Acta Pacis Westphalicae III B 1,1 : Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 1. Teil: Urkunden / Antje Oschmann

b Französische Ratifikation des IPM (Nr. 3)

Die drei französischen Ratifikationsurkunden des IPM sind heute noch erhalten. Im inneren Aufbau entsprechen sie der kaiserlichen Ratifikation des IPM, aller-dings ist hier die Ratifikationsformel des Königs in französischer Sprache formu-liert. Unterzeichnet wurden die Ratifikationen von dem (damals zehnjährigen) König und dem Staatssekretär Brienne

Dieser unterzeichnete hier mit de Loménie.
. Als Ausstellungsdatum ist der 26. No-vember 1648 genannt; tatsächlich sind die Dokumente jedoch erst Ende Dezem-ber 1648 und Anfang Februar 1649 niedergeschrieben worden. Die Gründe dafür sind oben geschildert worden

Oben, LXVIf.
. Hier bleibt nur zu wiederholen, daß die erste Lieferung von Ratifikationsurkunden vom königlichen Hof zwei falsch konzi-pierte Urkunden enthielt. Weil Servien daraufhin energisch intervenierte, wurde dies korrigiert. Eine dritte Lieferung von Ratifikationen wurde nötig, als Servien um zwei zusätzliche Urkunden bat. Er hatte nachträglich erfahren, daß sowohl das kurmainzische Reichsdirektorium als auch das Corpus Evangelicorum je eine Ratifikation erhalten wollten. Die Schwierigkeiten, die Brienne bei der Anferti-gung der Urkunden machte, rührten wohl nicht von einer grundsätzlichen Ableh-nung des Vertrags her. Vielmehr scheint Brienne versucht zu haben, mit Hilfe der Formalitäten der Ratifikationsurkunde den Spielraum in zeremoniellen Fragen nach Möglichkeit zu erweitern, während Servien sah, daß dies unter den gegebe-nen Umständen politisch nicht mehr durchsetzbar war.
Die drei Urkunden sind in zwei Arbeitsgängen entstanden. Für alle drei wurden mehrere Lagen Pergamentbogen verwendet und jeweils mit blauen Seidenbän-dern zusammengebunden. Die Bogen sind in einem mit dunkelrotem Samt bezo-genen Einband befestigt

Die für das kurmainzische Reichsdirektorium bestimmte Urkunde ist heute zusätzlich mit ei-nem Papierumschlag umhüllt, auf dem eine alte Signatur des Mainzer Archivs vermerkt ist.
, dessen Innenseite mit rotblau marmoriertem Papier beklebt ist. Das königliche Siegel aus gelbem Wachs ist um einen breiten Perga-mentstreifen gepreßt, der durch die Pergamentbogen gezogen ist. Auf beiden Sei-

[p. CXVIII] [scan. 118]

ten des Siegels ist eine bildliche Darstellung zu sehen, die erheblich weniger detail-liert und deutlich ausgearbeitet ist als die Siegelbilder bei den zeitgenössischen Siegeln im Reich. Die eine Seite zeigt den thronenden König, die andere das kö-nigliche Wappen. Nur bei der Urkunde in der kaiserlichen Überlieferung ist das Siegel heute noch in eine Kapsel gebettet, und zwar lose, so daß diese leicht abge-nommen werden kann. Diese Siegeldose ist erheblich größer als das Siegel und wahrscheinlich aus reinem Gold

In einem Bericht über den Austausch derRatifikationsurkunden heißt es allerdings: daran ein silberen und verguldete capsul hing (RA Stockholm, DG 14 fol. 242’).
. Vorne und hinten sind die gleichen Darstel-lungen wie auf dem Siegel eingraviert. Es ist schon erwähnt worden, daß Servien nicht nur das eine, heute noch erhaltene Stück, sondern drei Siegeldosen, für alle drei Ratifikationen, hat anfertigen lassen. Er hat dies selbst so berichtet

Servien an Brienne, 1649 I 12(Ausf.: AssNat Paris 279 fol. 264–271, hier 267’–268; Teil-druck: Duparc ,60f).
und nach seiner Rückkehr dafür die enorme Summe von rund 1441 Livres tournois abgerechnet

In dem in voriger Anm. genannten Brief berichtete Servien zwar, eine Dose habe ihn 520 Livres tournois gekostet ( AssNat Paris 279 fol. 268); in seiner Abrechnung für 1648 III – 1649 III, die 1650 VII 3 vom Kg. akzeptiert wurde ( AE Paris , CP All 129 fol. 253–264’; vgl. Anm. 333) nannte er für die drei Siegeldosen jedoch eine Summe von 1441 Livres und 5 Sous ( ebenda fol. 256’). Da 1 Rt. für 2,5 Livres tournois gerechnet wurde (vgl. hier Nr. 12; Bosbach, 12) entsprechen 1441 Livres tournois mehr als 576 Rt.; eine Dose kostete demnach mehr als 192 Rt.
. Aus seinem Ausgabenverzeichnis geht weiterhin hervor, daß die Siegeldosen von einem in Münster tätigen Goldschmied angefertigt worden sind

Der Eintrag ( AE Paris, CP All 129 fol. 256’) lautet: à Henry Buron, orphevre de Mun-ster, qui a faict les trois bovestes d’or pour les ratifications du traicté de l’Empire, tant pour fournitures d’or que façon [...] ; Servien bezog sich dabei auf zweiQuittungen vom 15. Januar und 13. März 1649, dienicht erhalten sind. Es handelt sich wahrscheinlichum den Goldschmiedemeister Henrich Büren (gest.1655), der nach einer Lehrzeit bei seinem Vater,Michael (von) Büren (gest. 1655; s. Hövel nr. 2235, 2699), 1639 Meister gewordenwar und der Münsterer Goldschmiedegilde angehörte( Geisberg , 237, 248; Hinweis von HelmutLahrkamp). Andere Arbeiten von Henrich Büren sindnicht bekannt.
. Wann die zwei anderen kostbaren Siegeldosen verlorengegangen sind, läßt sich nicht mehr feststellen. Interessanterweise hat die Tatsache, daß auch die französischen Ratifikationen für Kurmainz und Kursachsen mit Golddosen verse-hen waren, nicht dasselbe Aufsehen erregt

So erwähnte Leuber nichts davon, nachdem er die frz. Urkunde erhalten hatte (Leuber an Kf. von Sachsen, 1649 III 6/16, Ausf.: SHStA Dresden, Locat 8132 Band 21 fol. 114–115’). Beschreibungen der frz. Ratifikationsurkunde beziehen sich in der Regel auf das für den Ks. bestimmte Exemplar; s. in der Relation der ksl. Ges. von [1648 XII 29] (Konzept: HHStA Wien , RK FrA Fasz. 92 XVII fol. 499–499’, 501, PS fol. 500; hier 499); APW III C 2, 1232 Z. 30–38; Meiern 6, 764 f, 771, 862.
, wie es bei den schwedischen Stüc-ken

Anm. 478.
der Fall war.
Die den kaiserlichen Gesandten überreichte Urkunde unterscheidet sich äußerlich von den anderen beiden Stücken in einigen Einzelheiten. Versehen ist sie mit blauen und roten Seitenbändern, während die anderen beiden solche in blauer

[p. CXIX] [scan. 119]

Farbe besitzen. Bei ihr ist das Siegelband aus Pergament durch alle Pergamentbo-gen gezogen, nicht nur durch die beiden ersten. Außerdem hat das Siegelwachs einen dunkleren gelben Farbton. Ferner fällt unmittelbar ins Auge, daß der Text in einer anderen, in französischen Urkunden jener Zeit allerdings noch häufig verwendeten Schrift geschrieben ist. Im Wortlaut des Textes ist der aufschluß-reichste Unterschied gegenüber den anderen beiden Urkunden, daß bei der Auf-zählung der unterzeichnenden reichsständischen Deputierten am Ende des Ver-tragstextes der kursächsische Gesandte Leuber fehlt. Sein Name wurde im Ver-tragstext an dieser Stelle erst am 15. und 16. November 1648 eingefügt, als er seine Unterschrift in Münster leistete. Es ist deshalb anzunehmen, daß für den Wortlaut des IPM in den Ratifikationsurkunden zwei unterschiedliche Vorlagen verwendet wurden, eine ältere ohne den Namen Leuber und eine zweite, die Mitte November angefertigt worden ist. Tatsächlich hat Servien, nachdem er be-reits am 25. Oktober 1648 eine Kopie des unterzeichneten Vertragstextes an den Königshof geschickt hatte, Ende November eine zweite, sorgfältig kollationierte Fassung nachgereicht, die, wie er anfügte, bei der Herstellung der Ratifikationen zugrundegelegt werden solle

Vgl. Servien an Brienne, 1648 X 25 (Ausf.: AE Paris , CP All 112 fol. 359–360, hier 359’), 1648 XI 24 (Ausf.: ebenda 112 fol. 429–430, hier 429’). In AE Paris , CP All 110 liegen drei Abschriften des IPM: 1) fol. 140–195 (enthält Präambel und §§ 1–119, mit Korrekturen und Zusätzen; bei diesen handelt es sich zum einen z. B. um die sehr spät eingefügten Klauseln in den §§ 92–93 wegen Savoyen, die daher wohl in Münster angebracht wurden, zum andern um die wahrscheinlich am kgl. Hof. notierten Anweisungen zur Erstellung der fehlerhaften, weil durch den ganzen Vertragstext hindurch den frz. Kg. vor dem Ks. nennendenRatifika-tion. Diese Abschrift des IPM ist von demselben Schreiber angefertigt worden, der die Ausf. der Unterhändlerurkunde für den Ks. niedergeschrieben hat) und fol. 196–206 (§ 120, Voll-machten und Unterschriften, geschrieben von Allard, einem Sekretär Serviens); bei diesem ganzen Stück (fol. 140–206) könnte es sich – das legen die Korrekturen, die Zusätze und der Schreiber nahe – um die 1648 X 25 übersandte Kopie handeln; 2) fol. 216–280’ (Präambel, §§ 1–120); dies ist vielleicht die 1648 XI 24 übersandte Kopie; es fehlt jedoch die Nennung Leubers, allerdings ist der Vorname Kress’ ebenso wie in den Ratifikationen auch hier falsch mit Christophorus Ludovicus wiedergegeben; 3) fol. 281–329 (Präambel, §§ 1–118);viel-leicht eine Fassung aus der Zeit 1648 IX–X mit vielen Korrekturen. – Auf weitere Nachfor-schungen wurde hier verzichtet.
. Daher läßt sich die Urkunde, die den kaiserlichen Gesandten übergeben wurde, tatsächlich als diejenige identifizieren, die als erste der korrigierten Versionen angefertigt worden ist und Anfang Januar 1649 in Münster eintraf. Sie wurde den kaiserlichen Gesandten am 18. Februar 1649 von La Court überreicht und ist deshalb in der vorliegenden Edition als Druckvorlage für die Ratifikationsformel des französischen Königs gewählt worden. Die ande-ren beiden Dokumente trafen Mitte Februar 1649 in Münster ein

Anm. 164.
und sind wahrscheinlich am 18. Februar 1649 bzw. kurz danach dem Reichsdirektorium und dem kursächsischen Gesandten Leuber übergeben worden. Das in das kur-sächsische Archiv gelangte Stück ist übrigens mit sehr viel weniger Sorgfalt ange-fertigt worden als die beiden anderen Exemplare. Über zwanzig Textfehler sind

[p. CXX] [scan. 120]

in ihm enthalten, während die beiden anderen Urkunden nur rund fünf aufwei-sen. Die französische Ratifikation für Kursachsen ist die einzige Urkunde der Friedensverträge, in der beim Abschreiben eine ganze Passage ausgefallen ist

In der Mitte der Präambel; s. S. 4 Z. 35.
.

Dokumente