Acta Pacis Westphalicae II A 1 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 1: 1643 - 1644 / Elfriede Merla
104. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1643 November 26
Münster 1643 November 26
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 47a, Konv. c fol. 158–163’, 170 = Druckvorlage – Konzept:
ebenda Fasz. 92 I nr. 88 fol. 479–482’.
Spanische Ratifikation des Präliminarfriedens. Visite der Franzosen. Visite und Revisite Conta-
rinis: Modus procedendi bei den Hauptverhandlungen, Restitution des Kurfürsten von Trier, Waffen-
stillstand , Rossetti den Franzosen nicht genehm. Absicht der Generalstaaten auf Abschluß eines
Waffenstillstandes mit Spanien. Quartiere für die holländischen Gesandten. Grießheim. Polnische
Verhandlungen mit Dänemark.
Wegen Auslieferung der spanischen Ratifikation des Präliminarfriedens beziehen
wir uns auf nr. 95. Weiterer Bericht = nr. 98 und 102.
Wegen der Visite bei den Franzosen haben die Spanische uns seither ferrere
erinnerung gethan, wann es gleich mit der visita allerdings sein richtigkheit
und nit auch zuvor, ehe die Franzößischen ministri in die statt alhie einge-
langt , inen die gutschen ausserhalb endtgegengeschickht, also zwischen
inen und andern ein underschid gemacht werden wolte, das es bei inen nit
wol wurde aufgenommen werden, dahero inen, Spanischen, beygefallen, das
volleicht nit unrathsamb, bei dem Venetianischen ambasciator dessentwegen
sovil anregung zu thuen, ob er denn Franzosen nach dem Haag wolte
zueschreiben, inen sein ankhonfft notificieren, sie zur beförderung zu er-
mahnen , undter anderm aber vor sich selbst andeüttung zu thuen, weil er
der sachen allerseits vorstendig zu sein ermessen thett, das die von denn
interessierten potentaten anlangende plenipotentiarii einander mit gewöhn-
lichen curialibus empfachen und also die gemüetter desto mehrers zu denn
folgenden fridenstractaten disponieren thetten, sie ine unbeschwert avisieren
wolten, ob sie dergleichen gegen denn Kayserlichen und Spanischen gsand-
ten zu erzeigen und von dennselben anzunemmen begehrten, dann er
gethrauete dise wol darzue zu behandlen; auf solche ire einkhommende
andtwort wurde man sich ein- und andernfahls zu richten wissen und zum
wenigisten nit beschuldiget werden khönnen, das auf Ewer Kayserlichen
Mayestät und Spanischen seiten etwas were undterlassen worden. Wir haben
hierüber sie beandtworttet, das uns nit wol verandtworttlich fallen wolte,
aus denn terminis unserer instruction zu schreitten, sonderlich, weil wir die
bereits hierundter vorgefallene dubia an Eur Kayserliche Mayestät umb
resolution gelangen lassen und selbige noch vor ankhonfft der Franzosen
zu erhalten verhofften. Wann aber endtzwischen die Franzosen sich mehrers
nächeren und also die zeit ferrers zuezuwartten nit zuegeben wolte, so were
alßdan noch früe genueg, hievon mit dem Venetianischen ambasciator uf
denn bedeütten vorschlag zu handlen, undt deme sie sich auch ersettigen
lassen.
Es hat aber der Venetianisch ambasciator, als ich, Volmar, ine vergangenen
montag aus sonderbarm bevelch meiner gnedigsten frauen absönderlich
beßuecht, diser visita halber selbst motu proprio anregung gethan und sich
erbiettig gemacht, wann es uns nit zuwider were, dessentwegen an die
Franzößischen ministros in Hollandt zu schreiben und solches gestrigen
tags, als er uns die revisita erstattet, widerumb erholt und doch, weil wir
ime gleichmesßigen bericht wie denn Spanischen gethan, darmit noch weiter,
bis Eur Mayestät andtwortt einlangen möcht, weiln ohne das die Franzosen
noch vor 14 tagen aus dem Haag nit aufbrechen wurden, innzuhalten sich
erclärt, gleichwol beinebens vermeldet, das er bey negster ordinari dem
Venetianischen ambasciator zu Paris
geschriben, zue dem ende, das er sich bey dem cardinal Mazzarini erkhun-
digen solte, was selbige plenipotentiarii diß punctens halber vor bevelch
hetten, und da er vermerckhte, das sie nit instruiert, daran sein solte, damit
inen unverlengt solche complimenti anzunemmen und zu verichten ordre
ertheilt werden möchte.
Drittens. Contarini hat bei der Revisite angeboten, in gutem Einvernehmen zu
unterhandeln. Wir haben ihn der rechtzeitigen Mitteilung alles Notwendigen ver-
sichert laut beiliegendem extractus protocolli nr. 1. Er hat uns auch anzeig
gethan, das er von dem Venetianischen ambasciator zue Pariß bei ieziger
ordinari brieff empfangen, darinnen er referierte, das der cardinal Mazzarini
sich gegen ime neüerdingen erclärt, es weren die Franzößischen pleni-
potentiarii bevelcht, ohne langen aufhalt aus Hollandt sich nach Münster
zu erheben, zumalen mit einer proposition zum friden von leidenlichen und
ehrlichen conditionibus verfast. Wir hetten zwar gern von ime, ambasciatoren,
vernemmen mögen, was innhalts solche conditiones und ob er deren nach-
richt , weiln er aber sich vor dißmahl nichts darüber wollen vermörckhen
lassen, haben wir es auch übergehen müessen, wollen iedoch nit ermanglen,
dessentwegen eheist noch ferrere ansprach bey ime zu ßuechen. Er vermeint
hiebei nichtsdestoweniger, die Franzosen werden mit den Hollenderen
tractieren, das sie uf khönfftig früchejahr mit einer gewissen macht zue
feldt gehen solten, umb ire allerseits füehrende praetensiones bey denn
fridenstractaten desto besser durchzutruckhen, worauf man sich wol zu
bedenckhen und vorzusechen hette. Solchem nach die fridenstractata an
sich selbst betreffend, halt er zwar darfür, das man gleich ad summam rerum
gehen und, was die interessierte cronen haubtsächlich für iren statum
betreffen thet, vorhandts nemmen, andere particulariteten aber beyseits
stellen solte. Allein sagte er, das ime zue Cölln von einer vornemmen person
wegen deß churfürsten von Trier sovil anregung gethan worden, das Eur
Kayserlichen Mayestät zu rathen wer, selbigen vor anfang der tractaten
auf freyen fueß zu stellen und etwan uf mitell zu gedenckhen, das ime mit
consens Eur Mayestät einer deroselben und irem haus wolgewogner
coadiutor zuegeordnet werden möchte, dann die Franzosen wurden sich
dises churfürsten restitution sehr starckh annemmen und alßdann Eur
Mayestät deren wenig danckh haben, darauf wir uns allein mit wenig wortten,
wie im protocollo zu sechen, vernemmen lassen, weil uns sonst die acta,
worauff es mit disem werkh beruchen thüe und davon in unserer instruction
andeüttung geschicht, noch nit zuekhommen.
Letstlich ist er auch auf den punctum suspensionis armorum khommen,
der meinung, das mit denn tractaten schwerlich wurde fürzugehen sein, wo
nit dergleichen suspension mit gewisser maaß und condition vor allen
dingen abgehandlet und verglichen wer. Dieweil uns aber in unserer instruc-
tion , was dißortts zu thuen oder zu lassen, ein mehrers nit anbevolchen,
dann dasjenig, so hierunder vorkhommen möcht, mit denn churfürstlichen
gesandten zu deliberieren und Eur Kayserlichen Mayestät mit aignem
currier zu referieren, derzeit auch von denn churfürstlichen noch khein
formalgesandtschafft alhier, so haben wir bedenckhens getragen, uns hier-
über mit ime, ambasciatoren, in etwas discurs einzulassen, ausserhalb das wir
angedeüttet, das rebus sic stantibus besorglich Eur Mayestät wenig darmit
wurde gedient sein khönden.
Gegen mir, Vollmarn, hat er zuvor in obangeregter absonderlichen visita
undter anderm sich auch vermörckhen lassen, das die Franzosen mit dem
herrn cardinal Rossetti nit content; halten, das er in dergleichen geschäfften
und werbungen unerfahren, auch diesem hochwichtigen fridenswerckh nit
genuegsamb gewahsen sey; sie hetten vorgeschlagen, das ire Päpstliche
heyligkeit allein die zween nuncios, so am Kayserlichen und Franzößischen
hof residierten
Pariser Nuntius war noch Grimaldi (vgl. oben [ S. 30 Anm. 3 ] ). Die Wiener Nuntiatur war
damals unbesetzt, da Gasparo Mattei (Nuntius seit 1639), der am 13. Juli 1643 zum Kardinal
ernannt worden war, am 4. September 1643 ohne päpstliche Weisung oder Genehmigung seinen
Posten verlassen hatte; sein Nachfolger, Camillo Melzi, trat den Wiener Posten im September
1644 an und blieb bis 1652.
potentaten interesse, an dessen hof sein nunciatura gerichtet wer, hete
negocieren khönden, und ist wol zu verspüren, das diser ambasciator auch
wenig lust zue gedachtem cardinal Rossetti tragen und sich einbilden möcht,
die tractata wurden vornemblich durch sein und nit deß cardinals inter-
position zu lauffen haben, sonderlich weil noch einige nachricht nit ob-
handen , wann derselbe alher khommen soll.
Sodann und viertens khombt Eur Kayserliche Mayestät aus der beylag nr. 2,
so uns von vertrautem orth communiciert worden, zu vernemmen, waß-
gestalt die Hollender ir intention dahin gerichtet, mit Spania ein suspen-
sionem armorum uf 16 jar lang also und dergestalt zu schliessen, das es
zwar khein trefves sein, noch einig anderen namen haben, sondern alles in
dem standt, wie es sich aniezt ein- und anderntheils befinden thuet, ver-
bleiben , und endtzwischen, wie ein bestendiger friden zwischen inen ge-
pflanzt werden möchte, continuierte handlungen gepflogen werden sollen.
Zue welchem ende dann die in beyligender verzeichnus nr. 3 benambste
gesandten sich alher zu verfüegen und mit Spania ohne zuelassung anderer
intervenienten, allein irerseits mit zueziechung Franckhreich, zu tractieren,
sonsten aber sich in andere tractata durchaus nicht einzulassen bevelcht
sein sollen. Nun stehet zwar zu erwartten, wessen sich die Spanischen
plenipotentiarii uf dergleichen proposition erclären und einlassen werden,
wir tragen aber die vorsorg, sie werden es nit genzlich ausschlagen, und
derffte daher wol auch ein consequenz auf die reichssachen gemacht werden
wollen, und volleicht nit wenig vornemme reichsständt sich fünden, so
darzue rathen und helffen solten, ob es nun ein sach, so Eur Kayserlichen
Mayestät und dero haus nuzlich und thuenlich, lassen zue deroselben gne-
digstem nachgedenckhen wir billich allerunderthenigst anheimbgestelt
sein.
Sonsten hat sich seither vergangnen montags ein Hollendischer minister
alhie befunden, so etlich logiamenter für obbedeüte Hollendische gesandten
bestellen und zuerüsten sollen, weiln er aber khein genuegsambe accommo-
dation antreffen mögen, sondern gesechen, das er die gelegenheiten und
wohnungen erst mit zimblichem uncosten anordnen lassen müeste, hat er
sich bereits widerumb hinwekhbegeben, mit vorwandt, die befundene
beschaffenheit vorderist zu referieren und alßdann sich eheist wider einzu-
stellen . Es hat aber wol das ansechen, das sich diser Hollendischen wie
zugleich der Franzößischen gesandten ankhonfft noch zimblich lang ver-
weilen werde, seitemalen die beylag nr. 4 außweisen thuet, das die Franzö-
ßischen noch den 20. diß im Haag nit weren angelangt gewesen.
Deßgleichen ist auch ein Polnischer agent, Christoff Heinrich von Grieß-
heim
Die Angaben in der Literatur über Christoph Heinrich von Grießheim widersprechen sich. Über
seine Rolle als kurmainzischer Rat bei den Verhandlungen zwischen Kurtrier und Frankreich,
die am 9. April 1632 zu einem Neutralitätsvertrag ( Druck: N. Hontheim III S. 352f.;
J. Du Mont VI 1 S. 35f. ) führten, dem sich am 12./22. April 1632 ein Neutralitätsvertrag
zwischen Kurtrier und Schweden ( Druck: N. Hontheim III S. 355–357; J. DuMont
VI 1 S. 36–38 ) anschloß, siehe vor allem v. Stramberg , Encyclopädie III S. 191 und J. Baur
I S. 221ff. sowie demnächst H. Weber .
könig an mich, grafen von Nassaw, ankhommen, mit vermelden, das seine
königliche [würden] zwar gewildt gewesen, ein ansechenliche pottschafft,
und benandtlich den palatinum Santomiriensem hieher abzuordnen, hättens
aber noch derzeit aus beweglichen ursachen eingestelt und allein ime bevelch
geben, sich alhie ohne andere qualitet einzufinden, die vorlauffende sachen
zu beobachten und zu referieren. Neben disem zeigt er ahn, das der könig
ein vom adl, Denhof genandt, in Dennemarckh geschickht, und stehen
ire beede königliche würden noch in der engen correspondenz, das sie
kheinesweegs gestatten khöndten noch wolten, das denn Schweeden das
herzogthumb Pommern weder zum theil noch vil weniger ganz überlassen
werden solte, sondern verhoffen, das sich die sachen noch wol anderst
würden vergleichen lassen.
Wir haben [ nr. 93 ] heute erhalten. [ Von Nassaus Hand: ] Hinweise auf Beilagen 6–9.
3 Namenliste der für Münster bestimmten Gesandten der Generalstaaten
Es werden genannt: Gf. Wilhelm Friedrich zu Nassau, Gubernator von Friesland, als Haupt
der Delegation, von Arnheim (Gelderland), Donia (Friesland), Nederhorst (Utrecht), Knut
auff die Stavenesse (Seeland), von Matenesse oder von Hemstede (Holland), von Aldringa ( Gronin-
gen ), von Ripperda (Overyssel). Die endgültige Gesandtenliste sah etwas anders aus, vgl. APW
[ III D 1 S. 347 ] .
Fasz. 47a, Konv. c fol. 166.
4 Fehlt.
6 [Nassau an Kg. Władysław IV.] fehlt.
7 und 8 [Avisi aus Paris 1643 November 14] fehlen.
9 Christoph Heinrich von Grießheim an Kf. Ferdinand, [ Münster ] 1643 November 26. Kopie-
auszug: RK , FrA Fasz. 47a, Konv. c fol. 168–169.
Über Eintritt in den Dienst des Königs von Polen, der mich hierher geschickt, um wöchentlich zu
berichten. Es war eine ordentliche Gesandtschaft vorgesehen, die aber unterblieben ist, da man es an
höchstgehörigen örtern … also außgedeutet hat, daß es eine aemulation mit Dennemarck
in der session unnd andren geben würde, auch sonst ihre mayestät handtschreiben andern
gezeigt worden, so hatt eß die respublica eingestelt, doch weiß ich gewiß, ihre mayestät
sein den gemeinen catholischen wesen also affectionirt, daß, wan von catholischen hohen
örteren ihr einzige anlaß darzu geben würde, sie schon dahin laboriren würden, wie mit
dero ständen verwilligung sie noch dießen convent besuchen unnd durch dero authoritet
daß werck facilitiren helffen konten…
Sonst kan Eur Churfürstlichen Durchlaucht ich nicht gnug underthenigst beschreiben, waß
ein groß vertrawen zwischen ihrer mayestät unnd den könig von Dennemarck ist, ich
hette mir es propter diversitatem religionis unnd etliche particular mißverstende nicht
einbilden konnen, wan ich es nicht auß ihrer mayestät munde gehöret hette, unnd zumahll
in causa Pomeraniae, da sein die consilia alßo verknupfft, daß sie beyderseits nimmer
zugeben werden, daß Schweden eintzigen orth inn banden behalten thue, und ist Denne-
marck noch eiffriger alß Polen. Ihre mayestät haben zugleich mit mir dero cammerern
unnd starosten uff Örmis in Curlandt, herrn Henrichen freyherrn von Doenhoff abge-
fertigt , derßelbe wirt dießem winter und solange hiesige tractaten wehren, an koniglich
Dennemarckischen hofe residiren, damit die consilia auß einen fundament gefuhret
werden; mit denßelben muß ich wochentlich correspondiren, unnd habe zwarn an hiesige
Kayßerliche herrn gesandten auch schreiben mitbracht, ich bin aber meistentheilß an die
Dennemarckische gesandten, mit ihnen zu correspondieren, verweßen. Ihre mayestät
vermeinen, wan man nur mit Franckreich eine separation oder stillstandt treffen kondte,
mit Schweden wurden sich schon andere mittell finden, damit solle man sie unnd Denne-
marck gewehren laßen, wo sie sich nicht zum friede bequemen wolten. Eß hat aber auch
noch eine difficultet, dan Dennemarck wolle gerne Moscaw mit darein ziehen, gestaldt
die heyrath mit graff Waldemarn unnd den Moscovitischen frewlein itzo gleich fortgehen
wirdt
Polen waß zu nahe unnd verdechtig.
Sendung des Claudius Roncalius
Claudius Roncalius, canonicus Varmiensis (Ermland). Vgl. APW [ II C 1 S. 101 ] und [ 181 ] .
dischen Heiratsplänen. Unterhalt der Königin-Witwe von Schweden
Ständige Streitigkeiten zwischen dem Reichsrat und der Königinwitwe Marie Eleonore endeten im
Juli 1640 mit der Flucht der Königin zunächst nach Dänemark. Der Reichsrat entzog ihr das
Leibgedinge. Im Rahmen der schwedisch-brandenburgischen Annäherung, die zum Neutralitäts-
vertrag vom 14./24. Juli 1641 (Text: Sverges Traktater V 2 S. 475–481) führte, wurde
ein Abkommen geschlossen, wonach die Königin in Preußen Aufnahme finden sollte. Im Juli 1643
übersiedelte sie dorthin. Vgl. J. A. Fridericia II S. 282f.; D. Schäfer V S. 610 und
die dort angegebene Literatur.
foedus zwischen Franckreich und Schweden hypostaticam unionem, so schwerlich zu
dissolviren sein wurde. Militärische Nachrichten von der polnischen Ostgrenze und vom Rückzug
des kaiserlichen Generalwachtmeisters Krakaw
von Holstein in Glückstadt .