Acta Pacis Westphalicae III C 2,1 : Diarium Volmar, 1. Teil: 1643 - 1647 / Joachim Foerster und Roswitha Philippe
Dienstag

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26 Dinstags] am Rande: Visitantur a Caesareanis.
Dinstags, den 9. huius, haben wir sie in ihrem quartier
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besuecht. Es hatt zwar der graf von Wittgenstain anvor zum herrn grafen
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von Nassau geschikht und vermeint, allein ime den vorgang im ein- und auß-
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beglaitten ze lassen und daß auch seinem adiuncto der titulus excellentiae
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solte gegeben werden. Weil wir unß aber darzu nit verstehen wollen, son-
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dern angezeigt, daß es bißher anderst bei unß were gehalten worden, so hatt
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ers auch dabei bewenden lassen. Als sie nun uff unser verrichte salutation in
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der danksagung anregung gethan, sie weren in ihrer instruction dahien ge-
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wiesen, von unß zu vernemmen, in quibus terminis die fridenshandlungen
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bestüenden etc., haben wir inen solches kurtzlich eröffnet und sonderlich
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angedeüttet, waß die Franzosen anietzt erst newer dingen wegen translation
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der reichsdeputation, die sie doch zuvor selbst so instendig gesuecht und
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begehrt hetten, für difficulteten und ungereümbte einreden moviren theten,

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mit anregung, waß entzwischen zu Oßnabruck under denn Schweden und
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dem Servient were vorgeloffen und worauff die sachen alldort beruhen
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theten, daß wuerden sie in zeit ihrer anwesenheit selbst vernommen haben
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und etwan bericht zu geben wissen, ob man sich einiger proposition zu denn
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gegentheilen zu versehen haben könde.

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Darauff ist es nun zum discurs von solcher materi pro et contra gerathen.
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Und zeigte herr graf von Wittgenstain an, es weren zwar die Schweden mit
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ihrer proposition gefaßt und erbiettig, selbige zu eröffnen, allein wolten sie
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vordrist ein richtigkheit mit verglaittung der statt Stralsundt und anderer
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mediatständen haben. Geben vor, sie weren deß crafft der preliminarconven-
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tion befüegt, wie sie es dann logice, rhetorice et iuridice (erant formalia)
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ze mantenirn getraweten. Sagten auch rundt, wann man inen hierin nit will-
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fahren wolt, so weren sie bedacht, ein offendtliche protestation in trukh auß-
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gehen ze lassen, daß man inen traw und glauben nit gehalten hette, also die
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ursach, das man zu keinem tractat gelangen köndt, allein bei diser seitten
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erwenden theten. Sie, Brandenburgische, finden diesen puncten schwer,
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hetten nichts darvon in instruction, weren daher sehr perplex. Die Chur-
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maintzische sagten, außtruklich bevelcht ze sein, daß sie darein nit willigen
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solten, deßgleichen wollen sich auch ettlich anderer ständen deputati darzu
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nit verstehen. Daher wer vor ihrem allherraisen verglichen worden, denn
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Schweden mit einer voranttwortt zu begegnen, wie sie vernemmen, daß
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solches durch mittel deß decans zu Sankt Johann

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Raban Heistermann.
verrichtet, zwar aber der
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fehler dabei begangen worden, daß, als er sich bei denn Schweden angemeldt,
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eben auch der Servient und die Hessische bei dennselben gewesen, er also
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vor inen sambtlich seinen vortrag gethan, darauff selbige alsbaldt zusamen-
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getretten, Französisch miteinander geredt, wölcher sprach er, decanus, nit
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erfahren, und wer mit schlechter anttwortt abgeferttigt worden.

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Dannenher hatt der graf von Wittgenstein anlaß genommen ze discurrirn, es
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wolte ein nothurfft sein, daß man den Oßnabrukhischen congress nit so gar
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one mediation lassen solte. Dann es wolle nit darfürgehalten werden, daß
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der decan zu Sankt Johann, dessen man sich biß dato gebraucht, darzu gnug-
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samb tauglich wer. Man wisse nit, ob Ihr Kayserlicher Maiestät villeicht
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bedenklich sein möcht, das die republica von Venedig sich auch derselben
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mediation unterziehen thue, oder ob nit villeicht annemblicher wer, daß man
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sich etwan eines reichstandts dabei bedienen thet, inmaassen sich das hauß
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Braunschweig-Luneburg durch den Lampadium erbiettig gemacht. Wir
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haben wegen Venedig allein so vil angemeldet, weil Ihr Kayserlicher Maiestät
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nit zuwider, die tractatus an einem ortt zusamenzeziehen, so schliesse es sich
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von selbsten, daß sie auch alsdann solcher interposition halber kein beden-
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khens haben wurden. Ob es aber der republica gelegenheit sein werde, bee-
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der ortten doppelte gsandtschafften ze halten, daß wüßten wir nit. Zudeme
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solches abermaln newe verlängerung gebären wurde von ettlich monaten.

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[ Betr. Braunscchweig-Lüneburg Braunschweig-Lüneburg ] halten aber unserstheils darfür, es werde solche
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intention der ursach nit könden stattfinden, weil Braunschweig ratione depu-
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tationis ordinariae interessirt und consequenter den deputationrath besuechen
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müeßte, also einer action, so darvon gantz gesöndert, mit fuegen nit würde
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abwartten könden. Neben diser difficultet erregen sich auch andere wegen der
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reichsdeputation. Dann die Schweden sagten, daß derselben translation zu
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Frankfurtt von denn deputatis mehrerntheil one bevelch ihrer obern were re-
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solvirt worden, inmaassen sich seither deren ettliche dessen gegen inen,
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Schweden, entschuldigt hetten. So bleiben von derselben die mehiste stände,
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wölche sich der oppression am sterksten zu beclagen, darvon ausgeschlossen
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und ihres iuris suffragii beraubt. Wölches sie, Schweden, als wölche den
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krieg darumb gefüert hetten, daß die beschwerte und untergetrukhte in
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ihren freyen standt möchten gesetzt werden, nit passiren lassen köndten,
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sondern es müßte hiebei allen ständen ein liberum ius suffragii zugelassen
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sein. Ferner wolten die Schweden durchauß nit zufriden sein, daß die reichs-
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deputation zu Münster stehen solt, dann diß geraichte der cron Schweden
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(als wölche keiner andern in der weit dann der Römisch Kayserlichen
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weichen thet) zu einer disreputation, und wurde hierdurch der cron Frank-
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reich ein mehrer respect zugezogen, auch endtlich daß ansehen gewinnen, als
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wann der Münsterische convent die oberhandt hette und alles von demsel-
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ben dependiren müeßte. Zum dritten wolten die Schweden auch nit leiden,
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daß die reichs- und religionsgravamina, wie der Frankfortisch deputa-
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tionschluss mit sich brächte, durch einen andern convent erst über ein jahr
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zu Frankfurt gehandlet werden solte, dann hierauß weren die caussae belli
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entstanden. Müeßten derentwegen auch bei disen universalcongressibus
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gehandlet werden, und sagten die Schweden, es were inen dises sonderlich
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von dem Servient an handt gegeben worden, dann sonst sie, Franzosen,
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darvon waß anregung ze thuen bedenkhens hetten. Und setzte herr graf von
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Wittgenstein hinzu, er vermeinte gleichwol nit, daß die Schweden darauff
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bestehen wurden, wann man sich darwider setzen solt. Schließlich hetten
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die Schweden ime auch gesagt, er möchte seinem herrn, dem churfürsten,
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versichern, daß sie den last des kriegscosten nit uff denselben kommen lassen
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wolten, sondern es müeßte eine gemeine sach sein.

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Wir haben nit unterlassen, uff ein und andern puncten ze informiren, und
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sovil den ersten mit Stralsundt anlangte, were es nur ein vergeblich gezänkh
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der Schweden, warauß die stände selbst warnemmen möchten, wie sie denn-
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selben ihre landtsfürstliche iura ze schwächen und abzestutzen begehrten. Es
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stünde doch zu inen, Schweden, daß sie denn Stralsundern und dergleichen
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selbstaignen paßport mit vidimirter einverlaibung des Kayserlichen general-
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pass ertheilen möchten. Wölches die Brandenburgischen auch vor ein mittel

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gehalten und sich, sobaldt der graf von Wittgenstein wider nach Oßnabrukh
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komme, mit denn Schweden darvon ze handlen, erbotten. Ad secundum
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haben wir den gantzen verlauff, wie es mit abfassung dises conclusi de trans-
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ferenda deputatione zu Frankfurt von anfang der Kayserlichen proposition
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biß zum ende hergangen, erzehlt und darauß erwisen, daß die gesandten zu
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disem schluss anderst nit dann uff zuvor von ihren principalen eingelangte
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instructiones fürgeschritten seyen. Daß aber alle andere stände disem colle-
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gio deputationis cum iure suffragii beywohnen solten, wer im reich nit
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erhört und gantz von uncräfften. Denn es weren im reich nur dise drei
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conventus herkommen: 1. ein allgemeiner reichstag, 2. ein generalcraißtag,
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3. ein ordinari deputationstag. In disen dreyen bestüende die repraesentatio
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totius corporis Romani imperii. Und wann man anietzt schon bei denn
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deputationräthen die andere stände, so nit deputati imperii seind, ad delibe-
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randum et concludendum zulassen wolte, so köndten selbige doch anderst
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nit als allein im namen ihrer principalen votiren und kein conclusum totius
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imperii obligatorium helffen machen. Also were der finis, warumb die ge-
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gentheil praesentiam statuum necessariam esse vorgeben theten, namblich
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firmitudo et securitas tractandorum, nit zu erhalten, sondern es wurde ein
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nothurfft sein, vordrist ein offentlichen reichstag außzeschreiben und ein
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newes collegium deputationis de omnium statuum consensu formiren und
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authentizirn ze lassen. Weil aber denn gegentheilen, daß derzeit zu keinem
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reichstag zu gelangen, gnugsamb bewußt, so muess nothwenig folgen, daß
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sie solche obiectiones allein darumb inventirt, darmit man nimmermehr zu
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einiger fridenshandlung gelangen könde. Daß aber die Schweden nit wolten
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zefriden sein, daß die deputation in Münster stehen soll, deme wer leicht
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ze helffen, wann man beede congressus allher oder ad locum tertium zu-
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samenziehen thet. Dann zu Oßnabrukh wuerde unmüglich sein, daß man für
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ein solche anzahl volks gnuegsamb unterkommens und unterhalts wurde
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gehaben mögen. Darauff sagte der graf von Witgenstein, es wollen die
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Schweden sich auch zu solcher zusamenziehung keinesweegs verstehen
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noch auch von Oßnabrukh abweichen, sagten, daß sie dessen per expressum
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von ihrer königin bevelcht weren. Ad tertium, diser schluss sei in conse-
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quentiam deß Regenspurgischen reichsabschiedts gefaßt und gemacht wor-
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den. Dabei es billich ze bleiben. Man könde leicht erachten, daß, wa dise
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materia hieher gezogen, man noch in langwürige disputata wurde gerathen
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und den krieg uff dem halß haben muessen, wahin dann die Franzosen mit
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denn Schweden hauptsächlich zihlen theten. Er hatt unß auch endtlich ange-
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zeigt, daß der Servient difficultet mache, ime die visita zu erstatten, praeten-
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dir, daß sein gnädigster herr dem könig in Frankreich titulum maiestatis,
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weil es doch Bayern auch thue, geben soll. Hergegen hett er bevelch, solches
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nit ze thuen, es were dann sach, daß der könig seim herrn titulum serenissimi
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geben wolt. Dazu woll aber Servient keinesweegs verstehen, unangesehen
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er sich sonst zu Oßnabrukh gegen ime, grafen, erbotten, die visita one alle dif-
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ficiltet zu erstatten, so er iedoch anietzt nit mehr gestendig sein wolle.

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Nachdem wir dann unß von inen licenzirt, haben wir nöthig erachtet, von
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disen vorgeloffenen particulariteten, weil ein guetter theil daß catholisch
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interesse berüren wollen, dem herrn bischoff zu Oßnabrukh nachricht zu
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ertheilen. Gestalten ich dann noch selbigen abendts mich zu ime verfüegt
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und in beysein deß thumbpropstes von Paderborn, auch deß propsts von
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Landtsperg alles ad longum referirt hab, mit andeutten, solches auch denn
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Churbayrischen ze communicirn, damit man der sachen nachdenkhen und
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bei nechster zusamenkunfft, wie eim und anderm zu thun, sich resolviren
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köndt. Dann wir würden alsdann im beysein der Churbrandenburgischen in
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ettlichen puncten etwas behuettsamers gehen müssen. Ihr Fürstliche Gnaden
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habens sehr wol auffgenommen, und referirte der thumbpropst von Pader-
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born, von dem Costantzischen abgeordneten

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Dr. Johann Georg Köberlin.
vernommen ze haben, es were
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die Schwaabische und Frankische craißdeputati, sovil die difficultet mit der
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reichsdeputation und außschliessung anderer ständen anlangte, der mei-
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nung, daß namblich auff die von denn Kayserlichen angehörte proposition
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der deputatus circuli, verba [!] gratia Sueuici, solches hernach a part mit
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dennselben craißdeputaten communicirn, eines voti mit inen vergleichen und
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hernach, wann man im deputationrath zusammenkombt, solches votum als
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ein ordinari deputirter standt ablegen solt. Gleichen modum köndten auch
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Frankhen und andere craiß halten und mit demselben deputato, wölcher
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auß ihrem craiß in der ordinari deputation begriffen wer, von denn materiis
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conferirn. Auff solche weiß verblibe der deputationconuent in seinem esse
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und würden die andere ständt zugleich nach nothurfft gehördt und mit
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ihrem wissen gehandlet. Respondi, der vorschlag wer nit böß, wann die
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andere vom craiß cum ordinario deputato in votis eins, wan sie aber, wie es
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in materiis, so in daß religionsinteresse einlauffen thuend, notwendig gesche-
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hen müess, in der meinung spaltig, so werde alsdann der ordinarius deputa-
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tus nit wissen, wie er sich halten soll. Oder wann er, waß seines principals
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particularinstruction außweisen möcht, votiren thet, so werde es protesta-
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tiones causirn. Doch müeßt man sehen, wie der sachen ze thuen, und köndte
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nichts schaden, daß von solchem medio den Franzosen etwas lufft geben
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werde, umb ze hören, waß ihr meinung darüber wer.

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33–S. 345,24] ursprünglich hinter S. 346,36.

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33 Dinstags] am Rande: A Caesare.
Dinstags, den 9. huius, seind von Kayserlicher Maiestät zwei resolutiones ein-
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kommen. Die erste vom 19. Aprilis betreffend, waß von Chursaxen an Denne-
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markh, von deren ad Caesarem und von Ihr Maiestät widerumb dagegen
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in anttwortt geschriben worden [ 659a]. Die ander vom 26. Aprilis uff unser
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relation vom 7. eiusdem, darinnen würdt erstlichen dasjenig, waß in puncto
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prosequendae instantiae ad Gallos und armistitii bevohlen ist, recapitulirt
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und confirmirt, 2. deß churfürsten von Trier reconciliation mehrers intimirt.
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3. Soll kein specifica propositio ex nostra parte heraußgeben werden, biß
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die Franzosen sich mit einer rechten gegenproposition uff unser erste sich

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1
heraußgelassen. 4. Man soll an die Franzosen kein frag thun lassen, ob und
2
wie sie sich in puncto grauaminum religionis gegen den uncatholischen
3
halten wollen. 5. Ze penetrirn, ob die landtgräfin a part mit unß tracti-
4
ren woll, solches nit außzeschlagen. Soll in euentum unß ein particular-
5
gwalt zukommen. Man soll deßwegen mit denn Cölnischen handlen,
6
ob sie Ihr Churfürstliche Durchlaucht wolten disponiren, die mit Hessen
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bedingte 50 000 thaler

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Im Sababurger Vertrag 1635 XII 20; Druck: M. C. Londorp IV S. 484ff.
auff sich ze nemmen. Et haec omnia circumspecte.
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6. Wegen der statt Stralsundt und anderer mediatständen remittirens Ihr
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Maiestät ad electorales et alios status zu Oßnabrukh. 7. Man soll auch mit
10
denn Schwaabischen und Frankischen craißdeputatis communicirn, sicut et
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cum aliis nach gestalt der sachen. NB. 8. Werden rationes beigelegt, warumb
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die amnestia generalis weiter nit dan ad annum 1630 ze extendirn [ 659b].

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Eodem von Oßnabrukh das Servient die Schweden in puncto propositionis
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hinderstellig gemacht. Die Churmaintzische praetendirn, das die adiuncti
15
absente primario legato dessen stell einnemmen. Hinc nostri scire cupiunt,
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wie es mit dergleichen ratione praecedentiae et titulationis ze halten. In rela-
17
tione ad Caesarem würdt referirt, waß mit denn churfürstlichen deputatis in
18
puncto verglaittung der mediatständt consultirt, auch darauff an die Schwe-
19
den gelangt und von dennselben geanttworttet worden [ 660].

20
Eodem nach Oßnabrukh avisiren wir die visita gegen denn Churbranden-
21
burgischen gsandten und waß dabei in puncto propositionis von der Schwe-
22
den und Franzosen vorhaben vorgeloffen, und in postscripto, waß wir in
23
puncto armistitii mit den Cölnischen und Bayrischen deputatis, auch den
24
Spanischen gehandlet [ 661].

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