Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab

b) Die Reichsstädte auf dem Westfälischen Friedenskongreß

Schon relativ früh, lange bevor der Kaiser sich zur offiziellen Einladung an alle Reichs-stände entschließen konnte, die er am 29. August 1645 endlich aussprach, trafen die ersten Abgesandten von Städten in Osnabrück ein. Es waren dies zunächst die Hanse-städte Bremen, Hamburg und Lübeck im Januar 1645, sodann die Vertreter der aus-schreibenden Städte

Die vier ausschreibenden Städte (Straßburg, Nürnberg, Frankfurt, Ulm) besorgten „zuweilen die Angelegenheiten, Geschäfte oder Vorstellungen aller übrigen oder einiger derselben unter ihnen“ und konnten Städtetage einberufen (D. Hünlein S. 204).
Frankfurt (3. Februar), Nürnberg (6./16. März), Straßburg (31. März), Ulm (Anfang April), bald darauf auch Kolmar (August), ohne daß sie für ihre Anwesenheit eine rechtliche Handhabe besessen hätten. Auch die Legitimation für die Entsendung des ulmischen und nürnbergischen Vertreters als Deputierten des schwäbischen und fränkischen Kreises war problematisch. Die übrigen Städte ent-sandten ihre Vertreter erst Ende 1645 oder Anfang 1646, also kurz vor dem offi-ziellen Beginn der Beratungen, so daß eine städtische Teilkurie in Münster erst im Ja-nuar 1646 zu Beratungen zusammentreten konnte, nachdem die Vorentscheidungen über das Beratungsverfahren der beiden städtischen Kurien Münster und Osnabrück von den in Osnabrück anwesenden Städtevertretern getroffen worden waren

Vgl. zur Haltung der Reichsstädte bei der Admissionsfrage G. Buchstab S. 56–63.
.
Fast alle Reichsstädte sind auf dem Westfälischen Friedenskongreß irgendwie vertreten gewesen

Außer Mühlhausen/Thüringen. Die Vertretung für Wimpfen war nicht eindeutig zu klären. Möglich ist, daß Dr. Valentin Heider, der Gesandte Lindaus, auch Wimpfen vertrat ( APW [III D 1 S. 357] ); eine Vollmacht weist er dafür im Städterat allerdings nicht aus. – Das durch die kriegerischen Ereignisse schwer getroffene Wimpfen machte ohne Einschaltung eines besonderen Ge-sandten ab und zu durch Hilfsersuchen und Eingaben an den Städterat von sich reden. – Die Hansestadt Hamburg kann nicht zu den Reichsstädten und ihren Vertretern gezählt werden, da sie erst 1769 die Reichsstandschaft erhielt und auf dem WFK auch nicht an den Beratungen der Städtekurie teilnahm. Zum Kongreß war Dr. Johann Meurer deputiert.
. Aber nur 17 Reichsstädte hatten eigene Gesandte geschickt, und auch von diesen war die Mehrzahl nicht während der gesamten Kongreßdauer bei den Verhand-lungen direkt beteiligt.

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Als sich abzeichnete, daß der Kongreß nicht zu einem schnellen Abschluß der Bera-tungen kommen würde, zogen einige der weniger vermögenden Städte im Verlauf des Jahres 1646 ihre eigenen Gesandten ab und beauftragten die Verbleibenden mit der Wahrnehmung ihrer Interessen, da dies für sie wesentlich weniger kostspielig war

Die Finanzierung des Kongresses wird derzeit von Franz Bosbach untersucht.
. Wenn sie sich später durch eigene Präsenz einen Ausweg aus Schwierigkeiten, in denen sie steckten, versprachen, konnten sie kurzfristig wieder einen eigenen Vertreter zu den Verhandlungen entsenden

So etwa Dortmund und Herford, die zudem in nicht allzu großer Entfernung der Kongreßorte lagen.
.
Ein Überblick über die städtischen Vertreter ergibt:
Anwesend Gesandte Vertretung für
Aachen

Ständig in Münster. Nur bei diesen Städten läßt sich eine eindeutige Festlegung auf Münster treffen; die meisten übrigen waren in der Regel in Osnabrück akkreditiert, hielten sich zeitweise aber auch in Münster auf (zum Problem der Vertretung an beiden Kongreßorten vgl. G. Buch-stab S. 97).
Berchem, Joachim Twist, Rudolf
Augsburg

Ständig in Münster. Nur bei diesen Städten läßt sich eine eindeutige Festlegung auf Münster treffen; die meisten übrigen waren in der Regel in Osnabrück akkreditiert, hielten sich zeitweise aber auch in Münster auf (zum Problem der Vertretung an beiden Kongreßorten vgl. G. Buch-stab S. 97).
Leuxelring, Dr. Johann Biberach, Buchau, Buchhorn, Dinkels-bühl, Gengenbach, Kaufbeuren, Offen-burg, Pfullendorf, Ravensburg, Rott-weil, Schwäbisch Gmünd, Überlingen, Wangen, Weil der Stadt, Zell am Har-mersbach
Besançon

Ständig in Münster. Nur bei diesen Städten läßt sich eine eindeutige Festlegung auf Münster treffen; die meisten übrigen waren in der Regel in Osnabrück akkreditiert, hielten sich zeitweise aber auch in Münster auf (zum Problem der Vertretung an beiden Kongreßorten vgl. G. Buch-stab S. 97).
Lisola, Dr. Franz Paul von
Bremen Koch, Dr. Gerhard Linen, Liborius von Wachmann, Dr. Johann
Dortmund Kumpsthoff, Georg
Eßlingen Wagner, Georg Heilbronn, Nördlingen, Reutlingen, Schwäbisch Hall (Weißenburg/N

Zeitweise Vertretung.
)
Frankfurt Stenglin, Dr. Zacharias, Zum Jungen, Johann Maximilian Friedberg, Gelnhausen, Wetzlar, Worms
Herford Fürstenau, Anton Steinmeier, Albert
Köln

Ständig in Münster. Nur bei diesen Städten läßt sich eine eindeutige Festlegung auf Münster treffen; die meisten übrigen waren in der Regel in Osnabrück akkreditiert, hielten sich zeitweise aber auch in Münster auf (zum Problem der Vertretung an beiden Kongreßorten vgl. G. Buch-stab S. 97).
Lyskirchen, Constantin von Meinzertzhagen, Dr. Gerwin Halveren, Dr. Hermann

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Kolmar
Schneider, Johann Balthasar Hagenau, Kaisersberg, Münster im St. Gregorienthal, Oberehnheim, Rosheim, Schlettstadt, Türkheim
Lindau Heider, Dr. Valentin Kempten (Eßlingen, Nördlingen, Weißenburg/N

Zeitweise Vertretung.
)
Lübeck Gloxin, Dr. David Goslar, Nordhausen
Memmingen Schoerer, Dr. Johann Christoph Isny, Leutkirch
Nürnberg Kreß von Kressenstein, Jobst Christoph Oelhafen, Dr. Tobias Rothenburg, Schweinfurt, Windsheim (Weißenburg/N

Zeitweise Vertretung.
)
Regensburg Wolff von Todenwarth, Dr. Johann Jakob
Straßburg Otto, Dr. Markus Landau, Speyer, Weißenburg/Elsaß
Ulm Otto, Dr. Sebastian Aalen, Bopfingen, Giengen
Vordergründig muß aufgrund der Kumulation von Vertretungen dem in Münster resi-dierenden augsburgischen Gesandten Leuxelring die größte Bedeutung unter den städti-schen Vertretern zugemessen werden, konnte er doch mit der großen Zahl seiner Stim-men praktisch jeden Beschluß im Städterat nach seinem Ermessen beeinflussen oder konterkarieren. Tatsächlich versuchte er auch das Gewicht seiner sechzehn Stimmen voll in die Waagschale zu werfen, vor allem bei den besonders strittigen konfessionellen Fragen, geriet aber sofort und nachhaltig in Konflikt mit seinen protestantischen Kollegen, die seine Vollmachten für die konfessionell gemischten Städte

Augsburg, Dinkelsbühl, Kaufbeuren, Ravensburg.
in Zweifel zogen und mit eigenen Mandaten für ihre evangelischen Glaubensbrüder in den betrof-fenen Städten aufwarteten. Insofern war die Stellung Leuxelrings nicht so stark, wie es zunächst den Anschein hat. Reibereien mit ihm gab es, da er in Osnabrück nur selten anwesend war, vor allem in Münster und besonders bei Deputationen der osnabrücki-schen Teilkurie (März 1646) oder bei den gemeinsamen Beratungen beider Räte im Juni/Juli 1646.
An Bedeutung gewichtiger waren kraft Amtes die beiden Direktorien. Es waren für die münsterische Teilkurie Köln, für die osnabrückische Straßburg. Allerdings scheint in der ersten Hälfte des Jahres 1646, als Köln durch Constantin von Lyskirchen und Dr. Meinertzhagen vertreten war, das münsterische Städteratsdirektorium seine Mög-lichkeiten nicht so genutzt zu haben, wie dies seiner Stellung entsprochen hätte

Einige Beispiele dafür führen die Vertreter Lübecks und Bremens an, die zur Abstimmung be-stimmter Fragen nach Münster deputiert waren (vgl. [Nr. 36 S. 124–129] , insbes. [127] ; vgl. auch [Nr. 41] ).
. Nicht zu unterschätzen war neben den Direktoren vor allem aber die Bedeutung jener Ge-sandter, die sowohl für den Fürstenrat als auch für den Städterat Mandate innehatten. So beeinflußte der lübeckische Gesandte Dr. David Gloxin, der im Fürstenrat Sach-sen-Lauenburg vertrat, durch seine besseren Informationen maßgeblich die Beratungen

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der städtischen Kurie in Osnabrück. Aber auch andere Städtegesandten vertraten zu-gleich Reichsfürsten: Leuxelring die Abteien Kempten und Lindau sowie die Schwäbi-schen Grafen, Halveren die Bistümer Brixen und Trient, Gloxin Sachsen-Lauenburg, Oelhafen die Fränkischen Grafen, Markus Otto den Rheingrafen Johann Kasimir, Stenglin Öttingen und Wolff von Todenwarth schließlich Hessen-Darmstadt . Es gab also eine enge personelle Verflechtung zwischen Fürstenrat und Städterat. Dies war neben dem Zusammenwirken in den konfessionellen Corpora mit ein Grund dafür, daß trotz aller schlechten inclination der Fürsten gegen die Städte

Vgl. dazu G. Buchstab S. 121–127.
eine relativ enge Kooperation zwischen den beiden unteren Kurien zustande kam.
Die Auseinandersetzung mit und um den augsburgischen Gesandten Leuxelring wirft ein symptomatisches Licht auf die innere Zerrissenheit und die damit verbundene poli-tische Schwäche der städtischen Vertretungen auf Reichstagen seit Beginn der konfes-sionellen Spaltung im Reich. Selbst in jenen Bereichen, die zunächst nicht mit konfes-sionellen Problemen befrachtet schienen, offenbart sich diese Problematik. Als Beispiel dafür sei die Erstellung eines gemeinsamen städtischen Bedenkens zum Handel er-wähnt, dessen Auslieferung sich aufgrund konfessioneller Streitigkeiten erheblich verzö-gerte und von den in Münster tagenden katholischen Städten nur mit einer Zusatz-erklärung versehen Anfang März 1646 der Öffentlichkeit übergeben wurde

Vgl. unten [Nr. 36 S. 125] .
. Aber trotz dieser Schwierigkeiten entwickelten die Städte auf diesem ihrem ureigensten Ge-biet, der Wirtschaftspolitik, die wichtigsten Impulse bei den Verhandlungen auf dem Kongreß. Nicht nur die kaiserlichen Gesandten, auch die übrigen Vertreter der Reichs-stände wollten die anstehenden Wirtschaftsfragen nicht ohne städtische Vorschläge diskutieren. Es zeigt sich bei der verzögerten Auslieferung dieses Bedenkens aber auch, daß die Fürsten nicht gewillt waren, sich dem langsamen Tempo der Beratungen der Städte zu unterwerfen: Ihre Drohung, dem Kongreß eigene Vorstellungen zu unter-breiten und keine Rücksicht auf die Städte nehmen zu wollen, veranlaßte diese schließ-lich zu beschleunigter Beratung und Verabschiedung eines handelspolitischen Pro-gramms.
Noch in einer anderen Frage erlangten die städtischen Vertreter eine ähnliche Be-deutung, als es um die Beratungen der schwedischen Armeesatisfaktion ging, die ohne Beteiligung der kapitalstarken Kommunen nicht beschlossen werden konnte. Dagegen gingen in allen anderen Fragen von übergeordnetem Rang entscheidende Impulse von den Städten in Osnabrück nicht aus: Vielmehr achteten sie in der Regel sorgsam darauf, sich eng mit dem Fürstenrat Osnabrück abzustimmen, um ihr Mitspracherecht, ihr vermeintliches votum decisivum nicht unnötigen Belastungen und Diskussionen aus-zusetzen. Eine sorgfältige und teilweise nahtlose Abstimmung mit dem Fürstenrat war insofern nicht schwierig, als – wie erwähnt – einige der Gesandten von bedeutenderen Städten wie etwa der Lübecker Gloxin, der Nürnberger Oelhafen, der Regensburger Wolff, der Augsburger Leuxelring oder der Kölner Halveren auch im Fürstenrat

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saßen und die dortigen Beratungsergebnisse und Informationen in die Verhandlungen der städtischen Kurie einbrachten.
Sehr intensive und durchaus kontroverse Auseinandersetzungen mit dem Fürstenrat gab es hingegen in der Frage, ob den Reichsrittern die Präzedenz vor den Reichsstädten zu-stehe. Dieser Präzedenzstreit war von der Reichsritterschaft begonnen worden. Sie wurde darin von den meisten fürstlichen Gesandten unterstützt. Die städtischen Ge-sandten vermuteten dahinter den Versuch, auf diesem Wege die reichsrechtliche Position des niederen Reichsadels aufzubessern und die Reichsstandschaft zu erlangen. Da die Städte im sozialen Gefüge des Reichs einen minderen Rang als die adligen Ritter einnahmen, durch ihre Reichsstandschaft aber als privilegierte Korporation anzusehen waren, barg diese Präzedenzfrage die Gefahr eines Zurückdrängens der Städte in sich. Daher pochten sie energisch auf ihr Vorrecht als Reichsstände. In dieser erregt ge-führten Auseinandersetzung brachten sie sehr deutlich ihr Selbstverständnis und ihre politische Vorstellungswelt zum Ausdruck

Zur politischen Vorstellungswelt der Städte im 17. Jh. vgl. H. Schmidt. Zum Präzedenzstreit G. Buchstab S. 98–108.
.
Ähnliche Erregung herrschte nur noch einmal, als der Kf. von Brandenburg Ende August 1647 mit der Einnahme Herfords durch seine Truppen den Versuch unter-nahm, noch während des Krieges die Stadt, die wenige Jahre zuvor die Anerkennung ihrer Reichsunmittelbarkeit erlangt hatte, wieder unter seine Botmäßigkeit zu zwin-gen. Zwar gelang es den Städten auf dem Kongreß, den brandenburgischen Einfluß wieder zurückzudämmen, doch schon wenige Jahre nach Abschluß der Verhandlungen war das Schicksal Herfords besiegelt. Vergleichbar gering dagegen war die Aufregung um die Abtretung der elsäßischen Dekapolis an Frankreich. Kein Interesse und auch keinerlei Unterstützung fanden in der Städtekurie dagegen Wünsche einiger Kommunen nach Reichsunmittelbarkeit und Reichsstandschaft, wie etwa Eger, Erfurt, Magdeburg, Minden, Münster, Osnabrück, Rostock, Stralsund, aber auch Hamburg, die sich in einer reichsrechtlich nicht eindeutigen Position befanden. Ihr Bestreben, diese Unsicherheit zu beseitigen und die Gunst der Stunde für eine Aufwer-tung ihrer Lage zu nutzen, fand in der Städtekurie keine Resonanz: Mit keinem Wort werden diese Bestrebungen von den als Reichsstädten anerkannten Kommunen in ihren Sitzungen unterstützt. Dies ist nicht zu erklären mit dem meist starren Festhalten an den von Kurmainz vorgegebenen Beratungsthemen

Abweichendes Verhalten und prompt folgende Auseinandersetzungen mit Kurmainz z. B. Nr. 26 S. 90, Nr. 37 S. 132, Nr. 51 S. 202 (vgl. G. Buchstab S. 116–121).
; es beruht vielmehr auf dem politisch ängstlichen Bewahren des Erreichten, das nicht durch weitere Forderungen in Frage gestellt werden sollte, vor allem auch auf der Rücksichtnahme auf die Fürsten, die in jeder der nach Reichsunmittelbarkeit strebenden Städte eigene Rechte geltend machten. Die Rücksichten, die jede einzelne Reichsstadt auf die sie umgebenden Territorial-fürstentümer zu nehmen hatte, die ja z. T. sogar Herrschaftsrechte innerhalb ihrer Mauern besaßen

Paradigmatisch dafür Regensburg, wo Bischof und Herzog von Bayern mehr Rechte besaßen als die Stadt selbst (vgl. K. S. Bader, Regensburg und das Reich).
, zwangen diese auf dem Kongreß zu weitgehender Zurückhaltung in

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allen Fragen, die die Fürsten tangierten, und besonders natürlich auf jenen Gebieten, die dem unmittelbaren fürstlichen Einflußbereich unterlagen.
Bei vordergründiger Betrachtung offenbaren die Protokolle der städtischen Teilkurie Osnabrück aufgrund dieser Vorbedingungen zunächst nur die untergeordnete Stellung der Reichsstädte im Gefüge des Alten Reiches; ihr Aussagegewicht erscheint insofern eher gering. Betrachtet man sie aber unter dem Aspekt der Verfassungsgeschichte, unter besonderer Berücksichtigung ständegeschichtlicher Fragestellungen, und abstrahiert von den zahllosen Einzelheiten und Quisquilien, die im Stil der Zeit ausgebreitet und diskutiert werden, so erscheint ihr Quellenwert in einem wesentlich anderen Licht: 1. So geben die Protokolle Aufschluß über die in der Forschung bisher recht wenig be-achtete und geachtete Institution der Städtekurie, über ihre Zusammensetzung und Organisation, über Ablauf und Verfahrensweise ihrer internen Beratungen, über Zere-moniell, Verhandlungsstil, über Selbstverständnis und Selbstbehauptungswillen sowie ihre Beratungs- und Beschlußkompetenz auf Reichsversammlungen. 2. Daraus ergibt sich die Beantwortung der Frage nach der Integrationsfunktion der bürgerlichen Kommunen und ihrer Vertretung innerhalb des Reichs, seiner Sozial-struktur und seiner Verfassung. Diese Funktion zeigt sich in den Beziehungen zu den übrigen Institutionen des Reichs, zu Reichskammergericht und Reichshofrat, zu Kaiser, Kurfürsten, Fürsten und ihren Vertretungen auf Reichstagen, Kurfürsten- und Fürstenrat, aber auch zum nicht mit der Reichsstandschaft privilegierten niederen Reichsadel, der Reichsritterschaft, die eher in den Rahmen der Reichsverfassung paßte als die bürgerlichen Kommunen. 3. Schließlich sei auf das Problem der Repräsentation verwiesen, die Frage nach dem Mandat städtischer Gesandter auf Reichsversammlungen, wie sie in den Wechselbe-ziehungen zwischen den Reichsstädten und ihrer Kurie zum Ausdruck kommt, etwa bei den entstehenden Steuer- und Hilfsbewilligungen nach den langen und ruinösen kriegeri-schen Auseinandersetzungen. Auch wenn die Protokolle der städtischen Kurie in Osnabrück keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse zu den „großen“ Fragen der europäischen Politik liefern, so geben sie doch Einblick in die Beteiligung der kleinen und kleinsten Mächte an der Suche nach einer dauerhaften Friedensregelung, an Methoden und Techniken der Wiederherstellung und Respektierung von Ordnung und Recht, ohne die ein produktives Miteinander von Menschen und Völkern nicht möglich ist. Insofern weisen diese Protokolle über die Institution des Städterates hinaus. Zwar beruhte seine Mitwirkung im allgemeinen weniger auf aktivem Mitgestalten und selbständigem Agieren als vielmehr auf Teil-nahme an den Beratungen und Reagieren auf Anstöße von außen. Dennoch: Auch diese bescheidene Rolle gehört zum Szenario des Westfälischen Friedenskongresses, ist aus den Verhandlungen in Münster und Osnabrück nicht hinwegzudenken, und insofern gehört diese Edition in die Reihe der Acta Pacis Westphalicae. Ihrer Bedeutung waren sich die Städte bewußt; daß sie mitberaten haben und daß sie ein votum decisivum festschreiben lassen konnten, damit konnten sie aus ihrer Sicht nach Abschluß der Verhandlungen zufrieden sein. Insofern hatten sich auch die Mittel ausgezahlt, die sie in ihrer Kurie, nach einem für die meisten von ihnen ruinösen Krieg,

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in die Vertretung korporativer Politik am Westfälischen Friedenskongreß investiert hatten

Vgl. dazu G. Buchstab, Kosten.
.

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