Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
66. 49. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Juni 17 8 Uhr
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Osnabrück 1646 Juni 17 8 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 124–127 = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol. 186–
189; Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“Bd. IV fol. 222–225; vgl. ferner Bremen
2 – X. 8. m.; MEA FrA , RK ) Fasz. 8 (Conclusum).
Schreiben der münsterischen Stände an den Kaiser zu Sicherheit und Unterhalt des Reichskammer-
gerichts : Neutralität, Judencapitation, Rückstände bei Beiträgen.
Anwesend: Straßburg, Frankfurt, Bremen auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg, Memmingen
und Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Directorium referirt, es habe der Churmainzische herr Dr. Krebs ihme
gestern durch einen cancellisten andeuten laßen, daß zu Münster ein schrei-
ben an Ihre Kayserliche Majestet von chur-, fürsten und ständen daselbst,
der herrn cameralium zu Speyer securitet und salarirung betreffend, abgefaßt
worden seye, davon ihme zugleich eine abschrifft überliefert. Weiln man nun
gerne sehen möchte, daß auch diß orts die stände daßelbe in consultationem
zögen, als seye dieser rathgang zu dem ende angestellt und daneben gebetten
worden, nach vollender session das conclusum ihme, dem Churmainzischen
reichsdirectorio, hinterbringen zu laßen. Ward darauf daselbe schreiben von
dem directore verlesen und bestunde kürzlich darauf, daß Ihrer Majestet in
1. die neutralitet, in 2. aber die Judencapitation, doch mit dem beding ein-
gerahten werden sollte, daß es nur ein für allemal geschehen und den inter-
essirten ständen ohne praejudiz an ihren hergebrachten privilegien und
regalien sein solle, neben dem ordinario modo contribuendi, daß diejenige
stände, so noch bey vermögen sein, zu abtragung ihrer quoten durch Ihre
Majestet beweglich erinnert werden sollen.
Frankfurt. Sie erinnerten sich gar wohl, was neulicher zeit dieser beeden
puncten halben vorkommen, hetten auch aus der communication ersehen,
wohin es ratione primi gestellt worden, weren nicht gemeint, von dem
communi concluso in hoc puncto sich zu separiren. Was aber punctum
capitationis antreffe, seye damals ex parte der stätt nicht ein votum dahin
gegangen, wißen also nicht, ob das conclusum zu Münster in beyden
collegiis also außgefallen sein möchte
Vgl. S R Münster vom 23. Mai 12. Juni 1646 ( Nürnberg 17 fol. 84–86’ ) sowie die im FR
Münster verfaßte meinung des österreichischen Direktoriums ( Nürnberg 16 fol. 204–204’,
Druck Meiern III S. 532 ). Städtische und fürstliche Meinung differieren nur geringfügig.
dieser punctus iezo wiederumb urgirt werde. Wann man die acta aufschlagen
werde, werde sich befinden, daß es in camera mehr gesucht, aber niemals
erhalten worden seye, dann die Juden ein special privilegium haben, daß sie
auf keinerley weiß noch weg extraordinarie collectirt werden sollen. Deß
wegen auch in anno 1511 ein absolutori urtheil für sie daselbst ergangen.
Ingleichen habe der Kayser anno 1522 nicht zugeben wollen, daß die Juden
extraordinarie collectirt, sondern dahin gesehen werden solle, wie sie zum
christlichen glauben bekehrt oder gar auß dem reich geschafft werden möch
ten
ihre herrn principalen sich erbotten. Klagten sonsten über die große Un-
gleichheit , die mit unterlaufe, sie haben iederzeit die camerales bezahlt und
sollen noch darzu ihre hintersaßen collectiren laßen und ersezen, was andere
noch rukständig seind, finden nicht, daß es der justiz gemäs oder einem
stand, wann er das seinige geleistet, etwas darwieder zuzumuthen seye.
Sollten andere stände, so Juden hinter ihnen haben, noch etwas hinderstellig
sein, könnten sie wohl geschehen laßen, daß bey den selbigen die capitatio
angestellt und vorgenommen werde. Repetiren ihr voriges votum in hoc
puncto und bitten vor praejudiz.
Regensburg. Er erinnere sich, was auf nächstgehaltenem reichtag zu Regens-
purg , dem deputationstag zu Frankfurt und dann hier bereits der herrn
cameralium wegen vorkommen, man verfahre hierinnen nicht der ordnung
gemäß, seye beedes dem fürstlichen und stättischen collegio ein groses prae-
judiz dadurch zugezogen und gleichsam mit derselben exclusion verfahren
worden, da man zuvor hette re- und correferiren sollen, seye ein großer
defect, welcher vielleicht zu anden. Könne sich in primo wol damit ver-
gleichen , daß man auf den frieden nicht warte, noch in deßen die leuth
desperat werden laße, sondern mit der neutralitet verholfen seye. Laße es
also bey dem bewenden, was vormals geschloßen worden. Ad 2. Es seye der
erbaren frey- und reichsstätte gutachten auff verschiedenen reichstägen
dahin gangen, daß wegen der restanten sowohl höhere ständ als die stätt
durch fiscalische process, zu entrichtung ihrer quoten und contingenten
vermögt und angetrieben werden sollten; wann das geschehe, würden
dadurch die verfallene und künfftige salaria bezahlet werden können. Liese
es also bey bereits geschlossenem verbleiben und könnte bey der re- und
correlation angedeutet werden, daß es sich nicht thun laße, einen stand zu
beschweren, daß er des andern onera trage; daß mans denen seinigen nehme
und dem tertio gebe, seye eine große ungleichheit und gehe andern an ihrer
contribution soviel ab. Bleibe also nochmaln sowohl bey dem zu Regens-
purg als hier gemachten schluß. Ihre Majestet werden nicht zugeben, daß die
Judencapitatio vorgenommen werde. Stellt zum nachdenken, ob nicht vom
reichspfennigmeister eine specification der restanten zu begehren seye,
damit man sehe, an wem die mora haffte; könnte alsdann beßer geholfen
werden, wiße wohl, die stätte werden nicht viel restiren.
Die herrn Franckfurtische erinnern incidenter, daß Bayern 11 000 reichs-
thaler zu unterhaltung der cammer schuldig seye, Mainz zahle alle meß seine
halbe quotam, sagend, er habe seine land und leuth nicht alle, könne also
nicht ganz bezahlen, solang biß ihme Gott dieselbe wiedergebe.
Bremen. Was den 1. diß im reichsstättischen collegio über beede puncten
consultirt, für rationes deßwegen ins mittel gebracht und darauff concludirt
worden, seye noch in gutem gedächtnus und ohne noht, solches zu wieder-
holen ; bleibe derowegen bey seinem damalen in beeden puncten abgelegtem
voto.
Nürnberg. Were gut, wann man dem stylo, wie gebräuchlich, nachgienge,
daß man zusammenkomme und vorhero, ehe ein reichsschluß gemacht
würde, re- und correferirte.
Ad 1. Finde kein zuträglicher mittel, als daß man dahin sehe, wie sowohl der
statt als der cammer die neutralitet erhalten werde. Wann sie selbige nicht
erlangen, wiße er nicht, was zu thun, die translation seye billich zu verhüten,
sonsten der andern statt ruin, wohin man das cammergericht transferiren
möchte, miteingeführet werden dörffte. Den andern puncten betreffend
erinnere er sich, was sonsten wie auch iezo für rationes ins mittel kommen
seyen, finde die capitation nicht so relevant, werde ungleich hergehen, wann
ein stand für den andern zahlen solle. Der restanten halber sollte man nicht
von denen geringern, sondern von denen höhern mit fiscal processen und
arctioribus mandatis anfangen. Wann man in computation brächte, was
bereits erlegt und abgetragen worden, halte er davor, daß die wenige noch
praesentes das ihrige wohl haben könnten, sonsten wanns ans zahlen
komme, treffe es gemeiniglich die stätte, da saume sich der fiscal nicht.
Etliche chur- und fürsten zahlen auch, aber wenig genug, wann man den
cameralibus helffen solle, müßen sie ihr krankheit bekennen und specificiren,
wer geben habe und noch restire, vielleicht weiln der absenten gelter denen
praesentibus accresciren, wollen auch sie in trüben waßern fischen und vor-
theil in dem elend, darinnen Teutschland stekhe, suchen. Laßet es bey bereits
votirtem bewenden, daß man ihnen an hand zu geben hette, weiln die stätte
das ihrige bereits erlegt und beygetragen, daß sie eine specification der
restanten und wie sie das eingangene unter sich vertheilt haben, über
schiken sollten, nach welchem man sehen wolle, wie ihnen fernerer unter-
halt verschafft werden möge.
Memmingen . Er habe ihme gestern eingebildet, es werde umb das cammer-
gericht abermahl zu thun sein, werde seine herrn verdrießen, dann sie wenig
schuldig, weiln sie mit processen genugsam geplagt werden. Conformire
sich also mit dem, was beeder puncten halben ins mittel kommen und in
votis berührt worden seye. Laße ihme auch den paß im schreiben wol
gefallen, da gemeldet wird, daß die jenige, so keines Vermögens seind, mit
processen nicht beschwert werden sollen.
Lindau. Er erinnere sich, was für erhebliche rationes sowol den 1. diß als
auch iezo vor- und ins mittel kommen seyen, man solle nicht davon weichen.
Conformire sich allerdings damit. Verwundere sich, daß man extraordinari
mittel vorschlage, da ordinaria wol zu gebrauchen. Die vermögliche können
sich iniquitate temporis nicht excusiren noch der Schuldigkeit entziehen.
Seine herrn und obere seyen nichts schuldig, die schuld aber denen came-
ralen selbsten zu imputiren, daß sie die höhere ständ nicht wie die geringere
treiben. Wann man eine specification habe, wer bezahlt oder nichts gegeben
habe, werde man sehen können, wie ihnen zu helffen sein werde. Wann die
capitation einmal in den gang käme, dörffte sie immerhin practicirt werden
wollen. Repetirt diß sein votum auch suo loco et ordine für Eßlingen.
Lübeck. Trate indeßen ein und berichtete, daß im fürstenraht per majora
auff die Juden capitation geschloßen worden seye, wiewol Würzburg, Heßen
Caßell, Darmbstatt und die Wetterauische grafen daßelbe widersprochen
und gesagt, es laße sich nicht einem und dem andern das geld auß dem beutel
votiren
FR Osnabrück vom 17. Juni 1646 in Meiern III S. 539 –543; reichsständische Empfehlung der
Judencapitation an den Kaiser ebd. S. 543–545.
keine re- et correlationes vorhergangen, noch gefragt worden, wohin der
schluß in einem und dem andern collegio gangen seye, ob man dann nur pro
forma da size? Man seye hier beysammen, den gravaminibus abzuhelfen und
committire doch eines über das andere. Berichtet dabey, daß man morgen
bey Magdeburg zusammen kommen werde, wiße aber nicht, ob es vielleicht
darumb oder dasjenige zu thun sein werde, was die herrn Chursächsische in
puncto gravaminum aufgesezt und mit übrigen ständen zu communiciren
begehrt haben. Er halte auch davor, daß nöhtig seye, ein memorial bey den
Mainzischen zu übergeben und ihnen den punctum commerciorum mit
Spanien zu recommendiren, damit er wieder in vorigen stand gebracht
werden möge, vermeldend, daß in anno 1607 eine legation von den hansee
stätten in Spanien deßwegen abgefertiget worden seye, dabey sich Straßburg,
Frankfurth, Nürnberg, Ulm und andere mehr befunden. Quod communiter
Worauf auch der Herr Director von den herrn Kayserlichen wiederumb
zurukhgelangt und auf eingenommenen bericht, wohin die majora in puncto
des cammergerichts außgefallen, angedeutet, daß er in eventum das conclu-
sum , weiln es Churmainz in forma begehrt und er ihme, wohin es laufen
möchte, die rechnung vorhero leichtlich machen können, aufgesezt und
denen votis gemäß verfaßt habe, wie es dann auch auff vorgehende ver-
lesung dabey verblieben und folgenden tenors gewesen:
Conclusum. Es halten der erbaren frey- und reichsstätte anwesende rähte,
bottschafften und gesande dafür, daß wegen der dem hochlöblichen Kayser-
lichen cammergericht zu Speyer höchstnöhtigen securitet unerwartet des
außgangs dieser friedenstractaten auf allen fall das werkh fürderlichst dahin
einzurichten sein möchte, daß die guarnison auß gemelder statt gänzlich und
ohne nachtheil abgeführet, die bürgerschafft sowol als die herrn camerales
künfftiger contributionen und einquartirungen befreyet und von allen krie-
genden parteyen für neutral gehalten werde.
Was aber der herrn cameralium unterhalt betreffe, seye man stättischen theils
nach wie vor der meinung, wann zu erhaltung der aequalitet wieder die
saumseligen und restanten dergestalt, wie gegen andere stände biß dahero
geschehen, procedirt und verfahren, vorhero aber die Kayserliche monito-
riales an die säumige in das reich publicirt und abgelaßen, wie nicht weniger,
was bey so schwacher und geringer anzahl der herrn cameralen seithero an
terminen und neglectis eingangen, durch eine von des cammergerichts
pfennigmeistern überschikte rechnung erläutert wurde, daß als dann keines
extraordinari mittels und sonderlich der vorgeschlagenen Juden capitation
nicht vonnöthen sein würde, zumahlen weiln selbige ohne der reichsstände
praejudiz ratione juris collectandi, vornehmlich aber derer, hinter welchen
die Juden geseßen sein, auch nicht einmal geschehen könne, noch von Ihrer
Kayserlichen Majestät als dem reich despectirlich, approbirt und gut ge-
heisen werden wolle.