegs gestendich. Und würde man solchergestalt, wan
protestirendentheils das contrarium behaubtet werden sölte, immerforth in extremis
verharren. Kaißerliche majestätt verlangten, in iren erblanden khein anders ius circa
reformationem zu exercirn, alß waß dem geringsten standt des Reichs zugelaßen seie.
Seie ie unbillig, deroselben solches zu wehren oder abzusprechen. Die Schweedische
abgesandte hetten vielmehr ursach, wan es mit dieser friedenshandlung dernmahlneins
zum schluß gebracht werden solte, die protestirende ständte von dergleichen ubermeßi-
gen postulatis abzumahnen und zu miltern gedancken zu bewegen, alß denselben darin
beyfall zu geben. Sönsten würde dieser punct, die religion betreffend, freylich uber alle
maaßen schwehr werden. In der Pfaltzischen sach würde es wol bey dem aufsatz unsers
instrumenti pacis sein verpleiben haben müeßen wie auch mit bezahlung der armada bey
Kaißerlicher majestät resolution, daß eine iede parthey die ihrige bezahle.
Illi: So müße man nit reden, sönsten würde die sach in schwehre terminos hinauslauffen
und Gott und der zeit müßen befohlen werden. In puncto gravaminum aber vermeind-
ten sie, daß das vorgeschlagenes medium compromissi wol amplectirt werden könte,
weiln es in effectu ein compromissum seie statuum in constatus, dan Kaißerliche
majestätt sein ein vornhember reichsstandt, die cron Schweeden nuhmehr auch dhafür
zu halten, also könten beyder religionsstendte Kayserlicher majestätt und der cron
Schweden alß iren mitständten ein solches werck zu vergleichen wol heimbstellen.
Ego: Es dependire alles von denen stendten. Weiln dieselbe aber nit wölten, seie
vergeblich, dhavon zu reden. Es könte ein theil den andern diesorts nit zwingen.
Oxenstern: Man müeße beederseits den stendten zusprechen, würden sich entlich wol
darzu disponirn laßen.
Ist darauf wieder hinweggangen, ich auch mein urlaub genhommen. Der Salvius hat
aber im herausgehen erinnert, es würde sich alles wol schicken. Man müße aber dhahin
bedacht sein, wie die expurgamenta civitatum (die militiam verstehendt) möegten
contentirt werden. Dan bey denselben würde nit gelten ‘si quiete vivant’, sondern
dörffte eine meutination entstehen und das gantze Reich in größere gefahr alß iemals
gesetzt werden. Ego: Die cron Schweeden müße selbst ad exemplum coronae Galliae auf
die mitle gedencken. Ginge diese parthey nit an. Ille: Sie heten keine mitle. Ego: In
Schweeden und den acquirirten landen im Reich würde noch wol so viel aufzubringen
sein. Ille: Seie nit möeglich. Könten kaum so viel aufbringen, daß sie die örtter, so sie zu
besetzen hetten, würden unterhalten können.