Acta Pacis Westphalicae III B 1,1 : Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 1. Teil: Urkunden / Antje Oschmann

b Erklärung der Reichsstände wegen des Fehlens der spanischen Zession für das Elsaß, 1648 Oktober 15 (Nr. 8), Spezialgarantie der Reichsstände für Frank-reich, 1649 Januar 28 (Nr. 15), und das diesbezügliche reichsständische Atte-stat, 1649 April 30 (Nr. 17)

Da die im Friedensvertrag verlangte Abtretungserklärung des spanischen Königs hinsichtlich des Elsaß im Oktober 1648 nicht vorlag, forderte Servien einen Er-satz. Die reichsständischen Gesandten versicherten ihm daraufhin am 15. Oktober 1648 schriftlich, daß sie sich, wenn bis zum Austausch der Ratifikationen die spa-nische Erklärung nicht vorläge, um eine wirkungsvolle Kompensation bemühen würden. Außerdem wurde zugesichert, daß französische Truppen die oberrheini-schen Waldstädte weiter besetzt halten dürften und Frankreich die Auszahlung der dem Erzherzog von Tirol geschuldeten Geldsumme aussetzen könne. Diese Zusicherung ist auf Papier in dem üblichen Folioformat in lateinischer Sprache ausgestellt und durch Unterschrift und Siegel des kurmainzischen Reichsdirektori-ums bekräftigt worden. Das Schriftstück wurde Servien am 24. Oktober ausge-händigt. Unsere Edition (Nr. 8) folgt der einzig vorhandenen Ausfertigung. Als der vereinbarte Termin für den Austausch der Ratifikationen, der 24. Dezem-ber 1648, verstrich, ohne daß die spanische Abtretungserklärung eingetroffen wäre, forderte Servien, daß die Reichsstände das in der Erklärung vom 15. Ok-tober 1648 gegebene Versprechen in die Tat umsetzten und Frankreich umfang-reichere Sicherheiten böten. Die Reichsstände haben daraufhin mit ihm eine Spe-

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zialgarantie vereinbart (Nr. 15). Bei der Formulierung legten die kaiserlichen Gesandten notgedrungen mit Hand an, um die Nachteile für das Haus Habsburg in Grenzen zu halten. Der Spezialgarantie zufolge war Frankreich berechtigt, die vier Waldstädte (Laufenburg, Rheinfelden, Säckingen und Waldshut) solange be-setzt zu halten und die Auszahlung der 3 Million Livres tournois solange zu sistie-ren, bis die spanische Abtretungserklärung für das Elsaß in Händen der französi-schen Krone wäre. Außerdem versprachen die Reichsstände dem französischen König, ihm bei jeder Beeinträchtigung der ihm im Friedensvertrag zugesproche-nen Territorialsatisfaktion bewaffnet und unvermittelt zu Hilfe zu eilen.
Die Urkunde wurde als Vertrag zwischen Servien und den Reichsständen konzi-piert; auf Drängen Serviens wurde die Bestimmung mit aufgenommen, daß drei gleichermaßen rechtsgültige Ausfertigungen erstellt werden sollten, von denen eine den kaiserlichen Gesandten zu übergeben wäre. Ferner verlangte Servien die Unterzeichnung all derjenigen Deputierten, die am 24. Oktober 1648 die Reichs-stände vertreten hatten. Die kaiserliche Seite verhinderte jedoch die Unterschrifts-leistung des österreichischen Gesandten Wolkenstein. Die drei Ausfertigungen wurden unter dem Datum des 28. Januar 1649 auf Pa-pier ausgefertigt und wahrscheinlich einen Tag später von Servien und nahezu allen vorgesehenen reichsständischen Deputierten unterzeichnet

Erst 1649 II 18 unterzeichneten die Bevollmächtigten Hessen-Kassels und der beiden badi-schen Markgrafschaften ( Meiern 6, 857 ).
und mit dem Abdruck ihrer Ringsiegel bekräftigt. Das Reichsdirektorium sicherte Servien schriftlich zu, daß er beim Austausch der Ratifikationsurkunden eine Ausfertigung erhalte

Kopie: AE Paris, CP All 125 fol. 154.
, was dann auch geschah. Wann die kaiserlichen Gesandten die für sie bestimmte Urkunde erhalten haben, läßt sich nicht ermitteln. Alle drei Ausferti-gungen sind erhalten. Sie stimmen bis auf zwei orthographische Fehler im Text überein. Unserer Edition wurde die Ausfertigung für Frankreich zugrundege-legt

Kopien der Urkunde sind zahlreich, z.B. HHStA Wien, RK FrA Fasz. 59b (1648 Januar) fol. 154–158’und fol. 160–164; AE Paris, CP All 125 fol. 145–148 und öfter; RA Stock-holm, DG 14 fol. 87–88 (in APW II C 4, 959 Z. 34f irrtümlicheBezeichnung). Für Ab-drucke vgl. Londorp 6, 460; DuMont 6, 495f; Meiern 6, 766f .
.
Die Ausfertigung für Kurmainz liegt heute nicht in der Urkundenabteilung, son-dern in einem Aktenkonvolut des Mainzer Erzkanzlerarchivs. Sie ist, wie aus der Aufschrift des davor liegenden Blattes hervorgeht, im Jahre 1792 noch einmal konsultiert worden

Auf dem ersten Blatt des Konvoluts hat eine Hand vermerkt, daß dem h. geh. StR. vonMüller am 11. April 1792 der in dem Konvolut befindliche Entwurf der Urkunde und die Ausfertigung ausgeliefert und von ihm am 13. April wieder zurückgegeben worden seien ( HHStA Wien , MEA FrA Fasz. 33 [Konv. 1] unfol.). Bei der gen. Person handelt es sich sehr wahrscheinlich um Johannes von Müller (1752–1809, 1791–1792 kurmainzischer Gehei-mer Staatsrat; zu ihm: Pape), der während seiner Tätigkeit in kurmainzischem Dienst (1786–1792 Oktober) das Mainzer Archiv eifrig benutzte ( Mathy, 15, 83–92). Durch die Beschlüsse der frz. Nationalversammlung vom August 1791 waren im Elsaß die Rechte vieler Reichsstände in Frage gestellt worden. Dies wurde ein beherrschendes Thema der Reichspoli-tik (dazu Härter, 69–166).
. Die für den Kaiser bestimmte Akte ist in einer Sammlung

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von Akten des Nürnberger Exekutionstags abgelegt, die möglicherweise aus dem Nachlaß Volmars – der in Nürnberg als kaiserlicher Unterhändler fungierte – stammt. Bei ihr liegt eine Kopie des Reichsschlusses vom 19./29. Juni 1650, mit dem die französische Besetzung der vier oberrheinischen Waldstädte aufgehoben wurde

Dazu, mit Nachweisen, Oschmann ,416f.
. Volmar hat diesen Sachverhalt auf der Rückseite der Urkunde eigen-händig vermerkt

Dort hat Volmar eigenhändig geschrieben( HHStA Wien, GehStReg Rep. N Ka. 112 Fasz. 80 pars 1 fol.216’): Statuum Imperii Sacri Romani cum plenipotentiario Gallico Abelio Servien inita conventio de non restituendis civitatibus Sylvestribus ad Rhenumsol-vendoque precio trium myriadum, donec confirmatio pacis huius initae etiam cum Hispa-nis obtineretur, de 28. Januarii anno 1649 Munsterii, quae tamen ratione restitutionis ista-rum civitatum oppositione Caesareanorum cassata in tractatu executionis Norimbergae.
.
Zu der Spezialgarantie für Frankreich gehört ein Attestat, das am 30. April 1649 von reichsständischen Gesandten ausgestellt wurde (Nr. 17). Die kaiserlichen Ge-sandten hatten darum gebeten, denn der Kaiserhof hatte die Spezialgarantie für Frankreich zwar nicht grundsätzlich kritisiert, jedoch die einmal darin verwen-dete Formulierung solutionis pretii conventi bemängelt

Vgl. Ks. an ksl. Ges. , 1649 II 11(Ausf.: HHStA Wien, RK FrA Fasz. 92 XVIII fol. 594–597’), 1649III 19 (Ausf.: ebenda Fasz. 92 XIX nr. 2499), sowie ksl. Ges. an Ks., 1649 III 4 (Konzept: ebenda Fasz. 92 XVIII fol. 600–603), 1649 IV9 (Konzept: ebenda Fasz. 92 XIX nr. 2504).
. Sie bezog sich auf die Auszahlung der 3 Millionen Livres tournois, die Frankreich als Entschädigung für die abgetretenen Gebiete an den Tiroler Erzherzog zu bewerkstelligen verpflichtet worden war

In § 88 IPM hieß es: pro recompensatione partium ipsi cessarum.
. Der Kaiserhof befürchtete, daß die in der Spezialgarantie verwen-dete Formulierung dem Eindruck Vorschub leistete, das Elsaß sei verkauft wor-den; belasse man es dabei, könne Frankreich die Auffassung vertreten, bei den Satisfaktionsbestimmungen handele es sich um einen beide Parteien verpflichten-den Kaufvertrag. Daher verlangte der Kaiser von den Reichsständen eine Erklä-rung in forma probanti, daß die beanstandete Formulierung nicht in der be-schriebenen Weise mißverstanden werden dürfe.
Der Text des reichsständischen Attestats wurde von Volmar konzipiert. Es wurde im Namen der außerordentlichen Deputierten ausgestellt und von vier Gesand-ten, zwei kurfürstlichen und zwei städtischen, unterzeichnet und mit deren priva-ten Siegeln verpetschiert. Zwischen den kurfürstlichen und städtischen Namenszü-gen war viel Platz für weitere Unterschriften freigelassen worden, die jedoch nicht erfolgt sind. Von der Urkunde ist nur eine Ausfertigung überliefert, der deshalb unsere Edition folgt. Sie liegt in einem Aktenkonvolut mit Handakten Volmars. Dort befinden sich auch das Konzept Volmars und eine Kopie.

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