Acta Pacis Westphalicae II C 3 : Die schwedischen Korrespondenzen, Band 3: 1646 - 1647 / Gottfried Lorenz
179. Snoilski an Johan Oxenstierna Ulm 1647 März 24/April 3
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Ulm 1647 März 24/April 3
Kopie: DG, A I 1 , Legat . [ 6 ] fol. 599–599’, 607 = Beilage G zu Nr. 190.
Exekution des Ulmer Waffenstillstandes. Kaiserliche Haltung zu diesem Vertrag. Waffenstillstand
in der bayrischen Armee umstritten. Militaria.
Gleichwie Ewer Gräffliche Excellentz ich vor 8 tagen gehorsamblich
berichtet, das selbigen tag die völlige endschafft mit ausfertigung und extra-
dirung der instrumenten und zugehörigen schrifften an hiesiger Stillstands-
handlung gemacht werden sollen, also ist es auch beschehen.
Die würckliche execution ist soweit bereits erfolgt, das die stadt Memmin-
gen nunmehr mit Ihrer Königlichen Majestät völckern besetzt, und ist
wegen Überlingen auch nicht zu zweiffeln, alldieweiln der Bayerische com-
mißarius und burgermeister aus selbiger stadt alhie zur stelle gewesen, die
einraumung des ohrts bewilliget und selbsten mit denen trouppen,
so die Bayerischen daselbsten ablösen sollen, hingangen, darvon man zwar
noch keine post zurück hat, die gewiße nachricht aber nunmehr stündlichen
erwartend ist .
Zwey stund nach occupation der stadt Memmingen kam ein schreiben vom
Römischen kayser an selbigen raht, umb diesen handel zu verhindern, wel-
ches aber, wann es auch eher gekommen wehre, doch nichts effec[tui]ren
können, aldieweilen die stad ihre[r] selbst nicht mächtig, sondern sich
disfal[ls] nach dem willen des churfürsten in Bayern bequemen müßen.
Wie sehr paßionirt sonsten die Kayserlichen über diesen tractat sein, ist
hiebevor erwehnt wo[r]den. Und habe ich aus meinem diario alhi[r] gehor-
samblich beyfügen wollen, was vergangenen sontag der doctor Gebhard in
meine [m] logement für discurs geführet hat.
Unter der Bayerischen armee giebt es, wie man vernimbt, auch etwas altera-
tion , und soll dieser handel nicht eben allen officiern gefallen . General
Geléen
Geleen, Gottfried, Huyn Gf. v. G. von Amstenrath: * 1595, † 1657 Maastricht oder Alten-
biesen ; 1644–1645 kaiserlicher Oberbefehlshaber des westfälischen Kreisdefensionsheeres. Vgl.
ADB VIII S. 534 ; APW [ III D 1 S. 94 Anm. 1 ] ; APW [ II A 1 S. 541 Anm. ] ; Riezler S. 616.
landt , darzu er von des herrn feldmarschall Wrangels excellentz einen
paß bekommen. Der churfürst hat bereits eine reformation seiner regimenter
angefangen.
Die schwedische Armee zieht nach Franken.
600–606 Auszug aus Snoilskis Diarium
Vgl. Meiern V S. 321–324.
Unterredung mit dem kaiserlichen Beauftragten Gebhardt; Tenor des Gesprächs: Wunsch des
Kaisers, mit Schweden über einen Separatfrieden oder einen Waffenstillstand zu verhandeln.
Sontags, den 21. Martii [ 21./31. März ], nachmittag besuchte mich der Keyserliche
reichshoffraht Gebhardt
Vgl. Meiern V S. 16f. ; zu Gebhardts Aufgabe vgl. Riezler S. 611, 613.
so er diesen tag vom Kayser bekommen, des inhalts, wann er alhier zu keinen tracta-
ten gelangen könte, das er sich wieder anheimb begeben solte. Urgirte derowegen
eine andword auff ihre iüngst übergebene proposition, daß man ihnen die ehre thun
und eine resolution geben wolte, ob man alle handlung gäntzlich zu abrumpiren
gemeint sey oder ob man wieder zusammen kommen wolle und wie bald man ver-
hoffte , auch welcher ohrten es geschehen könte? Contestirte nochmahls, wie ernst-
lich des Kaysers meinung sey, mit der cron in freundschafft zu kommen, es sey per
modum induciarum oder per modum pacis, mit anziehung der ursachen, so den
Kayser darzu treiben, das er nemblich selbsten noch ein junger herr von 40 jahren
und seine gantze regierung in lauter wiederwertigkeit, unglück und travaillen hette
bis dato führen müßen, verlangte billich nach einem ruhigen regiment. Er habe auch
einen jungen herrn, welchen er bey solcher zerrüttung und unwesen nicht exaltiren
könte, wann er alles auff die spitze und extrema ankommen laßen wolt[e]. Das
Ungerische wesen lege [liege] ihme auf dem halß, und seye auch vor dem Türcken
nicht sicher. Wann nun die cron Schweden einen frieden, wie sie biß dato jactirt,
ernstlich suche, so könte sie anitzo mit der höchsten ehr und reputation darzu gelan-
gen , indeme sie nicht allein ihre satisfaction zu erweiterung ihres estats hette, sondern
auch bey ihren glaubensgenoßen wegen ihres geleisteten beystands auch sonsten
hohe obligation verlangte, das sie das Römische reich beruhigen helffen. Es würde
und könte auch der Kayser anietzo ein ubriges thun, und were deswegen von nie-
manden zu verdencken, nachdeme Bayern ihn dergestald verlaße und also diese
wunde noch frisch sey. Er ließe sich auch soviel gar deutlich vermercken, das die
gravamina der stände so gar schwer nicht zu heben sein möchten, und würde der
Kayser sich bald resolviren, wann er nur dadurch des friedens versichert wehre. Der
Kayser hatte viel jahre hero theils stände wegen anderer leute offendiren müßen, als
unter andern auch die hertzogen von Braunschweig wegen vorenthaltung Wolffen-
büttel . Endlich wehre der Kayser doch von Bayern getrungen worden, das er
selbigen ohrt, das [da] sie ihn am meisten vonnöten gehabt, hette aus handen geben
müßen. Item die restitution des hertzogen von Würtenberg
längst resolvirt. In summa des Kaysers consilia wehren gut und moderata gewesen,
aber iederzeit von andern traversirt worden, welche den Kayser dardurch in solchen
blutigen krieg gesetzet undt ihn anietzo im stich laßen. Daraus könte ia ein jeder
judiciren, wann auch der herr Christus selbsten, ausgenommen seine Gottheit, an
des Kaysers stelle auff erden wehre und keine getrewere churfürsten und stände hette
als dieser Kayser habe, so würde er doch nicht zurecht kommen.
Er fiel auch ferners in discours von des Kaysers gutwilligkeit, auff die materi von
dem achten churfürsten, darvon anietzo auch zu Münster gehandelt würde, das
zwar der Kayser und sein herr vatter ihr lebetag nichts zu thun begehrt, so wieder
die fundamentalgesetze des Römischen reichs lieffe, und wan es auch darzu kommen
solte, das das der achte churfürst gesetzet würde, so könte man zwar aus gleichem
fundament statuiren, das die Türcken auch im religionfrieden mitbegriffen sein
sollen, nichtsdestoweniger aber vernehme er, das der Kayser auf gutfinden des
reichs sich darzu persuediren laßen.
Nun habe ich ihme dargegen mit wenigem regerirt, das man von dergleichen materi
und handlung eines friedens an diesem ohrt nichts fruchtbarliches reden oder han-
deln könte, aldieweiln der herr feldmarschall keine commission darzu hette, auch
zu zweiffeln, ob er eine bekommen würde; und das ich darfür hielte, wann die Keyser-
lichen zu Oßnabrück mit denen unserigen auff solche weiß, als wie er alhier thete,
sprechen würden, das es von seiten der cron daselbsten nicht ermangeln würde.
Hat er darauff gesagt: Fiat, es wehre gleich gut, wo es geschehe; zu Oßnabrück aber
wehre es soviel schwerer, weilen allezeit, wann der Kayser in favor der cron Schwe-
den und der protestirenden etwas statuiren wolle, so schreyen die Frantzosen und
catholischen dargegen. Er hielte darvor, man solte denen tractaten daselbsten ihren
lauff laßen, wünschte aber darbey, das man in geheimb und unter der hand sich mit
dem Kayser in handlung einlaßen wolte oder das iemand (auf meine persohn zielend)
mit ihme zu dem Kayser selbsten einen ritt thun und selbigem eröffnen möchte,
worauff die cron endlich mit dem Kayser schließen und selbiges ungeachtet ein oder
des andern contradiction exequiren helffen wolte, so würde es alles bald gethan sein.
Des Kaysers nahm und authoritet im reich wehre noch wohl so gut als einem m/50
man imfeld. Daß hi〈n〉gegen aber der Kayser sich zu Oßnabrück eines nach dem andern
auslaßen und doch nicht versichert sein solte, ob er den frieden dardurch erhalte,
das könte nicht wohl angehen. Er hoffte auch, es würden in der cron Schweden viri
sapientes sein, welche die unbeständigkeit des glücks im krieg consideriren und des-
wegen rahten würden, das man diese gewünschte occasiones zu ihrer hohen reputation,
ehr und nutzen reichend nicht ausschlagen solten. Der Kayser an seinem ohrt hette vor
diesem auch mit beßeren conditionen fried machen können. Er, Gebhard, und andere
mehr hetten auch trewlichst darzu gerahten und allezeit gesagt, man würde das
werck so lange auffziehen, bis Franckreich und Bayern sein parthey recht machen
könne, welches nun geschehen sey. Man wüste nicht, was noch für revolutiones sich
ereygen möchten. Einmahl solte man daran nicht zweiffeln, das Italia, Franckreich
und Bayern mit denen catholischen ein werck gegen die Schweden und die pro-
testirende vor hette, und wann man warten wolle, bis es gantz ausbreche, dörffte es
zu spat werden.
Er gedachte ferners, das vielleicht unserseits das größeste bedencken darin bestehen
möchte, das man Franckreich keine jalousie hierunder geben wolte und ohne selbige
cron sich in nichts einlaßen dorffte, welches aber seines ermeßens gantz nicht zu
achten wehre, nachdem Franckreich selbsten bekenne, das sie mit dem Kayser ver-
glichen und nunmehr nur ein pars assistens sey. Weil nun die cron Schweden auch
für sich contentirt und im übrigen in den gravaminibus für ihre glaubensgenoßen
mit dem Kayser sich bald vergleichen kan, so würde ja Franckreich solches nicht
übel aufnehmen können. Die cron Schweden würde hoffentlich auch so hoch an
Franckreich nicht gebunden sein, wann die causa belli dergestald auffgehoben wehre,
alleine wegen Franckreich in stetigem krieg zu bleiben.
Von diesem Churbayerischen armistitio giengen seine discourse dahin, wann Bayern
vermeine dardurch in ruhe zu sitzen, so werde er sich gewaltig betrogen befinden,
und wann Bayern nicht resolvire, mit dem Kayser gantz zu brechen, so könne er bey
diesem armistitio nicht lange stehen. Er hette dignitet und lande durch schwerd,
bogen und pfeile gewonnen und vermeinte es nun durch papier zu mainteniren, das
wehre eine unsichere sache. Es würde vielleicht eine weile so hingehen, aber in die
länge würde er es woll empfinden und innen [inne] werden, über wehn es ausgehen
werde. Erinnert sich dabei des churfürsten von Sachsen. bey dem er, Gebhard, ein-
mahl bey den wehrenden Pragerischen tractaten zur mahlzeit gewesen, so hette
selbiger churfürst, indeme sie von ihrer handlung discurrirt, eine weite höltzerne
bierkanne mit silbern reyffen beschlagen, daraus er ordinari das Zschopische bier
drinckt, vor sich gehabt, und, als er den deckel auffgethan, gesprochen: Wann ich nun
gleich ein par augen hette so groß als diese bierkanne, so sehe ich doch nicht, wie ich
ungeschoren aus diesem handel komme, und alludirte also auff den churfürsten in
Bayern, rühmete zwar seine großen verstand, er wehre aber sehr timidus, hette sich
für dem brand in seinem land gefürchtet und hette darüber solche feste plätze aus
händen gegeben, die da bataillen kosteten, ehe man es gewinnen könne.
Er fragte auch, ob man nicht etwas von unsern articuln könte zu sehen kriegen,
worauff ich geandworttet, das man zwar kein bedencken hette, solches zu communi-
ceren , es hetten aber die Beyerischen begehrt, solange daßselbige daßelbige nicht zu
publiciren, bis ihr churfürst selbige, welches ehistes geschehen werde, nebenst seinem
manifest in druck ausgehen laßen, worauff er hinwiederumb gesagt, das er dem Kay-
ser mit denen wortten geschrieben, Ihre Kayserliche Majestät würden diesen tractat
ehe aus dem buchladen als aus der Bayerischen cantzley bekommen. Fragte ferners
sonderlich, ob es wegen des landes ob der Ens etwas darinnen gedacht sey, das man
dem churfürsten auff den fall, das er die Pfaltz abtreten müste, darzu verhelffen
wolle? Alß ich nun gesagt, das hiervon kein wortt gedacht wehre, hat er es fast nicht
glauben wollen und darbey, als ich es gewiß bestettigt, gemelt, das der Kayser bald
lieber der cron Schweden von selbigem lande etwas als Bayern gönnen solte.
Als man wieder auff den discours von einem armistitio kommen und ich mich aus-
drücklich vernehmen laßen, das es meines wenigen erachtens schwerlich darzu
werde kommen und der herr feldmarschall vor fernerer erlangender ordre von
Ihrer Königlichen Majestät aus Schweden etc. sich nichts würden disfals resolviren
können, hat er gleichwol allezeit dargegen eingewendet, weil der herr feldmarschall
mit Bayern ein armistitium gemacht, sonder zweiffel darumb, weilen er einen vortheil
darbey gewonnen, so könte er ja eben so guten vortheil vom Kayser als von Bayern
haben und hette deswegen, wann er etwas gewinnen könne, keiner fernern ordre
zu erwartten. Er hette sich ja schon erbotten, das ein jeder theil so lange behalten
soll, was er habe, da dann die cron Schweden von dem Bodensee an bis an das mare
Balticum die quartier hette. Und were es noch etwa umb ein par öhrter zu thun, müste
man auch darumb handeln.
Alß ich nun erwehnt, das ich wohl glaubte, der Kayser solte einige stätte, so er hier
oben im reich hat, als Lindow, Regenspurg und etwa auch Egger in Böheimb,
abtretten, wann er dadurch auff einen monaht oder 3 zeit gewinnen könte, hat er es
so gar groß nicht difficultirt, sondern nur gesagt, das weren gar zu harte conditiones;
die reichsstätte anlangend, so wolte er rathen, das der Kayser sein volck daraus ziehe
und selbige neutral blieben. Dem Kayser wehre es auch nicht umb die zeit zu gewin-
nen zu thun, de tempore war seine meinung, ob es zwar wieder die natur eines
armistitii sey, den termin bis uff erfolgenden frieden zu setzen, gestalten [gestalt
denn] solches kein stillstand, sondern der friede selbsten wehre, gleicherweise als
der religionsfrieden auch bis auff einen christlichen vergleich (welcher nimmer-
mehr geschicht) gemacht worden, nichtsdestoweniger so würde es sich der Kayser
doch auch gefallen laßen. Wolte man aber eine determinirte zeit, lang oder kurtz,
benennen, wehre es ihme auch gleich viel, weilen des Kaysers intention darbey nicht
anderst sey, als das es geschehe in ordine ad pacem und nicht ad bellum.
Er wu[ßt]e auch eines brieffs zu reden, den der von Rosenberg solte geschrieben
haben, der ausgekommen sein soll. Er hette ihm deswegen zugesprochen, das dem
Kayser solches nicht gefallen würde, betewerte es hoch, das Gott ein zeichen an
ihm thun solte, wan des Kaysers intention dahin gienge.
Weiters gedachte er auch, das der Kayser dem churfürsten in Bayern wegen über-
gebung der reichsstätte zugeschrieben mit denen formalien: Er wüste wohl, weme
er selbige stätte anbetrawet hette.