Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt
10. Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III Osnabrück 1648 Februar 17
–/ 10/–
Osnabrück 1648 Februar 17
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 55a (1648 II) fol. 73–74’, 85 = Druckvorlage – Kopie: KHA A 4
nr. 1628/23 unfol. (mit gekürztem Text) – Konzept: RK FrA Fasz. 92 XIV nr. 1966 fol.
245–246’.
Konferenz zwischen katholischen und protestantischen Gesandten 1648 II 13: Unzufrieden-
heit der protestantischen Gesandten über Regelungen betreffend Augsburg, die Reichspfand-
schaften, die Autonomie der Mediatstände und Untertanen sowie die Reichsjustiz in Artikel
V KEIPO6 . Erklärung der kurmainzischen Gesandten gegenüber den protestantischen zu
Artikel I–V KEIPO6 1648 II 15. Warten auf deren Erklärung; voraussichtlich kein Nach-
geben in strittigen Fragen.
Anbringen der Gesandten Kurbrandenburgs wegen Aachen. Verweis auf Beilage B. Ankunft
Serviens in Osnabrück; keine Informationen über dessen Verhandlungen mit den schwe-
dischen Gesandten.
Verweis auf Nr. 3. Ewer Kayserlicher Majestätt geruhen aber auß beylie-
gendem extractu protocolli littera A allergnädigst anzuhörn, waßgestalten
die protestierenden den 13. dieses, nachdem sie von unß abgeschieden,
sich auch zu denen catholischn in das Churmayntzische quartier verfügt
Zu dieser Konferenz von 1648 II 13 vgl. [Beilage A zu Nr. 13.]
daselbst eine erclehrung uber die in der vorgangenen conferentz vor-
gestelte streitige puncten begehrt und also in effectu weitere vortsetzung
derselben gesucht, waß darauff die Churmayntz- und Bayrische unß an-
gebracht und wegen fernern temperamenten zu vernehmen begehrt, wir
ihnen hingegen uber die angemaßete paritet des burgerlichen regiments in
der statt Augspurg
In der konfessionell gemischten Reichsstadt Augsburg hatte sich bis auf die Jahre 1632–
1635 ein kath. dominiertes Stadtregiment durchgesetzt (vgl. Warmbrunn, Konfessionen,
162–180; Roeck II, 715–720, 773; Warmbrunn , Weg, 96; Wallenta, 85–161). Art. II
der Endlichen Erklärung der Ges. der prot. Reichsstände über das Reichsreligionsrecht
von 1647 II 25/III 7 (Text: Meiern IV, 89 –99 [lat.], 99–109 [dt.]; vgl. auch APW [ II A 5 Beilage [1] zu Nr. 304] ) hatte für Augsburg als Ausnahmeregelung vom Normaljahr 1624
eine paritätische Regimentsverfassung gefordert. 1647 III 27 hatten die ksl. Ges. dies zwar
bereits zugestanden (vgl. Meiern IV, 158 zweiter Abs.; APW II A 6 Nr. 2; Roeck II,
969), stellten es jedoch in Art. V KEIPO6 (vgl. Meiern IV, 957 sechster Abs.) und 1648
II 11 erneut in Frage (vgl. APW [ III C 2/2, 983 Z. 7–13] ). Vgl. später die Regelungen betr.
Augsburg in Art. V,3–10 IPO ← § 47 IPM.
Bezug auf Art. V § „Quod ad oppignerationes“ KEIPO6 (Text: Meiern IV, 961 dritter
Abs.; vgl. später Art. V,26 IPO ← § 47 IPM). – Dabei gab es zwei umstrittene Fälle: Die
Reichsstadt Lindau (Bodensee) war seit 1430 in Besitz einer Reichspfandschaft über die
vier Meierhöfe (gen. Kellhöfe) in Aeschach, Oberreitnau, Rickenbach und Schönau des
Damenstifts Lindau gewesen, die laut Privileg von 1500 nur durch das Reich ausgelöst
werden konnte. 1628 war die Stadt durch eine ksl. Resolution der Pfandschaft und der
Dörfer entsetzt und alles auf Gf. Hugo XVIII. von Montfort (1599–1662) übertragen wor-
den, der wiederum 1638 alles an Ehg.in Claudia von Tirol (1604–1648; 1632–46 Mitregen-
tin von Tirol) abgetreten hatte (vgl. Zedler XVII, 1332ff; Sprusansky, 19; Wüst, 114).
Die Evangelischen in Osnabrück hatten 1646 XII beschlossen, daß der Stadt Lindau die
entzogene Reichspfandschaft gegen Erlegung der Pfandsumme vollständig zu erstatten sei
(vgl. Meiern IV, 22 ). Dies hatte Volmar in einer Konferenz mit den schwed. Ges. 1647 IV
8 eingeräumt (vgl. ebenda, 164f gegen APW II A 6 Beilage 1 zu Nr. 21 – im ksl. Protokoll
steht dies nicht). – Der Reichsstadt Weißenburg im Nordgau war 1534 von Karl V. (1500–
1558; 1519/1530–1556 Ks.) eine befristete, aus vier Dörfern (Kaldorf, Petersbuch, Biburg
und Wengen) und zwei Weilern (Heiligenkreuz und Rohrbach) bestehende Reichspflege
als Pfand übertragen und dies in der Folgezeit immer wieder verlängert worden. 1621
hatte Ferdinand II. die Prolongation der Pfandschaft verweigert und diese 1629 dem Fbf.
von Eichstätt übertragen (vgl. Pfeiffer, 16ff; Röttel, 234f; Rieder, 598–622, 666). 1646
II hatte Weißenburg am WFK in einem Memorial (Text: Meiern II, 826 ff) die Restitution
gefordert. In einem Votum von 1646 II 23/III 5 hatten sich die ftl.-prot. Ges. in Osna-
brück dafür ausgesprochen, Weißenburg die entzogenen Reichspfandschaften zu restituie-
ren (vgl. ebenda II, 314), was durch Volmar auch 1647 IV 8 zugestanden worden war
(vgl. ebenda IV, 164f gegen APW II A 6 Beilage 1 zu Nr. 21 – im ksl. Protokoll steht
dies wiederum nicht). Art. V „Quod ad oppignerationes“ KEIPO4A (Text: Meiern IV,
569 zweiter Abs.) hatte die Restitution der beiden Pfandschaften gegen Zahlung der
Pfandschaftssumme festgelegt; *KEIPO5* hingegen hatte die Vertagung des Problems auf
einen Reichstag gefordert (vgl. Meiern IV, 824 letzter Abs.). Die 1648 II 2 den ksl. Ges.
übergebenen declarationes ultimae der Mehrheit der Ges. der kath. Reichsstände auf die
declarationes ultimae der Ges. der prot. Reichsstände (Text: Meiern IV, 925 –930 – APW
[II A 7 Beilage [1] zu Nr. 109] ) hatten ebenfalls die Verweisung der endgültigen Regelung
betr. die Reichspfandschaften ad proxima comitia Imperii postuliert (vgl. Meiern IV, 927
vorletzter Abs.).
iustitiweßens
*KEIPO5* hatte wiederum die Verweisung ad proxima comitia gefordert (vgl. Meiern
IV, 825 unten ; vgl. später Art. V,53–58 IPO ← § 47 IPM betr. Reform der Reichsgerichte).
nomi
Vgl. hierzu die declarationes ultimae der prot. Reichsstände zu Präambel und Art. I–V
*KEIPO4B* und *KEIPO5* von 1648 I 21 (Text: Meiern IV, 877 –880 – APW II A 7
[Beilage B zu Nr. 96;] vgl. später Art. V,30–41 IPO ← § 47 IPM betr. Autonomie für
Mediatstände [auch Landsassen und Vasallen] und Untertanen).
unß angesucht, daß wir die catholische zu ertheilung einer anthwortt an-
mahnen wolten, weilen ohne dern erfolg sie sich sonst gegen unß uber das
instrumentum
Gemeint sind Art. I–V KEIPO6 (vgl. [ Nr. 3 Anm. 1] ).
Heudt dato berichten unß die Churmayntzische, daß sie gestrigen tags
solche anthwortt gegen denen protestierenden abgelegt
Zu dieser Konferenz von 1648 II 16 vgl. [Beilage B zu Nr. 13.]
auch selbige anietz in consultatione begrieffen und vielleicht unß die er-
folgende erclehrung super instrumento pacis quoad amnestiam et grava-
mina, wa nit heudt, doch wenigst morgens uberbringen werden. Es ist
aber kein zweiffl, daß sie auff obgemelten 4 puncten gantz beharlich hal-
ten und wenig temperamenta admittirn und, waß sie der religion und pro-
scription halber in Ewer Kayserlicher Majestätt erblanden außgesetzt
bleiben laßen, hernach die Schweden auff das allerhefftigst verfechten
werden. Desgleichen erzeigen sich die Churbrandenburgischen wegen
der uncatholischen burgerschafft zu Aach
Die Mitte des 16. Jh. kath. Reichsstadt Aachen hatte 1581–1598 und 1611–1614 einem
reformierten Stadtregiment unterstanden. Dieses wurde durch die Exekution einer Reichs-
acht von 1598 VI 30 bzw. eines ksl. Mandats von 1614 II 20 durch ein kath. Gremium
ersetzt (vgl. Finken; Schmitz; Molitor; Gotthard, Religionsfrieden, 400ff). Art. II der
prot. Endlichen Erklärung (vgl. Anm. 2) forderte die Erlaubnis zum Bau einer Kirche
außerhalb der Stadt sowie den gleichberechtigten Zugang zu den Zünften. Diese Forde-
rungen waren zuletzt 1648 I 21 in den declarationes ultimae der Ges. der prot. Reichs-
stände zu Präambel und Art. I–V *KEIPO4B* und *KEIPO5* gestellt worden (Text:
Meiern IV, 877 –880 – APW [II A 7 Beilage B zu Nr. 96] ).
hitzig und suchen alle mittl und weeg, wie sie diese schon hievor mit
consens der Schweden zum zweyten mahl verworffene praetension
durchtringen mögen
Kurbg. hatte für die reformierte Bevölkerung Aachens 1647 VII 14 erneut die Baugeneh-
migung für eine Kirche außerhalb der Stadt und die Aufnahme in die Zünfte gefordert
(vgl. Meiern IV, 668 zweiter Abs.). Die schwed. und ksl. Ges. hatten zuvor 1647 III 27,
28 und IV 8 in Konferenzen eine Regelung schon zweimal vertagt (vgl. APW II A 6 Nr. 1
und [ Beilage 1 zu Nr. 21] ). 1647 V 7 hatten die schwed. Ges. auf Religionskonzessionen
zugunsten der reformierten Bevölkerung Aachens verzichtet (vgl. ebenda [Nr. 73] ), 1648 I
21 in einer Konferenz mit dem Ksl. jedoch angekündigt wegen der statt Aach daßjenig, so
albereith hievor cassirt worden, newerdingen auff die baan zu bringen (vgl. APW [II A 7 Nr. 96] ).
churfürstliche durchllaucht in Sachßen und mit derselben mehr andere
Lutherische standt solche anmaaßung selbst vor unzimblich halten
Kursachsen waren die Forderungen zu weit gegangen, da man dort bei zu hohen Ansprü-
chen an die kath. Seite eine Anlehnung Aachens an Frk. befürchtete (vgl. Meiern IV,
1012 erster Abs.).
man werde sich dern endtlich entbrechen mögen.
Waß sonstn die zwischn etwelchn catholischen und protestirenden vor-
geweste conferentz anlangt, darvon wir in unßerer relation vom 10.
dießs meldung gethan, wiewoll wir unßersortts nit veranthworttlich zu
sein befunden, unß derselben directe zu wiedersetzen, sondern es viel-
mehr zu der ständen selbstbelieben gestelt sein zu laßen, so erscheinet
doch, daß sowoll catholischen- alß protestirendentheils die mehrere ge-
sandtschafften wenig lust darzu haben und fast gemeinlich darfürhalten,
daß hierunder nichts anders dan ein gefährliche trennung gesucht worden.
Waß aber bey derselben sonst in materialibus vorgangen, daß weiset copia
protocolli littera B.
Vergangenen freytags [1648 II 14] ist der Frantzösische plenipotentiarius
conte Servient allherkommen
Abel Servien (1593–1659), comte de la Roche-des-Aubiers; 1644–1649 frz. Ges. , ab 1648
IV 18 alleiniger frz. Ges. ; 1618 conseiller d’Etat, 1624 maître des requêtes, 1648 ministre
d’Etat (ABF I 955, 215–255; Enaux-Moret; Isolle; Tischer, Diplomatie, 119–126;
Bayard/ Félix/ Hamon, 83ff; Croxton/ Tischer, 271ff).
Schwedischen haben wir noch derzeitt nichts sonders vernehmen mögen.
Er hat unß auch seine ankunfft nit intimirn laßen, so haben wir gleicher-
gestalt ihne zu visitirn unnöttich befunden.
Beilage A zu Nr. 10
Protokoll, [Osnabrück] 1648 II 14, 15. Kopie: RK FrA Fasz. 55a (1648 II) fol. 81–84 –
Druck: APW III C 2/2, 990 Z. 24–993 Z. 3.
1648 II 14 findet eine Besprechung der Kaiserlichen mit den Gesandten Kurbayerns und
Kurmainz’ statt: die Kaiserlichen sind nicht prinzipiell gegen innerständische Konferenzen,
sofern ihnen der Inhalt mitgeteilt wird; die Kurbayern und Kurmainzer berichten über die
Unzufriedenheit der protestantischen Gesandten über die Regelungen betreffend Augsburg,
Reichspfandschaften, Autonomie der Mediatstände und Untertanen sowie Reichsjustiz in
Artikel V KEIPO6 .
1648 II 15 treffen sich die Kaiserlichen mit den Gesandten Sachsen-Altenburgs. Diese berich-
ten über eine Konferenz zwischen katholischen und protestantischen Gesandten 1648 II 13.
Sie schließen eine Erklärung der Gesandten der protestantischen Reichsstände zu den Arti-
keln I–V KEIPO6 vor einer Resolution der katholischen Bevollmächtigten hierzu aus. Ver-
sprechen der Kaiserlichen, die Gesandten der katholischen Reichsstände zu einer raschen Er-
klärung zu bewegen.
Beilage B zu Nr. 10
Kurmainzisches Protokoll einer Konferenz zwischen Gesandten protestantischer und katho-
lischer Reichsstände
Anwesend waren Ges. Kursachsens und Kurbrandenburgs, Sachsen-Altenburgs und -Co-
burgs, Braunschweig-Lüneburgs und der Stadt Straßburg aufprot. sowie Ges. Kurmainz’,
Kurtriers, Kurbayerns und der Hst.e Bamberg und Würzburg auf kath. Seite (vgl. Meiern
IV, 945 zweiter Abs.). – Die Reichsstadt Straßburg wurde vertreten von Dr. Marcus Otto
(1600–1674); 1645–1649 Ges. für die Reichsstädte Straßburg, Landau, Speyer und Wei-
ßenburg (Elsaß) sowie für Johann Kasimir von Salm, Wild- und Rheingf. in Kirburg
(1577–1651); 1640 Rat und Advokat der Stadt Straßburg ( DBA I 924, 334–335; Kaster /
Steinwascher, 288f; Livet; Lehsten II, 65f). – Bevollmächtigter des Hst.s Bamberg war
Lic. Cornelius Göbel (Gobelius) (1611–1654), 1641 geadelt (Herr von Weilersbach); 1645–
1648 Ges. zunächst des Fränkischen Reichskreis, dann des Hst.s Bamberg und des Stifts
Fulda; 1641 GR ( Dietz, Politik, 24–31; Lehsten II, 36).
RK FrA Fasz. 92 XIV ad nr. 1966 fol. 247–250’
Weitere Kopie: RK FrA Fasz. 91 III fol. 263–268. – Zu dieser Konferenz vgl. auch das in-
haltlich übereinstimmende, aber im Wortlaut abweichende Protokoll in Meiern IV, 945 ff