Acta Pacis Westphalicae II C 2 : Die Schwedischen Korrespondenzen, Band 1: 1645-1646 / Wilhelm Kohl
EINLEITUNG

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EINLEITUNG

Nachdem sich die Vorverhandlungen in Münster und Osnabrück bereits mehrere Jahre hingezogen hatten

Eine ins Einzelne gehende Darstellung der Friedensverhandlungen ist hier weder beabsichtigt noch geboten. Der von den in diesem Bande publizierten Stücken erfaßte Zeitabschnitt wird von F. Dickmann S. 243–312 behandelt.
, ohne daß sichtbare Erfolge zu verzeichnen waren

Vgl. die Einleitung in APW, [ II C 1 S. XIX–XXIX ] .
, weckte die Ankunft des Grafen Maximilian von Trauttmansdorff am 29. November 1645 in Münster neue Hoffnungen . Nur von ihm als einem Meister der Diplomatie konnte erwartet werden, die anscheinend unüberbrückbare Kluft zwischen den evangelischen und katholischen Reichsständen durch einen Kompromiß zu überbrücken. Trauttmansdorff hat freilich die Erwartungen, ein baldiges Kriegsende herbeizuführen, nicht erfüllen können. Zuviele Hindernisse stellten sich ihm in den Weg. Zweifelsfrei bleibt aber seine Leistung, durch geschicktes Taktieren und unter Ausnutzung aller verfügbaren diplomatischen Mittel, besonders in der Frage der Satisfaktionen Frankreich zu Separatverhandlungen verleitet zu haben, denen diese Macht unter dem Druck inner- politischer Schwierigkeiten nur zu gern zustimmte. Den überraschten Schweden blieb schließlich nichts anderes übrig, als ihre hohen Forderungen zu verringern und ebenfalls auf Separatverhandlungen einzugehen. Daß Trauttmansdorff durch sein Geschick damit den Friedensschluß in nächste Nähe gerückt hat, wird ihm kaum jemand streitig machen wollen, wenn auch auf den ersten Blick scheinbar seinem Wirken ein Mißerfolg nach dem anderen beschieden war.
Das Bild war nicht ungünstig, das seine schwedischen Verhandlungspartner von ihm entwarfen

Vgl. die Charakteristiken Rosenhanes S. [ 7 ] , Johan Oxenstiernas [ S. 23 ] und [ 53 ] , Salvius’ [ S. 138 ] .
. Aus ihren Worten sprach beinahe Sympathie für ihn, wenn sie auch immer wieder vor seinen hinterlistigen Praktiken und seinem eigentlichen Ziel warnten, die verbündeten Kronen zu trennen und die Reichsstände zur Verständigung mit dem Kaiser zu drängen. Rosenhane schildert ihn anschaulich als einen Mann in altertüm- licher Kleidung und mit riesiger Perücke. Er saß in seinem Pelz zusammengekrümmt im Sessel wie ein Bär. Seine Rede war indessen klar und richtete sich ohne alle Um- schweife auf die Hauptsache. Von seinen Gesprächspartnern forderte er eindeutige Antworten und duldete kein Ausweichen auf Nebengleise. Mit seiner wachen Intelli- genz übertraf er an Gefährlichkeit die bisher mit den Schweden verhandelnden kaiser- lichen Bevollmächtigten.
Trauttmansdorffs Aufmerksamkeit richtete sich als erstes auf die reichsständischen Verhandlungen der evangelischen und katholischen Gesandten. Die Evangelischen in Osnabrück entwarfen als Stellungnahme zur kaiserlichen Antwort ein weitläufiges „Gutachten“, in dem sie nicht nur die kaiserliche Erklärung, sondern auch die Propositionen der Kronen Punkt für Punkt behandelten. Dieses Gutachten übergaben sie den evangelischen Gesandten in Münster zur Überlegung. Nachdem das geschehen war, wurden alle geistlichen und politischen Beschwerden der Evangelischen zusammengefaßt dem kaiserlichen Gesandten und dem Mainzer Direk-

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torium überreicht, von wo aus sie den katholischen Gesandten vorgelegt wurden. Der Inhalt der Gravamina ist an dieser Stelle ohne Bedeutung. Für den Gang der Ver- handlungen wichtig erwies sich jedoch die Stellungnahme der Katholiken. Diese hätten gern gesehen, daß eine so umfangreiche Streitsache wie die reichsständischen Gravamina vom Friedenskongreß abgetrennt und auf eine außerhalb von Münster und Osnabrück tagende Reichsdeputation verwiesen worden wäre. Der Friedenskongreß sollte nach katholischen Wünschen nur der Beilegung des Krieges zwischen Kaiser und Reich einer- seits und den Kronen Frankreich und Schweden andererseits dienen. Alles andere gereichte nur zur Verzögerung dieser bedeutendsten und dringendsten Aufgabe und setzte das Reich weiteren Kriegsbeschwerden aus. Die Katholiken schätzten außerdem den Wert eines Vergleiches zwischen den Konfessionen nicht sehr hoch ein, da er zur Zeit nur unter dem Druck der siegreichen Waffen dieser oder jener Partei geschlossen werden konnte und mit Sicherheit nach Beendigung des Krieges vom Benachteiligten als unter Zwang eingegangen angefochten werden würde. Überhaupt ging nach ihrer Meinung der innere Streit im Reiche die auswärtigen Mächte nichts an. Seine Aus- handlung auf dem Kongreß mußte nur die ausländischen Kronen zum Eingreifen ermutigen. Besser wäre es, wenn Kaiser und Stände die Gravamina ohne Zutun der fremden Mächte unter sich ausmachen könnten.
Aus diesen logischen und verführerischen Darlegungen in den katholischen Konzepten spricht der fühlbar werdende Einfluß Trauttmansdorffs. Jedoch bemerkten die Evangelischen die ihnen drohende Gefahr sehr wohl. Sie bestanden auf einer Abhand- lung ihrer Gravamina auf dem gegenwärtigen Kongreß in der Befürchtung, daß spätere Zeiten und ein vielleicht nicht mehr wirksamer Schutz durch die gerade jetzt so sieg- reichen schwedischen Waffen sie in eine weit ungünstigere Verhandlungsposition ver- weisen könnten, als sie sie jetzt einnahmen. Zuviele Beispiele aus der Vergangenheit bewiesen auch, wie auf Reichs- und Deputationstagen endlose Verhandlungen zu keinerlei Ergebnissen geführt hatten und daß der dortige Verhandlungsmodus ihnen nachteilig sein mußte. Angesichts der Weigerung der Gegenseite blieb den katholischen Ständen nichts anderes übrig, als ihrerseits den Evangelischen ihre „Gegenbeschwerden“ zu übergeben, die auch den Mediatoren und den Bevollmächtigten Frankreichs und Schwedens am 29. Januar 1646 zugeleitet wurden. Abgesehen von seiner Überzeugung, daß eine Beilegung der reichsständischen Streitig- keiten und ein Vergleich der Stände mit dem Kaiser den Gang der Friedensverhand- lungen günstig beeinflussen mußte, hegte Trauttmansdorff keinen Zweifel daran, daß den Kronen Frankreich und Schweden vor allen an der Regelung ihrer Satisfaktionen und der Bezahlung der Kriegskosten lag. Das beweist sein bereits bei der ersten Unterredung mit den französischen Gesandten unterbreitetes Angebot, die Bistümer Metz, Toul und Verdun, außerdem Pinerolo und Moyenvic an Frankreich abzutreten. Seine Hoffnung richtete sich vielleicht weniger darauf, daß die Franzosen dem über- raschenden Angebot zustimmen und auf weitere Ansprüche verzichten könnten, als darauf, sie in der Diskussion zu einer Konkretisierung ihrer Satisfaktionsansprüche zu bewegen. Sofort danach reiste er am 14. Dezember 1645 nach Osnabrück und eröffnete den

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Schweden den Wunsch des Kaisers, mit der Königin Christine in ein freundschaftliches Verhältnis zu treten. Er stellte eine weitgehende Berücksichtigung der schwedischen Wünsche in Aussicht, soweit ihre Erfüllung überhaupt in der Macht des Kaisers stand. Nebensächlichere Forderungen der Schweden, zum Beispiel in der Frage der Geleitbriefe, erfüllte er augenblicklich, jedoch lehnte er jedes Zugeständnis an die evangelischen Untertanen der habsburgischen Erblande von vornherein ab. Seine Ver- handlungen in Osnabrück rückten in ihrer Bedeutung unverkennbar vor die in Münster. Schweden schien die Macht zu werden, mit der der Kaiser vornehmlich zum Frieden gelangen wollte.
Am 7. Januar 1646 übergaben Franzosen und Schweden ihre Repliken auf die kaiser- liche Antwort. Ihr Inhalt bezog sich hauptsächlich auf die Satisfaktionen. Frankreich umschrieb nunmehr genauer seine Forderungen, wie es Trauttmansdorff angestrebt hatte, verlangte allerdings außer den angebotenen Stücken das gesamte Elsaß, den Sundgau, den Breisgau mit der Festung Breisach, die vier Waldstädte am Rhein und das Besatzungsrecht in Philippsburg. Außerdem weigerten sich die Franzosen, ihr Bündnis mit Schweden und anderen Mächten zu lösen, und lehnten nach wie vor die Zulassung des Herzogs von Lothringen zum Friedenskongreß ab. Gegenüber diesen Forderungen nahm sich ihr Verlangen nach Amnestierung der Reichsstände und Bei- legung der reichsständischen Streitigkeiten nur als ein Ausdruck notdürftig erfüllter Pflicht aus. Unerwartet hoch waren auch die Satisfaktionsforderungen der Schweden. Sie bean- spruchten ganz Pommern, die Stadt Wismar mit den umliegenden Ämtern, Schlesien und die geistlichen Stifter Bremen und Verden. Alle Stücke sollten vom Kaiser als Lehen empfangen werden und weiterhin zum Römischen Reich gehören. Stärker als Frankreich nahmen sich die Schweden dagegen der Interessen der Reichsstände an, mochte nun der eigene Vorteil bei der Bildung einer zuverlässigen Anhängerschaft unter den Protestanten oder die ehrliche Fürsorge für die deutschen Glaubensgenossen ausschlaggebend sein. Mehrfach bekundeten beide schwedischen Gesandten, daß Amnestierung und Restitution der am Kriege gegen den Kaiser beteiligten Stände ein untrennbarer Bestandteil der schwedischen Satisfaktion sei und demzufolge noch auf dem Friedenskongreß beschlossen werden müsse. Die Einwände Trauttmansdorffs richteten sich weniger gegen den Übergang größerer Teile des Reichsgebietes als Lehen an das Königreich Schweden, sondern gegen alle die Ansprüche, die das kaiserliche Haus unmittelbar beeinträchtigten. Darunter rechnete in erster Linie die Abtretung Schlesiens als eines der reichsten Länder des Hauses Habsburg, aber auch die Forderung nach Religionsfreiheit in den Erblanden, die sich gegen die kaiserliche Souveränität richtete, und gegen die Rückverlegung der Amne- stie auf das Jahr 1618 unter Einschluß des Böhmischen Krieges. Freilich schlug den Schweden nicht nur von dieser Seite erregter Widerspruch entgegen. Besonders der Kurfürst von Brandenburg widersetzte sich mit Nachdruck einem Übergang Pommerns an die nordische Krone. Er besaß gut begründete Erbrechte an dem seit dem Tode Herzog Bogislaws XIV. verwaisten Lande und sah nicht gern die Mündungen der Oder in fremden Händen. Dem Handel aus der Kurmark über Küstrin und Frankfurt a. O. drohte dadurch in Krisenzeiten die Abschnürung. Als

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Bundesgenossen in dieser Frage gesellten sich zu dem Kurfürsten bald die Vereinigten Niederlande, deren Prinzip der Freiheit der Meere und des Seehandels eine ganz unter schwedischer Herrschaft stehende Ostsee nicht duldete. Verstärkt wurde diese brandenburg-niederländische Interessengemeinschaft durch verwandtschaftliche Bin- dungen des Kurfürsten an das Haus Oranien und durch das gemeinsame reformierte Bekenntnis. Ähnliche wirtschaftliche Bedenken wie die Niederländer erhoben auch die Hansestädte und natürlich Dänemark, der alte Widerpart Schwedens in der Ostsee.
In den Chor der Opponenten stimmte schließlich auch König Wladislaw von Polen ein. Seine Rechte auf bestimmte Ämter in Hinterpommern standen zwar nur auf der brüchigen Grundlage von Urkundenfälschungen, aber er konnte doch einen gewichtigen politischen Beweggrund ins Feld führen. Wenn Schweden Hinterpommern in Besitz nahm, so geriet Polen von Westen wie von Osten in eine Umklammerung durch diese Macht. Das Ende der polnischen Herrschaft in Preußen und die Abschnürung Polens vom Meer war dann kaum noch zu verhindern. Zweifellos mnß die Heirat Wladislaws mit einer französischen Prinzessin, die gerade zu dieser Zeit stattfand, auch unter diesem Blickwinkel gesehen werden. Frankreich stellte vielleicht überhaupt die einzige Macht dar, die Schweden zur Mäßigung in Pommern zwingen und zu einer Lösung raten konnte, die wenigstens den Übergang Hinterpommerns an den Kurfürsten von Brandenburg vorsah. Da dieser polnischer Vasall war, wäre hiergegen aus Warschau kein Widerspruch zu erwarten gewesen. Tatsächlich erteilten die Franzosen den Schweden solche Ratschläge. Ihre Begründung, Schweden werde durch den Erwerb Hinterpommerns in tödliche Feindschaft mit Polen und Brandenburggeraten und könne das verhältnismäßig arme Land nur unter gewaltigen finanziellen Opfern für Festungen und Besatzungen in seinem Besitz erhalten, stießen nicht auf taube Ohren. Salvius

Johan Adler Salvius, * 1590 Strängnäs, † 24. August 1652 Stockholm. SMK I S. 17f. Odhner S. 112ff. Lundgren , Johan Adler Salvius.
erkannte frühzeitig, daß an dieser Stelle für die schwedischen Ansprüche durch die politischen Verhältnisse eine Schranke aufgerichtet war, die zu überschreiten die Staatsklugheit verbot. Trotzdem befahl die Königin und mit ihr der Reichskanzler Axel Oxenstierna in Einverständnis mit dem Reichs- rat , an der Forderung auf ganz Pommern festzuhalten, solange es irgend vertretbar war.
Allerdings hatte es im März 1646 schon einmal so ausgesehen, als ob der Stockholmer Hof einlenken wollte. In der Weisung vom 21./31. März gab die Königin als „äntelige förklaringh“ den Befehl, mit der Gegenseite „über Vorpommern und die Stifter Bremen und Verden“ zu verhandeln und sich „soweit herauszulassen, daß wenn die Verhandlungspartner Vorpommern mit allen seinen Zubehörungen ... und das Erzstift Bremen und das Stift Verden an uns und unsere Nachfolger als Könige von Schweden abtreten und der Krone für alle Zeiten als Leben des Reichs“ überlassen wollten, so dürfte der Gegenseite die gewisse königliche Ratifikation in Aussicht gestellt werden

Nr. [ 79 ] , S. 216ff.
. Immerhin sollte die Annahme der Trauttmansdorffschen Vorschläge, die damit ausgesprochen wurde, solange wie möglich geheimgehalten werden.

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Als Salvius Anfang April in Münster mit Trauttmansdorff zusammentraf, zeigte dieser eine zuversichtliche Miene. Wenn Schweden sich mäßige und seine Angebote annähme, könnte der Friede auf der Stelle geschlossen werden. „Moderata durare!“ fügte er hinzu und sprach die Hoffnung aus, daß sich eine enge, fruchtbare Verbindung zwischen Kaiser, Reich und Schweden herausbilden werde, sobald Schweden ein Stand des Reiches geworden sei. Aus seinen Worten ging deutlich hervor, daß er hinter der von Salvius ausgesprochenen Weigerung, die Forderung auf ganz Pommern fallen zu lassen, die Unsicherheit der Gegenseite erkannt hatte. Er wußte zwar, daß es noch einige Zeit dauern würde, bis Schweden öffentlich von seinen hohen Forderungen ab- rücken würde, daß aber das Eis bereits gebrochen war. Nur vorübergehend brachte die Folgezeit eine erneute Verhärtung des schwedischen Standpunkts.
Das hartnäckige Beharren der Schweden auf der Erwerbung ganz Pommerns ist verständlich. Fast unüberwindlich schienen die Schwierigkeiten, die der Suche nach einem gleichwertigen Ersatz für Hinterpommern entgegenstanden. Trauttmansdorff hatte Bremen und Verden angeboten, aber diese Länder lagen weit vom Mutterland entfernt. Ihre Erwerbung hätte außerdem das dänische Mißtrauen gegen eine Um- klammerung von Westen erweckt, ganz abgesehen davon, daß sich beide Stifter zur Zeit in der Hand eines dänischen Prinzen als Administrator befanden

G. Lorenz , Das Erzstift Bremen.
. Die größte Schwierigkeit aber beruhte in dem empörten Einspruch Frankreichs gegen jede Umwandlunggeistlicher Stifter in weltliche Fürstentümer. Sicherlich nahm Frankreich diese Haltung gegenüber seinem Bundesgenossen nicht nur aus katholischer Gesinnung ein – dazu hatte es allzu oft die Interessen der katholischen Kirche in Deutschland mit Füßen getreten und außerdem waren beide Stifter nach Besitzern und Bevölkerung seit langem evangelisch –, sondern mit Rücksicht auf sein bis zum Zerreißen gespanntes Verhältnis zum Papst, das kategorisch einen Schritt in dieser Richtung forderte, dem es sich nicht entziehen konnte. Deshalb lag der Verdacht nahe, Trauttmansdorff habe mit seinem Angebot das Samenkorn für eine Entfremdung der beiden Kronen legen wollen, wie sie in der Tat in der ersten Hälfte des Jahres 1646 gewaltig zunahm. Hatte er die Begründung des Mißtrauens zwischen den Bundesgenossen wirklich beabsichtigt, so war ihm der Schachzug meisterlich geglückt.
Die Tiefe des Einbruchs konnte ihm aber nur gelingen, weil gleichzeitig andere Umstände das Bündnis der beiden Königreiche stark belasteten. Zu Recht oder Un- recht – das ist in diesem Zusammenhang unwesentlich – warfen die Franzosen den Schweden vor, Königsmarck habe sich zur Unzeit von der französischen Armee getrennt und der gemeinsamen Kriegsführung dadurch schweren Schaden zugefügt. Schweden habe außerdem eigenmächtig und ohne Verständigung des Bundesgenossen mit den Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen Waffenstillstandsverträge abge- schlossen und verweigere schließlich dem französischen Residenten La Barde in Osna- brück den Zutritt zu den Verhandlungen. Das erwecke den Verdacht, es seien schwedisch-kaiserliche Verhandlungen im Gange, die auf eine Einigung ohne Berück- sichtigung französischer Interessen abzielten.

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Diesen Vorwürfen hielten die Schweden entgegen, daß der Entschluß Königsmarcks ohne Wissen der Regierung erfolgt sei und die Waffenstillstände Frankreich gar nicht beträfen, ganz abgesehen davon, daß ja auch Frankreich mit Bayern in Unterhand- lungen eingetreten sei, ohne Schweden zu benachrichtigen. Der Resident La Barde könnte im übrigen sofort zugelassen werden, wenn auch dem schwedischen Residenten Schering Rosenhane

Schering Rosenhane, * 4. Juli 1609 Torp (Södermanland), † 6. August 1663 ebd. SMK VI S. 359f. A. Stille , Schering Rosenbane som diplomat och ämbetsman (1892). Odhner S. 116.
in Münster bei allen dortigen Verhandlungen ein Gleiches wider- fahre . Bekanntlich hatte sich der päpstliche Nuntius Fabio Chigi geweigert, den Protestanten Rosenhane in seiner Gegenwart zu dulden. Nun verlangten die Schweden, daß Frankreich sich dafür einsetze, daß der Nuntius sich eines besseren besinne. Der Einwurf der Franzosen, sie hätten die gesamte Vermittlung gar nicht an Fabio Chigi, sondern den Venezianer Contarini übertragen, wurde als nicht stichhaltig zurück- gewiesen .
Der Unmut der Schweden steigerte sich noch, als trotz zahlreicher Zusagen Turenne noch immer zögerte, sich mit der schwedischen Hauptarmee zu verbinden und mit nicht zu überbietender Langsamkeit zum Sommerfeldzug 1646 heranrückte. Seine Zurück- haltung machte sich umso unangenehmer bemerkbar, als die schwedische Armee, nachdem sie sich zu Beginn des Jahres in sehr vorteilhafter Lage befunden hatte – wenn man den ständigen Geldmangel außer acht läßt –, nach dem Abgang Torsten- sons unter dem Kommando des noch unerfahrenen Karl Gustav Wrangel in eine Krise geriet. Die enge Verbindung militärischer Erfolge oder Mißerfolge mit den diplo- matischen Verhandlungen in Münster und Osnabrück, wo die Kriegslage wie auf einer Börse registriert wurde, gestattete aber nicht, daß die Armeen der beiden Kronen in schlechtere Quartiere abgedrängt wurden. Eine Schlacht mit ungewissem Ausgang wünschte im Augenblick keine Seite, am wenigsten wünschten sie die Reichsstände selbst, um nicht der Übermacht des Siegers ausgeliefert zu werden. Nur ein relatives Gleichgewicht der militärischen Kräfte bot Aussicht auf einen baldigen und erträg- lichen Friedensschluß. Obgleich die Gegenseite Trauttmansdorffs Absichten durchschaute oder doch wenigstens ahnte, gelang es ihm durch sein Taktieren und Hin- und Herreisen zwischen Münster und Osnabrück, sowohl bei den Franzosen als auch den Schweden den Eindruck zu erwecken, der andere Bundesgenosse sei einer Einigung mit dem Kaiser schon näher gelangt. Man selbst werde schließlich isoliert das Nachsehen haben. Um die zur Zeit nachgiebigeren Franzosen dem Abschluß mit dem Kaiser gefügiger zu machen, billigte Trauttmansdorff ihnen am 14. April 1646 das Elsaß und den Sundgau zu. Allerdings sollte Frankreich den bisherigen Besitzern eine Entschädigung von mehreren Millionen Talern zusichern. Von Metz, Toul und Verdun als bereits in französischem Besitz befindlichen Stücken wurde nicht mehr gesprochen. Allein, die Franzosen waren auch damit nicht zufrieden und verlangten noch Breisach. Damit widersprachen sie allerdings ihrer eigenen bisherigen These, daß der Rhein die Grenze bilden sollte, und griffen darüber hinaus. Dem Zureden des unter Einfluß des päpst- lichen Nuntius Bagni in Paris stehenden Herzogs von Bayern und seines Bruders

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Ferdinand, Erzbischofs von Köln, ist es zuzuschreiben, daß der Kaiser schließlich auch in diese Forderung einwilligte (26. Mai 1646). Doch auch dabei blieb es nicht. Frankreich forderte noch das ewige Besatzungsrecht in Philippsburg. Weil der Bayer das als vorteilhaft für die katholische Religion in jenen Gegenden ansah, wurde am 31. August auch das zugestanden. Die fast restlose Durchsetzung der französischen Wünsche führte nun zum sogenannten Vorvertrag vom 13. September 1646. In ihm übernahmen es übrigens die Franzosen unter anderem auch, mäßigend auf die schwe- dischen Forderungen einzuwirken.
Johan Oxenstierna

Johan Axelson Oxenstierna, * 24. Juni 1612 Stockholm, † 5. Dezember 1657 Wismar. SMK V S. 695f. Odhner S. 111f.
und Salvius befanden sich durchaus nicht immer im klaren über den Stand der kaiserlich-französischen Gespräche und wurden nervös. Auf keinen Fall durfte es dahin kommen, daß Frankreich seine Satisfaktion in sicheren Händen hielt und dann uninteressiert beiseitetrat. Um doch noch die schwedische Forderung auf ganz Pommern durchzusetzen, drangen die beiden Gesandten in Trauttmansdorff, er solle den Kurfürsten von Brandenburg zum Verzicht auf das Herzogtum bewegen und ihm dafür eine angemessene Entschädigung mit den schlesischen Fürstentümern Glogau, Sagan und Jägerndorf in Aussicht stellen. Doch lehnten die Brandenburger ein solches Geschäft ab, abgesehen davon, daß auch Trauttmansdorff den Plan verwarf. Für ein großes unmittelbares Reichsfürstentum hätte Brandenburg ja nur eine böhmische Landstandschaft eingetauscht und sich zudem durch den Erwerb habs- burgischer Hausländer am Wiener Hofe verhaßt gemacht. Auch die rührigen Depu- tierten der pommerischen Landstände, die lieber bei Brandenburg als Schweden verbleiben wollten, schlugen einen Plan vor, der dem Kurfürsten den Erwerb ganz Pommerns ermöglichen sollte. Danach war für Schweden nach ihren Vorstellungen außer den bereits von Trauttmansdorff vorgeschlagenen Stiftern Bremen und Verden auch noch der Übergang der Stifter Halberstadt, Minden, Osnabrück und Hildesheim mit Teilen des Stiftes Münster vorzusehen.
Johan Oxenstierna schien dieser Vorschlag die Lösung aller Knoten zu beinhalten Er unterbreitete ihn seinem Vater, dem Reichskanzler, der zwar ebenfalls zustimmte, aber zu vorsichtiger Zurückhaltung mahnte, um nicht vorzeitig Widerstände auf den Plan zu rufen. Auch der Kurfürst von Brandenburg betrieb den Gedanken mit größtem Eifer und suchte Trauttmansdorff dafür zu gewinnen, freilich vergeblich. Salvius als realistischerer Denker bemerkte von vornherein die Hindernisse, die dem Plan von französischer und katholischer Seite erwuchsen. Da auch in Stockholm schließlich keine eindeutige Stellungnahme zustandekam, blieb das Projekt liegen. Schweden mußte sich unter dem Eindruck der französischen Verhandlungsfortschritte vielmehr zu einer stufenweise Herabsetzung seiner Forderungen und zu Sonder- verhandlungen mit Brandenburg verstehen. Salvius hat vor Johan Oxenstierna die Konsequenzen aus der neuen Lage gezogen und planmäßig daran gearbeitet, auch am Stockholmer Hof die Stimmung zu schaffen, die der Verwirklichung seiner Vostellungen günstig war. Sorge um die sich für Schweden ständig verschlechternde Lage spiegelt sich in seinem geheimen Briefwechsel

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mit dem Pfalzgrafen Karl Gustav, den er am 1./11. Juni 1646 von sich aus einleitete

[ Nr. 126a ] , S. 320.
. Auf diesem Wege hoffte er, das Ohr der Königin am besten erreichen zu können. Er täuschte sich darin nicht.
Auf der Suche nach neuen Wegen warf Salvius viele der bisherigen schwedischen Forderungen über Bord, weil sie ein schnelles Vorankommen verhinderten und seiner Meinung nach auch niemals mehr zu verwirklichen waren. Es mochte ihm daran gelegen sein, den diplomatischen Ruhm des Friedensmachers vor seinem ranghöheren Kollegen Johan Oxenstierna davonzutragen, die eigentliche Triebfeder seines Handelns war aber doch wohl die sachliche Einsicht. Oxenstierna wird zwar unter dem Einfluß der mißgünstigen Urteile der französischen Gesandten, die ihn ebensowenig leiden konnten wie er sie, im allgemeinen zu negativ eingeschätzt

So auch F. Dickmann S. 197.
, jedoch trifft es zu, daß er in Erkenntnis seiner noch geringen Erfahrung im diplomatischen Dienst selb- ständige Entscheidungen fürchtete und sich vom Rat seines am Hof mehr und mehr in den Hintergrund tretenden Vaters abhängig machte. Salvius erkannte dagegen den aufgehenden Stern der Königin und ihrer Partei. Ungeachtet dessen, daß er als Günstling des Reichskanzlers seine Karriere gemacht hatte, schloß er sich nun der Friedenspartei Christines an.
Nach wenigen Monaten zeigte sich bereits der Erfolg seiner Bemühungen. In der Weisung vom 19./29. September, die am 6./16. Oktober in Osnabrück eintraf

[ Nr. 192 ] , S. 470ff.
, willigte die Königin in Spezialverhandlungen mit Brandenburg über Pommern ein und verzichtete damit auf die bisherige starre Forderung auf Erwerb des ganzen Herzogtums. Damit war die Bahn für eine Lösung freigegeben, wie sie Trauttmans- dorff in seinen Vorschlägen angedeutet hatte.
Die kaiserliche Partei konnte zu dieser Zeit mit dem Erreichten zufrieden sein. Mit den Franzosen war ein Vorvertrag abgeschlossen worden, der ihnen die drei lothringi- schen Bistümer zusprach, die ohnehin seit langem in ihrem Besitz waren, und das Elsaß gegen eine so hohe Entschädigung überließ, daß sie den Wert der habsburgischen Rechte in der Landvogtei fast übertraf. Außerdem ging das Elsaß als Allod an Frankreich über. Der Zugang des Königreichs zu den Reichsgremien war damit verbaut und Habsburg vor Störaktionen seines bittersten Feindes innerhalb des Reiches sicher. Im Vorvertrag hatte der König sich sogar verpflichtet, den schwedi- schen Bundesgenossen von allzu hohen Satisfaktionsforderungen abzuraten und eine maßvolle Haltung anzuempfehlen. Auch in den Verhandlungen mit Schweden bahnte sich nun eine für Habsburg gar nicht so ungünstige Lösung an. Von der nordischen Krone trennten den Kaiser keine alten Feindschaften wie von Frankreich. Ob nun das verwaiste Pommern oder die geistlichen Wahlfürstentümer Bremen, Verden, Halberstadt und andere an Schweden fielen, bedeutete nicht viel. Sie waren ohnehin längst evangelisch und der katholischen Kirche wohl für immer verloren. Mit dem Eintritt des Königreichs in das Reich konnte zudem ein neuer, kräftiger Vasall gewonnen werden, da alle Satisfaktions-

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länder beim Reich verblieben. Es bestand sogar die Hoffnung, daß in Zukunft Frank- reich und Schweden sich eher mit Mißtrauen gegenüberstehen, als sich weiterhin gegen das Reichsoberhaupt verbinden würden. Der französische König konnte nur schwer die Säkularisierung vieler geistlicher Stifter und ihren Übergang an Schweden ver- schmerzen , wogegen er sich so hartnäckig gesträubt hatte.
Im Grunde genommen fuhr auch Schweden nicht schlecht. Die allgemeine politische Lage versprach kaum eine bessere Verhandlungsposition. Es drohte nicht nur das vollständige Ausscheiden Frankreichs aus dem gemeinsamen Kampf. Auch Holland und Spanien schritten schnell einer Einigung entgegen. Die freiwerdende spanische Armee drohte, vielleicht sogar im Bündnis mit Holland und Dänemark, dem Kaiser eine machtvolle Unterstützung gegen die Schweden zuzubringen. Auch die über allzu hohe schwedische Forderungen enttäuschten oder gar von ihnen selbst betroffenen Reichsstände standen der Aussöhnung mit dem Kaiser längst nicht mehr so ablehnend gegenüber wie bisher. So sprach die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die von Salvius vorbereitete und mit der königlichen Weisung vom 19./29. September 1646 eingeleitete neue schwedische Politik auf dem Friedenstag in jeder Hinsicht den augenblicklichen politischen Gegebenheiten Rechnung trug. Ein Beharren auf den alten Forderungen barg zu viele Faktoren der Unsicherheit in sich. Das Reskript der Königin bedeutete das Ende der bisherigen Verhandlungstaktik auf der Basis hochgeschraubter Satisfaktions- ansprüche . Es leitete eine neue Epoche einer beweglicheren Verhandlungsführung ein, wie sie auch bei den Franzosen in sehr kurzer Zeit zu einem Vorvertrag mit dem Kaiser geführt hatte. *** Die Art der Textauswahl und die Gestaltung der Regesten, die Datierung, die Wahl der Vorlagen, die in den Vorlagen benutzten Chiffren sowie das Schwedisch des 17. Jahrhunderts erfordern einige Erläuterungen und Hinweise: 1. Der vorliegende Band bringt wie der erste der schwedischen Korrespondenzen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – den Briefwechsel der schwedischen Vertreter in Osnabrück und Münster untereinander, Berichte an die Königin und den Reichs- kanzler sowie Weisungen der letztgenannten an die Friedensgesandten. Die Vorlagen werden grundsätzlich ungekürzt und wörtlich abgedruckt. Nur rein referierende Darstellungen von Tatsachen und Sachverhalten, die nicht von der Betrachtungsweise des Ausstellers gefärbt sind, werden regestenartig verkürzt. Auch Privatsachen sind gekürzt oder in Stichworten wiedergegeben. Die Kopfregesten dienen der schnellen Information über den Inhalt des Schriftstücks und sind so kurz wie möglich gehalten. Bei den als Beilagen überlieferten Verhandlungsunterlagen ist, soweit es möglich war, der Druckort bei J. G. V. Meiern angegeben. Unerwähnt bleiben Anrede und Titulatur

Die gebräuchlichen Anreden und Titel vgl. in der Zusammenstellung in APW, [ C II 1 S. XXX Anm. 5. ]
, Grußformel und Unterschrift. Bei den Stücken aus der Riksregistratur fallen außerdem die Kanzleiregesten und die daneben- stehenden Initialen des verantwortlichen Sekretärs Andreas Gyldenklou weg.

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2. Das Datum im Briefkopf und an allen anderen Stellen innerhalb der Texte erscheint im alten und im neuen Stil. Nur die wenigen Schreiben der französischen Gesandten sind allein mit dem Datum neuen Stils versehen. Nicht ergänzt wurde das nur in einem Stil angegebene Datum in Avisen und einigen Beilagen, wenn nicht fest stand, um welchen Stil es sich handelte.
Das Ankunftsdatum wird aus dem Präsentationsvermerk der jeweiligen Kanzlei ent- nommen oder aus dem Antwortschreiben in eckigen Klammern ergänzt. 3. Als Vorlage für den Druck werden nach Möglichkeit die Ausfertigungen und sonst zeitgenössische Kopien benutzt. Konzepten wird der Vorzug vor Kopien gegeben

Vgl. dazu im einzelnen APW, [ C II 1 S. XXXf. ]
.
4. Einige wichtige Stellen in den Gesandtschaftsberichten wurden verschlüsselt. Alle verschlüsselten Stellen sind nach Eingang der Briefe aufgelöst worden

Vgl. dazu APW, [ II C 1 S. XXXIf. ]
.
5. Zum Verständnis der sprachlichen Eigenart des Schwedischen im 17. Jahrhundert sei auf die Arbeit von E. Helquist verwiesen. 6. Die Numerierung der Stücke besteht aus der halbfett gedruckten laufenden Nummer, und vor diesen der Nummer des Schreibens, das beantwortet wird – auch wenn es im ersten Bande steht –, dahinter der Nummer oder den Nummern des Schreibens oder der Schreiben, die auf das Schreiben antworten – auch wenn sie im folgenden Band enthalten sind. *** Es ist mir unmöglich, alle diejenigen zu nennen, die durch Auskünfte geholfen haben, die in den Anmerkungen enthaltenen Erläuterungen zu gestalten. Besonders zu Dank verpflichtet bin ich den Herren des Stockholmer Riksarkivet und meinen Kollegen an zahllosen Archiven zwischen Warschau und Lissabon, Stockholm und Venedig. Herrn Prof. Dr. K. Repgen und Herrn Dr. G. Lorenz danke ich für Ratschläge und bereitwillige Hilfeleistung. Schließlich möchte ich auch meiner lieben Frau für ihre Hilfe beim Schreiben, Kollationieren und bei der Anfertigung des Registers danken. Wilhelm Kohl

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