Acta Pacis Westphalicae II C 4,2 : Die Schwedischen Korrespondenzen, Band 4, 2. Teil: 1648-1649 / Wilhelm Kohl unter Mitarbeit von Paul Nachtsheim
409. Johan Oxenstierna und Salvius an Pfalzgraf Carl Gustav Münster 1648 Oktober 18/28
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Münster 1648 Oktober 18/28
Ausf.: Stegeborg Slg. II: A, E 161, unfol. (Beilage L zu Nr. 456).
Vorschläge zur Exekution des Friedensvertrages, der am 14. Oktober in Münster unterschrieben
wurde und am 14. Dezember ratifiziert werden soll. Empfehlung, die Quartiere in den Erblan-
den und in Bayern vorerst beizubehalten und die angewiesenen sieben oberdeutschen Reichskreise
erst später zu beziehen, um deren Leistungsfähigkeit zur Zahlung der Satisfaktionen nicht zu
schwächen. Beförderung der Restitution der evangelischen Fürsten und Städte. Freilassung der
Gefangenen. Aufbringung und Verteilung der Satisfaktionsgelder für die schwedische Armee.
Restitution der Festungen nach einem von der beiderseitigen Generalität aufzustellenden Plan.
Abdankung der Reiterei. Hinauszögerung der Abführung der Nationalvölker nach Schweden bis
zum Frühjahr und bis dahin vom Reich zu übernehmende Versorgung der Truppen. Zahlung der
Schiffsfrachten aus den Satisfaktionsgeldern. Möglichste Verschonung der Fürstentümer Bremen
und Pommern mit allen Belastungen.
Obschon unter vorgestriegem dato Ewer Fürstliche Durchlaucht wier vermit-
telst unßers dem herrn residenten Kleiehe mitgegebenen schreibens unterthä-
nig an die handt gegeben, welchergestald durch Gottes gnade der gnädigste
friedensschluß sich gefunden und waß bey deßen execution zu beobachten
nothwendig zu sein vermeinet, so haben dannoch wier vor eine schuldigkeit
zu halten gehabt, in fernerer unterthänigen uffwartung Ihro anzudienen, waß
bey erwehntem executionspunct in etwas specialius unßer bedencken und
mainung sein möchte. Nicht zwar zu dem ende, alß ob Deroselben wier ei-
nige maaß und weise vorschreiben wollten, sondern allein Dero hocherleuch-
teten nachdencken und dijudication vorzustellen, waß Sie vor daß best und
fügligste zu practiciren befinden werden.
Undt ist zwar vordrist an deme, daß die instrumenta pacis den 14. dießes
alhier untergeschrieben undt den 16. ad ratificandum abgeschickt worden,
welchem nach, allerseitiger abrede gemäß, den 14. Decembris nechstkünfftig
die ratificationes zur stelle sein müßen.
Mitlerweile subsistiren die armeen, wo sie sich befinden oder am bequemb-
sten erachten werden, und ist in dem friedensschluß versehen, daß daselbsten
biß zur gäntzlichen abdanckung sie ihren unterhalt haben sollen. Es ist wohl
glaublich, daß sowohl der Käyßer alß churfürst in Bäyern daruff tringen wer-
den , daß sofort nach der notification deß hießigen schlußes Ihr Königliche
Mayestät milice die Erblanden und den Bäyerischen craiß quittiren und dar-
gegen in die im friedensschluß ihnen assignirte sieben craise rücken solle,
stehet zwar auch Ewer Fürstlicher Durchlaucht frey, falß Sie es nicht ändern
können, in selbige zu logiren. Aldieweiln aber die gantze Schwedische militia
ihre satisfaction darauß haben, auch vermög des friedensschlußes besagte 7
craise mit keinen anderen völckern belegt werden sollen, so wehre wohl zu
wünschen, daß, so es je müglich, Ewer Fürstliche Durchlaucht in denen Erb-
landen und Bäyerischen craiße biß zu der abdanckung subsistiren und mehr-
erwehnte 7 craise verschonen möchten, damit selbige, indem sie von anderer
beschwerde befreyet wehren, zu auffbringung der satisfactionsgelter umb so
viel beßer gelangen könten. Dann obzwar die Erbländer zu der käyßerlichen
militiae undt der Bayerische craiß zu der Bayerischen satisfaction in dem frie-
densschluß deputirt seind, so wehre daruff doch zu antwortten, daß 1. distin-
guirt werden müße unter satisfaction und alimentation. Die satisfaction sol-
ten die kayßerlichen und Bayerische zwar darauß haben, es hinderte solches
aber nicht, daß die Schwedische nicht solten darinnen stehen und ihre ali-
mentation darauß haben mögen. Dann 2. were in denen zweyen monaten
zwischen unterschreibung des instrumenti pacis und deßen ratification nur
ein armistitium, uff ein kleines armistitium aber niemandt schuldig, sich auß
seinem inhabenden vortheil und advantage zu begeben, biß man sehen könte,
ob vom gegentheil der friede richtig ratificirt würde oder nicht. Hetten dan
nun auß diesen fundament Ewer Fürstliche Durchlaucht macht, darinnen zu
stehen, so müßen sie auch, vermög des friedensschlußes, darauß leben. Damit
aber die lebensmittel ordentlich darauss folgen mögen, so würde (jedoch
ohne maßgebung) nöthig sein, mit des gegentheils generalität einer gewißen
ordnung darüber sich zu vergleichen. Und soviel von der subsistenz und un-
terhalt .
Indeßen nun dergestalt mann der zeit und ankunfft der kayßerlichen undt
königlichen ratification erwarttet, wehren die sechs puncten, so unter IV in
der hienebengehenden executionsordnung enthalten, in acht zu nehmen. Daß
erste geht diejenige ständte des Reichs allein an, so ex amnestia et decisione
gravaminum restituirt werden sollen. Worunter Ewer Fürstliche Durchlaucht
sehr hoch gebetten worden, sich, wie daß wohl nothwendig fallen auch füg-
lich sich thun laßen wirdt, die restitution der evangelischen stände undt stät-
ten , insonderheit Würtenberg, Sultzbach, Augspurg und Lindau, wie etwa
hierbey folgende memorialien erinnern, recommendirt sein zu laßen. 2. wer-
den die gefangenen nach dein cartel loßgestelt. Wer aber nicht cartelmäßig,
müßte sonst accordiren. 3. Die repartition, wieviel ein jedweder standt in de-
nen sieben craisen zur satisfaction und abdanckung der Schwedischen mili-
tiae , theils alsobald baar, theils in gewißen terminen entrichten soll, ist ge-
dachten herrn residenten mitgegeben undt stehet im ubrigen zu Ewer Fürstli-
chen Durchlaucht guthfinden, wie sie daßelbe unter die arméen und guarni-
zonen außzutheilen am bequembsten erachten werden. 4. Das baare gelt
wirdt durch eines jeden craises commissarien bey der abdanckung praesenti-
ret werden. Wegen der assignationen were zu uberlegen, welches beßer: ob
die officiers zu denen einem jedwedem assignirten ständen, oder ob die
ständte in die arméen und pläze zu denen officiers schicken und miteinander
handeln solten, ob sie landgüther in bezahlung oder pfandsweise annehmen
oder sich mit theils obligationen und handschrifften wolten contentiren
laßen. 5. Damit alles zur abdanckung, abführung undt restitution der pläze
praeparirt werden möge, darzu wirdt von Ewer Fürstlichen Durchlaucht je-
des ohrts commendant sich ferttig zu halten vorauß advertirt und erinnert
werden. 6. Wie solches alles ordentlich und nota bene nacheinander gesche-
hen solle, darüber gehen theils hießigen ohrts gedancken ohnvorgreifflich da-
hin , daß man anfang solte machen von restitution der pläze, etwan also und
dergestaldt, daß alle generalitäten, die Schwedische, kayßerliche und Franzö-
ßische , Bayerische, Heßische, Lamboyische etc., sich erstlich wegen eines ge-
wißen tages vergleichen, uff welchem eine jedwedere generalität eine, zwey
oder nach proportion mehr vestungen gegeneinander abtretten, und damit
solches desto uffrichtiger exequirt werden möchte, könten geyselen gegeben
undt genommen, auch, solang die arméen ohnabgedancket bleiben. 2. Her-
nechst , wann die zeitung eingekommen, daß solchem von allen theilen rich-
tig nachgelebt worden, könte mann einen andern tag sezen, an welchen eine
gleiche anzahl von reuterey von jedweder armée abgedancket würde. 3. und
so weiter fort alternation. Doch stehen zu Ewer Fürstlicher Durchlaucht be-
ßerem nachdencken, ob es also gehen können oder ob man eine bequembere
maniere finden möge.
Daß allernothwendigste aber, so bey Ewer Fürstlichen Durchlaucht unterthä-
nig zu erinnern, ist dießes: Man verhoffete vergangenen frühling und som-
mer , es solte damahln der friede zulangen und so baldt geschloßen werden,
daß man die fremde völcker hette abdancken und die national- sambt behal-
tenden knechten bey noch offenem waßer nach Schweden uberführen kön-
nen . Weßwegen dan auch in dem executionsarticul gesezt wurde, daß die be-
zahlung , abdanckung oder abführung der soldatesca, wie auch restitution der
pläze pari passu effectuirt werden solten. Demnach aber der schluß biß jezt
erst volzogen worden und mann nun kein volck abdancken oder abführen
kann, ehe und bevorn die ratificationes gegen medio Decembris einkommen,
da dann der winter einfält und also die nationalvölcker nothwendig in
Teutschlandt überwintern müßen, so hat man zwar daß instrumentum pacis
mit raison nicht wohl ändern können, jedoch vor guth befunden, mehrbe-
rührt- und hiebeygefügte executionsordnung à part uffzusetzen und in selbi-
ger , paragrapho ultimo, die wörter pari passu dahin gedeutet, wie sich die
generalitäten darüber vergleichen werden, und stehet noch darzu sub IV § 6,
daß alles ordine undt nacheinander geschehen solle. Wann aber die außwech-
selung der ratificationen, bezahlung, abdanckung oder abführung der solda-
tesca , wie auch restitution der plätze stracks uff eingelangte notificationen
pari passu so stricte oder praecise geschehen solte, so würde die unterhaltung
der Schwedischen völcker undt waß die cron sonsten von Teutschen knech-
ten behält, der cron zu last kommen, biß so lang die schiffe im frühling wie-
der nach Schweden werden siegeln können. Damit solches nun nicht gesche-
hen möge, so stehet in Ewer Fürstlicher Durchlaucht gnädigem gefallen, die
ganze execution dergestaldt zu dispensiren, damit die Schweden und Finnen,
sambt waß Ihre Königliche Mayestät sonsten vor knechte behält, zulezt abge-
führet , die andere actiones aber dergestaldt moderirt werden mögen, damit
der winter zugebracht, daß offene waßer und frachtschiffe herbeykommen
und biß dahin das volck vom Reich unterhalten werden möge, welches dann
füglich folgendergestaldt geschehen könte: 1. Den 15. Decembris notificiren
Ewer Fürstlichen Durchlaucht wier die ankunfft der ratification. Mit solcher
notification wirdt vor Januarii monat der courrier bey Ewer Fürstlichen
Durchlaucht nicht arriviren können. 2. Im anfang Januarii machte mann den
anfang von restitution ezlicher plätze und selber guarnizonen contentirung
zu handelen undt näherte sich, ehe solches exequirt würde, das ende des Ja-
nuarii . 3. Daruff würde ein hauffe der cavallerie abgedanckt und contentirt,
welches zum wenigsten auch biß in medium Februarii hienein lauffen könte.
4. Hieruff würden wiederumb ezliche guarnizonen von allen generalitäten
contentirt und abgeführt, wormit es biß in medium Martii, wo nicht länger,
anlieffe. In summa, ehe die ganze execution völlig geschehen könte, haben
wier den frühling. Immittelst wurden die schiffe zur abführung gefrachtet
und an den seeporten zu uberschiffung der Schwedischen völcker ferttig ge-
halten . Es wehre auch wohl guth und zu wünschen, daß von der repartition
der satisfactionsgelter soviel ubrig behalten würde, daß davon die schiffs-
fracht und was darvon dependiret, entrichtet werden könte. Im ubrigen ist
nicht zu zweiffeln, Ewer Fürstliche Durchlaucht gegen und bey überführung
der völcker sothane disposition und anordnung machen werden, damit die
fürstenthumbe Bremen und Pommern, soviel alß müglich, von aller be-
schwehrung entfreyet bleiben mögen.
Diese actiones könten zwar genauer nacheinander specificirt werden, wier
aber haben nur in etwas unßere gedancken zu pappier bringen wollen, nicht
Ewer Fürstlichen Durchlaucht ichtwas (wie eingangs erwehnet) darmit vor-
zuschreiben , sondern deroselben nur ein wenig anlaß zu geben, der sachen
desto beßer nachzudencken.