Acta Pacis Westphalicae III A 3,3 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 3. Teil: 1646 / Maria-Elisabeth Brunert
II. Die Gruppierungen im Fürstenrat Osnabrück und ihre Meinungsbil-dung
In den 24 Sitzungen des Fürstenrats Osnabrück zwischen dem 3. Februar und 19. April 1646 führten die Gesandten in zwanzig Fällen ein einstim-miges Votum zu der vom Direktorium vorgegebenen, „proponierten“ Fra-ge, während in 17 Fällen kein einheitliches Ergebnis zustande kam. Dieser Eindruck mehrheitlicher Übereinstimmung täuscht insofern, als es bei den Fragen mit einstimmigem Ergebnis bisweilen um Probleme ging, die für weniger wichtig gehalten wurden
Siehe Nr. 109: der Anlaß der Beratung wurde als Verzögerung der Friedensverhandlun-gen beklagt (S. 206 Z. 3–6, 17–32), fünf
Ges.
waren nicht instruiert; Nr. 100: Bayern war indifferent, drei
Ges.
waren nicht instruiert, für Würzburg war die Beschäftigung mit Reichssachen wichtiger gewesen als die mit dem Beratungsgegenstand (S. 94 Z. 24, S. 95 Z. 5–8, S. 96 Z. 1f, S. 97 Z. 1, S. 102 Z. 23); Nr. 102: der Beratungsgegenstand galt nicht als
haubtfrage (S. 132 Z. 32).
. Manchmal bündelte das Direktorium auch unterschiedliche Auffassungen harmonisierend zu einer einheitlichen „Meinung“ (einem einheitlichen Beratungsergebnis)
Siehe z. B. Nr. 115, Umfrage 4. – Zu dem Terminus technicus „Meinung“ s. unten Anm. 143.
. Gelegentlich wur-den die Voten am Schluß zu einer einzigen „Meinung“ zusammengefaßt, obwohl ein Gesandter anderer Ansicht gewesen war
Siehe Nr. 116, Umfrage 1 – Österreich hatte eine abweichende Meinung vertreten.
, und einmal rief die vom Direktorium formulierte „Meinung“ die Kritik einiger Gesandter hervor, ohne daß dies beachtet wurde
Siehe Nr. 116, Umfrage 5 (Ende des Protokolls).
. Noch stärker fällt ins Gewicht, daß es bei uneinheitlichem Beratungsergebnis fast immer dieselben Reichsstände waren, die sich zu einer – fast – homogenen Gruppe mit ein-heitlichem Votum zusammenfanden: Die evangelischen Gesandten legten in zwölf Fällen ein übereinstimmendes Votum ab, in vier weiteren wichen nur ein oder zwei aus ihren Reihen vom Votum der übrigen ab, und in einer Umfrage suspendierte ein Gesandter sein Votum. Verschiedentlich wurde diese Gruppe durch einen oder mehrere katholische(n) Gesandte(n) verstärkt
In Nr. 96 und 96 votierte Österreich in Punkt 2 und 3 der Proposition wie die ev.
Ges.
, in Nr. 97 votierten Würzburg und Basel in Umfrage 1 wie die ev.
Ges.
, in Nr. 108 (Röm. Kg.swahl) votierte Würzburg wie Pommern, in Nr. 112 (schwed. Satisfaktion) votierten Bayern und Würzburg wie die ev.
Ges.
, in Nr. 113 (frz. Satisfaktion) Bayern, Würzburg und Basel, in Nr. 118 verlangte Salzburg wie fast alle ev.
Ges.
die wörtliche Aufnahme der ev.
Gravamina politica in die Correlation.
, so daß man nicht von einer durchgehenden Polarisierung nach
[p. LV]
[scan. 55]
konfessionellen Gesichtspunkten sprechen kann. Der Eindruck einer gro-ßen Solidarität der evangelischen Gesandten verstärkt sich, wenn man ne-ben dem Votieren andere Akte und Reaktionen betrachtet: Sie reagierten auf die Anzeige des Direktoriums, daß die katholischen
Gegenbeschwer-den nunmehr vorlägen, fast einheitlich mit Dank, Freude und guten Wün-schen für einen erfolgreichen Verlauf der Gravaminaverhandlungen
Siehe Nr. 100: nur Magdeburg begnügte sich mit einer Wiederholung der Anzeige des Direktors, Hessen-Darmstadt stimmte nur summarisch wie Sachsen-Altenburg und ande-re, so daß lediglich Sachsen-Lauenburg aus dem Rahmen fiel, indem es die Anzeige ganz unkommentiert ließ.
. Ein von Bayern und Würzburg erhobener Protest wurde von allen evan-gelischen Gesandten einmütig zurückgewiesen
Siehe Nr. 111 (S. 242–255).
, und als das Österreichi-sche Direktorium am 21. Februar die Diktatur eines Schriftsatzes verwei-gerte, wurde sie von allen Evangelischen einhellig und wiederholt ver-langt
Siehe Nr. 106 (S. 170 Z. 21, S. 175 Z. 28).
. Ihre Solidarität ist besonders auffällig bei der Zustimmung zu un-aufgefordert abgegebenen Erklärungen Magdeburgs, die thematisch ganz oder zum Teil über die Tagesordnungspunkte hinausgingen: Am 8. Fe-bruar legte Krull ein ausführliches, am folgenden Tag schriftlich vorgeleg-tes Votum ab
Siehe S. 58 Z. 31 – S. 63 Z. 24; S. 80 Z. 36 und S. 81 Z. 5.
. Am 9. Februar folgte ein weiteres Votum von beträcht-licher Länge, das ausdrücklich auch Punkte berührte, die vom Direkto-rium nicht zur Umfrage gestellt worden waren. Am 8. Februar bezogen sich die evangelischen Votanten fast alle ausdrücklich auf das Magdebur-ger Votum und oft zusätzlich auf die folgenden Voten, die sich ihrerseits schon auf Magdeburg berufen hatten, so daß das Bild einer fast vollkom-menen Einigkeit entsteht
Pfalz-Lautern und -Simmern bezogen sich auf Magdeburg, Sachsen-Altenburg auf Mag-deburg und Pfalz-Lautern und -Simmern, Sachsen-Coburg auf Magdeburg, Sachsen-Al-tenburg und Pfalz-Lautern (etc.), s. Nr. 98.
. Nur Hessen-Darmstadt bildete eine Ausnah-me, indem es sein Votum suspendierte, was Sachsen-Altenburg in der nächsten Sitzung zu einer kritischen Anspielung veranlaßte, und was
pri-vatim von
vielen evangelischen Gesandten kritisiert wurde
Siehe Nr. 99 bei Anm. 23 und S. 69 Z. 31–36.
. Am 9. Fe-bruar wiederholte sich die ausdrückliche Bezugnahme auf Magdeburg und schloß dabei teilweise noch einmal das Magdeburger Votum vom Vortag ein. Einige evangelische Gesandte erklärten sogar, daß sie das Magdeburger Votum wörtlich wiederholen wollten
So Pfalz-Lautern, Sachsen-Weimar, Württemberg, Baden-Durlach (S. 83 Z. 20–23, S. 84
Z. 31–34, S. 88 Z. 16f, S. 89 Z. 6–10).
. Das befremdet um so mehr, als die Gesandten normalerweise längere Texte bei einmaligem Vortrag zu schlecht verstehen konnten, um dazu Stellung zu nehmen
So gaben z. B. die
Ges.
Pommerns und Mecklenburgs am 15. März an, einen elf Punkte umfassenden, von Krull verlesenen Schriftsatz nicht hinreichend verstanden zu haben (S. 344 Z. 1f und 18).
.
[p. LVI]
[scan. 56]
Wenn die evangelischen Gesandten die langen und materialreichen Mag-deburger Voten vom 8. und 9. Februar ohne Zögern nachdrücklich, pau-schal und wiederholt akzeptierten, so erlaubt das den Schluß, daß ihnen diese Texte schon vor den Sitzungen bekannt gewesen sein müssen. Das folgerte auch der Österreichische Direktor und informierte noch am 8. Fe-bruar den kaiserlichen Hof, daß die Protestanten vor den Sitzungen ge-meinsam über ihr Votum beraten hätten
Österreich
A II (XXXII) fol. 116–116’, hier fol. 116.
. In Wirklichkeit hatten sich die Evangelischen schon vor Beginn der Hauptberatungen auf eine einheitli-che Votenführung verständigt. Dazu war das seit Oktober 1645 von ihnen ausgearbeitete Gutachten über die französischen, schwedischen und kai-serlichen Gesamtforderungen für den Friedensvertrag zunächst überarbei-tet, und es waren Teile desselben in die Form eines Einzelvotums gebracht worden, das Magdeburg als erster evangelischer Votant vortrug
Siehe dazu
Brunert,
in APW
III A 3/1, LXVIII.
. Die Magdeburger Voten vom 8. und 9. Februar gingen daher letztlich auf Entwürfe des Braunschweigers Lampadius vom Oktober 1645 zurück, über die der damals noch ganz evangelisch besetzte Fürstenrat am 15. und 16. November 1645 beraten hatte
Siehe APW
III A 3/1, 394 Anm. 42; APW
III A 3/2 Nr. 32, 33.
.
Magdeburg übernahm in den folgenden Wochen immer wieder die Rolle des Sprechers der evangelischen Fürstenratsmitglieder und trat meist offen als deren Repräsentant auf. So übergab Krull am 5. März im Namen der Evangelischen ein
Votum commune über Amnestie und Restitution, das eine überarbeitete Fassung seines Votums vom 8. Februar darstellte
Siehe Nr. 109 bei Anm. 17.
. Alle späteren evangelischen Votanten wiederholten die Forderung, daß Mag-deburgs Schriftsatz wörtlich in die Correlation des Fürstenrats
Eine
Correlation ist die Zusammenfassung der Beschlüsse des FR, die in einem Re- und Correlationsverfahren (dazu unten bei Anm. 166) dem
KFR
und dem SR zur Kenntnis gebracht wird (
Moser IL, 122).
und spä-ter in das Reichsbedenken übernommen werden solle. Am 15. März verlas Krull einen Schriftsatz zur Friedensgarantie, von dem er selbst sagte, daß er Punkte enthalte, die weder Frankreich noch Schweden fordere
. Auch dieser Schriftsatz sollte in die Correlation des Fürstenrats und das Reichs-bedenken übernommen werden. Magdeburg selbst und alle späteren evangelischen Votanten behielten sich Ergänzungen vor. Das Verhalten der übrigen Protestanten war dieses Mal uneinheitlich: Sachsen-Altenburg (Thumbshirn) begründete ausführlicher als Magdeburg die Pflicht der Reichsstände, für die Friedenssicherung Sorge zu tragen, und leitete dar-aus das Recht ab, selbständig Forderungen zu „proponieren“
Siehe S. 341 Z. 11: das uns obliege [...];
ebenda
Z. 8f: weren [...] von Magdeburg pro-poniret worden.
. Tatsäch-lich war das Vorbringen von Punkten, die nicht in der Umfrage enthalten
[p. LVII]
[scan. 57]
waren, ein Eingriff in die Rechte des Fürstenratsdirektors, dem die Pro-position zustand
Siehe dazu unten bei Anm. 129.
. Wie Thumbshirn billigten auch Carpzov, Heher und Lampadius mit den übrigen herzoglich sächsischen bzw. braunschweigi-schen Stimmen den Schriftsatz. Erst der pommersche Gesandte Wesenbeck gab an, nicht alles verstanden zu haben, und suspendierte sein Votum bis zur schriftlichen Vorlage. Die nach ihm Votierenden reagierten ähnlich; Hessen-Darmstadt billigte den Schriftsatz nur mit der Einschränkung
so-viel als nötig und nüzlich
. Anscheinend hat zumindest ein Teil von ih-nen den Schriftsatz vor der Sitzung nicht gekannt, so daß Magdeburg ihn nicht im Auftrag aller verlesen haben kann. Dafür spricht auch, daß Pfalz-Lautern in dieser Sitzung das erste evangelische Votum führte und somit den Schriftsatz hätte verlesen müssen, wenn er vom ersten evangeli-schen Votanten im Namen aller vorgetragen worden wäre. Daß der Schriftsatz dennoch die – zum Teil vorbehaltliche – Zustimmung der mei-sten anderen Evangelischen fand, spricht für ihre große Solidarität auch bei noch nicht abgeschlossener Meinungsbildung.
In der nächsten Sitzung trug Magdeburg erneut einen Schriftsatz vor, der noch am selben Tag dem Fürstenratsdirektorium schriftlich vorgelegt und in Correlation und Reichsbedenken aufgenommen werden sollte
Siehe Nr. 116 bei Anm. 16.
. Diese evangelischen
Gravamina politica waren tags zuvor in einer Sitzung des Corpus Evangelicorum gebilligt worden
Das ergibt sich aus einer Bemerkung Wesenbecks (s. Nr. 116 bei Anm. 38). Zum
CE
s. unten S. LXXIVff.
. Wesenbeck war nicht zu dieser Sitzung geladen worden und stimmte dem Schriftsatz nur unter Vorbehal-ten zu. Die übrigen evangelischen Gesandten billigten ihn, behielten sich aber Ergänzungen vor. Basel, das sich in der Regel pauschal dem vor Magdeburg votierenden Würzburg anschloß und so nichts zu dem Mag-deburger Votum anmerken mußte, ging hier aus inhaltlichen Gründen auf einen Punkt ein, wollte sich aber sonst nicht zu dem Schriftsatz äußern
. Auch der Österreichische Direktor sagte nur, daß er auf die schriftliche Fassung warte
. Noch in derselben Sitzung brachte Magdeburg erneut Punkte vor, die der Fürstenratsdirektor nicht proponiert hatte, stieß dabei aber in den eigenen Reihen auf Kritik, indem Thumbshirn und Lampa-dius Krull zurechtwiesen, während Richtersberger schwieg
Siehe S. 370 Z. 22ff; S. 371 Z. 28–31.
. Daß er das Verhalten Krulls gleichwohl mißbilligte, ergibt sich aus einer Beschwerde der kaiserlichen Gesandten Lamberg und Krane beim Kaiser, die auf sei-nen Informationen beruhte
Lamberg und Krane an Ks. Ferdinand III., Osnabrück, 1646 III 22 (
APW II A 3, 436 Z. 7–22; Z. 21 ist Richtersberger erwähnt).
: Ihre Behauptung, daß die evangelischen
[p. LVIII]
[scan. 58]
Fürstenratsmitglieder durch vorherige Absprachen gebunden seien und kein freies Votum führten, ist allerdings insofern zu modifizieren, als ein-zelne Reichsstände wie Pommern und Hessen-Darmstadt eben doch fall-weise abweichend votierten. Die kritischen Anspielungen auf die Suspen-sion des hessen-darmstädtischen Votums vom 8. Februar
zeigen aller-dings, daß Dissidenten Kritik zu erwarten hatten und so eine Art Grup-penzwang ausgeübt wurde.
In der Plenarversammlung vom 27. April trat Magdeburg erneut als Repräsentant der Evangelischen hervor: Nachdem Kurfürstenrat und Städterat den Saal verlassen hatten, der Fürstenrat zur Umfrage zusam-mengetreten war und die Reihe an Magdeburg kam, sonderten sich die Evangelischen zu einer internen Beratung ab. Nach dieser Unterredung bat Magdeburg namens der Evangelischen um die Erlaubnis zur er-neuten Separation. Die evangelischen Gesandten versammelten sich dar-aufhin am einen, die katholischen Gesandten am anderen Ende des Raumes und vollzogen damit gewissermaßen eine
Itio in partes. Dieses Auseinandertreten nach Maßgabe ihrer Konfessionszugehörigkeit hatte allerdings (anders als das später in Artikel V,52 IPO geregelte Verfah-ren
Siehe dazu
Heckel;
Bernard;
Repgen,
Hauptprobleme, 417.
) nicht das Ziel einer Einigung der Konfessionsparteien, denn bei diesem außerordentlichen Verfahren war vorausgesetzt worden, daß die
Bedenken der Reichsräte keinen von ihnen binden sollten
So der von Richtersberger formulierte Vorbehalt (Nr. 120 bei Anm. 15); zum ao. Ver-fahren s. auch unten bei Anm. 258.
. Vielmehr kann sie nur der kurzen Absprache über das gedient haben, was Mag-deburg nach erneutem Zusammentritt aller Fürstenratsmitglieder
com-muni dominorum evangelicorum nomine „proponierte“
. Krull behan-delte zwei Punkte und verlas einen Schriftsatz über Handelsfragen, der im Corpus Evangelicorum zusammengestellt worden war, wie das öster-reichische Protokoll vermerkt
Siehe S. 421 Z. 28f: in conciliabulo Magdeburgico.
Zu diesem Begriff s. unten Anm. 200.
. Der Entwurf stammte sogar von Krull persönlich, doch hatte er ihn im Auftrag des Corpus Evangelicorum auf-gesetzt
.
Magdeburgs Rolle hat sich somit im Laufe der Beratungen gewandelt: Zunächst hatte Krull (am 8. und 9. Februar) scheinbar nur das Magdebur-ger Votum im Namen des Administrators vorgetragen, dem sich die übri-gen evangelischen Gesandten angeschlossen hatten. Dabei war leicht durchschaubar, daß diese Übereinstimmung auf vorheriger Absprache be-ruhte. Am 5. März trat Krull bei Übergabe des
Votum commune offen als Repräsentant des Corpus Evangelicorum hervor. Am 15. März verlas er einen Schriftsatz, den zumindest ein Teil der evangelischen Gesandten
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nicht kannte, handelte auch beim „Proponieren“ einiger Punkte auf ei-gene Initiative und wurde von Thumbshirn und Lampadius noch wäh-rend der Sitzung vorsichtig zurechtgewiesen. Am 17. März handelte Krull bei Übergabe der evangelischen
Gravamina politica eindeutig als Reprä-sentant des Corpus Evangelicorum, ebenso in der Plenarversammlung am 27. April. In diesem Fall war Krull sogar Verfasser des verlesenen Schrift-satzes. Magdeburg war also nicht in jedem Fall nur Sprachrohr des Corpus Evangelicorum, sondern hat auch eigenständige Beiträge zum gemein-samen Handeln geleistet und ist zum Teil eigenmächtig mit seinen „Pro-positionen“ hervorgetreten.
Trotz großer Homogenität wies die Gruppe der Protestanten eine Binnen-struktur auf. Wesenbeck spielte aufgrund seiner Doppelfunktion als kur-brandenburgisch-pommerscher Gesandter eine Sonderrolle und führte ab-weichende oder modifizierte Voten, wenn Belange des Kurfürstenrats be-troffen waren
Siehe S. 362 Z. 24ff; S. 400 Z. 9–17.
. Dabei wurde er gelegentlich von den Wetterauer Ge-sandten unterstützt, die sich Pommern in zwei Fällen zwar nicht direkt anschlossen, aber ausdrücklich „indifferent“ waren
Die Wetterauer Gf.en erschienen deshalb neben Pommern als einziger ev. Reichsstand des
FRO
nicht in der Liste jener, die sich einem Vermittlungsvorschlag Magdeburgs in der Frage der Röm. Kg.swahl angeschlossen hatten (s. S. 145 Z. 14f; S. 246 Z. 4f). Zu den Gründen der Verbindung zwischen Kurbrandenburg-Pommern und den Wetterauer Gf.en s.
Brunert, in
APW III A 3/1, LXXXVIII.
. Auch Hessen-Darmstadt spielte eine Sonderrolle. Seine Gesandten paßten sich der Posi-tion des Österreichischen Direktors so weit an, wie es ohne gänzliches Aus-scheren aus der gemeinsamen Linie der Evangelischen möglich war. Eine deutliche Distanzierung von den übrigen evangelischen Gesandten bedeu-tete die Suspension ihres Votums am 8. Februar
. Sonst nahm Hessen-Darmstadt bisweilen eine schwankende Position ein, indem es einerseits Österreich, andererseits unter bestimmten Bedingungen oder Vorbehalten einem oder mehreren evangelischen Votanten zustimmte
Siehe z. B. S. 88 Z. 28–32: wie Österreich, bei Schwierigkeiten und in den übrigen Punk-ten wie Magdeburg; S. 227 Z. 28–40: wie Österreich, doch auch für die Vorschläge Braunschweig-Lüneburgs und anderer; S. 316 Z. 1f, S. 317 Z. 1: wie Österreich, aber auch mit Pommern und Württemberg.
. Wenn es um reichsstädtische Belange ging, befanden sich Sachsen-Lauenburg und die Fränkischen Grafen, deren Gesandte Gloxin und Oelhafen von Schöllen-bach auch im Städterat votierten, in einer natürlichen Allianz
Siehe S. 406 Z. 24f: Einsatz für die Mediatstädte.
.
Den gelegentlichen Dissidenten stand eine Gruppe von Gesandten gegen-über, die mit Magdeburg einen mehr oder weniger festen Block bildeten: Sachsen-Altenburg und Sachsen-Coburg (Thumbshirn und Carpzov) hat-ten identische Instruktionen
; sie votierten formal jeder für sich, der Sa-che nach aber immer gleich, beide auch in großer Übereinstimmung mit
[p. LX]
[scan. 60]
Magdeburg. Das galt auch für Heher, der die übrigen fürstlich sächsisch-ernestinischen Voten führte. Braunschweig-Lüneburg gehörte ebenfalls zu dieser Gruppe, in der Lampadius und Thumbshirn die entscheidenden Persönlichkeiten waren
Siehe z. B. S. 399 Z. 34f: Lampadius wiederholte das Sachsen-Altenburger Votum; S. 198 Z. 9–19: Lampadius und Thumbshirn stützten sich in ihrer Kritik am Reichsdirektorium; S. 385 Z. 29ff: Lampadius ließ sich durch Thumbshirn vertreten; S. 370 Z. 22f, S. 371 Z. 28f: beide übten vorsichtige Kritik an Magdeburg.
. Für Thumbshirn waren die Verhandlungen der
Gravamina ecclesiastica besonders wichtig. Er nahm unter den evan-gelischen Nominierten aus dem Fürstenrat die ranghöchste Position ein und trat als Sprecher der übrigen auf, wenn es um diese Verhandlungen ging
Siehe Nr. 96 bei Anm. 45. Als die Aushändigung der kath.
Gegenbeschwerden im
FRO
verkündet wurde, zeigte Thumbshirn am deutlichsten seine Freude (s. Nr. 100 bei Anm. 20). – Zu den Gravaminaverhandlungen s. unten bei Anm. 203.
. Pfalz-Lautern, Pfalz-Simmern und Pfalz-Zweibrücken, Mecklen-burg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow, Hessen-Kassel, Württemberg und Anhalt schlossen sich in der Regel dieser Gruppe an, traten aber alle-samt nicht sonderlich hervor. Der württembergische Gesandte (Varnbü-ler) hatte oft für seine Pfalz-Veldenzer Stimme keine Spezialinstruktion, schloß sich aber aufgrund seiner allgemeinen Instruktion den übrigen an
Siehe Nr. 112 bei Anm. 69; Nr. 113 bei Anm. 100;
[Nr. 114 Anm. 23] und S. 327 Z. 28f.
.
Unter den katholischen Reichsständen votierten Österreich und Bayern häufig übereinstimmend
Eine Ausnahme war die Satisfaktionsfrage: Bayern wünschte als einziger Reichsstand im
FRO
eine sofortige Aufnahme dieser Verhandlungen (s. S. 7 Z. 30 – S. 8 Z. 4). Zur Über-einstimmung zwischen Österreich und Bayern s. besonders: Nr. 97 Umfrage 1 und 3, Nr. 98; Nr. 102 Umfrage 2; Nr. 103 (S. 139 Z. 4f); Nr. 106 (S. 170 Z. 13f); Nr. 108 Umfrage 1; nicht berücksichtigt wurden Umfragen mit einstimmigem Ergebnis.
, ohne daß erkennbar wird, ob eine Absprache zwischen Richtersberger und Ernst vorangegangen war. In der Frage der schwedischen und französischen Satisfaktionsansprüche waren Bayern und Würzburg derselben Ansicht. Da beide ihr Votum vom 12. März schrift-lich vorlegten und der Würzburger dabei das bayerische Votum ausdrück-lich wiederholt haben wollte
Siehe Nr. 112 bei Anm. 28.
, dürften beide Gesandte sich zuvor dar-über verständigt haben. In zwei anderen Fällen beruhte eine auffällige Übereinstimmung zwischen Bayern und Würzburg wohl auf dem identi-schen, aber nicht unbedingt vereinbarten Willen beider Reichsstände, den Frieden unter Zurücksetzung von Detailfragen so schnell wie möglich her-beizuführen
Siehe S. 370 Z. 1, S. 376 Z. 17.
. Als Richtersberger am 10. Februar die Aushändigung der katholischen
Gegenbeschwerden bekanntgab
, kommentierten das we-der Bayern noch Würzburg. Offenkundig war ihnen nicht daran gelegen, die Gravaminaverhandlungen in Gang zu bringen. Würzburg stimmte
[p. LXI]
[scan. 61]
aber auch in manchen Fragen mit den evangelischen Gesandten überein, war in anderen Fällen indifferent, gab bisweilen eine ausweichende oder zweideutige Stellungnahme ab und nahm damit oft eine zwischen den Parteien stehende, um Ausgleich bemühte Position ein
Übereinstimmung mit den ev.
Ges.
: s. Nr. 97 Umfrage 1; Nr. 108 Umfrage 1; S. 394 Z. 33f: Pfalz-Lautern stimmt Würzburg zu. Indifferenz: s. S. 34 Z. 16f; Nr. 110 Umfrage 1. Ausweichende Stellungnahme: S. 58 Z. 27–30: Würzburg will sich erst nach genauerer Erklärung äußern; S. 107 Z. 28f: Würzburg kommentiert das Mehrheitsvotum aus Mün-ster nicht; S. 394 Z. 22–27: Würzburg macht einen vermittelnden Ergänzungsvorschlag.
.
Auch als die Zahl der katholischen Voten durch Salzburg, Freising, Kon-stanz, Kempten, Corvey, die Schwäbischen Prälaten und Grafen verstärkt wurde, gab es zwischen den katholischen Gesandten keinen Zusammen-schluß, der mit der evangelischen Parteibildung vergleichbar gewesen wä-re. Gewisse Spannungen zwischen Österreich und Bayern einerseits und Salzburg andererseits wurden in der leichten Kritik am Salzburger Corre-lationsentwurf und noch mehr darin deutlich, daß Salzburg mit den evan-gelischen Reichsständen die Aufnahme der evangelischen
Gravamina po-litica in den Correlationsentwurf forderte, während Österreich nur damit einverstanden war, daß sie beigelegt wurden
Siehe S. 392 Z. 1–9, 11–16; S. 393 Z. 5–8; S. 406 Z. 32f.
. In der Frage, ob die kai-serlichen und kurfürstlichen Reservatrechte erschöpfend aufgezählt wer-den sollten, standen Österreich, Bayern und (Kurbrandenburg-)Pommern gegen die meisten anderen katholischen und evangelischen Reichsstän-de
Pommern war an sich derselben Ansicht wie Österreich und Bayern, machte aber einen Kompromißvorschlag, da die Mehrheit abweichend votierte (s. S. 400 Z. 9–17).
. Angesichts der Gemeinsamkeit kaiserlicher und kurfürstlicher Be-lange fanden Richtersberger, Ernst und Wesenbeck also zu einer punktuel-len Allianz. Abgesehen von solch gelegentlicher Konformität ist nie eine dauerhafte Übereinstimmung und ein gemeinsames Vorgehen von Bayern und Pommern erkennbar
Beispiel für punktuelle Übereinstimmung: s. S. 90 Z. 31f; bei anderer Gelegenheit hat Bayern sich trotz gemeinsamer Interessen und ausdrücklicher Aufforderung nicht dem pommerschen Votum angeschlossen (s. S. 148 Z. 14f).
. Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte, daß Bayern oder auch Österreich mit einem der katholischen Neuankömm-linge in engerer Verbindung gestanden hätte. Die Schwäbischen Grafen (Leuxelring) schlossen sich in der Frage der kaiserlichen und kurfürstlichen Reservatrechte Würzburg an und hielten damit (ebenso wie Pfalz-Lau-tern, -Simmern und -Zweibrücken) eine mittlere Linie ein
Siehe S. 394 Z. 22–27, S. 396 Z. 6 und 8, S. 405 Z. 6f.
. Schließlich mögen auch die Präzedenzstreitigkeiten zwischen Österreich und Salz-burg sowie zwischen Würzburg und Bayern störend auf die gegenseitigen Beziehungen gewirkt haben
Zu Österreich und Salzburg s. S. LI; zu Bayern und Würzburg s. Nr. 121 bei Anm. 6.
.