Acta Pacis Westphalicae III A 3,3 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 3. Teil: 1646 / Maria-Elisabeth Brunert

VIII. Das Verhältnis des Fürstenrats Osnabrück zu Schweden

Nicht der Fürstenrat Osnabrück selbst, wohl aber der größte Teil seiner Mitglieder stand in engen Beziehungen zu Schweden: Die evangelischen Reichsstände hatten bei Übergabe der Gravamina Evangelicorum an Oxenstierna und Salvius am 25. Dezember 1645 ihre Unterstützung bei

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den schwedischen Satisfaktionsforderungen zugesagt, falls sich Schweden weiterhin ihrer annehmen und ihnen besonders bei den Gravamina beiste-hen werde. Der Magdeburger Krull hatte an der Spitze der Delegation gestanden, die dieses Versprechen gegeben hatte. Zwei Tage später hatten die Deputierten im damals noch rein evangelisch besetzten Fürstenrat dar-über berichtet

Siehe APW III A 3/2, 374 Z. 24–30, 379 Z. 31ff.
. Da die Evangelischen besorgt waren, daß Schweden sich nach Erfüllung seiner Satisfaktionsansprüche nicht mehr hinreichend für die evangelischen Gravamina einsetzen würde oder sie zum Kompensati-onsobjekt bei den Satisfaktionsverhandlungen machen könne, drängten sie im Fürstenrat auf Abschluß der Beratungen über die Reichssachen (zu de-nen die Gravamina zählten), ehe sie sich den schwedischen und französi-schen Satisfaktionsforderungen zuwendeten

Siehe Nr. 108. Braunschweig-Lüneburg und Sachsen-Altenburg engagierten sich beson-ders (s. S. 199 Z. 25f, 30–33; s. auch Wolff, Corpus Evangelicorum, 90; oben bei Anm. 183).
. Es kam deshalb im Für-stenrat zu Auseinandersetzungen über die Frage, ob die Kaiserlichen bei Vorliegen des reichsständischen Gutachtens über Klasse I der schwe-dischen Replik bereits mit Schweden und Frankreich über die Reichs-sachen verhandeln würden, während die Reichsstände noch über die an-deren drei Klassen der schwedischen Replik berieten. Richtersberger be-stritt das mit Entschiedenheit, während Lampadius „und andere“ fast ver-sichern wollten, daß Schweden dazu bereit sei

Siehe S. 183 Z. 1–6.
. In Wirklichkeit wartete Schweden voller Ungeduld auf den vollständigen Abschluß der reichsstän-dischen Beratungen und befürchtete neue Verzögerungen durch mehrere Re- und Correlationsverfahren. Mit Rücksicht auf das schwedische Drän-gen beschloß der Fürstenrat Münster am 22. Februar, erst am Schluß der Beratungen ein einziges Re- und Correlationsverfahren durchzuführen. Doch dann erklärte sich der Kurmainzer Gesandte Raigersperger bereit, den Forderungen der Evangelischen im Fürstenrat Osnabrück nachzuge-ben und eine vorgezogene Re- und Correlation über die Reichssachen ab-zuhalten

Siehe Nr. 108 bei Anm. 41; Nr. 110 bei Anm. 23.
. Sie sollte am 31. März 1646 in Münster stattfinden. Daß sie schließlich doch nicht zustande kam, hatte mit der „Eifersucht“ (jalousie, gelosia) der Kronen aufeinander zu tun, deren Prestige eine Gleichbe-handlung der Kongreßstädte Osnabrück (als dem Hauptverhandlungsort Schwedens) und Münster (als dem Hauptverhandlungsort Frankreichs) unerläßlich erscheinen ließ

Zur jalousie der Kronen s. z. B. auch S. 13 Z. 19ff, S. 181 Z. 12, 184 Z. 4f, S. 217 Z. 40, S. 225 Z. 34, S. 228 Z. 36, S. 247 Z. 11–15.
. Das auf kurbrandenburgisch-pommersche Initiative hin am 29. März zusammengerufene Corpus Evangelicorum verständigte sich durch Deputierte mit Richtersberger, der die notwendige Korrespondenz mit Münster übernahm und so gleichsam in letzter Minute

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am 31. März die geplante Re- und Correlation verhinderte, die der Cron Schweden verkleinerlich gewesen wäre

So Milagius an die Fürsten von Anhalt, Osnabrück 1646 III 25/IV 4 ( Krause V.2, 91–94, hier 91f); s. dort auch die Beschreibung der gesamten Vorgänge. Siehe ferner mag-deburgisches Diarium zu 1646 III 19/29–20/30 in: Magdeburg F III fol. 503; Meiern II, 875 ; ebenda, 875f Text eines nicht ausgefertigten Briefes des CE an den FRM über die geplante Re- und Correlation, Osnabrück III 20/30; eine Kopie wurde zur Kennt-nisnahme an die ev. Fürsten und Stände in Münster geschickt; s. dort 876: Es sei nicht ratsam, die Herren Schwedische Gesandten zu offendiren, was durch eine einseitige Re- und Correlation in Münster geschehen würde.
.
Bei dieser Absage spielte auch eine Rolle, daß den Evangelischen zu die-sem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr an einer vorgezogenen Re- und Cor-relation über die Reichssachen gelegen war, da der Fürstenrat Osnabrück inzwischen (am 12. bis 14. März) bereits über die Satisfaktionsforderun-gen beraten hatte. Da sich Ende März eine gleichzeitige Re- und Corre-lation in Osnabrück und Münster nicht so schnell bewerkstelligen ließ, verzichteten sie lieber ganz auf ein eigenes Re- und Correlationsverfahren über die Reichssachen, für das sie sich in der Fürstenratssitzung am 28. Februar so sehr eingesetzt hatten. Die nach Abschluß der Beratungen am 26. und 27. April veranstaltete Re- und Correlation fand gleichzeitig in Münster und Osnabrück statt. Damit wurde vermieden, daß den cronen schimpf zugezogen und Schweden in gelosia gesäzt werde

So schon die Forderung des FRO am 8. März (S. 228 Z. 26f, 35f).
.
Die Besorgnis der Evangelischen, daß Schweden sich nach Beratung der Satisfaktionsforderungen nicht mehr für ihre Gravamina einsetzen würde, erwies sich als unnötig: Salvius sprach am 29. April mit Trauttmansdorff über die Gravamina

Siehe APW II A 4, 109 Z. 15–18.
. Zweifellos spielte dabei eine Rolle, daß auch die Evangelischen ihre Zusage eingehalten und im Fürstenrat Osnabrück die Beratung der Frage, ob man der cron Schweden einige satisfaction schül-dig, abgelehnt hatten. So war die von Richtersberger gewünschte negative Antwort vermieden worden

Siehe S. 261 Z. 1–12.
.

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