Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt
2. Vorschläge, Gegenvorschläge und Entwürfe
Militärisch hart bedrängt war der Kaiser also auch am Verhandlungstisch in eine Position geraten, die ihm keine aktive Gestaltungsmöglichkeit mehr ließ. Diese Tatsache spiegelte sich bei den jeweiligen Einzelfragen jedoch nicht immer inhaltlich wider.
Der am 8. Februar von den Kaiserlichen übergebene Teilentwurf für ein IPO nahm die Amnestieregelungen für die österreichischen und böh-mischen Exulanten, wie sie noch im
Trauttmansdorffianum vorgesehen waren
Vgl. Art. IV § „In Bohemia“
KEIPO4A
(Text:
Meiern IV,
563
vorletzter Abs.; vgl. später Art. IV,55 IPO = § 44 IPM) sowie Art. IV §§ „Qui vero“ – „Quantum autem“
KEIPO4A
(Text:
ebenda,
564 sechster Abs. Z. 3; vgl. später Art. IV,52–55 IPO sowie §§ 41–44 IPM).
, zurück. Die Möglichkeit für diesen Personenkreis, nach einem Friedensvertrag zivilrechtliche Ansprüche sowie eingezogene Besitzungen auf dem Rechtsweg wieder einzufordern, wurde unterbunden. Dies, wie die übrigen Neuerungen des Teilentwurfs, lehnten die schwedischen Ge-sandten ab
, und auch von den Bevollmächtigten der protestantischen
[p. LXVIII]
[scan. 68]
Reichsstände erwarteten die Kaiserlichen keinen positiven Bescheid
. In-zwischen erklärte sich Ferdinand III. Mitte Februar allerdings bereit, es auch in dieser Frage bei den Regelungen des
Trauttmansdorffianums zu belassen
. Das heißt, erbländischen Untertanen und Vasallen sollte die Amnestie für ihre Person zuteil werden. Einer Rückkehr in die kaiser-lichen Erblande stand bei Einhaltung der dort gültigen Gesetze und der religiösen Ordnung nichts im Wege. Grund und Eigentum sollten aller-dings nur jene zurückerhalten, die gemeinsam mit den Schweden oder Franzosen ab 1630 an Feindseligkeiten gegen die Habsburgerdynastie teil-genommen hatten. Prag nahm davon Abstand, den Inhalt des
Trautt-mansdorffianums in bezug auf die erbländische Amnestie zugunsten der kaiserlichen Seite zu verändern. Man erkannte dort die Gefahr, die ein unbedingtes Verharren auf den Regelungen des neuen Teilentwurfs für die eigene Position darstellen konnte, zumal die wichtigsten Verbündeten Ferdinands III., Kurbayern und Kurmainz, keinen Zweifel an ihrer Ab-sicht, auf der Basis des
Trauttmansdorffianums den Frieden zu schließen, aufkommen ließen
. Dies war den protestantischen Gesandten be-kannt
.
Aber obwohl die Abgesandten Schwedens noch im Februar die Verhand-lungen scheitern ließen, da sich die Kaiserlichen weigerten, das
Trautt-mansdorffianum als verbindlich anzusehen, ergingen sie sich nun ihrerseits in weitreichendere Forderungen für die protestantischen Untertanen und Vasallen in den kaiserlichen Erblanden. Volmar vermutete als Grund für dieses Vorgehen eine schwedische Verzögerungstaktik, um die Regelungen über die pfälzische Restitution, die Teil der Amnestie waren, nicht endgül-tig unterzeichnen zu müssen
. Am 26. März wurde den Kaiserlichen von Thumbshirn und Langenbeck ein schwedischer Textvorschlag zur Am-nestie überreicht
, der
den gantzen innhalt der Kayserlichen limitation uber hauffen geworffen
hätte. Die kaiserlichen Gesandten hielten eine Einigung auf dieser Grundlage für unmöglich
, denn hier forderten die Schweden nichts anderes als die Rückgabe der enteigneten Besitzungen an alle Exulanten sowie die volle Anerkennung ihrer politischen und religiö-sen Rechte, wie diese sie 1618 innehatten. Ein Nachgeben in dieser Sache kam auch für Prag nicht in Frage, da es
ein solch hohes praeiudicium nach sich
gezogen hätte. Der kaisertreue Adel, der nach der Niederschlagung
[p. LXIX]
[scan. 69]
der böhmischen Unruhen vor nun bereits etwa einem Vierteljahrhundert installiert worden war, hätte wiederum durch die zurückkehrenden Flüchtlinge ersetzt werden müssen, und das ius reformandi des Kaisers für die Erblande wäre aufgeweicht worden. Damit hätte man sowohl oppositionellen Reichsständen als auch ausländischen Feinden des Kaiser-hauses erneut die Möglichkeit eröffnet, über diesen
Hebel
– also die ver-stärkt nach Sonderrechten strebenden Exulanten – in den kaiserlichen Erblanden Druck auf das Reichsoberhaupt auszuüben
.
Wie oben dargestellt entwickelte sich der Themenkomplex der hessen-kas-selischen Satisfaktion zu einem für beide Seiten bedeutsamen Element in der jeweiligen Verhandlungsstrategie. Mit der Herausgabe eines neuen Textvorschlags zur Satisfaktion der Landgräfin am 24. März wollten die Schweden die Verhandlungen über diese Frage wieder anschieben
; in dem neuen Schriftsatz
Dieser basierte auf den Verhandlungen über die Satisfaktion Hessen-Kassels im Juli 1647 (vgl. hierzu
[Nr. 25 Anm. 25] sowie detailliert
APW II A 6).
wurden die Abtei Hersfeld, vier schaumburgische Ämter sowie 800 000 Rt. verbunden mit territorialer hypothekarischer Sicherung von Kurmainz und Kurköln, den Hochstiften Paderborn und Münster sowie dem Stift Fulda gefordert. Für die kaiserlichen Bevoll-mächtigten kam die Abhandlung der Interessen eines Verbündeten der Kronen vor der Sicherung der kaiserlichen Belange in den Erblanden nicht in Frage, da dadurch eine weitere Aufschiebung des Friedensschlusses allein Ferdinand III. angelastet werden würde, nachdem dessen Gegner ihre Satisfaktionen erledigt hätten
. Man war sich auf der kaiserlichen Seite zudem sicher, die Gesandten der Reichsstände beider Konfessionen hinter sich zu haben und
denen Schweden hierunder nichts nachgeben
zu müssen. Die Bevollmächtigten der schwedischen Königin beharrten ebenfalls auf ihrem Standpunkt, so daß an einen Fortschritt nicht zu den-ken war
. Doch die Phalanx aus kaiserlichen und reichsständischen Ge-sandten hielt nicht lange. Die Abhandlung der landgräflichen Interessen wurde vorgezogen
.
In den nun folgenden Verhandlungen wurden die finanziellen Forderun-gen der hessen-kasselischen Gesandten auf 600 000 Rt. gedrückt
, und in der ersten Aprilwoche einigten sich reichsständische Bevollmächtigte bei-der Konfessionen auf eine Regelung dieser Angelegenheit
. Allein, ob-
[p. LXX]
[scan. 70]
wohl die kaiserliche Delegation sich anfangs noch gewillt zeigte, die Satis-faktion Hessen-Kassels zu unterzeichnen, scheiterte eine Beilegung des Streitfalles auch diesmal an den Bevollmächtigten der Schwedenköni-gin
.
Das Vorziehen der landgräflichen Satisfaktion war jedoch nicht der ein-zige Grund für eine Rüge seiner Osnabrücker Delegation durch Ferdi-nand III. Die Vorgehensweise bei den Verhandlungen zur Marburger Erbfolge entsprach ebenfalls nicht den Vorstellungen am Kaiserhof. Daß dieser Punkt noch nicht abschließend geklärt war, stellte übrigens den Grund für das Ausbleiben der Unterschrift der schwedischen Gesandten unter die Satisfaktion Hessen-Kassels dar
. Gesandte einiger Reichs-stände und die kaiserliche Gesandtschaft ließen jeweils Schreiben an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt abgehen, in denen er auf-gefordert wurde, seine direkten Verhandlungen über den Marburger Erb-folgestreit in Kassel zu einem raschen Erfolg zu bringen, da aufgrund der Haltung der hessen-kasselischen Bevollmächtigten in Westfalen keine Einigung in Sicht sei
. Andernfalls würde ein Vorabkommen über eine Fristenregelung für die Beilegung des Marburger Erbfolgestreits
als bin-dend betrachtet, das vorsah, die Verhandlungen in Kassel, der Hauptstadt der Landgräfin, noch vierzehn Tage laufen zu lassen. Erzielte man inner-halb dieser Zeit dort keine Einigung, sollte am Kongreß eine Lösung für das Problem gefunden werden.
In der Tat brachten die am 7. April jeweils von den Delegationen Hessen-Kassels und -Darmstadts herausgegebenen Textvorschläge zur Marburger Erbfolge nicht den Durchbruch, was allerdings an der verweigernden Haltung beider hessischer Gesandtschaften lag
. Der Kaiser tadelte seine Gesandten und wies sie an, in diesem Punkt nicht über die Regelungen des
Trauttmansdorffianums hinauszugehen
Dickmann
vermerkt lediglich, daß der Kongreß
sich auf dieses Vorgehen geeinigt habe, der ksl. Widerspruch jedoch bleibt unerwähnt (vgl.
Dickmann,
466f).
, was er auch Landgraf Georg II. nochmals ausdrücklich versicherte – allerdings nicht, ohne en passant darauf hinzuweisen, daß er im Falle eines freiwilligen Nachgebens seitens des Landgrafen natürlich auch diesen Schritt unterstützen würde
. Ein bedingungsloser und uneingeschränkter Einsatz für die Interessen der darmstädtischen Linie im hessischen Bruderzwist wäre anders formuliert worden.
[p. LXXI]
[scan. 71]
Der Fortgang der Gespräche der beiden kasselischen Linien in der Resi-denzstadt der Landgräfin machte jedoch weitere Verhandlungen in West-falen hinfällig. Ende April berichteten die Osnabrücker Gesandten nach Prag über Meldungen, in Kassel seien am 21. des Monats die Streitigkeiten über die Marburger Sukzession beigelegt worden
, was jedoch etwas ver-früht war. Tatsächlich wurde der Hessische Hauptvergleich über die Mar-burger Erbfolge
, der für die Darmstädter Linie nachteilige Bestimmun-gen enthielt
Zu den einzelnen Regelungen vgl. neben dem Vertragstext (wie vorherige Anm.)
[Nr. 101] sowie
Albrecht, Kriegsziele, 253.
, am 24. April beschlossen und später in Artikel XV,13 IPO bestätigt. Allerdings waren die Kaiserlichen vor
Ort vorerst nicht über In-halt und Wortlaut informiert, denn noch am 7. Mai berichteten sie an den Kaiserhof, über eben diese Details von den hessen-darmstädtischen Be-vollmächtigten nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein
Vgl.
[Nr. 103] . – Der österreichische
Ges.
Goll berichtete am selben Tag ebenfalls von einem Abschluß in dieser Frage, der genaue Inhalt war aber auch ihm nicht bekannt (vgl.
[Beilage [3] zu Nr. 103] ).
.
Während der Verhandlungen über die verschiedenen Einzelpunkte traf mit der kaiserlichen Weisung vom 18. April 1648
der neu überarbeiteten Gesamtentwurf
in Westfalen ein. Die Grundlage dieses neuen Instru-ments bildete das vom
obristen hoffmaister, dem graven von Traut-manstorff, hinaußgegebene proiect
, das
Trauttmansdorffianum. Ledig-lich bei der Amnestie in den kaiserlichen Erblanden sowie bei den Rege-lungen zum Friedensvollzug und zur Friedenssicherung waren Änderun-gen vorgesehen. Die im März beschlossenen Vorabkommen zur Reform der Reichsgerichte und zum Reichsreligionsrecht sollten fast vollständig übernommen werden
Zu den Änderungen des neuen Gesamtentwurfes im Vergleich zum Trauttmansdorffia-num
vgl.
[ebenda]
.
. Die Kaiserlichen hatten den Gesandten der Kö-nigin eine Erklärung zum Gesamtentwurf abzuverlangen. Denn in Prag war man mit der bei mehreren Teilabkommen praktizierten Vorgehens-weise der partiellen Unterzeichnung durch reichsständische Vertreter bei-der Konfessionen, mal unter Miteinbeziehung der schwedischen und kai-serlichen Bevollmächtigten, mal ohne deren Unterschrift, unzufrieden. Zudem sollten sie nach der Übergabe des Instruments an die schwedischen Gesandten die Bevollmächtigten der Kurfürsten von Bayern, Mainz, Köln, Trier, Sachsen und Brandenburg aufsuchen, sie um Rückhalt bitten und an die Unterstützung erinnern, die Ferdinand III. von ihren Herren teilweise versprochen worden war
.
[p. LXXII]
[scan. 72]
Die Forderung nach einer unbedingten Erklärung der schwedischen Ge-sandten zum gesamten Entwurf und die Ablehnung jeglicher Partikular-deklaration betonte der Kaiser in einer zusätzlichen Weisung, in der er das Festhalten an seiner Instruktion mit einem eigenhändigen Postskriptum nochmals unterstrich
. Selbst auf die Gefahr eines Verhandlungsabbruchs hin sollten seine Gesandten diesem Befehl nachkommen.
Dickmann und
Ruppert konstatieren einen Realitätsverlust am Kaiserhof, da diese For-derung aus Prag völlig am tatsächlichen Verlauf der Verhandlungen vor-beigegangen sei und man den eigenen Bevollmächtigten jeglichen Spiel-raum vor Ort genommen habe
Vgl.
Ruppert,
339f;
Dickmann,
472.
.
In der Tat wurden die Bevollmächtigten des Kaisers immer stärker isoliert; eine Entwicklung, die allerdings bereits vor dem Eintreffen des Gesamtentwurfs in Westfalen eingesetzt hatte. Gesandte der kurbayeri-schen und kurmainzischen Delegation standen, wie schon während der Gespräche über das Reichsreligionsrecht, in Partikularverhandlungen mit Bevollmächtigten protestantischer Reichsstände
. Für einige katholische Reichsstände, unter ihnen wiederum Kurbayern, war die kaiserliche Posi-tion bezüglich eines von den Franzosen angestrebten spanischen Assistenz-verbots und des Ausschlusses Lothringens vom Frieden durchaus verhan-delbar
, und am 21. April wurde ein Vorabkommen über das Friedens-, Amnestie- und Restitutionsgebot sowie einzelne Restitutionen
vom Dr. Meel als Churmaintzischen deputato nomine catholicorum wie auch dem Thumbshirn nomine protestantium interimsweise underschriben
.
Der kurbayerische Gesandte Krebs reklamierte mit Hinweis auf den schlech-ten Zustand der kaiserlichen Truppen das Recht der Reichsstände, mit Vorgriffen einen Friedensschluß zu beschleunigen
, und der bayerische Kurfürst Maximilian I. stellte Mitte April gegenüber dem Kaiser fest, daß die maiste
Punkte zu völliger conclusion und wirkhlicher subscription gebracht worden
seien und man daher durch Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum
und den bereits getroffenen Vorabkommen den Schweden keinen Anlaß zu einer neuerlichen Verzögerungstaktik liefern dürfe. Maximilian I. wollte einen raschen Friedensschluß
Schneider
irrt, wenn er feststellt, daß der Ks. den bay. Kf.en zum Frieden ermahnte (vgl.
Schneider,
395). Es verhielt sich umgekehrt.
, aber an der Entschlußkraft Ferdinands III. hegte er Zweifel, da für ihn die kaiser-
[p. LXXIII]
[scan. 73]
lichen
Standpunkte sich zu sehr mit den Hindernissen deckten, die dem Frieden seiner Meinung nach entgegenstanden
.
Sein Bevollmächtigter Krebs trat in den Schreiben der kaiserlichen Abge-sandten nicht durch Kooperation mit diesen hervor, sondern man kann fast sagen, er nahm eher die Rolle eines Gegenspielers ein. Er war an den meisten oben erwähnten reichsständischen Partikularkonferenzen betei-ligt, er war es, der den Kaiserlichen fortgesetzt mit Separation und Vor-griffen unverhohlen drohte
; und über ihn beschwert sich Lamberg in seinen Relationen an Kurz mehrfach
. Auch wenn Lamberg nicht glau-ben mochte,
dz man zu München dergleichen conventicula und abseittige, gefährliche negociationes approbiren
würde, und Maximilian I. dem Kaiser versicherte, seine Gesandten zur Kooperation mit den Kaiserlichen angewiesen zu haben
, so war doch ohne Rückendeckung seitens des Kurfürsten ein solches Vorgehen nur schwerlich vorstellbar. Während man in München also bereit war, in Hinblick auf einen raschen Friedens-schluß so manche Position der katholischen Seite in den Autonomiever-handlungen preiszugeben – und dies auch getan hat –, muß die eigene Konzessionsbereitschaft in bezug auf eine Einschränkung des ius refor-mandi in der Oberpfalz eher als verhalten charakterisiert werden, zumal man sich bewußt war, daß der Kaiser aus reinem Eigeninteresse wegen Österreichs ob der Enns diese Linie unterstützen mußte.
Aus kurbayerischer Sicht ist
die entschlossene Haltung des bayerischen Gesandten Krebs bedeutend
für den erfolgreichen Fortgang der Verhand-lungen gewesen
Vgl.
Albrecht,
Maximilian I., 1048.
. Anfang Mai 1648 waren die großen innerständischen Streitpunkte, also Autonomie und Amnestie im Reich, geschlichtet und ad acta gelegt, die Regelungen zum Reichsverfassungsrecht der Reichs-stände
Vgl. später Art. VIII IPO = §§ 62–66 IPM.
und die Bestimmungen über Handelsfreiheit und Zölle
Vgl. später Art. IX IPO = §§ 67 und 68 IPM.
warfen keine gewichtigen Differenzen mehr auf
. Die Tatsache, daß die Kaiser-lichen in Osnabrück nicht mehr die Kontrolle über die sich verselbständi-genden reichsständischen Bevollmächtigten besaßen, bedeutete allerdings nicht, daß Ferdinand III. auf allen Gebieten seine Positionen räumen mußte. Im Gegensatz zur hessen-kasselischen Frage hatte der Kaiser in einem wichtigen Komplex der Amnestieverhandlungen für das Reich eine wesentlich bessere Stellung inne. Der Fall Baden-Durlach
Vgl. später Art. IV,26–27 IPO = § 33 IPM.
wurde im
[p. LXXIV]
[scan. 74]
April von seinen Gesandten am Kongreß abschließend verhandelt und nach seinen Vorstellungen im Vorabkommen über das Friedens-, Amnestie- und Restitutionsgebot sowie einzelne Restitutionen vom 21. April
verglichen. Anfang Mai befahl der Kaiser seinen Bevollmächtigen nochmals in einem Schreiben
, dem Markgrafen Wilhelm von Baden-Baden keine weiteren Belastungen zuzumuten, und verwies sie ausdrück-lich auf die betreffenden Regelungen im kürzlich übersandten Gesamtent-wurf. Am Kaiserhof wußte man um die gemeinsame Linie mit Frankreich und mit allen katholischen Reichsständen in wenigstens diesem Punkt
. Das Vorabkommen lag wohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Prag vor. Innerhalb weniger Monate führten die reichsständischen Bemühungen in Osnabrück die Verhandlungen, die seit Jahren einer Lösung geharrt hat-ten, zu einem Abschluß, so daß nur noch die Forderungen der Kronen und des Kaisers in Einklang zu bringen waren
Vgl.
ebenda;
Albrecht,
Maximilian I., 1048.
. Doch der kaiserliche Ver-such, alle offenen Fragen mit dem neuen Friedensinstrument auf einen Schlag zu lösen, schlug fehl. Die Verhandlungen in Westfalen waren in den letzten Wochen rasch vorangeschritten, und der neue Gesamtentwurf entsprach nicht mehr dem aktuellen Verhandlungsstand, denn neben ein-zelnen Restitutionen war auch der Einschluß der Reformierten verglichen worden
. Daraus ergaben sich für die Kaiserlichen Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung des Vertragswerkes und es kam zu einer Verzöge-rung der Übergabe an die schwedischen Bevollmächtigten Oxenstierna und Salvius
. Die Meinungen innerhalb der kaiserlichen Gesandtschaft in Osnabrück über den Erfolg der bevorstehenden Eröffnung des Ver-tragsentwurfs differierten indes. Während Volmar auf einen Durchbruch der festgefahrenen Verhandlungsfronten hoffte
, äußerte Lamberg ge-genüber Kurz seine Skepsis
. Und er sollte recht behalten. Die schwe-dischen Gesandten wollten vor einer Erklärung, nachdem die Kaiserlichen Oxenstierna am 11. Mai den von ihnen überarbeiteten Gesamtentwurf
übergeben hatten, erst die Armeesatisfaktion für ihre Krone geregelt wis-sen
. Salvius konnte krankheitsbedingt bei der Übergabe nicht anwesend sein
.
[p. LXXV]
[scan. 75]
Nachdem die Schweden im März und April bereits auf eine Abhandlung ihrer Forderungen gedrängt hatten
, nahmen sich einige Gesandte pro-testantischer Reichsstände der Sache an. Neben den Schweden forderte allerdings auch Ferdinand III. von den Reichsständen eine Bezahlung für die kaiserlichen Immediat- und Mediattruppen
. Der kurbranden-burgische Gesandte Wesenbeck und der Bevollmächtigte Kursachsens, Leuber, schlugen am 30. April vor, die Frage der schwedischen Armee-satisfaktion gemeinsam mit der Regelung zur Amnestie in den kaiserlichen Erblanden in den Reichskurien zu verhandeln. Sie versicherten den Kai-serlichen, ihre Herren würden dem Kaiser bei der erbländischen Amnestie nicht mehr Zumutungen abverlangen. Die kaiserlichen Gesandten lehnten ab. Dies war notwendig, weil ihre vom Kaiserhof empfangenen Weisun-gen eine Einwilligung zu diesem Vorgehen nicht hergaben. Zudem trau-ten sie dem Abstimmungsverhalten mancher katholischer Reichsstände nicht
.
Am folgenden Tag jedoch drängten die Gesandten der katholischen Kurfürsten die Kaiserlichen ebenfalls zu dieser Vorgehensweise
. Der Einwand, daß man nicht zulassen könne,
daß über die materiam der Amnestie in den kaiserlichen Erblanden
einige reichsconclusa gefaßt werden
würden, verfing bei den kurfürstlich katholischen Abgeord-neten nicht. Hier wird auch wieder die Bedeutung der kurbayerischen Allianz für den Kaiser sowie die Bedeutung des Gesandten Krebs für die reichsständische Friedenspartei deutlich. Volmar bat Krebs unter vier Augen nochmals ausdrücklich um Unterstützung der kaiserlichen Ver-handlungsführung und wies auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Position des Kurfürsten und des Kaisers hin
. Doch die Entscheidung, ob in den Reichskurien verhandelt werden sollte oder nicht, oblag in die-sem Fall nicht mehr den Bevollmächtigten Ferdinands III. Die Gesandten der protestantischen Reichsstände wollten auch ohne Einwilligung der Kaiserlichen die Beratungen beginnen. Das kurmainzische Reichsdirekto-rium hatte bereits die zu Münster anwesenden Reichsstände angeschrie-ben, an den Verhandlungen in Osnabrück teilzunehmen. Leuber gelang es nicht, die Gesandten einiger protestantischer Reichsstände zur Unter-stützung der kaiserlichen Haltung bei der erbländischen Amnestie zu ge-winnen
Vgl. Nr. 100. – Zur Aufforderung der
Ges.
in Münster, nach Osnabrück zu kommen vgl. auch
APW
[ III A 3/5, LXIV.]
.
[p. LXXVI]
[scan. 76]
Am 6. Mai war es dann so weit: Die reichsständischen Bevollmächtigten begannen mit den Beratungen zur Amnestie in den kaiserlichen Erblan-den und zur schwedischen Militärsatisfaktion
Zum Beginn der Verhandlungen vgl.
ebenda
[Nr. 145.]
. Ein nochmaliger Protest der Kaiserlichen bei den Gesandten Kurbayerns und Kurmainz’ mit dem Hinweis auf ihren Befehl aus Prag
wurde abgewiesen
. Während die Verhandlungen in den Reichskurien über die Armeesatisfaktion noch kein konkretes Ergebnis brachten, bescherten diejenigen über die erbländische Amnestie dem Kaiser allerdings ein positives Ergebnis. Die Majorität des Kurfürstenrats wollte dem Kaiser nicht mehr als in dem am 8. Februar extradierten Teilentwurf abnötigen
Bezug auf §
„Tandem omnes“ und die Regelungen zur Amnestie in den ksl. Erblanden in Art. IV
KEIPO6
(vgl.
[Nr. 49 Anm. 4] ).
, und auch die Mehrheit des Fürsten-rats in Osnabrück ließ verlauten, daß ihrer Kayserlichen majestät in hac causa weder vorgegriffen noch maß gegeben, noch darzu der friedt, casu quo die herren Kayserlichen hierinn nicht weichen würden, gehindert
werden sollte. Man wollte lediglich die Kaiserlichen bitten, sovil muglich
zu bequemen
.
Am 9. Mai überbrachte eine reichsständische Deputation den kaiserlichen Gesandten den Beschluß. Diese erklärten wiederum mit Hinweis auf ihre Befehle, nicht nachgeben zu dürfen, und verwiesen die Deputation an die schwedischen Bevollmächtigten, man möge jenen beweglich zusprechen, daß die sich dermaln bequemen thüend
.
Eine rasche Einigung war gescheitert, und die nun mehr als vierzehn Tage an-dauernde Verhandlungspause
der Kaiserlichen mit den Gesandten der nordischen Krone über die erbländische Amnestie dauerte an. Die kom-menden Wochen und Monate sollten noch harte Verhandlungen über die Amnestie in den Erblanden des Kaisers und die Militärsatisfaktion mit sich bringen
Vgl.
Ruppert,
340ff;
Dickmann,
473–477 und demnächst APW
II A 9.
.