Acta Pacis Westphalicae III A 3,3 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 3. Teil: 1646 / Maria-Elisabeth Brunert
I. Die Zusammensetzung des Fürstenrats Osnabrück von Februar bis April 1646
Der Fürstenrat Osnabrück tagte mit Beginn der Hauptberatungen am 3. Februar 1646 erstmals unter Einbeziehung katholischer Reichsstände, wie es im September 1645 mit dem Fürstenrat Münster vereinbart worden war
Siehe das Conclusum des
FRM
über den Verhandlungsmodus von 1645 IX 4 (
Meiern I, 587
ff, hier 588 Punkt 6–10) und die zustimmende Beratung im
FRO
am 12. September 1646 (
APW III A 3/1 Nr. 10). Einen Überblick über die vom 3. Februar bis zum 27. April 1646 im
FRO
geführten Voten gibt die Übersicht in der Einstecktasche.
. Von den 26 Reichsständen, die am 3. Februar im Fürstenrat Osna-brück votierten, waren vier katholisch: ÖSTERREICH, das als höchst-rangiger Reichsstand auf der geistlichen Fürstenbank das erste Votum und das Fürstenratsdirektorium führte, BAYERN, das als höchstrangiger Reichsstand auf der weltlichen Fürstenbank das zweite Votum führte, so-wie die Hochstifte WÜRZBURG und BASEL. Österreich und Bayern wurden jeweils durch einen eigenen Bevollmächtigten (Richtersberger bzw. Ernst) vertreten, während der Gesandte Vorburg sowohl für Würz-burg als auch für Basel votierte. Derartige Mehrfachbevollmächtigungen wurden meist aus Gründen der Kostenersparnis
vorgenommen und hat-ten zur Folge, daß die Zahl der vertretenen Reichsstände größer war als die der Gesandten. Diese wurden, sofern sie mehrere Stimmen führten, mehrfach aufgerufen. In der Regel nahmen sie die Session des ranghöch-sten Reichsstandes ein, für den sie bevollmächtigt waren, so daß Vorburg auf dem Platz Würzburgs saß. Die Reichsstände der geistlichen und welt-lichen Bank wechselten beim Votieren einander ab und folgten damit, wie auch bei der Sitzordnung, dem auf Reichstagen üblichen Modus
Zum herkömmlichen Wechsel zwischen geistlicher und weltlicher Bank s. Nr. 96 bei Anm. 20.
. In eini-gen Fällen war die Reihenfolge von Session und Votum umstritten. So wurde der Vorsitz Bayerns auf der weltlichen Bank von den sächsischen und pfälzischen Gesandten angefochten
Protest der sächsischen
Ges.
namens des Gesamthauses gegen die bay. Präzedenz: s. S. 11 Z. 30–33, S. 12 Z. 1–5, 18–21, S. 13 Z. 3; Protest Pfalz-Lauterns gegen Bayern: s. Nr. 96 bei Anm. 13. Pfalz-Veldenz, das aus anderen Gründen vorbehaltlich seiner Rechte nach Würt-temberg votierte, behielt sich allgemein die Präzedenz vor (s. S. 158 Z. 3ff). Ein eigener Protest Pfalz-Zweibrückens ist nicht überliefert.
. Die Zahl der katholischen Reichsstände blieb, von zwei Ausnahmen abgesehen, im Februar und März konstant: Österreich, Würzburg und Basel nahmen an allen 22 Sit-zungen teil, während Bayern am 5. Februar und 15. März fehlte.
[p. XLVI]
[scan. 46]
Von den 22 evangelischen Reichsständen, die an der Sitzung vom 3. Fe-bruar teilnahmen, hatten alle schon bei den vorbereitenden Beratungen seit Ende Juli 1645 dauernd oder zeitweise im Fürstenrat Osnabrück vo-tiert
Protokolle dieser Sitzungen in
APW III A 3/1 und 3/2; zur Zusammensetzung des
FRO
vom 28. Juli 1645 bis 2. Februar 1646 und zu den einzelnen
Ges.
s.
Brunert, in
APW III A 3/1, LXXVIII–XC; zum Charakter dieser Sitzungen s.
ebenda, LXXIII–LXXVIII.
. Das evangelisch administrierte Erzstift MAGDEBURG, um dessen Zulassung 1645 monatelang gerungen worden war
Siehe dazu
Brunert,
in APW
III A 3/1, LXI–LXV, LXVIII.
, nahm nach anfäng-licher Unsicherheit
Siehe S. 29f Z. 17–25, 1–26.
den vierten Rang in der Sessionsordnung ein und war damit meist der erste evangelische Votant. Nur bei Abwesenheit Bayerns votierte Pfalz-Lautern vor dem Magdeburger Gesandten Krull
. Dieser hatte seinen Sitz gemäß einer Vereinbarung vom Dezember 1645 zwi-schen geistlicher und weltlicher Bank
; er nahm an allen Sitzungen teil. Dasselbe gilt für Thumbshirn (SACHSEN-ALTENBURG), während Carpzov (SACHSEN-COBURG) in der Plenarsitzung am 27. April fehl-te. Thumbshirn führte einmal stellvertretend die drei Voten Braun-schweig-Lüneburgs
Am 17. April 1646 (s. Nr. 117). Zum Fehlen Carpzovs am 27. April s.
[Nr. 120 Anm. 7] .
. Auch Heher, der Bevollmächtigte der Herzöge von Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha, nahm an allen Sitzungen teil. Über die Zahl seiner Voten liegen widersprüchliche Angaben vor: Während das Protokoll der evangelischen Reichsstände in der Sitzung vom 3. Februar nur zwei, in den folgenden Sitzungen aber drei Voten, und zwar für SACHSEN-WEIMAR, SACHSEN-GOTHA und SACHSEN-EISEN-ACH, anführt, nennt das Protokoll des österreichischen Direktoriums ge-mäß der herkömmlichen Zählung auf Reichstagen nur Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach als vertretene Reichsstände
Zur Sitzung vom 3. Februar 1646 s. Nr. 95 bei Anm. 46. Besonders deutlich ist die Zäh-lung der Voten in Nr. 105:
pro voto triplici (s. S. 156 Z. 35). Zur Zählung der Voten im öst. Protokoll s. Nr. 101a und zu den unterschiedlichen Protokollüberlieferungen unten S. CIIf.
. Seit dem letzten Reichstag 1640/41 war es jedoch durch mehrere Erbfälle zu einer Neuauf-teilung der sächsischen Fürstentümer gekommen, und die Herzöge Wil-helm von Sachsen-Weimar und Ernst von Sachsen-Gotha hatten ihrem gemeinsamen Gesandten Heher drei Vollmachten, jeweils gesondert für Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha und Sachsen-Eisenach, mitgegeben, die vom Reichsdirektorium akzeptiert worden sind
Siehe die Ausf.en von 1645 VI 9[/19] in:
HHStA
MEA
FrA
Fasz.
6 [32] unfol. Die Voll-macht für Sachsen-Eisenach wurde von Hg. Wilhelm von Sachsen-Weimar und Hg. Ernst von Sachsen-Gotha gemeinsam ausgefertigt, da sie dieses Votum gemeinsam führten (s. dazu
APW III A 3/1
[Nr. 6 Anm. 9] ). Zur Akzeptanz der Vertretung Sachsen-Gothas auf dem
WFK
s. Gregor
Richter, Vertretung.
. Dennoch hat das Für-
[p. XLVII]
[scan. 47]
stenratsdirektorium nur zwei Voten gezählt
Das zeigt neben dem öst. Protokoll auch die Votenzählung der
FRO
-Sitzung von 1646 II 8 auf dem Rand des Protokolls der
FRM
-Sitzung von 1646 II 10 (s.
StA
Bamberg Rep. B 33 Serie II Bd. 4 fol. 216). Nach dem
WFK
haben die Hg.e von Sachsen-Weimar und -Gotha drei Stimmen geführt (s.
Sammlung III, 682;
Moser XXXIV, 292;
Domke, 96).
. In den Protokollen findet sich dazu kein Kommentar, auch kein Protest Hehers.
In der Sitzung vom 3. Februar votierte nach Heher BRANDENBURG-KULMBACH, dessen Gesandter Müller jedoch nur vorübergehend in Osnabrück weilte und schon an der nächsten Sitzung nicht mehr teil-nahm. Er kehrte erst im April 1646 aus Münster zurück und nahm in Osnabrück an den letzten beiden Sitzungen vor den Plenarversammlun-gen am 26. und 27. April teil
. Nun votierte er auch für BRANDEN-BURG-ANSBACH, dessen Vollmacht er am 8. Februar 1646 eingereicht hatte
. Lampadius, der für BRAUNSCHWEIG-CELLE, -GRUBEN-HAGEN und -CALENBERG votierte, fehlte nur einmal und übertrug seine Stimme für diese Sitzung Thumbshirn
Siehe oben Anm. 10. Zur Reihenfolge der braunschweig-lüneburgischen Voten s.
[Nr. 95 Anm. 57] .
. Er selbst votierte einmal stellvertretend für Mecklenburg-Schwerin und -Güstrow sowie für Ba-den-Durlach
Am 19. April (s. Nr. 118).
und nahm auch an den Plenarsitzungen teil. POM-MERN-STETTIN und POMMERN-WOLGAST waren ebenfalls vom 3. Februar bis zu den Plenarsitzungen immer vertreten. In der ersten Sitzung votierte ausnahmsweise Fromhold, der dann nach Münster wech-selte; fortan führte Wesenbeck die beiden pommerschen Stimmen
Zu Fromhold s.
[Nr. 95 Anm. 21] ; Nr. 96 bei Anm. 33. Wesenbeck wird in zwei Protokollen namentlich genannt (s. S. 184 Z. 37, S. 386 Z. 20).
. An den Plenarsitzungen nahm er zwar teil, jedoch als kurfürstlicher Sekun-dargesandter
, so daß Pommern formal nicht vertreten war. Wesenbeck führte zweimal stellvertretend die beiden Mecklenburger Stimmen und wechselte sich gemäß einer mühsam ausgehandelten Interimslösung in der Reihenfolge des Votierens mit den Gesandten Württembergs, Hes-sens, Mecklenburgs und Baden-Durlachs ab
Siehe Nr. 95 bei Anm. 22. Die beiden hessischen und mecklenburgischen Voten wurden dabei immer hintereinander geführt.
. In der Sitzung vom 3. Fe-bruar folgten auf Pommern MECKLENBURG-SCHWERIN und MECKLENBURG-GÜSTROW, die durch den gemeinsamen Gesandten Kayser vertreten wurden. Mecklenburg war in allen Sitzungen und in den Plenarversammlungen vertreten, doch wurden die beiden Voten zweimal ersatzweise von Wesenbeck und einmal von Lampadius geführt; einmal votierte Kayser selbst stellvertretend für Sachsen-Lauenburg und einmal für Baden-Durlach, dessen Gesandter die Sitzung vorzeitig ver-
[p. XLVIII]
[scan. 48]
lassen hatte
Siehe Nr. 95 (S. 23 Z. 8f): Votum für Sachsen-Lauenburg; Nr. 115 bei Anm. 63: Votum für Baden-Durlach. Ersatzweises Votieren durch Wesenbeck: s. Nr. 107, 117; durch Lampa-dius: s. Nr. 118.
. WÜRTTEMBERG war nun, nach vorläufiger Beilegung der Sessionsstreitigkeiten, dauernd in Osnabrück vertreten. Sein Bevoll-mächtigter Varnbüler fehlte dreimal; in einem Fall votierte der Österrei-chische Direktor in einer Umfrage für ihn
Württemberg fehlte am 15. Februar und am 8. und 15. März (Nr. 103, 110, 115) und wurde am 8. März in der ersten Umfrage durch Richtersberger vertreten.
. Bei der Sitzung am 16. Fe-bruar muß offenbleiben, ob Württemberg teilnahm, weil das Protokoll einige Voten nur summarisch nennt
. Varnbüler führte seit dem 19. Fe-bruar 1646 auch das Votum von PFALZ-VELDENZ, und zwar von vornherein weisungsgemäß unter Vorbehalt der Präzedenz im Anschluß an das württembergische. Dennoch protestierten die übrigen evangeli-schen Gesandten, da sie die Zugehörigkeit der „Grafschaft“ Veldenz zum kur- und fürstlichen Haus Pfalz bezweifelten und den beanspruch-ten Rang hinter Pfalz-Zweibrücken nicht zugestehen wollten
Siehe Nr. 105 (S. 158 Z. 12–21, 25–33, S. 159 Z. 9f, 18–23, S. 160 Z. 3f, 8).
. Varnbü-ler führte deshalb das Pfalz-Veldenzer Votum weiterhin zusammen mit dem württembergischen. Es besteht kein Zusammenhang zwischen die-sem Präzedenzstreit und der sporadischen Benennung von Pfalz-Veldenz nach der Residenz Lauterecken, die auch sonst gelegentlich zur Bezeich-nung des Veldenzer Votums begegnet
. Die herzoglich sächsischen Ge-sandten hatten einen zusätzlichen Grund zum Protest, da sie die pfäl-zische Präzedenz vor Sachsen prinzipiell bestritten
. Pfalz-Veldenz war bei Abwesenheit Varnbülers nicht vertreten
Am 8. und 15. März 1646 (Nr. 110 und Nr. 115).
. Da im Sessionsschema der Plenarsitzungen vom 26. und 27. April sowohl Württemberg als auch Pfalz-Veldenz eingetragen sind
Siehe Abb. S. CXXXI, Position 20 und 21.
, wird Varnbüler Pfalz-Veldenz und der andere, sonst in Münster votierende württembergische Gesandte Burckhardt Württemberg vertreten haben. Am 3. Februar votierte hinter Württemberg BADEN-DURLACH, dessen Gesandter Merckelbach bis-lang meist in Münster gewesen war. Er fehlte nur einmal und ließ Lam-padius stellvertretend votieren
Siehe Nr. 118 (S. 399 Z. 38). Ungewiß ist wegen der summarischen Nennung der Votan-ten die Anwesenheit Baden-Durlachs am 16. Februar (wie oben Anm. 23).
. HESSEN-KASSEL war in Osnabrück durch Scheffer und Müldener vertreten. Am
3. Februar 1646 votierte Müldener wegen einer anderweitigen Verpflichtung Scheffers, während bei den späteren Sitzungen ungewiß bleibt, wer die Stimme führte und ob beide Gesandte zugegen waren
Zur Sitzung vom 3. Februar s.
[Nr. 95 Anm. 74] . Einmal erwähnt der hessen-kasselsche Votant seinen
collegen (s. Nr. 118 bei Anm. 41).
. Hessen-Kassel mußte als Betroffe-
[p. XLIX]
[scan. 49]
ner der Sitzung am 14. März gemäß den 1645 ausgehandelten Zulas-sungsbedingungen fernbleiben, da über die hessen-kasselschen
Gravamina und Postulata beraten wurde. Zur nächsten Sitzung wurden die Gesand-ten versehentlich nicht geladen; außerdem fehlte Hessen-Kassel noch viermal
Zum Ausschluß am 14. März s.
[Nr. 114 Anm. 29] , zur irrtümlichen Ausschließung am 15. März s. S. 354 Z. 15ff. Außerdem fehlte Hessen-Kassel am 5., 8., 12. und 13. März (Nr. 109, 110, 112, 113). Am 16. Februar ist die Teilnahme ungewiß (s. oben Anm. 23).
. Sein Versuch, auch den Ausschluß Hessen-Darmstadts am 14. März zu erwirken, mißlang
Siehe Nr. 114 bei Anm. 28.
. An den Plenarsitzungen nahmen sowohl Scheffer als Müldener teil
Der im Sessionsschema genannte hessen-kasselsche Sekundarges. muß Müldener gewesen sein (s.
[Nr. 119 Anm. 13] und die Abb. S. CXXXI, Position 28).
. HESSEN-DARMSTADT fehlte vom 3. Fe-bruar bis zu den Plenarsitzungen zweimal
Am 5. und 10. März (Nr. 109 und Nr. 111). Am 16. Februar ist die Teilnahme ungewiß (s. oben Anm. 23).
. Der Name des hessen-darmstädtischen Gesandten ist in den Protokollen nie genannt; vermut-lich votierte Sinold gen. Schütz in Osnabrück, da Wolff von Todtenwart im Frühjahr 1646 zumindest sporadisch in Münster bezeugt ist
. SACH-SEN-LAUENBURG war vom 3. Februar bis zum 5. März dauernd im Fürstenrat Osnabrück vertreten und fehlte dann siebenmal hinterein-ander, da sein Gesandter Gloxin in dieser Zeit als städtischer Deputierter in Münster weilte
Sachsen-Lauenburg fehlte im
FRO
vom 8. bis 17. März (s. Nr. 110–116). Am 16. Februar ist die Teilnahme ungewiß (s. oben Anm. 23).
. Schon am 3. Februar hatte Gloxin wegen einer gleichzeitigen Städteratssitzung nicht im Fürstenrat sein können, doch sein Votum auf den Mecklenburger Gesandten übertragen
. Auch in den Plenarsitzungen trat Gloxin als reichsstädtischer Gesandter auf, so daß Sachsen-Lauenburg formal nicht vertreten war
Siehe Nr. 119, Liste der vertretenen Reichsstände.
. ANHALT war nur einmal, am 21. Februar, im Fürstenrat nicht präsent. Sein Gesandter Milagius nahm zwar an insgesamt neun Sitzungen nicht teil, doch hatte er, von einer Ausnahme abgesehen, sein Votum stets Heher übertragen
Milagius fehlte am 3. Februar wegen Teilnahme an einer Deputation (s.
[Nr. 95 Anm. 81] ) und krankheitsbedingt in den Sitzungen vom 13. bis 28. Februar (Nr. 101–108). Zu seiner Krankheit s. Nr. 111 bei Anm. 95, zu seinem Verhältnis zu Heher s.
Brunert, in
APW III A 3/1, LXXX.
. Milagius war auch zur Führung von insgesamt drei fürstlich pfälzischen Stimmen bevollmächtigt, die bei seiner Abwesenheit nicht von Heher übernommen wurden. PFALZ-LAUTERN und PFALZ-SIMMERN wa-ren deshalb nur in den Sitzungen vom 5. bis 10. Februar und vom 5. März bis zu den Plenarsitzungen vertreten
Siehe Nr. 96–100, Nr. 109–118.
. Am 5. März 1646 führte Milagius erstmals auch die Stimme von PFALZ-ZWEIBRÜCKEN
. In
[p. L]
[scan. 50]
der Sitzordnung nahm er im Fürstenrat und in den Plenarsitzungen am 26. und 27. April auf der weltlichen Fürstenbank als pfälzischer Gesand-ter hinter Bayern die zweite Session ein
Zu den Plenarsitzungen s. Nr. 119, Liste der vertretenen Reichsstände; zur Session im
FR
s. den Bericht des Milagius an die Fürsten von Anhalt vom 28. Januar/7. Februar 1646 (
Krause V.2, 70–74, hier 71).
. Hinter dem Votum Anhalts folgte in den Sitzungen vom 3. Februar bis zum 17. März das der WET-TERAUER GRAFEN, die in sämtlichen Sitzungen und den Plenarver-sammlungen vertreten waren
Ihre Vertretung ist nur für den 16. Februar nicht gesichert, aber sehr wahrscheinlich (s. oben Anm. 23).
. Von den beiden offiziellen Bevollmäch-tigten des Wetterauer Grafenvereins führte normalerweise Geißel die Stimme; in der Sitzung vom 3. Februar votierte allerdings Heidfeld, da Geißel an einer Deputation teilnahm
. Für die übrigen Sitzungen ist an-zunehmen, daß beide Gesandte im Fürstenrat waren
Für den 17. April ist die Anwesenheit beider gesichert (Position 25 und 29 im Sessions-schema, s. Abb. S. CXXXI).
. Außer ihnen können weitere Bevollmächtigte einzelner Grafen, ohne zu votieren, teil-genommen haben. So ist die Anwesenheit Schrags (NASSAU-SAAR-BRÜCKEN) an der Sitzung am 17. April bezeugt, und in den Plenarsit-zungen war mit BENTHEIM-TECKLENBURG sogar ein Graf vertre-ten, der gar nicht dem Wetterauer Grafenverein angehörte
. Heidfeld votierte in der Sitzung vom 3. Februar auch stellvertretend für die FRÄNKISCHEN GRAFEN, deren Gesandter, Oelhafen von Schöllen-bach, einer gleichzeitigen Sitzung des Städterats beiwohnte
. Oelhafen nahm an den nächsten fünf Fürstenratssitzungen selbst teil und begab sich dann nach Münster
Sein Aufenthalt in Münster ist bezeugt für den 19. und 20. Februar und für den 29. und 31. März (s.
APW III A 6, 93 Z. 22, 96 Z. 18f, 143 Z. 6f, 147 Z. 22). Er fehlte im
FRO
in Nr. 101–116.
, so daß die Fränkischen Grafen vom 13. Fe-bruar bis zum 17. März nicht vertreten waren. An den letzten beiden Sitzungen und den Plenarversammlungen hat Oelhafen wieder teil-genommen
.
Die Zahl der Reichsstände im Fürstenrat Osnabrück schwankte in den Sitzungen vom 3. Februar bis zum 17. März zwischen 23 und
27
Nur 23 Reichsstände waren am 15. Februar und am 15. März vertreten (s. Nr. 103 und Nr. 115); 27 Reichsstände waren am 6., 8., 9. und 10. Februar und am 17. März vertreten (Nr. 97–100 und 116). Bei diesen Angaben ist Sachsen-Gotha mitgerechnet.
. Neu hinzu kamen in dieser Zeit nur die pfälzischen Stimmen: die von Pfalz-Simmern und -Lautern am 5. Februar, die von Pfalz-Veldenz am 19. Fe-bruar und die von Pfalz-Zweibrücken am 5. März
Siehe Nr. 96, 105 und 109.
. Die zeitweilige Ab-wesenheit Brandenburg-Kulmbachs, Sachsen-Lauenburgs, der Fränki-
[p. LI]
[scan. 51]
schen Grafen, Hessen-Kassels, Hessen-Darmstadts und Württembergs fiel insofern nicht ins Gewicht, als deren Gesandte in dieser Zeit im Fürstenrat Münster votierten oder dort ohnehin durch weitere Gesandte vertreten waren und die Stimmen aus den beiden Teilfürstenräten addiert wur-den
Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt und Württemberg hatten eigene
Ges.
in Münster. Zum Zusammenrechnen der im
FRM
und
FRO
abgelegten Voten s. unten S. LXVIIf.
. Aus diesem Grund wurde deren Mandat auch nicht vertretungs-weise auf einen anderen Gesandten in Osnabrück übertragen. Dagegen entfielen die pfälzischen Stimmen bei Abwesenheit Anhalts und Württem-bergs und die bayerische bei Abwesenheit Ernsts. Der Ausfall Bayerns war um so gravierender, als die katholischen Reichsstände vor dem 17. April 1646 im Fürstenrat Osnabrück ohnehin nur etwa ein Siebtel der dort ver-tretenen Reichsstände darstellten. Ihr Anteil fiel bei Abwesenheit Ernsts auf zwei Gesandte oder etwa ein Achtel
Etwas weniger als ein Achtel der im
FRO
vertretenen Reichsstände: Nr. 96; etwas mehr: Nr. 115 (beide Angaben unter Einbeziehung Sachsen-Gothas).
. Diese Situation änderte sich erst durch das Eintreffen weiterer Gesandter aus Münster im April 1646. Dadurch erhöhte sich in den letzten beiden Sitzungen vor den Plenarver-sammlungen die Zahl der Reichsstände im Fürstenrat Osnabrück auf 38 und die der katholischen Reichsstände auf 11, so daß deren Anteil auf fast ein Drittel stieg.
Von den Neuankömmlingen nahmen die Gesandten des Erzstifts SALZ-BURG den höchsten Rang ein. Wie auf Reichstagen beanspruchte das Erzstift die erste Session vor Österreich und fand sich mit einer alternie-renden Führung des Fürstenratsdirektoriums ab. Diese wurde auf dem Friedenskongreß wie auf Reichstagen flexibel gehandhabt
Siehe
Aulinger,
239; Nr. 117 bei Anm. 12.
. Die Salz-burger Gesandten übernahmen jedenfalls in Osnabrück in zwei aufein-anderfolgenden Sitzungen das Direktorium
. Gegen den Salzburger Vorsitz protestierte Magdeburg und erhielt damit seinen alten Anspruch auf Präzedenz aufrecht, erklärte sich aber bereit, bei den Friedensver-handlungen Salzburg den Vorrang einzuräumen
Siehe Nr. 117 bei Anm. 15; zum Anspruch Magdeburgs auf Präzedenz s.
[Nr. 95 Anm. 35] .
. Von den drei Salz-burger Gesandten hat nur Motzel nachweisbar an beiden Sitzungen teil-genommen. Er übernahm die Funktion des Fürstenratsdirektors und führte als Bevollmächtigter des Hochstifts FREISING auch dessen Vo-tum. Die beiden anderen Salzburger, Zauchenberger und Reiter, waren zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Osnabrück und haben wahrscheinlich auch an den Sitzungen teilgenommen, obwohl sie in den Protokollen nicht erwähnt sind
Siehe
[Nr. 117 Anm. 4] und 20. Da von den Salzburgern im Plural gesprochen wird, waren am 17. April mindestens zwei im
FRO
(S. 381 Z. 14). Nur ein Salzburger korrigierte am 19. April zusammen mit Richtersberger während der Sitzung den Correlationsentwurf (S. 407 Z. 12).
. Nachdem die Salzburger sich ihre Rechte für den
[p. LII]
[scan. 52]
Fall ihrer Abwesenheit vorbehalten hatten, reisten sie zurück nach Mün-ster und überließen die Wahrnehmung der Direktorialfunktionen im Fürstenrat Osnabrück wieder Österreich. Die übrigen Neuankömmlinge waren zur Teilnahme an den Gravaminaverhandlungen aus Münster an-gereist, die am 12. April 1646 in Osnabrück begonnen hatten
. So wur-den im Fürstenrat Osnabrück am 17. April 1646 erstmals die Voten für das Hochstift KONSTANZ und die Fürstabtei KEMPTEN (vertreten durch Köberlin), für die Fürstabtei CORVEY und die REICHSPRÄLA-TEN (vertreten durch Adami) und für die SCHWÄBISCHEN GRA-FEN (vertreten durch Leuxelring) abgelegt.
Auf evangelischer Seite waren nach langer Pause Brandenburg-Kulm-bach, Sachsen-Lauenburg und die Fränkischen Grafen wieder in Osna-brück vertreten; das brandenburg-ansbachische Votum wurde erstmals hier geführt
Siehe oben bei Anm. 15. Auch Müller, Gloxin und Oelhafen von Schöllenbach nahmen an den Gravaminaverhandlungen teil, Gloxin und Oelhafen als
Ges.
Lübecks und Nürn-bergs.
. Das Zusammentreffen der vier Kuriatstimmen hatte Aus-einandersetzungen um die Sitz- und Votierordnung zur Folge. Die Prä-laten standen unangefochten an der Spitze, doch war die Rangfolge unter den gräflichen Bevollmächtigten strittig. Wetterauer und Schwäbische Grafen alternierten, wobei die Wetterauer in der ersten gemeinsamen Sitzung unter vorsorglichem Protest der Schwäbischen Grafen den Vor-sitz einnahmen
. Die Fränkischen Grafen, die erst 1641 ihre endgültige Zulassung zum Reichstag erreicht hatten, versuchten vergeblich, an der Alternationsregelung teilzunehmen, und wurden auf die damals verein-barte letzte Stelle in der Sessionsordnung verwiesen
Siehe S. 384 Z. 7 – S. 385 Z. 12.
. In den Plenarver-sammlungen am 26. und 27. April 1646 hatte sich der Anteil der katho-lischen Bevollmächtigten nach der Abreise Salzburgs wieder reduziert. Das Sessionsschema
Siehe die Abb. S. CXXXI. Die weltliche Fürstenbank ist mit
K, die geistliche Fürstenbank ist mit
H, und der für den FR-Direktor vorgesehene Tisch ist mit
G bezeichnet.
zeigt die Dominanz der Evangelischen: Auf der weltlichen Fürstenbank, die sich (von der „Bühne“ an der Stirnwand aus gesehen) an der linken Wand entlangzog, saßen außer dem bayeri-schen Bevollmächtigten nur evangelische Gesandte. Auf der geistlichen Fürstenbank an der gegenüberliegenden Wand saßen nur vier Bevoll-mächtigte, an ihrer Spitze der Österreichische Fürstenratsdirektor. Da er hier Platz genommen hatte, blieb der für ihn vorgesehene Tisch des Für-stenratsdirektoriums unbenutzt. Auf der Bank der fürstlichen Sekundar-gesandten saßen nur Protestanten, so daß insgesamt 19 evangelischen Gesandten fünf katholische gegenüberstanden. Das Verhältnis zwischen den evangelischen und den katholischen Reichsständen sieht zwar mit
[p. LIII]
[scan. 53]
24 evangelischen gegenüber acht katholischen etwas günstiger aus, doch ist das Übergewicht auch hier mehr als deutlich
Die vertretenen Reichsstände sind im Sessionsschema nur zum Teil angegeben; es fehlen Basel, Kempten, Prälaten, Anhalt. Eine Einzelaufzählung der drei bzw. zwei Voten fehlt bei Braunschweig-Lüneburg und Mecklenburg. Brandenburg-Ansbach ist wahrscheinlich deshalb nicht genannt, weil Müller sich im
FRM
bei der gleichzeitigen Plenarversamm-lung vertreten ließ (s. das Protokoll in
StA
Bamberg Rep. B 33 Serie II Bd. 4, hier fol. 422), so daß eine seiner Stimmen dort gezählt worden sein wird. Ob bei der Umfrage im
FRO
am 27. April (s. Nr. 120, S. 418 Z. 14–17) überhaupt alle Stände ordnungsgemäß aufgerufen worden sind, bleibt ungewiß, da die Protokollanten aus akustischen Gründen nicht alle Voten verzeichnet haben.
. Für die Reichsdeputa-tion am Nachmittag des 27. April wurden zwar fürstlicherseits fünf ka-tholische und nur vier evangelische Deputierte nominiert
Siehe S. 431 Z. 9–13. Eigentlich waren es mit Sachsen-Altenburg, Braunschweig-Lüne-burg und dem Wetterauer Gf.enverein sogar nur drei Reichsstände (wenn man außer acht läßt, daß Lampadius im
FR
drei Stimmen führte), doch war der Wetterauer Gf. en-verein durch zwei
Ges.
vertreten. Das Übergewicht der kath. Reichsstände bei der Nomi-nierung ist von den ev. registriert worden (s. S. 434 Z. 25f).
, doch nahmen drei katholische nicht teil: der Würzburger Vorburg wegen eines Präze-denzstreits zwischen den Vorsitzenden der geistlichen und weltlichen Bank und die Gesandten der Prälaten und des Schwäbischen Grafenver-eins aus unbekannten Gründen
Sie waren nicht zum festgesetzten Zeitpunkt erschienen (s. S. 434 Z. 4f).
, so daß auch hier die Evangelischen das Übergewicht gewannen, indem nur Richtersberger und Ernst katholische Reichsstände repräsentierten, während die Evangelischen durch Thumbs-hirn, Lampadius, Geißel und Heidfeld vertreten waren.
Gemessen an der Gesamtzahl der Fürstenratsmitglieder auf dem Friedens-kongreß waren die katholischen Stände im Fürstenrat Osnabrück stark unterrepräsentiert: Im ganzen waren 78 Reichsfürstenstände auf dem Friedenskongreß vertreten, 48 katholische und 30 evangelische
Siehe die Aufstellung bei
Wolff, Corpus Evangelicorum, 209ff (Position 5–52) und 213f (Position 75–105, aber unter Zusammenziehung von Position 79 und 80, da Pfalz-Vel-denz und Lauterecken denselben Reichsstand meinen). Bei Übernahme dieser Zahlen bleibt unberücksichtigt, daß nicht alle Stände über den gesamten Zeitraum auf dem
WFK
vertreten waren.
. Somit stellten die Evangelischen ungefähr zwei Fünftel und die katholischen drei Fünftel aller Fürstenratsmitglieder auf dem Kongreß. In Osnabrück votierten zwischen Februar und April 1646 zwischen drei und elf katho-lische Reichsstände, so daß deren Anteil bezogen auf die Gesamtzahl der vertretenen Fürstenratsmitglieder zwischen 3,8 und 14,1 Prozent lag. Die evangelischen Fürstenratsmitglieder waren somit insgesamt auf dem West-fälischen Friedenskongreß deutlich in der Minderheit, verfügten aber in Osnabrück über eine sehr starke Mehrheit. Dennoch hatte sich ihre Situa-tion gegenüber den vorbereitenden Beratungen seit Juli 1645 grundlegend verschlechtert, denn bis Anfang Februar 1646 waren die Evangelischen im Fürstenrat Osnabrück unter sich gewesen und mußten sich nun auf die Anwesenheit katholischer Reichsstände einstellen, von denen bekannt
[p. LIV]
[scan. 54]
war, daß sie in wichtigen Fragen des künftigen Friedensschlusses andere Lösungen anstrebten als die evangelischen. Deren Gesandte hatten sich sorgfältig auf die neue Situation vorbereitet, indem sie sich über die jetzt zur Diskussion stehenden Friedensvorschläge bereits eine Meinung gebil-det und diese schriftlich fixiert hatten. Im Fürstenrat wurden diese Ab-sprachen und die sich daraus ergebende Parteibildung der Evangelischen bald evident.