Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt

IV. Die kaiserlich-französischen Verhandlungen

Von hierauß ist abermahln allerunderthänigst nichts zu berichten , dies vermeldete der kaiserliche Gesandte Nassau im Februar 1648 an den Hof nach Prag. In bezug auf die Verhandlungen über einen Frieden zwischen dem Kaiser und der Krone Frankreichs änderte sich an dieser Tatsache

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während des Editionszeitraums kaum etwas. Im November des vorange-gangenen Jahres war ein kaiserlich-französisches Vorabkommen über die Territorialsatisfaktion des Königreichs unterzeichnet worden , das den späteren Regelungen des Friedensvertrages weitgehend entsprach

Vgl. §§ 69–91 IPM.
.
Die Friedenstraktate zwischen der mit dem Kaiser verbündeten spa-nischen Krone und Frankreich stockten ebenfalls

Vgl. [Nr. 15] .
, woran auch die nie-derländische Vermittlungstätigkeit nichts ändern konnte . Die spanische Seite warf der französischen zudem eine Verzögerung der Verhandlungen vor, da die Franzosen die Übertragung der niederländischen Vermitt-lungstätigkeit von den Gesandten der Generalstaaten auf Prinz Wilhelm II. von Oranien und die Generalstaaten selbst forcierten

Vgl. [Nr. 39] .
. Nassau und der spanische Prinzipalgesandte Peñaranda führten zwar Gespräche mit-einander

Vgl. [ Nr. 51] .
, von der Absprache einer gemeinsamen Verhandlungslinie ge-genüber den Franzosen kann jedoch im Editionszeitraum keine Rede sein. Repgen konstatiert das Fehlen einer solchen dauerhaften Bündelung der Interessen und eines daraus resultierenden Handelns gar für den gesam-tem Kongreßverlauf

Vgl. Repgen, Hauptprobleme, 407.
.
Die französische Kongreßdiplomatie beschränkte ihr Wirkungsfeld aller-dings nicht nur auf Münster, sondern versuchte, auch in die Osnabrücker Verhandlungen offiziell miteinbezogen zu werden. Die kaiserlichen Ge-sandten vor Ort hätten dann der geballten Verhandlungsmacht der bei-den Hauptkriegsgegner Ferdinands III. gegenübergestanden. Zu diesem Zweck betrieb Servien, nicht zuletzt auf Wunsch der schwedischen Ge-sandtschaft, eine Partizipation des Residenten der Krone in Osnabrück, La Court, an den kaiserlich-schwedischen Verhandlungen, was die Kaiser-lichen ablehnten

Vgl. [Nr. 22 mit Anm. 5] , [ Beilage A zu Nr. 25 ] sowie demnächst APW II B 8.
. Sie verwiesen auf die damals gängige Praxis, nach der nur ein Gesandter mit einer gültigen Vollmacht für die jeweiligen Ver-handlungen zur Teilnahme befugt war. Eine solche besaß La Court nicht. Für die beiden französischen Abgesandten und später für Servien als alleinigem Bevollmächtigten galt es in erster Linie noch, drei für die Krone bedeutende Punkte zu klären. Dem Kaiser sollte die Assistenz für das Königreich Spanien, auch als Landesherr, untersagt, der Herzog von Lothringen vom Kongreß und vom Friedensvertrag ausgeschlossen sowie der Burgundische Reichskreis nicht in den deutschen Frieden mit einbe-zogen werden

Vgl. Ruppert, 343–346; Dickmann, 480f.
. Bereits während seines Aufenthaltes in Osnabrück im

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Februar brachte Servien in Gesprächen mit reichsständischen Gesandten diese Anliegen vor

Vgl. [Nr. 19] .
; in dieser Zeit traf er auch mit Oxenstierna zu-sammen

Oxenstierna, der für seine Trinkfestigkeit bekannt gewesen sein soll (vgl. Dickmann, 197), bewirtete Servien an einem Abend derart fürsorglich, daß dieser nur mit Unterstüt-zung seine Unterkunft erreichen konnte (vgl. [Nr. 11] ).
. Volmar war sich bewußt, daß nach dem ohnehin schwierigen Abschluß mit den Schweden der kaiserlichen Seite in Münster ob dieser Punkte eine vermutlich noch kompliziertere Verhandlungssituation drohte

Vgl. [Nr. 14] .
. Ende April reiste Oxenstierna seinerseits nach Münster, um dort mit Servien die Koordinierung einer gemeinsamen Verhandlungs-position gegenüber den Kaiserlichen für die restlichen offenen Fragen zu besprechen

Vgl. Nr.n 93 und 95 sowie zwei Schreiben Serviens an La Court, Münster 1648 IV 25 (werden in APW II B 8 ediert).
. Offenbar spielten die Kronen in diesem Zusammenhang mit dem Gedanken, die Verhandlungen zur Friedensexekution und -sicherung nach Münster zu transferieren

Vgl. Nr.n [93] und [100] .
. Eine erneute Reise Serviens nach Osna-brück Anfang Mai zielte darauf ab, die reichsständischen Bevollmächtig-ten zur Unterzeichnung des Vorabkommens über die französische Terri-torialsatisfaktion, wie es bei dem Vorabkommen über die der Schweden der Fall gewesen war, zu bewegen. Auch wollte Servien die Assistenz-frage, das Problem Lothringen und den Ausschluß des Burgundischen Reichskreises in den Reichskurien erörtert wissen

Vgl. [ Nr. 100] .
, denn der oben ange-sprochene Unwille einiger Reichsstände, besonders Kurbayerns, wegen der spanischen Interessen Ferdinands III. den Frieden zu verzögern, war in Paris ebenfalls bekannt

Vgl. das Memorandum Ludwigs XIV. für d’Avaux und Servien, Paris 1648 II 14 (wird in APW II B 8 ediert).
. Dieser Vorstoß Serviens wurde durch eine unter den Gesandten der Reichsstände kursierende Schrift propagan-distisch begleitet, in der die französischen Forderungen legitimiert und die spanische Partei am Kaiserhof für die Verzögerung des Friedensschlus-ses zur Verantwortung gezogen wurde.
Dennoch verharrte Ferdinand III. in der Position eines Kunktators. Dies verwundert, denn die Kurfürsten in München und Mainz hatten dem Kaiser schon seit Jahresbeginn deutlich zu verstehen gegeben, daß er in der Assistenzfrage nachgeben müsse. Die Kaiserlichen wußten um die Instruktionen des kurbayerischen Gesandten Krebs

Vgl. Nr.n [14] und [97] .
, es war ihnen also bekannt, daß eine Separation des für den Kaiser militärisch wichtigen

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Kurbayerns nicht ausgeschlossen war. Ebenso mußte ihnen bewußt sein, daß die Verzögerung eines Friedens die Wahrscheinlichkeit eines Eingrei-fens des Pfalzgrafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken mit frischen schwedischen Einheiten in die Kämpfe erhöhte und damit eine direkte Be-drohung für die kaiserlichen Erblande darstellte. Kurfürst Maximilian I. von Bayern sollte beschwichtigt und im Bündnis gehalten werden. Gleich-zeitig galt es, das spanische Königshaus um Konzessionen gegenüber Lud-wig XIV. im Hinblick auf einen doch noch rasch herbeizuführenden Ausgleich zwischen den beiden Kronen anzugehen

Vgl. Ruppert, 348–352.
. Der Kurfürst wurde immer ungeduldiger, zumal sich der Hauptkriegsschauplatz in seinen Kurstaat verschob.
Aber Spanien lenkte nicht ein. Im April berichtete der kaiserliche Bot-schafter aus der spanischen Hauptstadt, daß man dort der Meinung sei, Frankreich wolle den Frieden nicht, gleichgültig, wie weit Spanien nach-geben würde, und eine Separation der beiden Habsburger Linien bedeu-tete eine hindansezung ihrer [der kaiserlichen] aigenen wohlfahrt und sicherheit

Vgl. Carretto an Ferdinand III., Madrid 1648 IV 6 ( StAbt Spanische Korrespondenz Fasz. 42 [Carretto an Ferdinand III.] fol. 95–96’).
. Andererseits stand nicht weniger als die Kaiserkrone auf dem Spiel, weil Ferdinand III. am spanischen Verbündeten festhielt und er damit eine reichständische Separation riskierte

Vgl. Repgen, Hauptprobleme, 407.
. Anfang Mai hatte Prag sich noch nicht zu einer Trennung von Madrid durchringen können – dieser Entschluß sollte erst im Spätsommer 1648 fallen

Hierzu vgl. demnächst APW II A 9.
. Aber die Ge-heimen Räte des Kaisers waren sich zu diesem Zeitpunkt einig, daß der herr churfürst nit lang mehr zu halten und daß alle vorbotten zur separa-tion seindt verhanden

Vgl. hierzu das Ga. im GR von 1648 V 8 (vgl. [Nr. 108 Anm. 46] ).
.

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