Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt

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Verweis auf Nr. 41. Nuhn haben wir zwar ahm freytag, den 20. huius,
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unß zu continuation der tractaten bey denen Schwedischen einzustellen
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ahnerbotten, sie haben aber sich soweith entschuldigen laßen, daß die
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Augspurgische confessionsverwandten diesmahls einen fast- und bettag
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ahngestellt und schwehrlich bey der conferentz würden erscheinen kön-
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nen, doch wofehrn wir immittls die Caßlische forderungen vornehmen
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wölten, so wehrn sie erbietig, mit unß, dieses fast- und bettags unge-
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hindert, darüber in handtlung einzutretten. Solten wir aber deßen be-
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denckens tragen, so mögten wir den von Thumbshirn unnd Dr. Langen-
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beck vor unß erfordern, ihnen unsere ursachen vorhalten, damit alßdan
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der sachen ferner rath geschafft werden könte.

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Wir haben also diese beyde abgesandten vor unß bescheiden und nit al-
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lein, daß die Caßlische sach nochweils nit abgehandtlet werden könte,
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gnugsamb dargethan, sondern auch allen fleiß angewendet, daß sie von
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ahngemaßeter paritet des politischen regiments zu Augspurg und mittver-
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wandter stätten

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Gemeint sind Dinkelsbühl, Biberach und Ravensburg (vgl. [Nr. 25 Anm. 6] ).
abgeleitet werden mögten. Sintemahlen sie aber darauff
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gäntzlich bestanden, wi[r] auch anderwehrts vermahnt worden, daß die
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Churbayrische abermahlen mit gedancken umbgingen, gleichwie in der
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autonomia geschehen , unß auch in diesem vorzugreiffen, so haben wir

[p. 149] [scan. 237]


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ahm nachmittag die vier churfürstlich Mayntzischen, Cöllen, Trier, Bayrn
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und die Bambergischen, Würtzburgischen, auch den Augspurgischen ab-
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gesandten erfordert, ihnen, warauf es diesortts bewenden thue, vorgehal-
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ten, auch zu erkennen geben, daß wir in beobachtung Ewer Kayserlicher
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Mayestätt unß vom 15. Februarii eingeschickten befehls nuhmehr lenger
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nit inhalten könten, sondern zu abschneidung lengern verzugs erwöhnte
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paritet würden einwilligen müßen, da wir gleichwoll versuchen wölten,
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ob zum wenigsten die mehrer ahnzahl der catholischen im geheimen rath

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Der Geheime Rat in Augsburg war ein durch die Regimentsordnung Karls V. von 1548
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VIII 3 (Text: Langenmantel, 98–101) geschaffenes, siebenköpfiges und mit zentralen
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Kompetenzen im exekutiven Bereich ausgestattetes Ratsorgan (vgl. Geffcken, 735f;
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Roeck I, 246–249).

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zu erhalten. Sölten sie aber der meinung sein, daß man sölche paritet gar
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nit nachgeben, sondern ehender fehrner continuation des kriegs erwahr-
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ten solte, und sie sich gegen ihrn gnädigsten herrn und principalen zu
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veranthwortten getraweten, so würden wir unß nit gehrn von ihrer mei-
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nung absöndern. Außerhalb deßen aber könten wir so schwehre veranth-
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wortt nit auff unß laden.

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Obnuhn woll diese chur- und fürstlichen abgesandten theils der meinung
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gewesen, man solte noch weitern versuch thuen und ethwan diese prae-
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tension auff anderwehrtigen außtrag zu richten underfangen, so haben
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iedoch die Churbayrische darauff getrungen, daß man kein stundt lenger
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inhalten, sondern sehen sölte, wie auß dem streitt zu kommen wehre.
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Sonsten aber begehrten sie samenthafft, daß man bey der angefangnen
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ordtnung bleiben und darauff tringen solte, daß die gravamina vollendts

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Die Vereinbarungen über den späteren Art. V,1–29 und 42–52 IPO ← § 47 IPM wurden
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1648 III 24 unterzeichnet (vgl. [Nr. 49] ).
,
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demnach die amnestia richtig gemacht und alßdan erst die Caßlische for-
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derungen vorgenohmen werden mögten.

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Wir haben unß also folgenden sambstags, den 21. huius, zu denen Schwe-
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dischen verfügt, dieselbe so weith disponirt gefunden, daß sie diesmahls
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bedeute Caßlische sachen auff ein seiten gestelt und die materiam grava-
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minum vor handts genohmen, den gantzen articulum mit unß collationirt.
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Soviel aber die paritet bey den stätten Augspurg, Biberach, Dinnkelspül,
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Ravenspurg und Kauffbeurn wie zugleich die religionsfreyheit der Calvi-
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nischen bürgerschafft zu Aach anlangt, da haben wir ihnen wegen Augs-
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purg einen vergrieff, wie littera A zu sehen, zugestelt, iedoch mit ihnen
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darüber zu keinem vergleich kommen mögen, allermaaßen sie auch we-
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gen der statt Aach darauff bestanden, daß solche praetension auff einen
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reichstag zu verweisen, mit denen littera B beschriebnen wortten verglie-
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chen werden solte, so wir gleichwoll keinesweegs einwilligen konnen
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noch sollen.

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Nachdeme sie sich dan endtlich dahin bezogen, daß die obbenambste
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Sachßen Altenburgischen und Braunschweigischen abgesandte auff den

[p. 150] [scan. 238]


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abendt bey unß sich einstellen und alles zu völligem vergleich richten
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helffen würden, so haben wir unß deßen zu erwahrten erclehrt, und
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zwar denselben in eim und andern gantz beweglich zugesprochen, weil
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sie aber sich darüber noch ferners zu bedencken und mit denen Schwe-
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dischen, auch ihrn mitreligionsverwandten zu underreden benohmen, erst
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ahm nachfolgendn alß gestrigen sonntags, so viel erhalten, daß bey der
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statt Augspurg den catholischen im geheimen und kleinen rath

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Der seit 1555 aus 45 Mitgliedern bestehende Kleine Rat hatte legislative, exekutive und
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judikative Funktionen (vgl.
Warmbrunn, Konfessionen 113; Geffcken, 735f; Roeck I,
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239–244).
eine per-
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sohn mehr alß denen Augspurgischen confessionsverwandten und also
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successive die maiora vota doch mit gewißen reservatis nachgeben, und
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diese constitutio regiminis politici allerdings nach dem inhalt littera C
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11–12 Deßgleichen ist der § „Quoad oppignerationes“ moderirt worden, wie littera D zu
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sehen. Fehlt im Konzept.
vergliechen worden. Deßgleichen ist der § „Quoad oppignerationes“

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Vgl. später Art. V,26 IPO ← § 47 IPM betr. u.a. die Einlösung von Reichspfandschaften
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durch den Ks.

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moderirt worden, wie littera D zu sehen. Dabey sie iedoch vermeldet,
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daß die königlich Schwedische plenipotentiarii wie sie, die Augspurgi-
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schen confessionsverwandte stände, solche praerogati〈v〉 der catholischen
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in Augspurg eintzig und allein Ewer Kayserlicher Mayestätt zu allerun-
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derthenigistem ehrn und keinesweegs denen catholischen zu gefallen
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nachgeben thetten, auch verhoffen und zumahlen gehorsamst gebetten
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haben wolten, Ewer Kayserliche Majestätt würden solche disposition
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also gnädigst handthaben und die Augspurgischen confessionsverwandten
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dabey schützen und schirmen, dagegen Ewer Majestätt versiechert sein
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sölten, daß dieselbe bürgerschafft solche Kayserliche gnade mit allerun-
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derthenigster trew zu verdienen sowoll vor sich selbst befließen sein alß
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von allen evangelischen churfürsten, fürsten und ständen darzu ahngewie-
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sen werden solten.

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Immittlerweil dieses also verloffen, haben die Schwedischen plenipoten-
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tiarii gestern abendts mir, graffen von Lamberg, ahnzeigen laßen, daß sie
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zwar sich auff heutigen tag gehrn bey unß einstellen und den nuhmehr
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allerdings vergliechenen articulum de gravaminibus underschreiben wol-
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ten, sintemahlen aber sie ihrer post expeditiones außzufertigen hetten und
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daher vermeindten, es könte der gantze articulus entzwischen durch bey-
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derseits zusamengeschickte secretarios gegen demienigen, so biß daher
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absonderlich vergliechen, collationirt und völlich zur subscription gerich-
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tet werden, so wehrn sie erbietig, auff morgn, dinstag, sich bey

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33 unß] Aus dem Konzept ergänzt.
unß ein-
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zustellen und negst vorgangener subscription des articuli gravaminum
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alsogleich auff abhandtlung der Heßen Caßlischen satisfaction für-
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zuschreitten. Ich hab es bey ihrer prorogation zwar bewenden laßen,

[p. 151] [scan. 239]


1
aber dieser sachen halber mich bestendich auff unßere vorige resolution
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und von denen protestierenden empfangene parola bezogen

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Sowohl die ksl. Ges. als auch die der meisten prot. Reichsstände stellten sich gegen eine
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Verhandlung der Forderungen Hessen-Kassels im Anschluß an die Gravaminaverhand-
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lungen. Die Zusicherung hatten die Ges. der prot. Reichsstände den Ksl. 1648 III 18 gege-
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ben (vgl. [ Nr. 41] ).
.

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Nachts umb 7 uhr schicken sie wiederumb unnd wolten, daß man die
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collationirung ahnheudt frühe umb 6 uhr versehen laßen und noch vor-
5
mittag alles underschreiben solte, welche willfährtigkeitt sonder zweiffl
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daher entsprungen, daß underdeßen zeittung einglangt, waßgestalt Ewer
7
Kayserliche Majestätt generalfeldtmarschall in diesem Westphalischen
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crayß, freyher von Lamboy, den Heßischen general Gisen

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Johann von Geyso (1593–1661); hessen-kasselischer Generalleutnant; seit 1636 als Offizier
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in Diensten Hessen-Kassels ( DBA I 389, 373).
mit allen sei-
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nen völckern zu roß und fuß in Geseckh eingeschloßen und dieselben
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sonder allen zweiffl zu ergebung zwingen würde

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Lamboy hatte Geyso in Geseke (Gft. Arnsberg, zum Kft. Köln gehörig) Anfang 1648 III
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eingeschlossen. Dennoch gelang es den hessen-kasselischen Truppen, Mitte 1648 III aus-
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zubrechen (vgl. APW [II C 4/1 Nr. 181] ; Foerster, 303; Höfer, 162).
. Wir haben dem be-
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gehrn so weith stattgethan, daß heudt vormittag, wie obgemeldet, der
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gantze articulus gravaminum allerdings zu ständen außgefertigt und ge-
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geneinander collationirt worden, die underschreibung aber ist auff mor-
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drigen tag verschoben worden, allermaßen Ewer Kayserliche Mayestätt
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bey negster post ein vollkommene abschrifft uberschickt werden solle

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Das Vorabkommen über das Reichsreligionsrecht ( [Beilage B zu Nr. 49] ; vgl. später Art.
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V,1–58 IPO ← § 47 IPM) wurde 1648 III 26 übersandt.
,
16
und geruhen Ewer Mayestätt auß mittkommender continuatione pro-
17
tocolli allergnädigst anzuhörn, waß sich in eim und andern actu mehrers
18
in particulari verloffen.

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