Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1646 I 14

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1646 I 14
Sonntag W bei Chigi. Dieser vermutet als Grund des
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Verbots zur Weitergabe der Replik die Unzufriedenheit der Franzosen mit
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der Antwort der Stände wegen der Deputation und glaubt, man werde auf
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die Rückkehr Rosenhanes warten müssen, der eilig nach Osnabrück gereist
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ist. W sieht den Grund in der Nichtzuziehung des französischen Resi-
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denten
in Osnabrück, der auch deshalb bei den Schweden unbeliebt ist, weil er
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sich den Rang eines Gesandten beilegen will; daher zwischen den Franzosen
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und Schweden etwas disgusti seye, den zu accomodiren das werck aufgescho-
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ben und der praetext mit deren von den stenden verwaigerten deputation
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genommen würde. Chigi stimmt zu, daß dieses mit der deputation zum
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vorwand dienen müße. Es konten aber einmal die Franzosen solche evoca-
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tionen statuum auf keinerley weiß mit raison behaubten; doch werde man
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sehen müßen, wie ihnen dieser praetext durch glimpffliche mittel zue be-
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nehmen . Welches ihre gedancken, sagten I. H. G., ebens auch, weshalb er
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heute zu Longueville will. Als auf die Frage nach dem Inhalt der fran-
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zösischen
Replik Chigi sich mit dem Verbot zur Weitergabe entschuldigt,
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trägt W die ihm zugekommenen Informationen vor, zu denen Chigi jeweils
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Stellung nimmt: 1. Trotz Einspruch der Mediatoren bleiben die Franzosen
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bei der Klausel ‘salvo iure addendi’. Chigi: Die Franzosen berufen sich
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darauf, daß die Klausel auch in der ksl. Responsion enthalten ist. Als man
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ihnen mit dem Hinweis, daß ihre Proposition dazu den Anlaß gegeben
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habe, die beiderseitige Streichung vorschlug, haben sie abgelehnt. Sie wollen
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auch nicht versichern, daß keine neuen Punkte aufgebracht werden, wenn
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bei den abgehandelten die Klausel entfällt. 2. Die Replik enthält viele
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Ausführungen zur Rechtfertigung des Krieges. Chigi: Die Mediatoren
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haben deshalb viel Zeit mit den Franzosen verloren und beabsichtigen
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nicht, diese Ausführungen den Ksl. oder anderen weiterzugeben. 3. Es
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wird auf dem Verbot ksl. Hilfe für Spanien bestanden. Chigi: Die
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Franzosen argumentieren, daß auch von ihnen die Lösung ihrer Bünd-
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nisse
verlangt wird. Die Mediatoren haben dargelegt, daß nicht nur
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solche Forderungen von den Franzosen zuerst aufgebracht worden sind,
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sondern auch der Kaiser als Reichsoberhaupt und das Reich nie ein
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förmliches Bündnis gegen Frankreich eingegangen sind, vielmehr die Stän-
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de
gegen ihren Willen in den Krieg gezogen wurden. Auf die Frage,
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warum der Kaiser nicht, wie es anderen Ständen gegenüber Frankreich und
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Schweden freistehen soll, als Erzherzog Bündnisse eingehen dürfe, haben
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die Franzosen geantwortet, daß er in ea qualitate [...] mit Spanien in con-
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foederatione wol verpleiben kondte. 4. In allem soll der Zustand von
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1618 wiederhergestellt werden. Chigi: Die Franzosen argumentieren,

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daß sie dadurch religioni catholicae per exceptionem der stiffter mehr guts
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thun kondten alß reducendo die sachen ad annum 1628, 1629 vel 1630 (auf
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welche er nuncius und Venetus bey den Franzosen vorschlagsweiß getrun-
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gen hetten), da sie ad malum positive, wan die andere stiffter zuruckplie-
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ben , consentiren thetten. Er hat ihnen zu gemuht gefuhrt, quod exceptio
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non possit maior esse regula, sondern regula billich praevaliren solte, nebens
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mehr andern gegen sie militirenden rationibus, es hette aber nichts verfan-
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gen wollen. 5. Die Franzosen bestehen auf Abhandlung der Religions-
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gravamina
. Chigi: Sie haben sich trotz aller Umstimmungsversuche
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darauf berufen, daß die gravamina causa et origo belli, so nohtwendig weg-
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genommen werden müßte. 6. Verbot der Wahl eines römischen Kö-
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nigs
. Chigi: Man hat vergeblich dargelegt, daß der Kaiser, soweit da-
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mit
der gänzliche Ausschuß Österreichs erreicht werden soll, nie zustimmen
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wird. W: Die Franzosen versichern, daß die Forderung alß nit sondern
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dahin gemeind sey, damit nit bey vivente adhuc Imperatore vorgehenden
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wahl auß denen vielfaltig bekenden praeiudiciis noch kunfftig fernere con-
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fusiones und ungelegenheiten contra libertatem et iura statuum et electorum
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imperii sich begeben möchten. Chigi: Darauf hat man die Franzosen
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gefragt, ob dan sie uber die churfursten den pedanten oder schulmeister
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machen, auch die churfursten solches würden leyden wollen. 7. In der
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Satisfaktionsfrage erbieten sich die Franzosen zur Rückgabe ihrer Erobe-
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rungen
in Kurmainz, Kurtrier und Kurpfalz, wenn dergleichen auch von
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allen anderen Seiten geschehe, insbesondere die Pfälzer Besitzungen den
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antiquis et legitimis dominis sive eorum heredibus restituiert würden.

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Chigi: Es ist die conditio der gegenrestitution allein in genere absque
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restrictione auf dießen oder jenen gestelt worden. W: Daß man ihre
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intention leicht konne abnehmen, solches aber dem vorigen anerpiethen und
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offerten der Pfalz halben ganz nicht gemeß seye. Worauf der her nun-
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cius die schulter zuckendt, daß es freylich also, und habe man darauß leicht
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abzumessen, was kunfftig dergleichen wortten und zusag zu trawen,
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welches sich bey der handlung selbst, und ob der Franzosen dergestalt
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Churbayern wurden zusezen wollen, zeigen würde. Alß hierbey I. H. G.
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gedachten, daß die Franzosen in diesen drey gemelten churfurstenthumb
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wenig orth innen hetten, consequenter es großer restitution, gleich sonsten
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mit Lottringen und andern landen nicht bedorfft, sagte der herr nuncius,
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daß sie in hoc passu orationem longam gefuhrt, was fur tapffere leuth die
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cron Franckreich bey diesem krieg verlohren, wie viel millionen goldts
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spendirt, auch ihren statum zue underschiedlichen malen in hazart gesezt
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hetten, und dahero sowol iure belli alß gentium alles was sie possedirten
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innen behalten kondten, auß welchem abzunehmen, daß durch obbedeut
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anerpiethen die Franzosen ein gahr großes zu thun vermainen. W:
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Französische Satisfaktionsforderungen auf Unter- und Oberelsaß, die
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Waldstädte, Sundgau, Breisgau, Zabern, Philippsburg samt Unterhalt der
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Garnison durch die umliegenden Orte, Kommunikationslinie nach Frank-

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reich
und Lothringen, alles unter Anerkennung der Oberhoheit des Reiches
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und unter den Rechtstiteln der bisherigen Besitzer, ferner Bezahlung ihrer
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Truppen, Aussetzung der lothringischen Restitution zu anderen Verhand-
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lungen
, ein Defensivbündnis der Reichsstände mit Frankreich und Schwe-
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den
gegen jede künftige Verletzung des Friedens. Welches solch schwere
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postulata, die einzugehen uberschwer, ja unmuglich sein wurden. Chigi:
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Daß es freylich schwere petita, wolte aber doch verhoffen, beym cursu
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tractatuum das werck sich anderst geben und die Franzosen beßer erhand-
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len laßen würden. Sonsten seye auch obgemelten offerten noch dieses bey-
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gesetzt , daß sie dasienige, was vom hern graffen von Trautmanstorff wegen
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Metz, Tull und Verdun, item mit Pignorola ultro angepotten, fur bekand
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auff- und annehmen, welche uberflußige promptitudinem des herrn graff
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von Trautmanstorffs er so wenig alß der Venetus gern gesehen hetten, zue-
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malen nun iezt, da dieses und anderß mehr a parte Caesaris vorherauß,
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man desto beschwerlicher mit den Franzosen werde dingen und handlen
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konnen. Trotz ihrer Bedenken hat Trauttmansdorff jedoch auf dem Ange-
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bot
bestanden.

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17–25 Klagen – Bonna. [...]] am Rande: omittuntur ad electorem Bavaricum.
Klagen von Deputierten des Kölner Klerus gegen die Stadt

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Köln. Xantener Sache. Des hauses Bayern und in specie Churcollens, auch
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des hern coadiutors gutter und trewer diener seye er zwarn, gedulte sich
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auch und leide deßhalber so lang er konne, einmal aber hette er große ur-
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sach , sich, wie ihme von den ministris begegnet worden, zue beklagen,
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wolte es dannoch biß in Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht selbst gegen-
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wart einstellen, wiße gar wol, wie in diesem und anderem Ihrer Churfürst-
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lichen Durchlaucht rei veritas ob privata interesse verhalten würde [...].
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Certo che io e la sede apostolica siamo trattati male a Bonna. [...]
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W mit Reck/Buschmann bei Longueville. Klage über die Ablehnung der
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Deputation, zumal die Franzosen vermaint, den stenden hiedurch eine ehr,
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daß sie nemblich von ihrer intention nachricht geben mochten, zue erwei-
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ßen . W: Man hat nicht verweigert, mit den Franzosen in conferenz zu
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tretten, es were aber nur diß dabey in consideration gefallen, daß die her-
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ren Kayserlichen die replic selbst noch nit gehabt, und es also ihnen frembd
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vorkommen würde, wan die stend sie anteveniren wolten. Sodan auch were
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es eine sach, dabey die stende sich sammetlich gern einfinden wurden,
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dahero sie Franzosische lieber in pleno vernehmen wolten. So were aber
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bräuchlich, daß wan bey den stenden dergleichen anpringens in pleno zue
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thun, daß solches ahn dem orth, wo sich die stende zu versamblen pflegen,
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geschehe. So haben es die ksl. Gesandten mit der ersten Proposition, 1630
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Frankreich, 1636 Polen und 1642 Dänemark gehalten

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Zur französischen Gesandtschaft 1630 vgl. oben S. 7, zur polnischen 1636 (Ossilinski)
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vgl. H. Haan S. 120; dänische Gesandtschaft bei den Verhandlungen über die Pfälzer
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Frage 1642 in Wien, vgl. oben S. 16 Anm. 5.
. Longueville:
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Die Franzosen weigern sich nicht grundsätzlich, vor den Ständen in pleno

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zu erscheinen, haben aber angesichts der Beschaffenheit ihrer Replik eine
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Konferenz für besser gehalten. W: Daß bey den stenden auch endlich
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der conferenz halber keine difficultet sein würde; daß sie aber darzu ahn
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ihr der Franzosen hauß evocirt werden solten, würde etwaz bedenckens ab-
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geben . Wan nun sie Franzosische den Kayserlichen die replic außfolgen lie-
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ßen und demnegst den stenden, wie solche conferenz vorzunehmen, heimb-
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stelleten , oder in publico ihre generalproposition thetten und dan den sten-
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den heimbgeben, wan und wie sie fernere erleutterung von ihnen vernehmen
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wolten, wurde man zweiffelßohne eine abordnung zu thun nit difficul-
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tiren . Auf welches der duc de Longevill sich erpotten, mit seinen col-
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legis hierauß zu reden, underdeßen aber nehme ihn wunder, daß, nach-
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demal zu Oßnabruck von den stenden die deputation von den Schweden
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unwaigerlich geschehen, daß ihnen alhie zu Munster dergleichen verwaigert
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würde. I. H. G., man hette die nachricht, daß die deputatio zu Oßna-
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bruck ex corpore omnium statuum auch nit geschehen, gestalt weder die
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Churmainzische noch das Osterreichische directorium davon einige Wissen-
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schaft hetten, sondern bloß und allein drey auß den protestirenden, von
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denen es gesonnen worden, sich eingestelt. Worauff er, daß die catholi-
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sche pillich ebensolche confidenz zu ihnen Franzosen, alß die protestirende
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zu den Schweden erzeigen solten. I. H. G. replicirten, es mochte viel-
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leicht von den catholischen dafur gehalten werden, daß die Schwedische
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den protestirenden mehr ursach zu solcher confidenz, alß sie Franzosische
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den catholischen geben, wie dan under andern I. H. G. sich hochlich zue
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beklagen, daß obwoln von ihme duc de Longeville vor wenig tagen sie die
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sichere vertröstung empfangen, daß beyde stiffter Oßnabruck und Minden
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ihro nicht solten disputirt werden, so hetten sie doch bericht, daß die
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Schweden nach dero alhie mit den Franzoßen ratione replicae gehaltener
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conferentz nun auch ermelte beyde stiffter under andern loco satisfactionis
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praetendirt. Worauf der herzog geandworttet, daß sie zwarn hierin den
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Schweden sich starck wiedersetzt, und weren diese beyde stiffter wieder
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ihren wissen und willen in die Schwedische forderung mit gepracht, sie
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hetten sich aber gegen denselben erklehrt, daß, alß viel Bremen und Verden
33
belangete, solche beraiz in uncatholischen, nemblich des prinzen von Den-
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nemarck handen, sie zwarn sich passive in der begehrung halten kondten,
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wegen Oßnabruck Minden und Halberstatt aber sie ex professo ihnen zu-
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wieder sein, und nicht zulaßen wolten. I. H. G. haben sich hierauf
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bedanckt, und die fundamenta all ihrer 3 stiffter eiffrig remonstrirt, auch
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noch ferner zu thun sich erpotten, mit begehren, daß doch die Franzosen in
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hoc et similibus passibus sich nicht ubereylen, sondern rechten bericht ein-
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nehmen mochten. Hierauf ist man auf der Franzoßen praetendirende satis-
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faction kommen, und ihnen die exorbitantien ihrer forderung, wie auch die
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unbillichkeit, daß die unschuldige erzherzogliche pupillen

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Vgl. oben [ S. 324 Anm. 3 ] .
des ihrigen be-

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raubt werden sollen, zu gemuth geführt. Worauf er geandworttet, daß
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sie vom reich nichts, sondern ihre satisfaction vom hauß Osterreich, alß
3
davon sie offendirt worden, begerten, und wolten solche landen vom reich
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in eadem qualitate, wie sie Osterreich gehabt, auch noch mehrers alß sie
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gethan, recognosciren und tragen, und wurde auch bey Ihrer Kayserlichen
6
Maiestät stehen, wan sie die pupillen unschuldig erkenneten, dafur ander-
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werttige satisfaction auß dem ihrigen ihnen wiederfahren zu laßen. Wie
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nun diese materi lang controvertirt worden, hatt er endlich sich dahin ver-
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nehmen laßen, daß eben der cron Franckreich umb solche landen so hoch
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nit zue thun, sondern daß sie darumb dieselbe in handen zue behalten
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sucheten, damit sie eines bestendigen friedens inskunfftig so viel beßer ge-
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sichert , und wan darzu andere mittel zue finden, mochten sie vielleicht auff
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dieser forderung eben so hart nit bestehen. – [...]

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W an die Brandenburger: Da Franzosen und Spanier bei den Staatischen
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die Visite abgelegt haben, mögen sich die Brandenburger, damit man
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Contarini zuvorkommt, erkundigen, ob in Abwesenheit der Ksl. die Kur-
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fürstlichen unmittelbar folgen könnten. – Wenig später melden die Bran-
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denburger , Contarini habe sich bereits angemeldet und für morgen einen
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Termin erhalten. Daraufhin hält W für richtig, daß die Kurfürstlichen die
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Rückkehr der Ksl. abwarten und nach diesen die Visite verrichten . [...]

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