Acta Pacis Westphalicae III A 3,5 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 5. Teil: Mai - Juni 1648 / Maria-Elisabeth Brunert

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III. Die Beziehungen der Reichskurien untereinander

1. Kurfürstenrat, Fürstenrat und Städterat Osnabrück

Kurfürstenrat und Fürstenrat kooperierten im hier behandelten Zeitraum insgesamt gut miteinander, was angesichts der personellen Verflechtung nicht überrascht: Kurmainz war durch seinen für Salzburg votierenden Gesandten Johann Adam Krebs und durch den für Würzburg, Basel und Worms votierenden Kurmainzer Geheimen Rat Vorburg in gewisser Weise auch im Fürstenrat vertreten

Die Ursachen der Votenkumulation bei Krebs und Vorburg sind unterschiedlicher Natur: Krebs war sowohl von Lodron als auch von Schönborn (bzw. dessen Vorgänger Wambold zu Umstadt) bevollmächtigt, während Vorburg auch nach der Wahl Schönborns zum Kf.en von Mainz würzburgischer Ges. blieb, aber als Kurmainzer GR Schönborn auch in dessen Funktion als Kf. verpflichtet war, zudem das Votum von Worms ersatzweise für den Kurmainzer Ges. Raigersperger führte. Da sowohl Sötern als auch Kf. Friedrich Wilhelm (ebenso wie Schönborn) Mehrfachherrscher waren (Sötern für Kurtrier, Speyer, Weißenburg und Prüm, Friedrich Wilhelm für Kurbrandenburg und Pommern), reichte der Einfluß beider Kf.en durch ihre Ges. im FR (Scherer und Wesenbeck) auch in diese Kurie.
, ebenso wie (Kur-)Bayern in beiden Kurien votierte; ferner war Kurtrier durch Speyer, Weißenburg und Prüm indirekt im Fürstenrat vertreten, ebenso wie Kurbrandenburg durch Pommern. Dennoch gab es zwei Auseinandersetzungen, die zur Folge hatten, daß die Re- und Correlationsverfahren nicht an einem Tag beendet, sondern zu einem späteren Termin fortgesetzt werden mußten.
Die erste Auseinandersetzung betraf die Frage eines Waffenstillstands oder vielmehr einer Einstellung der Feindseligkeiten ( cessatio armorum et hostilitatis)

S. S. 230 Z. 7ff.
. Der Kurfürstenrat erstrebte eine solche cessatio armo-rum gleich nach Einigung über die Höhe der schwedischen Militärsatis-faktion, während der Fürstenrat das nicht für sinnvoll hielt. Die cessatio armorum müsse mit einer allgemeinen Abdankung der Truppen verbun-den sein; denn andernfalls würden Kontributionen und Einquartierungen nicht aufhören, die Truppen also dem zur Last fallen, in dessen Territorium sie gerade standen. Hauptkontrahenten dieser Auseinandersetzung waren Kurbayern, das eine cessatio armorum so bald wie möglich forderte, und Braunschweig

S. Nr. 156, Ende des Protokolls.
. Als die Kurien zwei Tage nach Abbruch der Re- und Cor-relation wieder zusammentraten, hatte der Kurfürstenrat nachgegeben

S. Nr. 157 bei Anm. 3.
. Die zweite Auseinandersetzung betraf das sogenannte Quantum für die schwedische Militärsatisfaktion. Die Mehrheit des Fürstenrats Osnabrück

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war eher bereit als der Kurfürstenrat, die geforderten 5 Millionen Reichs-taler zu bewilligen, vielleicht, weil zumindest ein Teil der Gesandten zuverlässig wußte, daß die Schweden keinen weiteren Verhandlungsspiel-raum hatten, sondern von der Königin angewiesen waren, (mindestens) diesen Betrag zu fordern

Wie Anm. 49.
. Da die beiden höheren Kurien sich nicht einigen konnten, gingen sie am 10. Juni auseinander, ohne den Städte-rat gehört zu haben, obwohl Lampadius (nach anderer Überlieferung: der evangelische Teil des Fürstenrats) gefordert hatte, den Beschluß der Städtischen anzuhören. Das hatte einen triftigen Grund: Wenn die beiden höheren Kurien diskrepante Beschlüsse faßten, hätte der Städterat mit sei-nem Votum den Ausschlag geben können. Da die Reichsstädte in ihrem Beschluß mit der Mehrheit des Fürstenrats übereinstimmten (was wegen der personellen Verflechtung beider Kurien

Gloxin war Ges. Sachsen-Lauenburgs im FR und Lübecks im SR; am 10. Juni votierte er im SRO (s. APW III A 6 Nr. 145). Von den beiden hessen-darmstädtischen Ges. war einer (Wolff von Todtenwart) auch für die Reichsstadt Regensburg bevollmächtigt; am 10. Juni votierte er, wie Gloxin, im SRO.
im Fürstenrat bekannt gewe-sen sein muß), wäre der Kurfürstenrat überstimmt worden, falls man die Städtischen am 10. Juni gehört und ihnen das umstrittene Votum decisi-vum

In Art. VIII,4 IPO = § 65 IPM wurde es dem SR zugebilligt; zu den Auseinandersetzungen um dieses Recht, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen KFR und FR den Ausschlag zu geben, s. Buchstab, 127–148; [Nr. 171 Anm. 60] .
zugebilligt hätte. Der Kurfürstenrat wollte das vermeiden, unter-band zunächst die Einbeziehung des Städterats in das Re- und Correlati-onsverfahren und hatte, als das Verfahren (erst) drei Tage später fortgesetzt wurde, seine Meinung derjenigen des Fürstenrats angepaßt, so daß sich die Frage des Votum decisivum der Reichsstädte am 13. Juni nicht mehr stellte. Der Städterat Osnabrück hatte sich indessen bereits am 12. Juni bei den Kaiserlichen und den Schweden beschwert, daß er (am 10.) von der Re- und Correlation ausgeschlossen worden sei

S. [Nr. 171 Anm. 60] , Nr. 172 bei Anm. 4.
.
Der Streit um das Votum decisivum war auch der tiefere Grund für die Auseinandersetzung um das Recht der Reichsstädte, bei der Re- und Cor-relation sitzen zu dürfen. Auf Reichstagen mußten die Gesandten der Reichsstädte stehen, während die Bevollmächtigten der beiden höheren Kurien saßen . Als den reichsstädtischen Bevollmächtigten im Mai 1648 bei den Re- und Correlationen nur ausnahmsweise gestattet wurde, sich zu setzen, nahmen sie an, dies solle vergegenwärtigen, daß sie einen geringeren

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Rang einnahmen und geringere Rechte hatten als die „höheren“ Kurien; konkret waren sie in Sorge, daß auf diese Weise ihr bereits zugesichertes Votum decisivum per indirectum in Zweifel gezogen werden sollte

S. APW III A 6, 690 Z. 12–16. Die Ges. des SRO durften am 12. Mai sitzen, mußten am 28. aber stehen, während die Ges. des KFR und FRO saßen; bisweilen standen die Ges. aller drei Kurien (s. [Nr. 168 Anm. 21] ).
. Sie hatten sich deshalb beim Reichsdirektorium beschwert, so daß Kurfürsten-rat und Fürstenrat am 6. Juni darüber eine Umfrage hielten. Die Mehrheit des Fürstenrats war indifferent oder wollte es, wie auch die Kurfürstli-chen, beim Friedenskongreß zulassen, daß die reichsstädtischen Gesandten ebenfalls sitzen durften. Nur die fürstlich Sächsischen plädierten dafür, es beim Herkommen zu lassen, so daß die Städtischen hätten stehen müssen. Ergebnis war ein Kompromiß, gültig nur für die Zeit des Friedenskon-gresses: Die Reichsstädtischen sollten stehen, wenn das Reichsdirektorium die Beschlüsse der Kurfürstlichen und Fürstlichen vortrug, sie durften aber sitzen, wenn ihr Direktor, stehend, ihren Beschluß vortrug. Das war ein unbefriedigendes Ergebnis für den Städterat, der diese Regelung ohnehin als sein Recht und nicht als eine auf Zeit gewährte Gnade ansehen wollte. So fand sich der Ausweg, daß künftig die Gesandten aller drei Kurien standen

S. Nr. 168, Ende des Protokolls.
.
Die Frage des Stehens oder Sitzens wie auch das eigentlich 1647 schon zugesicherte Recht auf das Votum decisivum blieb demnach vorerst in der Schwebe. Das Verhalten bei der Re- und Correlation am 10. und 13. Juni zeigt jedenfalls, daß sich der Kurfürstenrat in der wichtigen Frage der schwedischen Militärsatisfaktion lieber freiwillig der Meinung der bei-den anderen Kurien anschloß, als daß er sich hätte überstimmen lassen. Die Frage des Sitzens oder Stehens hat hier als zeremonielles Handeln tatsächlich sozialen Zeichencharakter: Sie vergegenwärtigte den geringe-ren Rang der reichsstädtischen Gesandten, gab ihnen, wenn man sie nicht sitzen ließ, gar das Gefühl, als ob man sie verurtheilen wolle

S. S. 386 Z. 18. Zum Verständnis von zeremoniellem Handeln als formalisierten Handlun-gen mit sozialem Zeichencharakter s. Stollberg-Rilinger, 94f.
.

2. Die Teilkurien in Osnabrück und Münster

Fürstenrat und Städterat waren auf dem Westfälischen Friedenskongreß in sich geteilt, indem ein Teil der Gesandten jeder Kurie in Münster, der andere in Osnabrück votierte. Dabei bestand eine gewisse Fluktuation,

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da manche Reichsstände eine Zeitlang in Münster und eine Zeitlang in Osnabrück vertreten waren, so daß beide Teilfürstenräte zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich zusammengesetzt waren

Pfalz-Neuburg war z. B. erst am 27. September 1646 zum ersten Mal im FRO vertreten, votierte dort (mit einer Ausnahme) bis zum 3. Mai 1647, dann erst wieder ein Jahr später, am 6. Mai 1648 (s. APW III A 3/4 Nr. 125, 126, 128–133; 3/5 Nr. 145), und blieb dann während des Editionszeitraums dieses Bandes in Osnabrück. Die Gründe, warum die Ges. eines Rst. s in Münster oder Osnabrück votierten, waren unterschiedlich. Es konnte z. B. maßgeblich sein, daß in der einen oder anderen Kongreßstadt Verhandlungen stattfanden, an denen die Ges. beteiligt waren. Prinzipiell votierte 1645 bis einschließlich 1647 die Mehrzahl der kath. FR-Mitglieder in Münster (dem Hauptverhandlungsort der Franzosen) und die Mehrzahl der ev. FR-Mitglieder in Osnabrück (dem Hauptverhandlungsort der Schweden).
. Es blieb den Fürsten-ratsdirektoren in Münster und Osnabrück überlassen, die Voten einander mitzuteilen, die in beiden Kongreßstädten abgegebenen Stimmen zusam-menzuzählen und festzustellen, wie der Gesamtbeschluß (das conclusum) des Gesamt-Fürstenrats ausfiel. Aus den conclusa der drei Kurien wurde sodann, wie auch auf Reichstagen üblich, im Re- und Correlationsverfah-ren das Reichsconclusum ermittelt. Die auf dem Westfälischen Friedenskon-greß gegebene Aufteilung des Fürstenrats auf zwei Kongreßstädte machte eine Information beider Teilfürstenräte durch das Kurmainzer Reichsdi-rektorium nötig, über welche Fragen die Gesandten beraten sollten, d. h. das Reichsdirektorium teilte dem jeweiligen Fürstenratsdirektorium die Proposition mit, über die möglichst gleichzeitig in beiden Teilfürstenräten beraten werden sollte, damit anschließend ein Gesamtconclusum gefaßt werden konnte.
Als 1648 die Reichskurien nach monatelanger Pause wieder zusammentra-ten, sollte dieses 1646 und 1647 praktizierte Verfahren weitergeführt wer-den. Es war allerdings durch den Widerstand der Kaiserlichen gegen die reichsständische Beratung über den § „Tandem omnes“ und die schwedi-sche Militärsatisfaktion eine neue Situation entstanden, da nicht feststand, wieviele Reichsstände sich der „dritten Partei“ anschließen würden, die sich über die Befehle des Kaisers hinwegsetzen wollte. Es war zu erwarten, daß zumindest die sogenannten Extremisten in Münster (Wartenberg und Adami sowie, aus den Reihen der katholischen reichsstädtischen Gesandten, Leuxelring) nicht auf den Kurs der Verständigungsbereiten einschwenken würden

Zu den „Extremisten“ s. Wolff, Corpus Evangelicorum, 54f; zu Wartenberg s. auch APW III A 3/1, LXI bei Anm. 42 sowie die „Meinungen“ des FRM von 1648 VI 4 und 12, in denen Wartenberg als die zentrale Persönlichkeit der Opposition in Münster gegen die Beratungen und Beschlüsse in Osnabrück erscheint ( [Nr. 170 Anm. 13] , [Nr. 172 Anm. 31] ).
; denn sie hatten durch ihr bisheriges Verhalten bewiesen, daß sie kompromißlos für katholische Belange eintraten, um die es bei der

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Amnestie in den kaiserlichen Erblanden auch ging. Zudem hatten sich bereits im Februar 1648, als in Osnabrück über die Gravamina ecclesia-stica beraten wurde, die Fronten zwischen den „Extremisten“ und den Verständigungsbereiten endgültig verhärtet

Wolff, Corpus Evangelicorum, 55.
. Allerdings ging es bei den Beratungen über die schwedische Militärsatisfaktion um Fragen ohne kon-fessionelle Relevanz. Da Wartenberg, Adami und Leuxelring ihren Ruf unbedingter Kompromißlosigkeit auf religionspolitischem Gebiet erlangt hatten, war letztlich doch ungewiß, wie sie sich zu den Verhandlungen mit Schweden über die Abfindung des Heeres stellen würden.
Wie sich zeigte, beschloß Wartenberg Anfang Mai 1648, sich an dem auch in Münster nach monatelanger Pause wiedereröffneten Fürstenrat zu betei-ligen. Der entscheidende Tag war der 3. Mai: Der österreichische Direk-tor Wolkenstein (und Giffen sowie wahrscheinlich auch andere katholi-sche Gesandte) waren vom Kurmainzer Kanzler Raigersperger über den in Osnabrück unmittelbar bevorstehenden Zusammentritt der Reichsku-rien und die Beratung über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden sowie die schwedische Militärsatisfaktion informiert worden; zumindest Giffen hatte die Aufforderung erhalten, sich gleich am nächsten Tag zu den Beratungen in Osnabrück einzufinden . Wolkenstein plante darauf-hin die Einberufung des Fürstenrats in Münster, da er berechnet hatte, daß ungefähr dreißig Voten zusammenkommen würden. Damit hatte der Fürstenrat Münster eine Chance, unliebsamen Beschlüssen aus Osnabrück Paroli zu bieten. Voraussetzung dafür war freilich, daß sich Wartenberg, der allein vierzehn Voten führte, an den Sitzungen beteiligte. Tatsächlich sagte Wartenberg an jenem 3. Mai zu, woraufhin das Kurmainzer Reichsdi-rektorium in Osnabrück informiert wurde, daß die Teilkurien in Münster ebenfalls beraten und (dem üblichen Verfahren gemäß) ihre „Meinun-gen“ (zur Ermittlung des Gesamtergebnisses) nach Osnabrück schicken würden

APW III C 3/2, 1089 Z. 4–26; zu Wartenbergs Voten s. [Nr. 147 Anm. 36] ; zur Zusage, die „Meinungen“ von Münster nach Osnabrück zu schicken, s. Nr. 146 bei Anm. 18. – Kf. Fer-dinand von Köln war seit Februar 1648 bei Wahrung seiner passiven Haltung noch enger an die „dritte Partei“ herangerückt und hatte seinem Osnabrücker Bevollmächtigten Busch-mann im Februar 1648 eine in diesem Sinne gehaltene geheime Sonderinstruktion erteilt. Demnach bestanden erhebliche Differenzen zwischen dem Kf.en und seiner Osnabrücker Vertretung auf der einen Seite und Wartenberg in Münster auf der anderen. Wartenberg, eigentlich Kurkölner Prinzipalges., war mehr oder weniger kaltgestellt ( APW III C 3/1, XLVIf). Anfang Mai 1648 fand er eine Funktion als einflußreichstes Mitglied innerhalb des FRM .
, wo sich das Kurmainzer Reichsdirektorium (Raigersperger und Meel) damals aufhielt.

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Zumindest der Salzburgische und der Österreichische Direktor (Krebs und Goll) rechneten am Ende der ersten Sitzung des Fürstenrats Osnabrück am 6. Mai 1648 damit, daß sie demnegst, nach Eintreffen der Voten aus Münster, ein bestendiges conclusum formiren und dann zur Re- und Cor-relation schreiten könnten. Goll hatte errechnet, daß die zehn Osnabrücker Voten, die (in der Frage der Amnestie in den kaiserlichen Erblanden) schließen affirmative pro Caesarea maiestate, zusammen mit den erwar-teten Stimmen aus Münster eine beruhigend starke Mehrheit für die kai-serliche Position ergeben würden

S. S. 43 Z. 22f, 41ff.
. Bereits zwei Tage später, am 8. Mai, schritten die Reichsstände in Osnabrück zur Re- und Correlation, ohne daß die erwarteten „Meinungen“ aus Münster eingetroffen waren. Man behalf sich mit der Erklärung, daß dies den Gesandten in Münster nicht zum Nachteil (praeiudiz) ausschlagen solle

S. Nr. 146 bei Anm. 18.
, behielt ihnen also ihre Voten vor. Die Abhaltung der Re- und Correlation am 8. Mai war jedoch ein Ver-stoß gegen das eingespielte Verfahren; denn es hätten erst die „Meinungen“ aus Münster abgewartet und bei deren Vorliegen „Conclusa“ der einzelnen Kurien formuliert werden müssen. So aber wurde die Beratung über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden bereits am 8. Mai 1648 abgeschlos-sen und das sogenannte conclusum am 9. und 10. Mai durch Deputierte den Kaiserlichen und Schweden übergeben

Zu den Deputationen s. [Nr. 148 Anm. 10] und 11; zur Diktatur des Osnabrücker conclusum s. [Nr. 146 Anm. 26] .
. Nur der Aufschub der Diktatur bis zum 2. Juni 1648 zeigt, daß die Osnabrücker Reichsstände ihr Vorge-hen doch nicht publik machen wollten. Wie sie eigentlich hätten verfahren müssen, war ihnen bewußt, wie auch das Sachsen-Altenburger Protokoll vom 8. Mai 1648 zeigt: Carpzov, der für die Protokollführung verant-wortlich war, hat nachträglich dem Osnabrücker Protokoll die Beschlüsse des Fürstenrats und Städterats Münster über die Amnestie in den kaiserli-chen Erblanden vom 18. Mai 1648 zugeordnet

S. [Nr. 146 Anm. 27] und 28.
, welche die Teilkurien in Münster richtig als „Meinungen“ bezeichnet haben

S. Nr. 146 bei 27.
.
Es war das Corpus Evangelicorum, vertreten durch den Sachsen-Altenbur-ger Thumbshirn, das in der nächsten Sitzung (am 9. Mai) Anstoß daran nahm, daß die Reichsstände in Münster ihre Voten vorbehielten. Auf pri-vaten oder informellen Wegen war die Reaktion der dortigen Gesandten

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auf das Vorgehen in Osnabrück bekanntgeworden: Sie wollten nicht an das gebunden sein, was in Osnabrück ohne ihr Zutun beschlossen worden war

So am deutlichsten im Votum Braunschweig-Celles in Nr. 147 (s. S. 80 Z. 11f).
. Thumbshirn ging mit seinem Widerspruch gleich ins Grundsätzli-che, indem er die Votenkumulation Wartenbergs kritisierte, der vierzehn Stimmen führte. Über den Mißstand, daß zwei oder drei Personen sehr viele Stimmen führten, damit die Mehrheit bildeten, so daß die salus publica von ihnen abhänge, müsse auf dem nächsten Reichstag verhandelt werden

S. S. 69f Z. 22–26 und 1. Wie Sachsen-Altenburg stimmten am 9. Mai 1648 ausdrücklich wegen der in Münster geführten Stimmen Brandenburg-Kulmbach, Braunschweig-Celle und -Wolfenbüttel, Württemberg, Hessen-Darmstadt, Baden-Durlach, Mecklenburg-Schwerin und -Güstrow sowie die Wetterauer Gf.en (s. Nr. 147). Damit sind nur jene genannt, die sich expressis verbis auf diese Sache beziehen. Das gesamte Abstimmungsver-halten der ev. Rst. im FRO verdeutlicht, daß es eine auf vorheriger Absprache beruhende Übereinkunft gab.
.
Hintergrund war die prekäre Situation, daß in Osnabrück und Münster annähernd gleich viel Reichsstände vertreten waren, freilich bei einer von Sitzung zu Sitzung schwankenden Zahl in beiden Städten und einigen Unsicherheiten bei der Zählung . Als die Reichsstände in Münster einem ihrer Beschwerdebriefe über die Nicht-Berücksichtigung ihrer Voten eine Liste mit den dort vertretenen Reichsständen beilegten, traf sie aller-dings das Mißgeschick, daß der Gesandte Savoyens gerade wieder von Münster nach Osnabrück gewechselt war, so daß dieser sich im Fürsten-rat Osnabrück zu der süffisanten Bemerkung veranlaßt sah, bei ihm sei dasselbe eingetreten wie beim heiligen Ambrosius, der an zwei Orten gleichzeitig gesehen worden sei

S. das Votum Savoyens in Nr. 174.
. Es war also nicht ganz ohne Tücken, mit dem Mehrheitsprinzip zu argumentieren, so daß Thumbshirn und sein Anhang aus dem Corpus Evangelicorum zumindest anfangs, als die Mehrheitsverhältnisse noch nicht geklärt waren, lieber die Votenkumu-lation kritisierten, die bei Wartenberg, bei Giffen, besonders aber bei Leuxelring aus dem Städterat Münster, fast groteske Formen angenom-men hatte. Leuxelring führte nämlich elf Stimmen, stellte damit allein den Städterat Münster dar und führte, bedingt durch die zeitweilige Abwesenheit des Kölner Gesandten Halveren, das Direktorium

S. [Nr. 146 Anm. 28] . Dr. iur. Hermann Halveren (um 1615–1665) führte seit Juli 1646 das Direktorium des SRM und vertrat im FR die Hst.e Brixen und Trient. Halveren stammte aus Köln und stand seit August 1647 als Registrator der Freitags-Rentkammer (und wahrscheinlich auch als Sekretär) im Dienst der Stadt. Halveren ist im Frühjahr 1648 zuletzt für den 5. Mai in Münster nachweisbar. Kurz danach muß er den WFK verlassen haben, wo seine Anwesenheit erst wieder für den Juli 1648 zu belegen ist ( Klotz, 152–201; Buchstab, 88; für umfangreiche Recherchen und Auskünfte danke ich Herrn Dr. Joachim Deeters, Historisches Archiv der Stadt Köln).
. Eine

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Grundsatzdiskussion hätte allerdings auch die Tatsache berühren müssen, daß es im Fürstenrat Osnabrück ebenfalls Votenkumulation gab, wenn auch nicht in solch extremer Ausprägung wie in Münster. So votierten Wesenbeck und Fromhold für Pommern-Stettin und -Wolgast wie auch für Brandenburg-Kulmbach und -Ansbach; Wesenbeck war außerdem Bevollmächtigter der Wetterauer Grafen, für die ersatzweise manchmal Nassau-Saarbrücken votierte, das eigentlich nicht für das Gesamtcorpus stimmen durfte

In Nr. 147 und Nr. 174 votierte Nassau-Saarbrücken für die Wetterauer Gf.en, in Nr. 164 wahrscheinlich ebenfalls (s. [Nr. 147 Anm. 75] , [Nr. 164 Anm. 54] , [Nr. 174 Anm. 45] ). In Nr. 145 und 146 votierte für Pommern der zweite dazu bevollmächtigte Ges. Kurbrandenburgs, Fromhold (s. Nr. 147 bei Anm. 47). Wesenbeck wie Fromhold waren auch bevollmächtigt, im KFR für Kurbrandenburg zu stimmen. Wenn sie sich dort befanden, mußte im FRO ein anderer Ges. substituiert werden. So führte am 6. Mai 1648 Württemberg die fürstlich Brandenburgischen vota, wie es im Protokoll heißt (s. Nr. 145, Votum Brandenburg-Kulm-bachs und -Ansbachs), nämlich je zwei pommersche und fürstlich brandenburgische, dazu das eigene, jenes von Pfalz-Veldenz und das der Wetterauer Gf.en, also insgesamt sieben Voten. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings auch die Diskussion über eine Votenkumula-tion bei Wartenberg und Leuxelring in Münster noch nicht aufgekommmen. Zu weiteren Beispielen für dieses Phänomen im FRO s. Anm. 70.
. Württemberg führte regelmäßig die Stimme von Pfalz-Veldenz, und Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha hatten von Beginn an, also seit 1645, nur einen gemeinsamen Gesandten (Heher), der nun-mehr auch Bevollmächtigter Anhalts war. Wartenbergs und Leuxelrings Votenkumulation war also nur die Extremform einer auch im Fürstenrat Osnabrück (und auf Reichstagen) praktizierten Mehrfach-Bevollmächti-gung, so daß die Kritik daran sich prinzipiell auch gegen die Osnabrücker hätte anwenden lassen. Eine weitergehende Diskussion ist darüber im Fürstenrat Osnabrück nicht geführt worden.
Da die Evangelischen von der Sorge umgetrieben wurden, daß die einseiti-gen Osnabrücker Beschlüsse von den in Münster vertretenen Reichsständen nicht anerkannt würden, protestierten sie förmlich gegen den am 8. Mai 1648 bei der Osnabrücker Re- und Correlation ausgesprochenen Vorbe-halt der Voten aus Münster; diese sollten, falls sie nicht rechtzeitig einge-bracht würden, unwirksam sein, ebenso wie Widersprüche und Proteste aus Münster. Dabei beriefen sie sich auf Präliminarvereinbarungen vom Sep-tember 1645 über den Modus consultandi, in denen die Bindung der Abwe-senden an die Reichsschlüsse festgelegt worden war. Damals waren die (noch) nicht auf dem Friedenskongreß erschienenen Reichsstände gemeint

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gewesen, während nunmehr an jene in Münster gedacht war, die den Bera-tungen in Osnabrück – trotz Aufforderung – fernblieben

S. Nr. 148 bei Anm. 8. Der Protest wurde in der Sitzung vom 11. Mai 1648 erwähnt, also wahrscheinlich am 9. oder 10. Mai schriftlich vorgelegt, was im Protokoll allerdings nicht dokumentiert ist (s. [Nr. 148 Anm. 8] ).
.
Es waren Pfalz-Neuburg und Bamberg, die dieser Initiative des Corpus Evangelicorum wenigstens teilweise widersprachen, und zwar am deutlich-sten Pfalz-Neuburg, das durch gelegentliche Stellungnahmen Kritik übte, allerdings den Beratungen nicht fernblieb. Am 11. Mai 1648 erinnerte Pfalz-Neuburg kritisch an das Verhalten der evangelischen Reichsstände im Herbst 1645: Sie hatten damals in Osnabrück ohne Kommunikation mit den Gesandten in Münster beraten und Beschlüsse gefaßt

S. Nr. 148 bei Anm. 21.
. Bamberg zog sich hingegen auf das Argument zurück, die Reichsstände in Münster seien in der Minderheit und könnten deshalb die Beschlüsse in Osnabrück nicht überstimmen

S. Nr. 148 bei Anm. 22.
. Dagegen bestärkten Brandenburg-Kulmbach und -Ansbach noch einmal die Position der Evangelischen: Die Reichsstände aus Münster hätten nach Osnabrück kommen oder jemandem ihr Votum auftragen sollen

S. Nr. 148, letzter Absatz des Votums von Brandenburg-Kulmbach.
. Bei der wiederum nur unter den Osnabrücker Teil-kurien vorgenommenen Re- und Correlation am 12. Mai 1648 sagte das Kurmainzer Reichsdirektorium zu, an die Reichsstände in Münster zu schreiben, daß sie ihre Voten rechtzeitig und am passenden Ort (nämlich in Osnabrück) beibringen sollten, da sie sonst nicht beachtet würden

S. Nr. 149 bei Anm. 13.
. Das war im Sinne Thumbshirns und seines Anhangs, so daß hier die überkon-fessionelle Übereinstimmung feststellbar ist, welche die sogenannte „dritte Partei“ auszeichnet. Pfalz-Neuburg gehörte nur am Rande dazu, ohne sich letztlich entschieden zu distanzieren, Bamberg mit einigen Vorbehal-ten und etwas zögernd. Auch die Osnabrücker Reichsstädte stimmten zu, so daß das Schreiben des Reichsdirektoriums an die Gesandten in Münster eine beschlossene Sache war

S. Nr. 149 bei Anm. 13; zur Zustimmung des SRO s. S. 116 Z. 12.
.
Die Teilkurien in Münster ließen dennoch auf ihre „Meinungen“ warten. Am 15. Mai verhinderte der katholische Teil des Kurfürstenrats, daß eine weitere Re- und Correlation unter den Teilkurien in Osnabrück vorge-nommen wurde, weil die „Meinungen“ aus Münster noch nicht vorlagen. Sollten sie bis zum folgenden Tag immer noch nicht in Osnabrück ein-

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getroffen sein, würde man re- und correferieren

S. Nr. 152 bei Anm. 16.
. Das geschah jedoch erst am 19. Mai. Zuvor hatte es am 16. Mai in der Sitzung des Fürsten-rats einen Wortwechsel zwischen Bamberg und Braunschweig-Grubenha-gen gegeben: Bamberg hatte an die ungefähr dreißig Voten in Münster erinnert, was Braunschweig-Grubenhagen zu der Bemerkung veranlaßte, daß die in Münster vertretenen Reichsstände nicht die Verhandlungen in Osnabrück stören dürften, indem sie sie mit ihren Voten aufhielten

S. Nr. 153 bei Anm. 34 und 94.
. Am 18. Mai fand in Münster endlich die Fürstenratssitzung statt, in der die „Meinungen“ zur Amnestie in den kaiserlichen Erblanden (§ „Tan-dem omnes“) und zu den vier Spezialfragen über die Militärsatisfaktion (1. „cui“, 2. „a quibus“, 3. „quantum“, 4. „quomodo“

Der FRO hatte am 6. und 8. Mai über den § „Tandem omnes“ beraten (s. Nr. 145 und 146); die Beschlüsse wurden am 9. und 10. Mai den Ksl. und Schweden mitgeteilt (s. [Nr. 148 Anm. 10] und 11; zur nachträglichen und inhaltlich unzutreffenden Bezeichnung der Osnabrücker Beschlüsse als Conclusum [d. h. Gesamtbeschluß] der drei Reichskurien im Sachsen-Altenburger Protokoll s. [Nr. 146 Anm. 29] ). Die vier Fragen über die schwed. Militärsatisfaktion wurden am 8. Mai 1648 im FRO proponiert, der am 9. und 11. Mai darüber beriet. Am 12. Mai fand in Osnabrück eine Re- und Correlation statt. Noch am selben Tag informierte eine Deputation die Ksl. über die Beschlüsse, die am nächsten Tag, dem 13. Mai, (Kur-)Bayern mitgeteilt wurden (s. S. 54 Z. 4–13 und Nr. 147–150; zur FRM -Sitzung vom 18. Mai s. APW III C 3/2, 1091 Z. 35 und zu den damals formulierten „Meinungen“ des FRM und SRM [Nr. 146 Anm. 27] und 28).
) formuliert wur-den. Diese Beschlüsse, die auf die dritte und vierte Frage praktisch keine Antwort gaben, trafen aber erst am 20. Mai in Osnabrück ein, als man dort längst über das „quantum“ und „quomodo“ der schwedischen Militärsa-tisfaktion beriet und die Osnabrücker Beschlüsse zum § „Tandem omnes“ bereits am 9. und 10. Mai den Kaiserlichen und den Schweden übergeben hatte. Reichsständische Deputationen hatten auch schon, am 12. und 13. Mai, den Kaiserlichen und (Kur-)Bayern die Osnabrücker Beschlüsse vom 12. Mai mitgeteilt, von wem die Militärsatisfaktion aufzubringen sei und wer sie erhalten solle. Die Beschlüsse aus Münster vom 18. Mai enthiel-ten demgemäß eine Beschwerde, bei den Beratungen übergangen worden zu sein, und ferner die Bitte an das Reichsdirektorium, die Propositionen mitzuteilen.
Daneben hat sich Wartenberg namens der Reichsstände in Münster beim Kurmainzer Reichsdirektorium in Osnabrück am 18. Mai 1648 brief-lich beschwert, daß die Voten aus Münster in Osnabrück nicht beachtet würden . Einen Erfolg hatten diese und ähnliche weitere Beschwer-

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den schon deshalb nicht, weil die Beschlüsse aus Münster in der Regel so spät kamen, daß sie an Aktualität verloren hatten und jedenfalls im Fürstenrat Osnabrück nicht verlesen wurden

Überliefert sind folgende weitere Beschlüsse: Beschluß des FRM vom 29. Mai/1. Juni 1648 in puncto Satisfactionis Militiæ & Executionis (s. [Nr. 166 Anm. 6] ); Beschluß des FRM vom 4. Juni, korrekt Meinung überschrieben (zur Überlieferung s. [Nr. 166 Anm. 6] , zum Inhalt [Nr. 170 Anm. 13] ); ein Conclusum aus Münster mit dem Lemma Continuatio in puncto militiae vom 8. Juni (s. [Nr. 168 Anm. 24] ) und ein Beschluß (angeblich) des FRM vom 12. Juni, der aber nach eigener Aussage die Meinungen von Wartenberg und allen übrigen Ges. aus FRM und SRM enthält (s. [Nr. 172 Anm. 31] ). Falls dieser letzte Beschluß durch besonderen Boten noch am selben Tag befördert wurde, kann er den Rst. n in Osnabrück bekannt gewesen sein, als sie am 13. Juni die geforderten 5 Millionen Rt. für die schwed. Militärsatisfaktion bewilligten (s. [Nr. 174 Anm. 18] ). Am 15. Juni haben die Rst. in Münster einen expressen zur Beförderung benutzt, der spät abends in Osnabrück eintraf (s. Nr. 174 bei Anm. 7). Eine derartig schnelle Zustellung war also möglich, ist aber für den Beschluß vom 12. Juni nicht gesichert.
. Gelegentliche, unspezifi-sche Verweise auf Voten oder Schreiben aus Münster sind deshalb nicht leicht zu verifizieren, zumal die überlieferten Beschlüsse aus Münster immer Proteste wegen ihrer Nichtbeachtung und Vorbehalte ihrer Voten enthalten, also in dieser Hinsicht gleichförmig sind. Immerhin wurden die Beschlüsse aus Münster nicht ignoriert, wenn man auch vergeblich eine offizielle Erklärung des Fürstenratsdirektoriums sucht, daß nunmehr ein Beschluß aus Münster zu einer bestimmten Sache vorliege. Es ist vielmehr eine beiläufige Bemerkung Baden-Durlachs am 2. Juni 1648, daß die Osnabrücker Beschlüsse zu den Fragen „quis“ und „cui“ der Militärsatisfaktion zum reichsconclusum geworden seien

S. Nr. 164 bei Anm. 53.
. Inzwischen lagen nämlich die „Meinungen“ aus Münster vom 18. Mai dazu vor, die in diesen beiden Punkten mit den Osnabrückern übereinstimmten. Sie waren also in Osnabrück „ad acta“ genommen und auch diktiert worden, ohne daß dies im Fürstenrat Osnabrück thematisiert worden wäre.
Mehr Beachtung fand, daß die Gesandten in Münster bei ihrem Angebot von 2 Millionen fl. für die schwedische Militärsatisfaktion stehenblieben, während die Reichsstände in Osnabrück schließlich 5 Millionen Reichstaler dafür bewilligten. So erwähnte das Reichsdirektorium am 9. Juni 1648, daß die Reichsstände in Münster nur 2 Millionen fl. bewilligt hätten, während man in Osnabrück schon bei 6 Millionen fl. stehe; das werde denen in Münster frembde vorkommen

S. Nr. 170 bei Anm. 13.
. Anscheinend fand das nur Pfalz-Neu-burg beunruhigend und gab zu bedenken: Keiner könne auch den ander

[p. LXXI] [scan. 71]

in seckel votiren

S. Nr. 170 bei Anm. 26.
. Die übrigen meinten, daß man genug daran tue, die Reichsstände in Münster jeweils über die Beratungen und Beschlüsse in Osnabrück zu informieren. Selbst Pfalz-Neuburg, das am stärksten zur Rücksichtnahme auf die Gesandten in Münster neigte, behauptete nicht, daß die Reichsstände in Münster über die Mehrheit verfügten, sondern gab zu bedenken, daß sie, wenn nicht gleich an Zahl, so doch nicht viel geringer wären

S. dazu die Berechnungen in [Nr. 170 Anm. 26] .
. Im übrigen verließ man sich auf das Schreiben des Kurmainzer Reichsdirektoriums mit der Aufforderung an die Gesandten in Münster, ihre Voten rechtzeitig beizubringen, damit sie beachtet würden

Wie oben Anm. 103.
. Sach-sen-Lauenburg leitete daraus den wie eine Rechtsregel lautenden Satz ab: Wer nicht zue rechten zeit komme, verliehre sein votum

S. Nr. 154 bei Anm. 62; zu Sachsen-Altenburg s. S. 428 Z. 12ff.
, während Sachsen-Altenburg, vielleicht im Vertrauen auf eine dünne Mehrheit der Osnabrücker, die Voten der Münsteraner wohl beachten wollte, aber sicher war, daß die Gesandten, selbst wenn sie aus Münster nach Osnabrück kämen, es auch nicht weiter bringen würden.
Die offizielle Information der Reichsstände in Münster durch das Kur-mainzer Reichsdirektorium in Osnabrück erfolgte tatsächlich, wenn auch bisweilen weniger schnell und umfassend als erwünscht, so daß Wartenberg sich einmal beklagte, sie erführen die meisten Nachrichten aus Osnabrück eher aus den getruckten postzeitungen oder durch privatavisen als auf offiziellem Weg

Wartenberg und die übrigen Rst. in Münster beschwerten sich am 20. Mai 1648 über unzureichende Informationen, bestätigten hingegen am 30. Mai den Empfang zweier Schreiben vom 20. und 25. Mai (s. [Nr. 166 Anm. 6] ; zu zwei Schreiben des Kurmainzer Reichsdirektoriums in Osnabrück an die Rst. in Münster vom 8. und 11. Juni 1648 s. [Nr. 172 Anm. 31] ; die Information durch postzeitungen ist erwähnt im Schreiben vom 20. Mai 1648, s. HHStA MEA CorrA Fasz. 16 unfol.).
. Als die Reichsstände in Münster informiert wurden, daß Fürstenrat (und Städterat) Osnabrück bereit waren, den Schweden die geforderten 5 Millionen Reichstaler zu bewilligen , waren Warten-berg und sein Anhang empört, wiederholten ihre früheren Einwendungen, Vorbehalte und Proteste und wiesen nachdrücklich darauf hin, daß die Gesandten in Osnabrück dazu nicht von ihnen ermächtigt seien. In den Osnabrücker Protokollen ist diese „Meinung“ der Teilkurien in Münster vom 12. Juni nicht erwähnt; doch könnte sie dafür verantwortlich sein, daß der Beschluß über die Bewilligung von 5 Millionen Reichstalern, den die Schweden am 13. Juni in schriftlicher Form erhielten, nur von

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den in Osnabrück anwesenden Gesandten der drei Reichskurien auto-risiert war . Demnach hätte Wartenbergs Protest also dieses Mal Wir-kung gezeigt, freilich nicht die von ihm gewünschte. Wartenburg und sein Anhang wollten zweifellos das Angebot der 5 Millionen Reichstaler ver-hindern. Das gelang den opponierenden Reichsständen in Münster nicht, auch nicht die Aufnahme ihrer diskrepanten „Meinung“ in das schriftliche Angebot an Schweden oder wenigstens deren Erwähnung

In Reichsbedenken konnten diskrepante „Meinungen“ verzeichnet sein (s. APW III A 3/3, C bei Anm. 321).
.
Mit der von Wartenberg und seinem Anhang vorgeschlagenen Verhand-lungsstrategie haben sich die Osnabrücker Reichsstände nicht auseinander-gesetzt. Sie hieß: Einigkeit der Reichsstände untereinander und mit dem Kaiser als ihrem Haupt, daher nur Verhandlungen über Punkte, welche die kaiserlichen Gesandten gebilligt haben

S. die Beschlüsse aus Münster von 1648 V 29 und VI 4 ( [Nr. 166 Anm. 6] , [Nr. 170 Anm. 13] ).
. Ähnliches hatte schon Goll am 6. Mai 1648 vorgeschlagen

S. Nr. 145 bei Anm. 31, oben S. LI.
, ohne daß die Osnabrücker Gesandten ihm darin gefolgt wären.
Der tiefste Grund für die Unbeirrbarkeit, mit der die Osnabrücker Reichs-stände gegen die Kaiserlichen und gegen die Opposition in Münster ihren Weg gingen, war anscheinend der Rückhalt am Kurmainzer Reichsdirekto-rium und wichtigen Reichsständen wie Kurbayern und Kurbrandenburg, die im Fürstenrat Osnabrück indirekt auch vertreten waren: Kurmainz durch seinen Gesandten Johann Adam Krebs (für Salzburg) und mit der Würzburger Stimme, Kurbayern mit seiner Fürstenratsstimme, Kurbran-denburg durch die Voten von Brandenburg-Kulmbach und -Ansbach, Pommern-Stettin und -Wolgast sowie die Kuriatstimme der Wetterauer Grafen. Ein weiterer Grund war die schwache Stellung Wartenbergs, des Exponenten der Opposition in Münster: Der Kölner Prinzipalgesandte, Fürstbischof von Osnabrück, naher Verwandter der Kurfürsten von Bay-ern und Köln, Bevollmächtigter einer beeindruckenden Zahl katholischer Reichsstände, hatte schon vor Beginn der neuen Sitzungsperiode im Mai 1648 nicht mehr das volle Vertrauen Kurfürst Ferdinands und konnte von seiner angefochtenen Stellung aus kein Kristallisationspunkt für eine machtvolle Opposition sein. Immerhin sind seine Proteste im entschei-denden Punkt, dem Angebot der 5 Millionen Reichstaler, nicht ungehört verhallt. Letztlich haben sie aber doch insofern keine Wirkung gezeigt, als auch die in Münster vertretenen Reichsstände zur schwedischen Satisfak-tion beitragen mußten.

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