Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert

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Wir haben nr. 187 vorgestern erhalten. Wegen des Waffenstillstandes haben wir stee-
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tigs unser absechen dahin gerichtet, uf das man allerorten, wa es Ewer
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Mayestät interesse erforderen mögen, zu verspüren hete, es dißorts an dero-
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selben willfährigkeit, wa man nur mit billichen conditionibus darzue gelan-
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gen könte, nit ermanglet haben wurde. Nachdem und aber Ewer Kayser-
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lichen Mayestät ieziger bevelch vorderist uf den fahl gerichtet ist, so die
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churfürstliche dises armistiii halben bei uns kein ferrere anregung gethan,
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wir auch nit penetriert heten, das sie hierumben a part negociert, und die
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mediatores gleichfals das werckh heten ersizen lassen, das wir ebenmäsßig
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in diser negociation sowol bey denn churfürstlichen als mediatoribus nit
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zu eilen, seitemaln leichtlich abzenemmen, das man wenig hoffnung eini-
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ges success haben könte etc.. So werden sie bereits aus unserer vor 8 tagen
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abgeloffner relation allergenedigist angehört haben, das die sachen eben
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in disen terminis begriffen und von denn Franzosen alle hoffnung zu eini-

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gern anstandt der waaffen rund abgeschlagen worden; und obwol uns fol-
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gendts zu vernemmen kommen, das die Churbayrische gsandten dessen un-
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geachtet gleich an sambstag hernach sich widerumb bey denn Franzosen
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eingefunden, dessen sich auch die mediatores selbst laut prothocolls gegen
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uns beschwärt, so haben wir doch ein weiters und mehrers von irer verrich-
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tung nit vernemmen können, als das sie sich angeregter abschlägigen ant-
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wort zum höhsten beschwärt und neüerdingen geworben haben, das man
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entweder ein suspension, neutralitet oder protection, wie man sich entlich
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miteinander wurde vergleichen könden, tractieren lassen wolte. Darüber
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auch letstens der duca di Longavilla sich erclärt, dessentwegen nochmalen
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nach Pariß zu schreiben. Und berichtet man uns, das er sich sonst verlauten
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lasse, es wer zwar der cron Franckreich kein armistitium in der formb, als
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es bißher begert worden, einzerathen, daferrn man aber ein langes uf etlich
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jar erstreckhtes annemmen wolt, so wurde es der cron mit gueten und inen
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annemblichen conditionibus einzewilligen so hoch nit entgegen sein. Die
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dessentwegen von ime und seinen collegis verfaste relation aber solle den
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15. diss nach Paris abgeloffen sein, also das vermuetlich mit negstkommen-
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der ordinari darüber ein resolution erfolgen möchte.

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Wir seint auch durch sonderbar vertraute anzeig weiter berichtet worden,
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das, obwol sie, Franzosen, in iren instructionibus secretis undter anderm
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bevelcht seint, zu irere satisfaction die retentionem der vestungen Preysach
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und Philipßburg zu praetendieren

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In der französischen Hauptinstruktion ist nur von der Einbehaltung Breisachs, nicht aber von
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Philippsburg die Rede, vgl. APW [ I 1 nr. 5 S. 100f] .
, sie iedoch uf undterschidliche seithero
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dessentwegen bey catholischen und Lutherischen mit gelegenheit gethane
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anwürff verspürt heten, das sie mit solchen praetensionibus nit wurden
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durchkommen mögen, sondern hiermit bey allen reichsständen wie lenger
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ie mehr in dise misßgedancken gerathen, als wolte die cron Franckreich
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solchergstalt dem reich einen fuess uf den halß sezen, gehe derentwegen
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ir guetachten dahin, das man sich diser praetension begeben solte.

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Sonsten aber haben weder die Churcölnischen noch die Churbayrische uns
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seit anher wegen dess armistitii nichts angedeütet, ausserhalb das dise, als
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sie vergangnen montags mich, Volmarn, besuecht, in discursu meldung
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getahn, nachdem von denn Churbrandenburgischen zu Oßnabrugg der
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von Löwen selbigen tags alherkommen und von inen, Bayrischen, Dr.
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Krebs, von denn Cölnischen aber der probst Landtsperg denselben seines
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anbringens zu vernemmen bevelcht worden, mir erzehlt, welchergestalt
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besagter von Löwen sich beclagt, das Ewer Kayserlichen Mayestät general-
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leütenandt graf Gallas die Kayserliche armada in Böheimb widerumb zue-
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samenfüehren auch den Torstensohn veruhrsachen wolle, Brinn zu quit-
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tieren, man also diserseits vorhabens seye, ein neues bluetbaad anzerichten,
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und das bei Ewer Mayestät dess bluetstürzens kein endt sein wolte. Darauf

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Dr. Krebs ime vorgeworffen, warumb er dann und die protestierende nit
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bei den feindtlichen cronen dran weren, das ein armistitium möchte erhal-
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ten werden, so könte man seiner clag entübrigt bleiben. Es hat mir aber
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gedachter probst von Landtsperg vergangnen zinstag bei dern in extractu
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prothocolli [= Beilage A] vermörckhter conferenz à part zu verstehen gege-
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ben, das Dr. Krebs sich in diesem puncto so gar zu weit außgelassen, und
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es wol bey ringerm hete bewenden lassen mögen.

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Solte aber über dises alles in hoc passu was weiters vorkommen und gehand-
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let werden wollen, darauf auch wir unser fleisßig absechen ze halten nit
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ermanglen thuen, so werden wir nichts underlassen, was Ewer Kayserlichen
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Mayestät allergenedigister bevelch außweisen oder sonst deroselben augen-
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scheinlicher nuzen und frommen erforderen mag; und diß sovil die mate-
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riam armistitii anlangt.

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Hinweis auf Relationen vom 13., 14. und 21. Juli

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Relation vom 13. Juli = nr. 191. – In der Relation vom 14. Juli ( Ausfertigung: RK , FrA
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Fasz. 49a, Konv. A ( Juli–September 1645) fol. 35, praes. 1645 Juli 29 – Konzept: ebenda
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Fasz. 92 V nr. 731 fol. 290 – Kopie: Den Haag A IV 1628 nr. 17) bezogen sie sich auf
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nr. 191 und übersandten ein wohl von Kurmainz erstelltes Protokoll der Lengericher Beschlüsse
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vom 1./11. Juli 1645 ( Kopie: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli–September 1645) fol.
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36–37 – Druck: Gärtner V nr. 97 S. 430–432; Meiern I S. 510 ( = I 5, 35 N 3)
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weitere Kopie: Giessen 205 nr. 315 S. 1722–1725). – Relation vom 21. Juli = nr. 198.
. Die kurmainzischen und kur-
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brandenburgischen
Deputierten wollten den Lengericher Schluß den Gesandten der
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Fürsten und Stände in Osnabrück vorbringen, wir haben aber erfahren müessen,
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das sie alles ins steckhen gerathen lassen, bis entzwischen die Schweedische
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plenipotentiarii von allem nachricht erlangt und darwider, sonder zweifel
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uf etlich fridhäsßiger leütten heimbliches anstifften, allerhandt betraweliche
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einwendungen an tag gegeben haben. Derentwegen dann verwichnen mon-
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tags, wie obgemelt, der Churbrandenburgische deputatus, der von Löwen
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(weil von den Churmainzischen sich keiner hierzue verstehen wollen),
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aigens alherkommen. Dessen anbringen und wie dasselbe gestaltet gewe-
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sen, was auch derentwegen herr bischoff von Oßnabrugg mit uns confe-
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riert, und wir ime an handt gegeben, und wie sich hernach die beede chur-
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fürstliche, Cöln und Bayrn, gegen der Brandenburgischen entlich erclärt,
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das geruchend Ewer Mayestät aus den extractibus prothocollorum lit. A. B.
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allergenedigist mit umbständen anzuhören. Darüber folgendts von gedach-
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tem herrn bischoffen mir, Volmarn, weiter mündtlich angezeigt worden,
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das er diser gefasten resolution die Churmainzische gleich selben abendts
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per aignen currier bericht und dahin ermahnt hete, das, sobald der von Lö-
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wen hinüberkommen, sie alsogleich mit der intimation dess Lengerischen
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conclusi gegen denn ständen vorgehen, es folge auch darauf vor antwort,
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was da wolle oder es folge keine, sich lenger zu Oßnabrugg nit saumen,
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sondern crafft von iren genedigisten herrn habenden bevelchs alher ver-
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füegen solten, damit man die versamblungen könte anfangen zu informie-

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ren, versicherter hoffnung, das bei so erscheinender bestendigkeit die ande-
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ren status sich auch ergeben und bequemmen werden.

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Wir erinneren uns zwar wol, das diser modus mit demihenigen, was Ewer
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Mayestät intentioniert ze sein und vom 5. diß allergenedigist angedeütet
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haben, nit gleichstimmen thuet, uns weiset aber unser gehorsamiste pflicht
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und obhabende bevelch dahin, den statum, wie er sich ieweils diser ortten
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befindet, underthenigist und getreülich zu repraesentieren. Warumb der-
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zeit ein offenlichen reichstag ererst außzeschreiben sehr zweiflhafftigen aus-
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schlags seye, ist in dem communicierten extractu instructionis stattlich und
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wol außgefüehrt. Wir haben aber nun zum öfftern verspürt, und solches
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auch in unseren relationibus angeregt, das weder die feindtliche cronen
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noch auch mehrertheil der stände hierzue einigen lust und anmuettung nit
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erscheinen lassen, daher zu besorgen stehet, wann sich Ewer Kayserliche
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Mayestät schon dahin entschliessen solten, das mit deroselben Kayserlichen
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auctoritet noch mehrer verkleinerung alles möchte disputiert, zuruggge-
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stelt und der weniger theil [der] ständen zum erscheinen behandlet weiden
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können, allermassen mir, Volmarn, erst vorgestrigen tags angezeigt worden,
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es heten die protestierende von Wien nachricht erlangt, das Ewer Mayestät
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dero geheimben saecretarien Dr. Söldner zum herrn churfürsten in Saxen
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verschickhten

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Ausfertigung der Instruktion für Söldner, Wien 1645 Juni 28: RK , FrA Fasz. 49b, Konv. E
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fol. 76–81 – Konzept: ebenda fol. 62–70 – Kopie: ebenda fol. 72–75. Die Instruktion
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weist Söldner zwar an, in einen Diskurs wegen Ausschreibung eines Reichstags zu treten, gibt
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aber keinen Termin für eine Ausschreibung an. Auch in dem Auszug der Zusatzinstruktion
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( [vgl. nr. 184,1] ) ist kein Termin genannt.
, mit anzeig, sie uf den monat October einen reichstag auß-
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zeschreiben vorhabens weren, dessen die protestierende sehr übel zufriden
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und sich insgemein beclagten, es were alles nur zu verlengerung dess fridens
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angesechen. Ich hab es entschuldigt, mit vermelden, Ewer Mayestät heten
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sich dergleichen nit entschlossen, sondern begerten sich allein raths zu
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erfragen, im fahl alhie und zu Oßnabrugg einiger modus consultandi und-
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ter denn ständen nit verglichen werden könte, was alßdann zu thuen, und
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ob einen reichstag außzuschreiben nöthig sein werde. Stüende also an deme,
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wann die ständt selbst diser ortten in gebürender formb zusamenzutretten
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sich mit Ewer Mayestät vereinbarten, das man alßdann weiterer Sorgfalt
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werde entübriget verbleiben mögen. Gleichergstalt geben die unserige und
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deren zu Oßnabrugg stehender Kayserlichen gesandten relationes genueg-
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samb zu erkennen, wie starckh das consilium der reichsdeputation wider-
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fochten worden, das auch kein hoffnung ze machen sei, selbiges zu man-
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tenieren, seitemalen nit nur die protestierende sive deputati sive nondepu-
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tati status, sondern auch sogar die catholische darvon abfallen und sich nit
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ferrers undterstehen wölten, auf die handthabung derselben ze sezen.

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Nun will gleichwol die hoche notdurfft sein, wann anderst dise tractatus

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mit einiger übrigen auctoritet Ewer Kayserliche Mayestät volnfüert wer-
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den sollen, dahin omnibus modis zu gedenckhen, das man die stände zu
3
keiner trennung und parteylichen anhenckung bey eintwederer feindtlichen
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cron kommen lasse, sondern uf alle mitel und weeg, ob die sonst neü, unge-
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wohnlich und der allgemeinen reichspractic etwas zuwiderlauffend scheinen
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möchten, beysamen in einem corpore halten und also die formam consul-
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tandi inter caput et membra behaubten thue, da wir dann kein kurzer, bes-
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ser und füeglicher mitel als eben dasihenig, so von denn churfürstlichen
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in vorschlag kommen ist, befinden mögen.

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Ewer Kayserlichen Mayestät könden wir auch gehorsamist versicheren,
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das nit allein, wie oberzehlt, die Schweeden, sondern auch die Franzosen
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nach sehr vertrauter an uns gelangter anzeig sich mörckhlich ob disem modo
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entsezen, und haben daher desto mehr ursach genommen, in puncto satis-
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factionis die obbedeüte relation nach Pariß ablauffen zlassen. Wann nun
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die gegentheil nit handtgreüfflich spührten, das inen diser modus zu unstat-
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ten kommen möcht, so wurden sie nit so starckh darwider streitten. Und
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eben darumb haben Ewer Kayserlich Mayestät desto mehr auf die genehmb-
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haltung sich allergenedigist zu resolvieren. Wir haben sonst mit und neben
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unseren collegis zu Oßnabrugg uns angelegen sein lassen, dise quaestion
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von anfang bis daher also zu negocieren, das Ewer Kayserliche Mayestät
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bey denn mediatoren, denn ständen selbst, ja denn cronen zugleich, wie
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sie heimblich bekennen, aller glimpf zuegewaxen, und die schuldt verzöger-
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ter tractaten auf andere von deroselben nit herrüerenden verhinderungen
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gelegt worden. Und seyen gueter hoffnung, wa allein Ewer Kayserliche
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Mayestät sich der ratification allergenedigist zu erclären gefallen würdet,
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die sachen entlich zum standt zu bringen. Heten hiebey derentwegen aller-
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underthenigist zu pitten, damit alle verzägerung abgeschnitten bleibe, sie
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geruchend uns uf vorige und dise weitere relation, obschon bey diser ordi-
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nari das churfürstliche bedencken sowie Brandenburgische unsers vernem-
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mens der ursachen hinderhalten, weil sie auch darinn das wortt „reichsdepu-
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tation“ außgestrichen haben wollen, nit einkommen möcht, allergenedigist
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zu bescheiden, ob anstatt deroselben wir in solchen vorgeschlagnen modum
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einwilligen, sonderlich aber noch weiters zuegeben derfften, das nit allein die
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interimsweise zuegezogene, sondern auch andere bereits in locis congres-
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suum gegenwärtige stände, welche sonst uf offenen reichstägen sessionem
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et votum hergebracht, admittiert werden solten, dann wir besorgen, ausser-
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halb diser extension sonst bey denn protestierenden die völlige einwilligung
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nit zu erhalten sein werde.

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Und nachdem wir dann auch avisiert worden, das beede Franzößische ple-
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nipotentiarii, d’Avaux und Servient, heüt oder morgens nach Oßnabrugg
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zu denn Schweeden verreisen und dise materiam neben andern auch vor
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handt zu nemmen willens sein wollen, so haben wir nit undterlassen, uns
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gestrigen abendts dessentwegen zu denn mediatoren zu verfüegen, inen den

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ganzen statum vor augen zu stellen und sonderlich die rationes zu remon-
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strieren, warumb weder Franckreich noch Schweeden einige befuegte
3
ursach haben können, sich darab zu beschwären oder disen modum zu ver-
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hinderen, mit angehenckhtem ersuechen, sie solches denn bemelten Fran-
5
zößischen plenipotentiariis wol zue gemüett füehren wolten, welches sie
6
auch zu thuen sich erbotten haben, und stehet demnach zu erwartten, was
7
darauf beederseits vor erclärung erfolgen werde.

8
Wir sollen auch gehorsamist anzeregen nit underlassen, das uns aüsserlich
9
angelangt, ob solten auch im fahl, der referierte modus consultandi zu sei-
10
nem fortgang geriethe, von etlichen ständen beschwärungen eingewendet
11
werden, das dem hochloblichen hauß Österreich das directorium in fürsten-
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rath einzig nit überlassen werden könte, seitemaln bekandt wer, das sonst
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uf gemeinen reichstägen solches auch einem erzbischoff von Salzburg gebür-
14
te, derentwegen in dessen abweesenheit ein anderen beyzeordnen vonnö-
15
then sein wurde. Möchte derentwegen zu verhüetung anderer mehrer unge-
16
legenheiten nicht unrathsamb sein, wann Ewer Kayserliche Mayestät dem
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herrn erzbischoff erinnerung thuen liessend, das er bey ohne das vermehren-
18
dem convent und von wegen dess gemeinen catholischen interesse auch
19
seine deputierte zeitlich hieher abordnen wolte.

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