Acta Pacis Westphalicae III A 3,3 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 3. Teil: 1646 / Maria-Elisabeth Brunert
A Der Fürstenrat Osnabrück vom Beginn der Hauptberatungen bis zur Übergabe der
Bedenken der drei Reichsräte am 27. April 1646
Der vorliegende Band enthält die Protokolle von 24 Sitzungen des Für-stenrats Osnabrück, zwei Plenarsitzungen der Osnabrücker Reichsstände und einer Reichsdeputation; er umfaßt den Zeitraum vom 3. Februar bis zum 27. April 1646. In dieser Phase beriet der Fürstenrat Osnabrück in Zusammenarbeit mit dem Fürstenrat Münster über die Gesamtfriedens-vorschläge des Kaisers, Schwedens und Frankreichs mit dem Ziel, gemein-sam mit Kurfürstenrat und Städterat ein Gutachten für den Kaiser zu er-stellen. Die kaiserlichen Gesandten benötigten das reichsständische Gut-achten, um die kaiserlichen Dupliken an Schweden und Frankreich auf-zusetzen. Die Reichskurien teilten sich ihre Beratungsergebnisse in den Plenarsitzungen am 26. und 27. April gegenseitig mit. Anschließend über-
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[scan. 45]
gab eine Reichsdeputation die drei
Bedenken der Reichskurien den kaiser-lichen Gesandten. Damit endet ein wichtiger Abschnitt in den Beratungen des Fürstenrats Osnabrück und daher auch dieser dritte Teilband der Für-stenratsprotokolle.
I. Die Zusammensetzung des Fürstenrats Osnabrück von Februar bis April 1646
Der Fürstenrat Osnabrück tagte mit Beginn der Hauptberatungen am 3. Februar 1646 erstmals unter Einbeziehung katholischer Reichsstände, wie es im September 1645 mit dem Fürstenrat Münster vereinbart worden war
Siehe das Conclusum des
FRM
über den Verhandlungsmodus von 1645 IX 4 (
Meiern I, 587
ff, hier 588 Punkt 6–10) und die zustimmende Beratung im
FRO
am 12. September 1646 (
APW III A 3/1 Nr. 10). Einen Überblick über die vom 3. Februar bis zum 27. April 1646 im
FRO
geführten Voten gibt die Übersicht in der Einstecktasche.
. Von den 26 Reichsständen, die am 3. Februar im Fürstenrat Osna-brück votierten, waren vier katholisch: ÖSTERREICH, das als höchst-rangiger Reichsstand auf der geistlichen Fürstenbank das erste Votum und das Fürstenratsdirektorium führte, BAYERN, das als höchstrangiger Reichsstand auf der weltlichen Fürstenbank das zweite Votum führte, so-wie die Hochstifte WÜRZBURG und BASEL. Österreich und Bayern wurden jeweils durch einen eigenen Bevollmächtigten (Richtersberger bzw. Ernst) vertreten, während der Gesandte Vorburg sowohl für Würz-burg als auch für Basel votierte. Derartige Mehrfachbevollmächtigungen wurden meist aus Gründen der Kostenersparnis
vorgenommen und hat-ten zur Folge, daß die Zahl der vertretenen Reichsstände größer war als die der Gesandten. Diese wurden, sofern sie mehrere Stimmen führten, mehrfach aufgerufen. In der Regel nahmen sie die Session des ranghöch-sten Reichsstandes ein, für den sie bevollmächtigt waren, so daß Vorburg auf dem Platz Würzburgs saß. Die Reichsstände der geistlichen und welt-lichen Bank wechselten beim Votieren einander ab und folgten damit, wie auch bei der Sitzordnung, dem auf Reichstagen üblichen Modus
Zum herkömmlichen Wechsel zwischen geistlicher und weltlicher Bank s. Nr. 96 bei Anm. 20.
. In eini-gen Fällen war die Reihenfolge von Session und Votum umstritten. So wurde der Vorsitz Bayerns auf der weltlichen Bank von den sächsischen und pfälzischen Gesandten angefochten
Protest der sächsischen
Ges.
namens des Gesamthauses gegen die bay. Präzedenz: s. S. 11 Z. 30–33, S. 12 Z. 1–5, 18–21, S. 13 Z. 3; Protest Pfalz-Lauterns gegen Bayern: s. Nr. 96 bei Anm. 13. Pfalz-Veldenz, das aus anderen Gründen vorbehaltlich seiner Rechte nach Würt-temberg votierte, behielt sich allgemein die Präzedenz vor (s. S. 158 Z. 3ff). Ein eigener Protest Pfalz-Zweibrückens ist nicht überliefert.
. Die Zahl der katholischen Reichsstände blieb, von zwei Ausnahmen abgesehen, im Februar und März konstant: Österreich, Würzburg und Basel nahmen an allen 22 Sit-zungen teil, während Bayern am 5. Februar und 15. März fehlte.
[p. XLVI]
[scan. 46]
Von den 22 evangelischen Reichsständen, die an der Sitzung vom 3. Fe-bruar teilnahmen, hatten alle schon bei den vorbereitenden Beratungen seit Ende Juli 1645 dauernd oder zeitweise im Fürstenrat Osnabrück vo-tiert
Protokolle dieser Sitzungen in
APW III A 3/1 und 3/2; zur Zusammensetzung des
FRO
vom 28. Juli 1645 bis 2. Februar 1646 und zu den einzelnen
Ges.
s.
Brunert, in
APW III A 3/1, LXXVIII–XC; zum Charakter dieser Sitzungen s.
ebenda, LXXIII–LXXVIII.
. Das evangelisch administrierte Erzstift MAGDEBURG, um dessen Zulassung 1645 monatelang gerungen worden war
Siehe dazu
Brunert,
in APW
III A 3/1, LXI–LXV, LXVIII.
, nahm nach anfäng-licher Unsicherheit
Siehe S. 29f Z. 17–25, 1–26.
den vierten Rang in der Sessionsordnung ein und war damit meist der erste evangelische Votant. Nur bei Abwesenheit Bayerns votierte Pfalz-Lautern vor dem Magdeburger Gesandten Krull
. Dieser hatte seinen Sitz gemäß einer Vereinbarung vom Dezember 1645 zwi-schen geistlicher und weltlicher Bank
; er nahm an allen Sitzungen teil. Dasselbe gilt für Thumbshirn (SACHSEN-ALTENBURG), während Carpzov (SACHSEN-COBURG) in der Plenarsitzung am 27. April fehl-te. Thumbshirn führte einmal stellvertretend die drei Voten Braun-schweig-Lüneburgs
Am 17. April 1646 (s. Nr. 117). Zum Fehlen Carpzovs am 27. April s.
[Nr. 120 Anm. 7] .
. Auch Heher, der Bevollmächtigte der Herzöge von Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha, nahm an allen Sitzungen teil. Über die Zahl seiner Voten liegen widersprüchliche Angaben vor: Während das Protokoll der evangelischen Reichsstände in der Sitzung vom 3. Februar nur zwei, in den folgenden Sitzungen aber drei Voten, und zwar für SACHSEN-WEIMAR, SACHSEN-GOTHA und SACHSEN-EISEN-ACH, anführt, nennt das Protokoll des österreichischen Direktoriums ge-mäß der herkömmlichen Zählung auf Reichstagen nur Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach als vertretene Reichsstände
Zur Sitzung vom 3. Februar 1646 s. Nr. 95 bei Anm. 46. Besonders deutlich ist die Zäh-lung der Voten in Nr. 105:
pro voto triplici (s. S. 156 Z. 35). Zur Zählung der Voten im öst. Protokoll s. Nr. 101a und zu den unterschiedlichen Protokollüberlieferungen unten S. CIIf.
. Seit dem letzten Reichstag 1640/41 war es jedoch durch mehrere Erbfälle zu einer Neuauf-teilung der sächsischen Fürstentümer gekommen, und die Herzöge Wil-helm von Sachsen-Weimar und Ernst von Sachsen-Gotha hatten ihrem gemeinsamen Gesandten Heher drei Vollmachten, jeweils gesondert für Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha und Sachsen-Eisenach, mitgegeben, die vom Reichsdirektorium akzeptiert worden sind
Siehe die Ausf.en von 1645 VI 9[/19] in:
HHStA
MEA
FrA
Fasz.
6 [32] unfol. Die Voll-macht für Sachsen-Eisenach wurde von Hg. Wilhelm von Sachsen-Weimar und Hg. Ernst von Sachsen-Gotha gemeinsam ausgefertigt, da sie dieses Votum gemeinsam führten (s. dazu
APW III A 3/1
[Nr. 6 Anm. 9] ). Zur Akzeptanz der Vertretung Sachsen-Gothas auf dem
WFK
s. Gregor
Richter, Vertretung.
. Dennoch hat das Für-
[p. XLVII]
[scan. 47]
stenratsdirektorium nur zwei Voten gezählt
Das zeigt neben dem öst. Protokoll auch die Votenzählung der
FRO
-Sitzung von 1646 II 8 auf dem Rand des Protokolls der
FRM
-Sitzung von 1646 II 10 (s.
StA
Bamberg Rep. B 33 Serie II Bd. 4 fol. 216). Nach dem
WFK
haben die Hg.e von Sachsen-Weimar und -Gotha drei Stimmen geführt (s.
Sammlung III, 682;
Moser XXXIV, 292;
Domke, 96).
. In den Protokollen findet sich dazu kein Kommentar, auch kein Protest Hehers.
In der Sitzung vom 3. Februar votierte nach Heher BRANDENBURG-KULMBACH, dessen Gesandter Müller jedoch nur vorübergehend in Osnabrück weilte und schon an der nächsten Sitzung nicht mehr teil-nahm. Er kehrte erst im April 1646 aus Münster zurück und nahm in Osnabrück an den letzten beiden Sitzungen vor den Plenarversammlun-gen am 26. und 27. April teil
. Nun votierte er auch für BRANDEN-BURG-ANSBACH, dessen Vollmacht er am 8. Februar 1646 eingereicht hatte
. Lampadius, der für BRAUNSCHWEIG-CELLE, -GRUBEN-HAGEN und -CALENBERG votierte, fehlte nur einmal und übertrug seine Stimme für diese Sitzung Thumbshirn
Siehe oben Anm. 10. Zur Reihenfolge der braunschweig-lüneburgischen Voten s.
[Nr. 95 Anm. 57] .
. Er selbst votierte einmal stellvertretend für Mecklenburg-Schwerin und -Güstrow sowie für Ba-den-Durlach
Am 19. April (s. Nr. 118).
und nahm auch an den Plenarsitzungen teil. POM-MERN-STETTIN und POMMERN-WOLGAST waren ebenfalls vom 3. Februar bis zu den Plenarsitzungen immer vertreten. In der ersten Sitzung votierte ausnahmsweise Fromhold, der dann nach Münster wech-selte; fortan führte Wesenbeck die beiden pommerschen Stimmen
Zu Fromhold s.
[Nr. 95 Anm. 21] ; Nr. 96 bei Anm. 33. Wesenbeck wird in zwei Protokollen namentlich genannt (s. S. 184 Z. 37, S. 386 Z. 20).
. An den Plenarsitzungen nahm er zwar teil, jedoch als kurfürstlicher Sekun-dargesandter
, so daß Pommern formal nicht vertreten war. Wesenbeck führte zweimal stellvertretend die beiden Mecklenburger Stimmen und wechselte sich gemäß einer mühsam ausgehandelten Interimslösung in der Reihenfolge des Votierens mit den Gesandten Württembergs, Hes-sens, Mecklenburgs und Baden-Durlachs ab
Siehe Nr. 95 bei Anm. 22. Die beiden hessischen und mecklenburgischen Voten wurden dabei immer hintereinander geführt.
. In der Sitzung vom 3. Fe-bruar folgten auf Pommern MECKLENBURG-SCHWERIN und MECKLENBURG-GÜSTROW, die durch den gemeinsamen Gesandten Kayser vertreten wurden. Mecklenburg war in allen Sitzungen und in den Plenarversammlungen vertreten, doch wurden die beiden Voten zweimal ersatzweise von Wesenbeck und einmal von Lampadius geführt; einmal votierte Kayser selbst stellvertretend für Sachsen-Lauenburg und einmal für Baden-Durlach, dessen Gesandter die Sitzung vorzeitig ver-
[p. XLVIII]
[scan. 48]
lassen hatte
Siehe Nr. 95 (S. 23 Z. 8f): Votum für Sachsen-Lauenburg; Nr. 115 bei Anm. 63: Votum für Baden-Durlach. Ersatzweises Votieren durch Wesenbeck: s. Nr. 107, 117; durch Lampa-dius: s. Nr. 118.
. WÜRTTEMBERG war nun, nach vorläufiger Beilegung der Sessionsstreitigkeiten, dauernd in Osnabrück vertreten. Sein Bevoll-mächtigter Varnbüler fehlte dreimal; in einem Fall votierte der Österrei-chische Direktor in einer Umfrage für ihn
Württemberg fehlte am 15. Februar und am 8. und 15. März (Nr. 103, 110, 115) und wurde am 8. März in der ersten Umfrage durch Richtersberger vertreten.
. Bei der Sitzung am 16. Fe-bruar muß offenbleiben, ob Württemberg teilnahm, weil das Protokoll einige Voten nur summarisch nennt
. Varnbüler führte seit dem 19. Fe-bruar 1646 auch das Votum von PFALZ-VELDENZ, und zwar von vornherein weisungsgemäß unter Vorbehalt der Präzedenz im Anschluß an das württembergische. Dennoch protestierten die übrigen evangeli-schen Gesandten, da sie die Zugehörigkeit der „Grafschaft“ Veldenz zum kur- und fürstlichen Haus Pfalz bezweifelten und den beanspruch-ten Rang hinter Pfalz-Zweibrücken nicht zugestehen wollten
Siehe Nr. 105 (S. 158 Z. 12–21, 25–33, S. 159 Z. 9f, 18–23, S. 160 Z. 3f, 8).
. Varnbü-ler führte deshalb das Pfalz-Veldenzer Votum weiterhin zusammen mit dem württembergischen. Es besteht kein Zusammenhang zwischen die-sem Präzedenzstreit und der sporadischen Benennung von Pfalz-Veldenz nach der Residenz Lauterecken, die auch sonst gelegentlich zur Bezeich-nung des Veldenzer Votums begegnet
. Die herzoglich sächsischen Ge-sandten hatten einen zusätzlichen Grund zum Protest, da sie die pfäl-zische Präzedenz vor Sachsen prinzipiell bestritten
. Pfalz-Veldenz war bei Abwesenheit Varnbülers nicht vertreten
Am 8. und 15. März 1646 (Nr. 110 und Nr. 115).
. Da im Sessionsschema der Plenarsitzungen vom 26. und 27. April sowohl Württemberg als auch Pfalz-Veldenz eingetragen sind
Siehe Abb. S. CXXXI, Position 20 und 21.
, wird Varnbüler Pfalz-Veldenz und der andere, sonst in Münster votierende württembergische Gesandte Burckhardt Württemberg vertreten haben. Am 3. Februar votierte hinter Württemberg BADEN-DURLACH, dessen Gesandter Merckelbach bis-lang meist in Münster gewesen war. Er fehlte nur einmal und ließ Lam-padius stellvertretend votieren
Siehe Nr. 118 (S. 399 Z. 38). Ungewiß ist wegen der summarischen Nennung der Votan-ten die Anwesenheit Baden-Durlachs am 16. Februar (wie oben Anm. 23).
. HESSEN-KASSEL war in Osnabrück durch Scheffer und Müldener vertreten. Am
3. Februar 1646 votierte Müldener wegen einer anderweitigen Verpflichtung Scheffers, während bei den späteren Sitzungen ungewiß bleibt, wer die Stimme führte und ob beide Gesandte zugegen waren
Zur Sitzung vom 3. Februar s.
[Nr. 95 Anm. 74] . Einmal erwähnt der hessen-kasselsche Votant seinen
collegen (s. Nr. 118 bei Anm. 41).
. Hessen-Kassel mußte als Betroffe-
[p. XLIX]
[scan. 49]
ner der Sitzung am 14. März gemäß den 1645 ausgehandelten Zulas-sungsbedingungen fernbleiben, da über die hessen-kasselschen
Gravamina und Postulata beraten wurde. Zur nächsten Sitzung wurden die Gesand-ten versehentlich nicht geladen; außerdem fehlte Hessen-Kassel noch viermal
Zum Ausschluß am 14. März s.
[Nr. 114 Anm. 29] , zur irrtümlichen Ausschließung am 15. März s. S. 354 Z. 15ff. Außerdem fehlte Hessen-Kassel am 5., 8., 12. und 13. März (Nr. 109, 110, 112, 113). Am 16. Februar ist die Teilnahme ungewiß (s. oben Anm. 23).
. Sein Versuch, auch den Ausschluß Hessen-Darmstadts am 14. März zu erwirken, mißlang
Siehe Nr. 114 bei Anm. 28.
. An den Plenarsitzungen nahmen sowohl Scheffer als Müldener teil
Der im Sessionsschema genannte hessen-kasselsche Sekundarges. muß Müldener gewesen sein (s.
[Nr. 119 Anm. 13] und die Abb. S. CXXXI, Position 28).
. HESSEN-DARMSTADT fehlte vom 3. Fe-bruar bis zu den Plenarsitzungen zweimal
Am 5. und 10. März (Nr. 109 und Nr. 111). Am 16. Februar ist die Teilnahme ungewiß (s. oben Anm. 23).
. Der Name des hessen-darmstädtischen Gesandten ist in den Protokollen nie genannt; vermut-lich votierte Sinold gen. Schütz in Osnabrück, da Wolff von Todtenwart im Frühjahr 1646 zumindest sporadisch in Münster bezeugt ist
. SACH-SEN-LAUENBURG war vom 3. Februar bis zum 5. März dauernd im Fürstenrat Osnabrück vertreten und fehlte dann siebenmal hinterein-ander, da sein Gesandter Gloxin in dieser Zeit als städtischer Deputierter in Münster weilte
Sachsen-Lauenburg fehlte im
FRO
vom 8. bis 17. März (s. Nr. 110–116). Am 16. Februar ist die Teilnahme ungewiß (s. oben Anm. 23).
. Schon am 3. Februar hatte Gloxin wegen einer gleichzeitigen Städteratssitzung nicht im Fürstenrat sein können, doch sein Votum auf den Mecklenburger Gesandten übertragen
. Auch in den Plenarsitzungen trat Gloxin als reichsstädtischer Gesandter auf, so daß Sachsen-Lauenburg formal nicht vertreten war
Siehe Nr. 119, Liste der vertretenen Reichsstände.
. ANHALT war nur einmal, am 21. Februar, im Fürstenrat nicht präsent. Sein Gesandter Milagius nahm zwar an insgesamt neun Sitzungen nicht teil, doch hatte er, von einer Ausnahme abgesehen, sein Votum stets Heher übertragen
Milagius fehlte am 3. Februar wegen Teilnahme an einer Deputation (s.
[Nr. 95 Anm. 81] ) und krankheitsbedingt in den Sitzungen vom 13. bis 28. Februar (Nr. 101–108). Zu seiner Krankheit s. Nr. 111 bei Anm. 95, zu seinem Verhältnis zu Heher s.
Brunert, in
APW III A 3/1, LXXX.
. Milagius war auch zur Führung von insgesamt drei fürstlich pfälzischen Stimmen bevollmächtigt, die bei seiner Abwesenheit nicht von Heher übernommen wurden. PFALZ-LAUTERN und PFALZ-SIMMERN wa-ren deshalb nur in den Sitzungen vom 5. bis 10. Februar und vom 5. März bis zu den Plenarsitzungen vertreten
Siehe Nr. 96–100, Nr. 109–118.
. Am 5. März 1646 führte Milagius erstmals auch die Stimme von PFALZ-ZWEIBRÜCKEN
. In
[p. L]
[scan. 50]
der Sitzordnung nahm er im Fürstenrat und in den Plenarsitzungen am 26. und 27. April auf der weltlichen Fürstenbank als pfälzischer Gesand-ter hinter Bayern die zweite Session ein
Zu den Plenarsitzungen s. Nr. 119, Liste der vertretenen Reichsstände; zur Session im
FR
s. den Bericht des Milagius an die Fürsten von Anhalt vom 28. Januar/7. Februar 1646 (
Krause V.2, 70–74, hier 71).
. Hinter dem Votum Anhalts folgte in den Sitzungen vom 3. Februar bis zum 17. März das der WET-TERAUER GRAFEN, die in sämtlichen Sitzungen und den Plenarver-sammlungen vertreten waren
Ihre Vertretung ist nur für den 16. Februar nicht gesichert, aber sehr wahrscheinlich (s. oben Anm. 23).
. Von den beiden offiziellen Bevollmäch-tigten des Wetterauer Grafenvereins führte normalerweise Geißel die Stimme; in der Sitzung vom 3. Februar votierte allerdings Heidfeld, da Geißel an einer Deputation teilnahm
. Für die übrigen Sitzungen ist an-zunehmen, daß beide Gesandte im Fürstenrat waren
Für den 17. April ist die Anwesenheit beider gesichert (Position 25 und 29 im Sessions-schema, s. Abb. S. CXXXI).
. Außer ihnen können weitere Bevollmächtigte einzelner Grafen, ohne zu votieren, teil-genommen haben. So ist die Anwesenheit Schrags (NASSAU-SAAR-BRÜCKEN) an der Sitzung am 17. April bezeugt, und in den Plenarsit-zungen war mit BENTHEIM-TECKLENBURG sogar ein Graf vertre-ten, der gar nicht dem Wetterauer Grafenverein angehörte
. Heidfeld votierte in der Sitzung vom 3. Februar auch stellvertretend für die FRÄNKISCHEN GRAFEN, deren Gesandter, Oelhafen von Schöllen-bach, einer gleichzeitigen Sitzung des Städterats beiwohnte
. Oelhafen nahm an den nächsten fünf Fürstenratssitzungen selbst teil und begab sich dann nach Münster
Sein Aufenthalt in Münster ist bezeugt für den 19. und 20. Februar und für den 29. und 31. März (s.
APW III A 6, 93 Z. 22, 96 Z. 18f, 143 Z. 6f, 147 Z. 22). Er fehlte im
FRO
in Nr. 101–116.
, so daß die Fränkischen Grafen vom 13. Fe-bruar bis zum 17. März nicht vertreten waren. An den letzten beiden Sitzungen und den Plenarversammlungen hat Oelhafen wieder teil-genommen
.
Die Zahl der Reichsstände im Fürstenrat Osnabrück schwankte in den Sitzungen vom 3. Februar bis zum 17. März zwischen 23 und
27
Nur 23 Reichsstände waren am 15. Februar und am 15. März vertreten (s. Nr. 103 und Nr. 115); 27 Reichsstände waren am 6., 8., 9. und 10. Februar und am 17. März vertreten (Nr. 97–100 und 116). Bei diesen Angaben ist Sachsen-Gotha mitgerechnet.
. Neu hinzu kamen in dieser Zeit nur die pfälzischen Stimmen: die von Pfalz-Simmern und -Lautern am 5. Februar, die von Pfalz-Veldenz am 19. Fe-bruar und die von Pfalz-Zweibrücken am 5. März
Siehe Nr. 96, 105 und 109.
. Die zeitweilige Ab-wesenheit Brandenburg-Kulmbachs, Sachsen-Lauenburgs, der Fränki-
[p. LI]
[scan. 51]
schen Grafen, Hessen-Kassels, Hessen-Darmstadts und Württembergs fiel insofern nicht ins Gewicht, als deren Gesandte in dieser Zeit im Fürstenrat Münster votierten oder dort ohnehin durch weitere Gesandte vertreten waren und die Stimmen aus den beiden Teilfürstenräten addiert wur-den
Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt und Württemberg hatten eigene
Ges.
in Münster. Zum Zusammenrechnen der im
FRM
und
FRO
abgelegten Voten s. unten S. LXVIIf.
. Aus diesem Grund wurde deren Mandat auch nicht vertretungs-weise auf einen anderen Gesandten in Osnabrück übertragen. Dagegen entfielen die pfälzischen Stimmen bei Abwesenheit Anhalts und Württem-bergs und die bayerische bei Abwesenheit Ernsts. Der Ausfall Bayerns war um so gravierender, als die katholischen Reichsstände vor dem 17. April 1646 im Fürstenrat Osnabrück ohnehin nur etwa ein Siebtel der dort ver-tretenen Reichsstände darstellten. Ihr Anteil fiel bei Abwesenheit Ernsts auf zwei Gesandte oder etwa ein Achtel
Etwas weniger als ein Achtel der im
FRO
vertretenen Reichsstände: Nr. 96; etwas mehr: Nr. 115 (beide Angaben unter Einbeziehung Sachsen-Gothas).
. Diese Situation änderte sich erst durch das Eintreffen weiterer Gesandter aus Münster im April 1646. Dadurch erhöhte sich in den letzten beiden Sitzungen vor den Plenarver-sammlungen die Zahl der Reichsstände im Fürstenrat Osnabrück auf 38 und die der katholischen Reichsstände auf 11, so daß deren Anteil auf fast ein Drittel stieg.
Von den Neuankömmlingen nahmen die Gesandten des Erzstifts SALZ-BURG den höchsten Rang ein. Wie auf Reichstagen beanspruchte das Erzstift die erste Session vor Österreich und fand sich mit einer alternie-renden Führung des Fürstenratsdirektoriums ab. Diese wurde auf dem Friedenskongreß wie auf Reichstagen flexibel gehandhabt
Siehe
Aulinger,
239; Nr. 117 bei Anm. 12.
. Die Salz-burger Gesandten übernahmen jedenfalls in Osnabrück in zwei aufein-anderfolgenden Sitzungen das Direktorium
. Gegen den Salzburger Vorsitz protestierte Magdeburg und erhielt damit seinen alten Anspruch auf Präzedenz aufrecht, erklärte sich aber bereit, bei den Friedensver-handlungen Salzburg den Vorrang einzuräumen
Siehe Nr. 117 bei Anm. 15; zum Anspruch Magdeburgs auf Präzedenz s.
[Nr. 95 Anm. 35] .
. Von den drei Salz-burger Gesandten hat nur Motzel nachweisbar an beiden Sitzungen teil-genommen. Er übernahm die Funktion des Fürstenratsdirektors und führte als Bevollmächtigter des Hochstifts FREISING auch dessen Vo-tum. Die beiden anderen Salzburger, Zauchenberger und Reiter, waren zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Osnabrück und haben wahrscheinlich auch an den Sitzungen teilgenommen, obwohl sie in den Protokollen nicht erwähnt sind
Siehe
[Nr. 117 Anm. 4] und 20. Da von den Salzburgern im Plural gesprochen wird, waren am 17. April mindestens zwei im
FRO
(S. 381 Z. 14). Nur ein Salzburger korrigierte am 19. April zusammen mit Richtersberger während der Sitzung den Correlationsentwurf (S. 407 Z. 12).
. Nachdem die Salzburger sich ihre Rechte für den
[p. LII]
[scan. 52]
Fall ihrer Abwesenheit vorbehalten hatten, reisten sie zurück nach Mün-ster und überließen die Wahrnehmung der Direktorialfunktionen im Fürstenrat Osnabrück wieder Österreich. Die übrigen Neuankömmlinge waren zur Teilnahme an den Gravaminaverhandlungen aus Münster an-gereist, die am 12. April 1646 in Osnabrück begonnen hatten
. So wur-den im Fürstenrat Osnabrück am 17. April 1646 erstmals die Voten für das Hochstift KONSTANZ und die Fürstabtei KEMPTEN (vertreten durch Köberlin), für die Fürstabtei CORVEY und die REICHSPRÄLA-TEN (vertreten durch Adami) und für die SCHWÄBISCHEN GRA-FEN (vertreten durch Leuxelring) abgelegt.
Auf evangelischer Seite waren nach langer Pause Brandenburg-Kulm-bach, Sachsen-Lauenburg und die Fränkischen Grafen wieder in Osna-brück vertreten; das brandenburg-ansbachische Votum wurde erstmals hier geführt
Siehe oben bei Anm. 15. Auch Müller, Gloxin und Oelhafen von Schöllenbach nahmen an den Gravaminaverhandlungen teil, Gloxin und Oelhafen als
Ges.
Lübecks und Nürn-bergs.
. Das Zusammentreffen der vier Kuriatstimmen hatte Aus-einandersetzungen um die Sitz- und Votierordnung zur Folge. Die Prä-laten standen unangefochten an der Spitze, doch war die Rangfolge unter den gräflichen Bevollmächtigten strittig. Wetterauer und Schwäbische Grafen alternierten, wobei die Wetterauer in der ersten gemeinsamen Sitzung unter vorsorglichem Protest der Schwäbischen Grafen den Vor-sitz einnahmen
. Die Fränkischen Grafen, die erst 1641 ihre endgültige Zulassung zum Reichstag erreicht hatten, versuchten vergeblich, an der Alternationsregelung teilzunehmen, und wurden auf die damals verein-barte letzte Stelle in der Sessionsordnung verwiesen
Siehe S. 384 Z. 7 – S. 385 Z. 12.
. In den Plenarver-sammlungen am 26. und 27. April 1646 hatte sich der Anteil der katho-lischen Bevollmächtigten nach der Abreise Salzburgs wieder reduziert. Das Sessionsschema
Siehe die Abb. S. CXXXI. Die weltliche Fürstenbank ist mit
K, die geistliche Fürstenbank ist mit
H, und der für den FR-Direktor vorgesehene Tisch ist mit
G bezeichnet.
zeigt die Dominanz der Evangelischen: Auf der weltlichen Fürstenbank, die sich (von der „Bühne“ an der Stirnwand aus gesehen) an der linken Wand entlangzog, saßen außer dem bayeri-schen Bevollmächtigten nur evangelische Gesandte. Auf der geistlichen Fürstenbank an der gegenüberliegenden Wand saßen nur vier Bevoll-mächtigte, an ihrer Spitze der Österreichische Fürstenratsdirektor. Da er hier Platz genommen hatte, blieb der für ihn vorgesehene Tisch des Für-stenratsdirektoriums unbenutzt. Auf der Bank der fürstlichen Sekundar-gesandten saßen nur Protestanten, so daß insgesamt 19 evangelischen Gesandten fünf katholische gegenüberstanden. Das Verhältnis zwischen den evangelischen und den katholischen Reichsständen sieht zwar mit
[p. LIII]
[scan. 53]
24 evangelischen gegenüber acht katholischen etwas günstiger aus, doch ist das Übergewicht auch hier mehr als deutlich
Die vertretenen Reichsstände sind im Sessionsschema nur zum Teil angegeben; es fehlen Basel, Kempten, Prälaten, Anhalt. Eine Einzelaufzählung der drei bzw. zwei Voten fehlt bei Braunschweig-Lüneburg und Mecklenburg. Brandenburg-Ansbach ist wahrscheinlich deshalb nicht genannt, weil Müller sich im
FRM
bei der gleichzeitigen Plenarversamm-lung vertreten ließ (s. das Protokoll in
StA
Bamberg Rep. B 33 Serie II Bd. 4, hier fol. 422), so daß eine seiner Stimmen dort gezählt worden sein wird. Ob bei der Umfrage im
FRO
am 27. April (s. Nr. 120, S. 418 Z. 14–17) überhaupt alle Stände ordnungsgemäß aufgerufen worden sind, bleibt ungewiß, da die Protokollanten aus akustischen Gründen nicht alle Voten verzeichnet haben.
. Für die Reichsdeputa-tion am Nachmittag des 27. April wurden zwar fürstlicherseits fünf ka-tholische und nur vier evangelische Deputierte nominiert
Siehe S. 431 Z. 9–13. Eigentlich waren es mit Sachsen-Altenburg, Braunschweig-Lüne-burg und dem Wetterauer Gf.enverein sogar nur drei Reichsstände (wenn man außer acht läßt, daß Lampadius im
FR
drei Stimmen führte), doch war der Wetterauer Gf. en-verein durch zwei
Ges.
vertreten. Das Übergewicht der kath. Reichsstände bei der Nomi-nierung ist von den ev. registriert worden (s. S. 434 Z. 25f).
, doch nahmen drei katholische nicht teil: der Würzburger Vorburg wegen eines Präze-denzstreits zwischen den Vorsitzenden der geistlichen und weltlichen Bank und die Gesandten der Prälaten und des Schwäbischen Grafenver-eins aus unbekannten Gründen
Sie waren nicht zum festgesetzten Zeitpunkt erschienen (s. S. 434 Z. 4f).
, so daß auch hier die Evangelischen das Übergewicht gewannen, indem nur Richtersberger und Ernst katholische Reichsstände repräsentierten, während die Evangelischen durch Thumbs-hirn, Lampadius, Geißel und Heidfeld vertreten waren.
Gemessen an der Gesamtzahl der Fürstenratsmitglieder auf dem Friedens-kongreß waren die katholischen Stände im Fürstenrat Osnabrück stark unterrepräsentiert: Im ganzen waren 78 Reichsfürstenstände auf dem Friedenskongreß vertreten, 48 katholische und 30 evangelische
Siehe die Aufstellung bei
Wolff, Corpus Evangelicorum, 209ff (Position 5–52) und 213f (Position 75–105, aber unter Zusammenziehung von Position 79 und 80, da Pfalz-Vel-denz und Lauterecken denselben Reichsstand meinen). Bei Übernahme dieser Zahlen bleibt unberücksichtigt, daß nicht alle Stände über den gesamten Zeitraum auf dem
WFK
vertreten waren.
. Somit stellten die Evangelischen ungefähr zwei Fünftel und die katholischen drei Fünftel aller Fürstenratsmitglieder auf dem Kongreß. In Osnabrück votierten zwischen Februar und April 1646 zwischen drei und elf katho-lische Reichsstände, so daß deren Anteil bezogen auf die Gesamtzahl der vertretenen Fürstenratsmitglieder zwischen 3,8 und 14,1 Prozent lag. Die evangelischen Fürstenratsmitglieder waren somit insgesamt auf dem West-fälischen Friedenskongreß deutlich in der Minderheit, verfügten aber in Osnabrück über eine sehr starke Mehrheit. Dennoch hatte sich ihre Situa-tion gegenüber den vorbereitenden Beratungen seit Juli 1645 grundlegend verschlechtert, denn bis Anfang Februar 1646 waren die Evangelischen im Fürstenrat Osnabrück unter sich gewesen und mußten sich nun auf die Anwesenheit katholischer Reichsstände einstellen, von denen bekannt
[p. LIV]
[scan. 54]
war, daß sie in wichtigen Fragen des künftigen Friedensschlusses andere Lösungen anstrebten als die evangelischen. Deren Gesandte hatten sich sorgfältig auf die neue Situation vorbereitet, indem sie sich über die jetzt zur Diskussion stehenden Friedensvorschläge bereits eine Meinung gebil-det und diese schriftlich fixiert hatten. Im Fürstenrat wurden diese Ab-sprachen und die sich daraus ergebende Parteibildung der Evangelischen bald evident.
II. Die Gruppierungen im Fürstenrat Osnabrück und ihre Meinungsbil-dung
In den 24 Sitzungen des Fürstenrats Osnabrück zwischen dem 3. Februar und 19. April 1646 führten die Gesandten in zwanzig Fällen ein einstim-miges Votum zu der vom Direktorium vorgegebenen, „proponierten“ Fra-ge, während in 17 Fällen kein einheitliches Ergebnis zustande kam. Dieser Eindruck mehrheitlicher Übereinstimmung täuscht insofern, als es bei den Fragen mit einstimmigem Ergebnis bisweilen um Probleme ging, die für weniger wichtig gehalten wurden
Siehe Nr. 109: der Anlaß der Beratung wurde als Verzögerung der Friedensverhandlun-gen beklagt (S. 206 Z. 3–6, 17–32), fünf
Ges.
waren nicht instruiert; Nr. 100: Bayern war indifferent, drei
Ges.
waren nicht instruiert, für Würzburg war die Beschäftigung mit Reichssachen wichtiger gewesen als die mit dem Beratungsgegenstand (S. 94 Z. 24, S. 95 Z. 5–8, S. 96 Z. 1f, S. 97 Z. 1, S. 102 Z. 23); Nr. 102: der Beratungsgegenstand galt nicht als
haubtfrage (S. 132 Z. 32).
. Manchmal bündelte das Direktorium auch unterschiedliche Auffassungen harmonisierend zu einer einheitlichen „Meinung“ (einem einheitlichen Beratungsergebnis)
Siehe z. B. Nr. 115, Umfrage 4. – Zu dem Terminus technicus „Meinung“ s. unten Anm. 143.
. Gelegentlich wur-den die Voten am Schluß zu einer einzigen „Meinung“ zusammengefaßt, obwohl ein Gesandter anderer Ansicht gewesen war
Siehe Nr. 116, Umfrage 1 – Österreich hatte eine abweichende Meinung vertreten.
, und einmal rief die vom Direktorium formulierte „Meinung“ die Kritik einiger Gesandter hervor, ohne daß dies beachtet wurde
Siehe Nr. 116, Umfrage 5 (Ende des Protokolls).
. Noch stärker fällt ins Gewicht, daß es bei uneinheitlichem Beratungsergebnis fast immer dieselben Reichsstände waren, die sich zu einer – fast – homogenen Gruppe mit ein-heitlichem Votum zusammenfanden: Die evangelischen Gesandten legten in zwölf Fällen ein übereinstimmendes Votum ab, in vier weiteren wichen nur ein oder zwei aus ihren Reihen vom Votum der übrigen ab, und in einer Umfrage suspendierte ein Gesandter sein Votum. Verschiedentlich wurde diese Gruppe durch einen oder mehrere katholische(n) Gesandte(n) verstärkt
In Nr. 96 und 96 votierte Österreich in Punkt 2 und 3 der Proposition wie die ev.
Ges.
, in Nr. 97 votierten Würzburg und Basel in Umfrage 1 wie die ev.
Ges.
, in Nr. 108 (Röm. Kg.swahl) votierte Würzburg wie Pommern, in Nr. 112 (schwed. Satisfaktion) votierten Bayern und Würzburg wie die ev.
Ges.
, in Nr. 113 (frz. Satisfaktion) Bayern, Würzburg und Basel, in Nr. 118 verlangte Salzburg wie fast alle ev.
Ges.
die wörtliche Aufnahme der ev.
Gravamina politica in die Correlation.
, so daß man nicht von einer durchgehenden Polarisierung nach
[p. LV]
[scan. 55]
konfessionellen Gesichtspunkten sprechen kann. Der Eindruck einer gro-ßen Solidarität der evangelischen Gesandten verstärkt sich, wenn man ne-ben dem Votieren andere Akte und Reaktionen betrachtet: Sie reagierten auf die Anzeige des Direktoriums, daß die katholischen
Gegenbeschwer-den nunmehr vorlägen, fast einheitlich mit Dank, Freude und guten Wün-schen für einen erfolgreichen Verlauf der Gravaminaverhandlungen
Siehe Nr. 100: nur Magdeburg begnügte sich mit einer Wiederholung der Anzeige des Direktors, Hessen-Darmstadt stimmte nur summarisch wie Sachsen-Altenburg und ande-re, so daß lediglich Sachsen-Lauenburg aus dem Rahmen fiel, indem es die Anzeige ganz unkommentiert ließ.
. Ein von Bayern und Würzburg erhobener Protest wurde von allen evan-gelischen Gesandten einmütig zurückgewiesen
Siehe Nr. 111 (S. 242–255).
, und als das Österreichi-sche Direktorium am 21. Februar die Diktatur eines Schriftsatzes verwei-gerte, wurde sie von allen Evangelischen einhellig und wiederholt ver-langt
Siehe Nr. 106 (S. 170 Z. 21, S. 175 Z. 28).
. Ihre Solidarität ist besonders auffällig bei der Zustimmung zu un-aufgefordert abgegebenen Erklärungen Magdeburgs, die thematisch ganz oder zum Teil über die Tagesordnungspunkte hinausgingen: Am 8. Fe-bruar legte Krull ein ausführliches, am folgenden Tag schriftlich vorgeleg-tes Votum ab
Siehe S. 58 Z. 31 – S. 63 Z. 24; S. 80 Z. 36 und S. 81 Z. 5.
. Am 9. Februar folgte ein weiteres Votum von beträcht-licher Länge, das ausdrücklich auch Punkte berührte, die vom Direkto-rium nicht zur Umfrage gestellt worden waren. Am 8. Februar bezogen sich die evangelischen Votanten fast alle ausdrücklich auf das Magdebur-ger Votum und oft zusätzlich auf die folgenden Voten, die sich ihrerseits schon auf Magdeburg berufen hatten, so daß das Bild einer fast vollkom-menen Einigkeit entsteht
Pfalz-Lautern und -Simmern bezogen sich auf Magdeburg, Sachsen-Altenburg auf Mag-deburg und Pfalz-Lautern und -Simmern, Sachsen-Coburg auf Magdeburg, Sachsen-Al-tenburg und Pfalz-Lautern (etc.), s. Nr. 98.
. Nur Hessen-Darmstadt bildete eine Ausnah-me, indem es sein Votum suspendierte, was Sachsen-Altenburg in der nächsten Sitzung zu einer kritischen Anspielung veranlaßte, und was
pri-vatim von
vielen evangelischen Gesandten kritisiert wurde
Siehe Nr. 99 bei Anm. 23 und S. 69 Z. 31–36.
. Am 9. Fe-bruar wiederholte sich die ausdrückliche Bezugnahme auf Magdeburg und schloß dabei teilweise noch einmal das Magdeburger Votum vom Vortag ein. Einige evangelische Gesandte erklärten sogar, daß sie das Magdeburger Votum wörtlich wiederholen wollten
So Pfalz-Lautern, Sachsen-Weimar, Württemberg, Baden-Durlach (S. 83 Z. 20–23, S. 84
Z. 31–34, S. 88 Z. 16f, S. 89 Z. 6–10).
. Das befremdet um so mehr, als die Gesandten normalerweise längere Texte bei einmaligem Vortrag zu schlecht verstehen konnten, um dazu Stellung zu nehmen
So gaben z. B. die
Ges.
Pommerns und Mecklenburgs am 15. März an, einen elf Punkte umfassenden, von Krull verlesenen Schriftsatz nicht hinreichend verstanden zu haben (S. 344 Z. 1f und 18).
.
[p. LVI]
[scan. 56]
Wenn die evangelischen Gesandten die langen und materialreichen Mag-deburger Voten vom 8. und 9. Februar ohne Zögern nachdrücklich, pau-schal und wiederholt akzeptierten, so erlaubt das den Schluß, daß ihnen diese Texte schon vor den Sitzungen bekannt gewesen sein müssen. Das folgerte auch der Österreichische Direktor und informierte noch am 8. Fe-bruar den kaiserlichen Hof, daß die Protestanten vor den Sitzungen ge-meinsam über ihr Votum beraten hätten
Österreich
A II (XXXII) fol. 116–116’, hier fol. 116.
. In Wirklichkeit hatten sich die Evangelischen schon vor Beginn der Hauptberatungen auf eine einheitli-che Votenführung verständigt. Dazu war das seit Oktober 1645 von ihnen ausgearbeitete Gutachten über die französischen, schwedischen und kai-serlichen Gesamtforderungen für den Friedensvertrag zunächst überarbei-tet, und es waren Teile desselben in die Form eines Einzelvotums gebracht worden, das Magdeburg als erster evangelischer Votant vortrug
Siehe dazu
Brunert,
in APW
III A 3/1, LXVIII.
. Die Magdeburger Voten vom 8. und 9. Februar gingen daher letztlich auf Entwürfe des Braunschweigers Lampadius vom Oktober 1645 zurück, über die der damals noch ganz evangelisch besetzte Fürstenrat am 15. und 16. November 1645 beraten hatte
Siehe APW
III A 3/1, 394 Anm. 42; APW
III A 3/2 Nr. 32, 33.
.
Magdeburg übernahm in den folgenden Wochen immer wieder die Rolle des Sprechers der evangelischen Fürstenratsmitglieder und trat meist offen als deren Repräsentant auf. So übergab Krull am 5. März im Namen der Evangelischen ein
Votum commune über Amnestie und Restitution, das eine überarbeitete Fassung seines Votums vom 8. Februar darstellte
Siehe Nr. 109 bei Anm. 17.
. Alle späteren evangelischen Votanten wiederholten die Forderung, daß Mag-deburgs Schriftsatz wörtlich in die Correlation des Fürstenrats
Eine
Correlation ist die Zusammenfassung der Beschlüsse des FR, die in einem Re- und Correlationsverfahren (dazu unten bei Anm. 166) dem
KFR
und dem SR zur Kenntnis gebracht wird (
Moser IL, 122).
und spä-ter in das Reichsbedenken übernommen werden solle. Am 15. März verlas Krull einen Schriftsatz zur Friedensgarantie, von dem er selbst sagte, daß er Punkte enthalte, die weder Frankreich noch Schweden fordere
. Auch dieser Schriftsatz sollte in die Correlation des Fürstenrats und das Reichs-bedenken übernommen werden. Magdeburg selbst und alle späteren evangelischen Votanten behielten sich Ergänzungen vor. Das Verhalten der übrigen Protestanten war dieses Mal uneinheitlich: Sachsen-Altenburg (Thumbshirn) begründete ausführlicher als Magdeburg die Pflicht der Reichsstände, für die Friedenssicherung Sorge zu tragen, und leitete dar-aus das Recht ab, selbständig Forderungen zu „proponieren“
Siehe S. 341 Z. 11: das uns obliege [...];
ebenda
Z. 8f: weren [...] von Magdeburg pro-poniret worden.
. Tatsäch-lich war das Vorbringen von Punkten, die nicht in der Umfrage enthalten
[p. LVII]
[scan. 57]
waren, ein Eingriff in die Rechte des Fürstenratsdirektors, dem die Pro-position zustand
Siehe dazu unten bei Anm. 129.
. Wie Thumbshirn billigten auch Carpzov, Heher und Lampadius mit den übrigen herzoglich sächsischen bzw. braunschweigi-schen Stimmen den Schriftsatz. Erst der pommersche Gesandte Wesenbeck gab an, nicht alles verstanden zu haben, und suspendierte sein Votum bis zur schriftlichen Vorlage. Die nach ihm Votierenden reagierten ähnlich; Hessen-Darmstadt billigte den Schriftsatz nur mit der Einschränkung
so-viel als nötig und nüzlich
. Anscheinend hat zumindest ein Teil von ih-nen den Schriftsatz vor der Sitzung nicht gekannt, so daß Magdeburg ihn nicht im Auftrag aller verlesen haben kann. Dafür spricht auch, daß Pfalz-Lautern in dieser Sitzung das erste evangelische Votum führte und somit den Schriftsatz hätte verlesen müssen, wenn er vom ersten evangeli-schen Votanten im Namen aller vorgetragen worden wäre. Daß der Schriftsatz dennoch die – zum Teil vorbehaltliche – Zustimmung der mei-sten anderen Evangelischen fand, spricht für ihre große Solidarität auch bei noch nicht abgeschlossener Meinungsbildung.
In der nächsten Sitzung trug Magdeburg erneut einen Schriftsatz vor, der noch am selben Tag dem Fürstenratsdirektorium schriftlich vorgelegt und in Correlation und Reichsbedenken aufgenommen werden sollte
Siehe Nr. 116 bei Anm. 16.
. Diese evangelischen
Gravamina politica waren tags zuvor in einer Sitzung des Corpus Evangelicorum gebilligt worden
Das ergibt sich aus einer Bemerkung Wesenbecks (s. Nr. 116 bei Anm. 38). Zum
CE
s. unten S. LXXIVff.
. Wesenbeck war nicht zu dieser Sitzung geladen worden und stimmte dem Schriftsatz nur unter Vorbehal-ten zu. Die übrigen evangelischen Gesandten billigten ihn, behielten sich aber Ergänzungen vor. Basel, das sich in der Regel pauschal dem vor Magdeburg votierenden Würzburg anschloß und so nichts zu dem Mag-deburger Votum anmerken mußte, ging hier aus inhaltlichen Gründen auf einen Punkt ein, wollte sich aber sonst nicht zu dem Schriftsatz äußern
. Auch der Österreichische Direktor sagte nur, daß er auf die schriftliche Fassung warte
. Noch in derselben Sitzung brachte Magdeburg erneut Punkte vor, die der Fürstenratsdirektor nicht proponiert hatte, stieß dabei aber in den eigenen Reihen auf Kritik, indem Thumbshirn und Lampa-dius Krull zurechtwiesen, während Richtersberger schwieg
Siehe S. 370 Z. 22ff; S. 371 Z. 28–31.
. Daß er das Verhalten Krulls gleichwohl mißbilligte, ergibt sich aus einer Beschwerde der kaiserlichen Gesandten Lamberg und Krane beim Kaiser, die auf sei-nen Informationen beruhte
Lamberg und Krane an Ks. Ferdinand III., Osnabrück, 1646 III 22 (
APW II A 3, 436 Z. 7–22; Z. 21 ist Richtersberger erwähnt).
: Ihre Behauptung, daß die evangelischen
[p. LVIII]
[scan. 58]
Fürstenratsmitglieder durch vorherige Absprachen gebunden seien und kein freies Votum führten, ist allerdings insofern zu modifizieren, als ein-zelne Reichsstände wie Pommern und Hessen-Darmstadt eben doch fall-weise abweichend votierten. Die kritischen Anspielungen auf die Suspen-sion des hessen-darmstädtischen Votums vom 8. Februar
zeigen aller-dings, daß Dissidenten Kritik zu erwarten hatten und so eine Art Grup-penzwang ausgeübt wurde.
In der Plenarversammlung vom 27. April trat Magdeburg erneut als Repräsentant der Evangelischen hervor: Nachdem Kurfürstenrat und Städterat den Saal verlassen hatten, der Fürstenrat zur Umfrage zusam-mengetreten war und die Reihe an Magdeburg kam, sonderten sich die Evangelischen zu einer internen Beratung ab. Nach dieser Unterredung bat Magdeburg namens der Evangelischen um die Erlaubnis zur er-neuten Separation. Die evangelischen Gesandten versammelten sich dar-aufhin am einen, die katholischen Gesandten am anderen Ende des Raumes und vollzogen damit gewissermaßen eine
Itio in partes. Dieses Auseinandertreten nach Maßgabe ihrer Konfessionszugehörigkeit hatte allerdings (anders als das später in Artikel V,52 IPO geregelte Verfah-ren
Siehe dazu
Heckel;
Bernard;
Repgen,
Hauptprobleme, 417.
) nicht das Ziel einer Einigung der Konfessionsparteien, denn bei diesem außerordentlichen Verfahren war vorausgesetzt worden, daß die
Bedenken der Reichsräte keinen von ihnen binden sollten
So der von Richtersberger formulierte Vorbehalt (Nr. 120 bei Anm. 15); zum ao. Ver-fahren s. auch unten bei Anm. 258.
. Vielmehr kann sie nur der kurzen Absprache über das gedient haben, was Mag-deburg nach erneutem Zusammentritt aller Fürstenratsmitglieder
com-muni dominorum evangelicorum nomine „proponierte“
. Krull behan-delte zwei Punkte und verlas einen Schriftsatz über Handelsfragen, der im Corpus Evangelicorum zusammengestellt worden war, wie das öster-reichische Protokoll vermerkt
Siehe S. 421 Z. 28f: in conciliabulo Magdeburgico.
Zu diesem Begriff s. unten Anm. 200.
. Der Entwurf stammte sogar von Krull persönlich, doch hatte er ihn im Auftrag des Corpus Evangelicorum auf-gesetzt
.
Magdeburgs Rolle hat sich somit im Laufe der Beratungen gewandelt: Zunächst hatte Krull (am 8. und 9. Februar) scheinbar nur das Magdebur-ger Votum im Namen des Administrators vorgetragen, dem sich die übri-gen evangelischen Gesandten angeschlossen hatten. Dabei war leicht durchschaubar, daß diese Übereinstimmung auf vorheriger Absprache be-ruhte. Am 5. März trat Krull bei Übergabe des
Votum commune offen als Repräsentant des Corpus Evangelicorum hervor. Am 15. März verlas er einen Schriftsatz, den zumindest ein Teil der evangelischen Gesandten
[p. LIX]
[scan. 59]
nicht kannte, handelte auch beim „Proponieren“ einiger Punkte auf ei-gene Initiative und wurde von Thumbshirn und Lampadius noch wäh-rend der Sitzung vorsichtig zurechtgewiesen. Am 17. März handelte Krull bei Übergabe der evangelischen
Gravamina politica eindeutig als Reprä-sentant des Corpus Evangelicorum, ebenso in der Plenarversammlung am 27. April. In diesem Fall war Krull sogar Verfasser des verlesenen Schrift-satzes. Magdeburg war also nicht in jedem Fall nur Sprachrohr des Corpus Evangelicorum, sondern hat auch eigenständige Beiträge zum gemein-samen Handeln geleistet und ist zum Teil eigenmächtig mit seinen „Pro-positionen“ hervorgetreten.
Trotz großer Homogenität wies die Gruppe der Protestanten eine Binnen-struktur auf. Wesenbeck spielte aufgrund seiner Doppelfunktion als kur-brandenburgisch-pommerscher Gesandter eine Sonderrolle und führte ab-weichende oder modifizierte Voten, wenn Belange des Kurfürstenrats be-troffen waren
Siehe S. 362 Z. 24ff; S. 400 Z. 9–17.
. Dabei wurde er gelegentlich von den Wetterauer Ge-sandten unterstützt, die sich Pommern in zwei Fällen zwar nicht direkt anschlossen, aber ausdrücklich „indifferent“ waren
Die Wetterauer Gf.en erschienen deshalb neben Pommern als einziger ev. Reichsstand des
FRO
nicht in der Liste jener, die sich einem Vermittlungsvorschlag Magdeburgs in der Frage der Röm. Kg.swahl angeschlossen hatten (s. S. 145 Z. 14f; S. 246 Z. 4f). Zu den Gründen der Verbindung zwischen Kurbrandenburg-Pommern und den Wetterauer Gf.en s.
Brunert, in
APW III A 3/1, LXXXVIII.
. Auch Hessen-Darmstadt spielte eine Sonderrolle. Seine Gesandten paßten sich der Posi-tion des Österreichischen Direktors so weit an, wie es ohne gänzliches Aus-scheren aus der gemeinsamen Linie der Evangelischen möglich war. Eine deutliche Distanzierung von den übrigen evangelischen Gesandten bedeu-tete die Suspension ihres Votums am 8. Februar
. Sonst nahm Hessen-Darmstadt bisweilen eine schwankende Position ein, indem es einerseits Österreich, andererseits unter bestimmten Bedingungen oder Vorbehalten einem oder mehreren evangelischen Votanten zustimmte
Siehe z. B. S. 88 Z. 28–32: wie Österreich, bei Schwierigkeiten und in den übrigen Punk-ten wie Magdeburg; S. 227 Z. 28–40: wie Österreich, doch auch für die Vorschläge Braunschweig-Lüneburgs und anderer; S. 316 Z. 1f, S. 317 Z. 1: wie Österreich, aber auch mit Pommern und Württemberg.
. Wenn es um reichsstädtische Belange ging, befanden sich Sachsen-Lauenburg und die Fränkischen Grafen, deren Gesandte Gloxin und Oelhafen von Schöllen-bach auch im Städterat votierten, in einer natürlichen Allianz
Siehe S. 406 Z. 24f: Einsatz für die Mediatstädte.
.
Den gelegentlichen Dissidenten stand eine Gruppe von Gesandten gegen-über, die mit Magdeburg einen mehr oder weniger festen Block bildeten: Sachsen-Altenburg und Sachsen-Coburg (Thumbshirn und Carpzov) hat-ten identische Instruktionen
; sie votierten formal jeder für sich, der Sa-che nach aber immer gleich, beide auch in großer Übereinstimmung mit
[p. LX]
[scan. 60]
Magdeburg. Das galt auch für Heher, der die übrigen fürstlich sächsisch-ernestinischen Voten führte. Braunschweig-Lüneburg gehörte ebenfalls zu dieser Gruppe, in der Lampadius und Thumbshirn die entscheidenden Persönlichkeiten waren
Siehe z. B. S. 399 Z. 34f: Lampadius wiederholte das Sachsen-Altenburger Votum; S. 198 Z. 9–19: Lampadius und Thumbshirn stützten sich in ihrer Kritik am Reichsdirektorium; S. 385 Z. 29ff: Lampadius ließ sich durch Thumbshirn vertreten; S. 370 Z. 22f, S. 371 Z. 28f: beide übten vorsichtige Kritik an Magdeburg.
. Für Thumbshirn waren die Verhandlungen der
Gravamina ecclesiastica besonders wichtig. Er nahm unter den evan-gelischen Nominierten aus dem Fürstenrat die ranghöchste Position ein und trat als Sprecher der übrigen auf, wenn es um diese Verhandlungen ging
Siehe Nr. 96 bei Anm. 45. Als die Aushändigung der kath.
Gegenbeschwerden im
FRO
verkündet wurde, zeigte Thumbshirn am deutlichsten seine Freude (s. Nr. 100 bei Anm. 20). – Zu den Gravaminaverhandlungen s. unten bei Anm. 203.
. Pfalz-Lautern, Pfalz-Simmern und Pfalz-Zweibrücken, Mecklen-burg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow, Hessen-Kassel, Württemberg und Anhalt schlossen sich in der Regel dieser Gruppe an, traten aber alle-samt nicht sonderlich hervor. Der württembergische Gesandte (Varnbü-ler) hatte oft für seine Pfalz-Veldenzer Stimme keine Spezialinstruktion, schloß sich aber aufgrund seiner allgemeinen Instruktion den übrigen an
Siehe Nr. 112 bei Anm. 69; Nr. 113 bei Anm. 100;
[Nr. 114 Anm. 23] und S. 327 Z. 28f.
.
Unter den katholischen Reichsständen votierten Österreich und Bayern häufig übereinstimmend
Eine Ausnahme war die Satisfaktionsfrage: Bayern wünschte als einziger Reichsstand im
FRO
eine sofortige Aufnahme dieser Verhandlungen (s. S. 7 Z. 30 – S. 8 Z. 4). Zur Über-einstimmung zwischen Österreich und Bayern s. besonders: Nr. 97 Umfrage 1 und 3, Nr. 98; Nr. 102 Umfrage 2; Nr. 103 (S. 139 Z. 4f); Nr. 106 (S. 170 Z. 13f); Nr. 108 Umfrage 1; nicht berücksichtigt wurden Umfragen mit einstimmigem Ergebnis.
, ohne daß erkennbar wird, ob eine Absprache zwischen Richtersberger und Ernst vorangegangen war. In der Frage der schwedischen und französischen Satisfaktionsansprüche waren Bayern und Würzburg derselben Ansicht. Da beide ihr Votum vom 12. März schrift-lich vorlegten und der Würzburger dabei das bayerische Votum ausdrück-lich wiederholt haben wollte
Siehe Nr. 112 bei Anm. 28.
, dürften beide Gesandte sich zuvor dar-über verständigt haben. In zwei anderen Fällen beruhte eine auffällige Übereinstimmung zwischen Bayern und Würzburg wohl auf dem identi-schen, aber nicht unbedingt vereinbarten Willen beider Reichsstände, den Frieden unter Zurücksetzung von Detailfragen so schnell wie möglich her-beizuführen
Siehe S. 370 Z. 1, S. 376 Z. 17.
. Als Richtersberger am 10. Februar die Aushändigung der katholischen
Gegenbeschwerden bekanntgab
, kommentierten das we-der Bayern noch Würzburg. Offenkundig war ihnen nicht daran gelegen, die Gravaminaverhandlungen in Gang zu bringen. Würzburg stimmte
[p. LXI]
[scan. 61]
aber auch in manchen Fragen mit den evangelischen Gesandten überein, war in anderen Fällen indifferent, gab bisweilen eine ausweichende oder zweideutige Stellungnahme ab und nahm damit oft eine zwischen den Parteien stehende, um Ausgleich bemühte Position ein
Übereinstimmung mit den ev.
Ges.
: s. Nr. 97 Umfrage 1; Nr. 108 Umfrage 1; S. 394 Z. 33f: Pfalz-Lautern stimmt Würzburg zu. Indifferenz: s. S. 34 Z. 16f; Nr. 110 Umfrage 1. Ausweichende Stellungnahme: S. 58 Z. 27–30: Würzburg will sich erst nach genauerer Erklärung äußern; S. 107 Z. 28f: Würzburg kommentiert das Mehrheitsvotum aus Mün-ster nicht; S. 394 Z. 22–27: Würzburg macht einen vermittelnden Ergänzungsvorschlag.
.
Auch als die Zahl der katholischen Voten durch Salzburg, Freising, Kon-stanz, Kempten, Corvey, die Schwäbischen Prälaten und Grafen verstärkt wurde, gab es zwischen den katholischen Gesandten keinen Zusammen-schluß, der mit der evangelischen Parteibildung vergleichbar gewesen wä-re. Gewisse Spannungen zwischen Österreich und Bayern einerseits und Salzburg andererseits wurden in der leichten Kritik am Salzburger Corre-lationsentwurf und noch mehr darin deutlich, daß Salzburg mit den evan-gelischen Reichsständen die Aufnahme der evangelischen
Gravamina po-litica in den Correlationsentwurf forderte, während Österreich nur damit einverstanden war, daß sie beigelegt wurden
Siehe S. 392 Z. 1–9, 11–16; S. 393 Z. 5–8; S. 406 Z. 32f.
. In der Frage, ob die kai-serlichen und kurfürstlichen Reservatrechte erschöpfend aufgezählt wer-den sollten, standen Österreich, Bayern und (Kurbrandenburg-)Pommern gegen die meisten anderen katholischen und evangelischen Reichsstän-de
Pommern war an sich derselben Ansicht wie Österreich und Bayern, machte aber einen Kompromißvorschlag, da die Mehrheit abweichend votierte (s. S. 400 Z. 9–17).
. Angesichts der Gemeinsamkeit kaiserlicher und kurfürstlicher Be-lange fanden Richtersberger, Ernst und Wesenbeck also zu einer punktuel-len Allianz. Abgesehen von solch gelegentlicher Konformität ist nie eine dauerhafte Übereinstimmung und ein gemeinsames Vorgehen von Bayern und Pommern erkennbar
Beispiel für punktuelle Übereinstimmung: s. S. 90 Z. 31f; bei anderer Gelegenheit hat Bayern sich trotz gemeinsamer Interessen und ausdrücklicher Aufforderung nicht dem pommerschen Votum angeschlossen (s. S. 148 Z. 14f).
. Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte, daß Bayern oder auch Österreich mit einem der katholischen Neuankömm-linge in engerer Verbindung gestanden hätte. Die Schwäbischen Grafen (Leuxelring) schlossen sich in der Frage der kaiserlichen und kurfürstlichen Reservatrechte Würzburg an und hielten damit (ebenso wie Pfalz-Lau-tern, -Simmern und -Zweibrücken) eine mittlere Linie ein
Siehe S. 394 Z. 22–27, S. 396 Z. 6 und 8, S. 405 Z. 6f.
. Schließlich mögen auch die Präzedenzstreitigkeiten zwischen Österreich und Salz-burg sowie zwischen Würzburg und Bayern störend auf die gegenseitigen Beziehungen gewirkt haben
Zu Österreich und Salzburg s. S. LI; zu Bayern und Würzburg s. Nr. 121 bei Anm. 6.
.
[p. LXII]
[scan. 62]
III. Das Direktorium des Fürstenrats Osnabrück
Der Österreichische Direktor Richtersberger stand angesichts des fast ge-schlossenen Blocks der evangelischen Gesandten und einer kleinen katho-lischen Minderheit mit wechselndem Stimmverhalten vor einer schwieri-gen Aufgabe. Um so wichtiger war es, mit der Geschäftsordnung ein In-strument zur Lenkung der Beratungen im gewünschten Sinne zu erhalten. Dies konnte geschehen, indem der Direktor sich die Entscheidungsbefug-nisse über Ansage, Proposition, Formulierung der Beratungsergebnisse und Diktatur verschaffte oder vorbehielt.
Die Ansage, das heißt die Einladung der Gesandten zur ersten Fürsten-ratssitzung am 3. Februar, hatte wie auf Reichstagen das Kurmainzer Reichsdirektorium vorgenommen
Zur Ansage auf
RT
s.
Aulinger, 210; zur Ansage am 2. Februar 1646 durch Kurmainz s. magdeburgisches Diarium zu 1646 I 23/II 2, in:
Magdeburg F III fol. 116.
. Dabei waren die Beratungsgegen-stände nur dem Fürstenratsdirektor, nicht aber den übrigen Mitgliedern des Fürstenrats mitgeteilt worden, und Richtersberger hatte sie, anders als der Städteratsdirektor (dem gleichzeitig „angesagt“ worden war), nicht an die einzelnen Gesandten weitergegeben
Siehe Nr. 95 bei Anm. 80.
. Nachdem in der zweiten Sitzung am 5. Februar eine Entscheidung über die Reihenfolge der Beratungsgegenstände getroffen worden war, wurde auf Vorschlag Richtersbergers einstimmig beschlossen, künftig nicht die Ansage des Kurmainzer Reichsdirektoriums abzuwarten. Die folgenden Sitzungen ließ Richtersberger also selbst ansagen
Siehe S. 35 Z. 25–29; Ansage durch Richtersberger: s.
z. B. S. 153 Z. 25ff.
. Über die Reaktion des Reichs-direktoriums enthalten die Fürstenratsprotokolle nichts. Es gibt keinen Hinweis auf eine Trübung des Verhältnisses zwischen Richtersberger und Kurmainz. Anscheinend wurde das Reichsdirektorium bei der An-sage auch künftig nicht völlig übergangen. Als nämlich Hessen-Kassel einmal versehentlich nicht zur Sitzung berufen worden war, entschul-digte sich Richtersberger bei den übrigen Gesandten und kündigte an, beim Kurmainzer Reichsdirektorium zu veranlassen, künftig an Hessen-Kassel zu denken
Es solle beim Reichsdirektorium alsoforth [...] erinnert [...] werden
(S. 354 Z. 17ff). – Vielleicht wurden die FR-Sitzungen zwar auf Richtersbergers Veranlassung, aber nach Information des Reichsdirektoriums und durch dessen Personal angesagt.
.
Entscheidendes Mittel zur Beeinflussung des Sitzungsverlaufs war die Proposition. In der ersten Sitzung am 3. Februar war sie durch das Kur-mainzer Reichsdirektorium vorgegeben worden. Dann gelang es Rich-tersberger, auch diese Kompetenz an sich zu ziehen. Er wollte diese Auf-gabe dem Reichsdirektorium zwar
gönnen, sie aber anscheinend lieber selbst übernehmen
Siehe S. 6 Z. 6ff. Richtersberger fand in seinem Streben nach Unabhängigkeit vom Reichsdirektorium vor allem die Zustimmung Pommerns (S. 16 Z. 29–33).
. Offensichtlich hat er in der Zeit zwischen der er-sten und zweiten Sitzung mit Kurmainz deswegen verhandelt. Am 5.
[p. LXIII]
[scan. 63]
Februar konnte er jedenfalls zu Beginn der Sitzung ankündigen, daß er künftig bereits am Ende jeder Sitzung die Beratungsgegenstände der fol-genden bekanntgeben wolle, wie es an diesem Tag zum ersten Mal ge-schah
. Implizit war damit gesagt, daß Richtersberger künftig (in Ab-sprache mit dem Fürstenrat Münster) die Propositionen selbst vorgab, denn das Reichsdirektorium wird nicht jeweils schon für die übernächste Sitzung eine Proposition vorgelegt haben. Richtersbergers Abneigung, dem Reichsdirektorium Einfluß auf die Reihenfolge der Verhandlungen und auf den Text der Proposition zu geben, geht aus dem Protokoll ein-deutig hervor
. Doch konnte er sich anscheinend gütlich mit dem Reichsdirektorium einigen, denn andernfalls hätte er sich kaum später in anderen Fragen auf Kurmainz als entscheidende Instanz beziehen können
Siehe S. 186 Z. 17–20, S. 410 Z. 12ff.
.
Richtersberger griff in seinen Propositionen nur die Punkte heraus, die zwischen den kaiserlichen sowie schwedischen und französischen Forde-rungen strittig waren. Er hat dieses Verfahren selbst nie zum Gegenstand einer Beratung gemacht und beschrieb es zuerst in seinem Correlations-entwurf vom 21. Februar
. Damit war den Gesandten im Prinzip die Möglichkeit benommen, Forderungen vorzubringen, die in den Friedens-vorschlägen des Kaisers und der Kronen nicht enthalten waren. Doch ha-ben die Evangelischen durch Magdeburg auch solche Forderungen vortra-gen lassen und damit das Propositionsrecht des Fürstenratsdirektoriums untergraben
. Richtersberger hat den Magdeburger Gesandten dabei nie unterbrochen und ihm zumindest während der Sitzung nie einen Ver-weis erteilt, wohl aber dessen „Propositionen“ teilweise ignoriert. So ist er am 8. Februar auf das ausführliche Magdeburger Votum mit einer Reihe von Punkten, die in seiner Proposition fehlten, weder eingegangen noch hat er sie in die am Schluß der Sitzung formulierten „Meinungen“ auf-genommen
. Doch schon bei der nächsten Sitzung nahm er einen von Magdeburg erwähnten, von ihm aber nicht proponierten Punkt als letzten Satz in die „Meinungen“ auf, allerdings ohne auf den Ergänzungsvor-schlag Magdeburgs zu seiner Formulierung einzugehen, und begründete für andere Punkte, warum er sie nicht proponiert habe
Siehe S. 91 Z. 24f, 29–35.
. Den am 15. März verlesenen Schriftsatz des Corpus Evangelicorum zur Friedens-garantie, der Punkte enthielt, die weder vom Kaiser, Frankreich oder Schweden gefordert noch vom Österreichischen Direktor proponiert wor-den waren, erwähnte er (bei uneinheitlichem Abstimmungsresultat) in der
[p. LXIV]
[scan. 64]
zweiten „Meinung“
. Zu den am 17. März verlesenen evangelischen
Gra-vamina politica äußerte er sich weiter nicht
Siehe S. 357 Z. 9–17, S. 363 Z. 17.
; sie wurden aber, ebenso wie der Schriftsatz des Corpus Evangelicorum zur Friedensgarantie, der Corre-lation des Fürstenrats zu Klasse II, III und IV der Repliken beigelegt. Das Corpus Evangelicorum hatte dadurch seine Absicht verfehlt, daß beide Schriftsätze wörtlich in die Correlation hätten aufgenommen
(inseriert) werden sollen. Als Beilagen wurden sie in der Plenarsitzung am 26. April nur erwähnt, nicht verlesen
Siehe Nr. 119 bei Anm. 46, 47; Nr. 120 bei Anm. 38.
. Jedoch war der Hauptzweck erreicht, in-dem beide Schriftsätze und damit eine Reihe von Punkten, die vom Direk-torium nicht zur Umfrage gestellt worden waren, in die Beratungen einge-bracht und bei der Correlation berücksichtigt worden waren.
Richtersberger verzichtete abermals auf eine kritische Reaktion, als Mag-deburgs Votum am 17. März Punkte ansprach, die der Fürstenratsdirektor, wie sich später herausstellte, bei der übernächsten Umfrage selbst pro-ponierte
Siehe S. 370 Z. 22ff, S. 371 Z. 28–31, S. 375 Z. 22ff.
. Er hat Magdeburg gegenüber also sehr zurückhaltend oder gar nicht reagiert, während er Anregungen und Vorschläge anderer Reichs-stände zur Proposition oder zum Verzicht auf eine Umfrage unbeachtet ließ oder ihnen widersprach
Ablehnung des sachsen-altenburgischen Vorschlags zur Unterlassung einer Umfrage: S. 280 Z. 33ff. Am 3. Februar schlug der
Ges.
Mecklenburgs eine Umfrage zur Re- und Correlation vor, der
Ges.
Hessen-Darmstadts eine solche über die Geltung des Mehr-heitsprinzips; auf beides ging Richtersberger nicht ein (S. 18 Z. 28f, S. 22 Z. 35f). Am 10. Februar ließ er den Antrag Magdeburgs, Pommerns und der Wetterauer Gf.en auf eine Umfrage zur Re- und Correlation unbeantwortet (S. 95 Z. 19f, S. 98 Z. 35f), ebenso am 21. Februar den Vorschlag Pommerns, eine Umfrage über das Mehrheitsprinzip zu hal-ten (S. 174f Z. 34ff, 1).
. Auch ließ er bei einer schwierigen Beratung am 8. März 1646 nicht zu, daß Sachsen-Altenburg durch eine Erklärung die Stringenz seiner Umfragen unterbrach und seine Taktik störte
. Die Be-hauptung der Österreichischen und Salzburger Fürstenratsdirektoren, sie müßten vor einer bestimmten Umfrage erst die Erlaubnis des Kurmainzer Reichsdirektoriums einholen, war sicherlich ein Vorwand, denn beide lehn-ten die Forderung ab, die zur Umfrage gestellt werden sollte
Siehe S. 410 Z. 12ff. Es ging um die Forderung Hessen-Kassels, der Correlation ein Me-morial beizulegen.
.
Gelegentlich kritisierten die Gesandten die Propositionen des Fürstenrats-direktors. So befand Magdeburg am 12. März, es sei
fast unnötig und
un-dienlich, über die proponierte Frage einen Beschluß zu fassen
Siehe S. 268 Z. 1f. Bei vergleichbarer Themenstellung votierte Sachsen-Altenburg am 13. März, man solle die proponierte Frage
nur gar praeteriren (S. 308 Z. 8f); auch hier vo-tierten fast alle
Ges.
ebenso. Am 14. März votierte Sachsen-Altenburg, daß man sich über die (bei abermals analoger Themenstellung) wiederum proponierte Frage
nicht aufzuhal-ten habe.
. Abgesehen
[p. LXV]
[scan. 65]
von Richtersberger selbst und denen, die ihr Votum suspendierten, waren alle anderen derselben Meinung, wenn sie ihre Ablehnung auch in etwas andere Worte faßten. Solche Kritik war immer inhaltlich begründet, wäh-rend das formale Recht des Fürstenratsdirektors zur Proposition grundsätz-lich niemals bestritten, wohl aber von Magdeburg im Namen des Corpus Evangelicorum selbst beansprucht und damit untergraben wurde. Einen gewissen Vorwurf bedeutete die vom Direktorium Salzburg am 19. April 1646 im Fürstenrat Osnabrück erhobene Kritik, daß eine Klausel
nie in die umbfrage gestellet worden sei
S. 391 Z. 25f. Die
Ges.
von Konstanz, Corvey, Brandenburg-Kulmbach und den Fränki-schen Gf.en verwiesen in dieser Sitzung auf ihre schon im
FRM
zu diesem Thema abge-legten Voten.
; über sie wurde deshalb nachträglich am 19. April beraten. Dies war die einzige derartige Beanstandung, die zudem zuerst im Fürstenrat Münster auf die Tagesordnung gesetzt und erst danach im Fürstenrat Osnabrück vorgebracht worden ist.
Es war umstritten, ob ein Teilfürstenrat eine unerwartet auftauchende Frage
(quaestio extemporanea) ohne Absprache mit dem anderen Teilfür-stenrat auf die Tagesordnung setzen dürfe. Braunschweig-Lüneburg, Mecklenburg, Pommern und Sachsen-Lauenburg bestritten dies, während Richtersberger das Vorgehen des Fürstenrats Münster in dem einzigen Fall, in dem dies geschah, für gerechtfertigt hielt
. Richtersberger hat im übrigen eine Umfrage zum selben Thema angesetzt, um noch ein ihm genehmes Ergebnis zu erhalten. Allerdings scheiterte er damit immer wie-der
Siehe S. 199 Z. 8–12. Die wiederholte Beratung über die Röm. Kg.swahl am 28. Februar hatte den Zweck, die
Ges.
zum Anschluß an das Mehrheitsvotum des
FRM
zu bewegen (s. Nr. 108 bei Anm. 16). Sachsen-Altenburg beanstandete die mehrmalige Proposition derselben Frage (S. 190 Z. 24–32); andere
Ges.
schlossen sich dieser Kritik an. Eine er-neute Umfrage zum selben Gegenstand begann Richtersberger auch am 21. Februar (s. S. 172 Z. 14f). – Mehrfachumfragen zur Erzielung von Einstimmigkeit waren auch auf
RT
üblich (
Stollberg
-
Rilinger, 110).
.
Die Abstimmmungsergebnisse faßte Richtersberger am Schluß einer Um-frage in einer oder mehreren „Meinungen“ zusammen
„Meinung“ ist ein auch auf
RT
gebrauchter Terminus technicus. Er wurde dort verwen-det, wenn sich eine
RT
-Kurie nicht auf ein einstimmiges Conclusum hatte einigen kön-nen. Man sprach dann von „unverglichenen Meinungen“ (
Aulinger, 213). Im
FRO
konnten sich zunächst deshalb mehrere „Meinungen“ ergeben, weil ein Gesamtbeschluß erst nach Zusammenrechnung der Beratungsergebnisse beider Teilräte möglich war (dazu unten S. LXVIII). Daß die ao. Situation auch eine neue Begriffsbildung für die Teilbeschlüsse nötig machte, zeigen die Ausführungen des Lampadius am 10. Februar: er sprach vom Mangel an Begriffen (
[...] propter defectum nominum, scilicet vocabulorum, s. S. 103 Z. 35ff).
. Die Gesandten konnten seine Formulierungen kritisieren oder Zusätze fordern, die er teils berücksichtigte, teils unbeachtet ließ. Bei einer erregten Debatte und mas-siver Kritik konnte er Änderungsvorschläge schwer übergehen, so daß er in der Sitzung vom 15. Februar die „Meinungen“ schließlich zum dritten
[p. LXVI]
[scan. 66]
Mal änderte, wie das Protokoll ausdrücklich vermerkt. Diese „Meinungen“ wurden jeweils am Ende der Sitzung verlesen und protokolliert, nicht aber gesammelt und in einem formalisierten
aufsatz noch einmal verlesen, was Braunschweig-Lüneburg und andere Reichsstände am 10. Februar gefor-dert hatten
. Die vom Fürstenrat Münster mitgeteilten „Meinungen“ gab Richtersberger in den Sitzungen durch Verlesen bekannt. Die nach den Beratungen in beiden Fürstenräten vorliegenden
conclusa ließ er of-fensichtlich durch Diktatur mitteilen, was zumindest für die drei
conclusa vom 26. Februar bezeugt ist
Siehe S. 201 Z. 19: Richtersberger kündigte nach der Verlesung an: Wolle die conclusa communiciren.
. Sonst entschied er fallweise, ob er den An-trag der Gesandten auf schriftliche Mitteilung (Diktatur) genehmige
Am 5. Februar genehmigte er die Diktatur des Bedenkens der drei Reichsräte von 1646 I 30, des darauf bezüglichen
Conclusums des
FRO
und eines Protokollauszugs des
FRM
(s. Nr. 96 bei Anm. 43); am 5. März genehmigte er die Diktatur eines Auszugs aus dem Bericht des Salzburger FR-Direktors (s. Nr. 109 bei Anm. 28).
. Mit hartnäckigem Widerstand begegnete er der Forderung der evangeli-schen Gesandten, seine Correlationsentwürfe zu Klasse I der Repliken dik-tieren zu lassen
Alle ev.
Ges.
forderten am 21. Februar die Diktatur des ersten Entwurfs (s. S. 170 Z. 21–S. 176 Z. 2). Am 10. März beantragte Braunschweig-Lüneburg die Diktatur (s. S. 258 Z. 14f).
. Er lehnte dies ab, weil es dem Herkommen auf Reichs-tagen widerspreche, vor allem aber, weil er unendliche Mühen und Unei-nigkeit befürchtete, wenn der Entwurf den Gesandten zur Korrektur zur Verfügung stehe
. Sein Correlationsentwurf wurde schließlich in Mün-ster diktiert
Siehe Nr. 117 bei Anm. 11.
, und nach diesem Vorgang wurde der Salzburger Correla-tionsentwurf zu Klasse II bis IV der Repliken am 17. April 1646 in Os-nabrück zur Diktatur gegeben, was Richtersberger selbst und alle übri-gen Gesandten beantragten und das Salzburger Fürstenratsdirektorium genehmigte, allerdings unter Hinweis auf den Verstoß gegen das Reichs-herkommen
. Sachsen-Altenburg versuchte zu belegen, daß auch auf Reichstagen Correlationen diktiert worden seien; daher sollten künftig lange Schriftsätze mit wichtigen Angelegenheiten immer diktiert wer-den
Siehe Nr. 106 bei Anm. 52, Nr. 118 bei Anm. 27 – Sachsen-Weimar und Brandenburg-Kulmbach unterstützten Sachsen-Altenburg in dieser Frage ausdrücklich (S. 398 Z. 28ff, S. 399 Z. 11ff).
. Das Fürstenratsdirektorium ging darauf nicht weiter ein, behielt sich also die fallweise Genehmigung der Diktatur vor.
Neben der offiziellen, von den Fürstenratsdirektoren genehmigten und von Kurmainz durchgeführten Diktatur gab es eine Magdeburger Dikta-tur der evangelischen Reichsstände in Osnabrück, in der die Schriftsätze des Corpus Evangelicorum durch Diktat vervielfältigt wurden. Als der pommersche Gesandte Wesenbeck am 15. und 17. März im Fürstenrat
[p. LXVII]
[scan. 67]
um Mitteilung des Schriftsatzes des Corpus Evangelicorum zur Friedens-garantie und der evangelischen
Gravamina politica bat
Siehe S. 344 Z. 4f; Nr. 116 bei Anm. 38.
, richtete sich diese Forderung an den Magdeburger Gesandten Krull als Vorsitzenden des Corpus Evangelicorum. Wesenbeck bat nur für seine Person. Er hatte die Schriftsätze nicht erhalten, da er an einigen Sitzungen des Corpus Evangelicorum nicht teilgenommen hatte. Krull stellte die evangelischen
Gravamina politica zwar nach der Sitzung auch dem Österreichischen Di-rektor zu, doch Richtersberger ließ sie nicht diktieren, so daß sie den ka-tholischen Gesandten formell nicht zur Verfügung standen
Siehe S. 357 Z. 14f; S. 395 Z. 35ff.
. Als Rich-tersberger dies zum Vorwurf gemacht wurde, gab er an, vorausgesetzt zu haben, daß der Text in Münster den katholischen Reichsständen (durch Diktatur) mitgeteilt worden sei
Siehe Nr. 118 bei Anm. 67.
. Falls das keine Ausrede war, deutet es auf Kommunikationsprobleme zwischen Richtersberger und dem Fürsten-ratsdirektorium in Münster (denn dorthin hatte der Österreichische Di-rektor die evangelischen
Gravamina politica geschickt). Gerade beim Für-stenrat war eine reibungslose Verständigung zwischen den Direktoren in Münster und Osnabrück Voraussetzung für den koordinierten Ablauf der Beratungen in beiden Kongreßstädten. Tatsächlich gelang Richtersberger im großen und ganzen die Zusammenarbeit mit dem Fürstenrat Münster und damit die Bewältigung einer bislang beispiellosen Situation.
IV. Das Verhältnis des Fürstenrats Osnabrück zum Fürstenrat Münster
1. Die Zusammenarbeit der Direktoren bei der Zusammenstellung der Propositionen, Conclusen und Correlationen
Richtersberger hat die Vorstellung eines in sich geeinten und nur örtlich getrennten Fürstenrats einmal in die Worte gefaßt: Es gebe nur einen Für-stenrat, nur ein Kollegium und daher auch nur ein Direktorium
. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bedurfte es vielfältiger Absprachen über einheitliche Propositionen an beiden Orten, über die Formulierung der Gesamtberatungsergebnisse
(conclusae) und die daraus zusammenge-setzten Fürstenratscorrelationen sowie über eine zeitliche Koordination der Beratungen:
Übereinstimmende Propositionen waren die Voraussetzung dafür, daß die Beratungsergebnisse zu einem Gesamtresultat zusammengefaßt werden konnten. Wie die Beratung des Fürstenrats Osnabrück am 13. März zeigt, teilten sich die Direktoren den Wortlaut ihrer Propositionen mit. Da die französischen Satisfaktionsforderungen zunächst (am 1. März) in Münster Beratungsgegenstand gewesen waren, zitierte Richtersberger wörtlich die dortige Proposition und stellte sie in Osnabrück zur Umfrage
. Ebenso
[p. LXVIII]
[scan. 68]
informierten sich die Direktoren untereinander über die Beratungsergeb-nisse. Da die Beratung über einen bestimmten Gegenstand nie am selben Tag an beiden Orten vorgenommen wurde, sondern immer ein Fürstenrat zeitlich voranschritt, wurde dessen Beratungsergebnis dem jeweils ande-ren mitgeteilt. War kein einheitliches Beratungsergebnis zustande gekom-men, wurde die Mehrheits- und die Minderheits-„Meinung“ überschickt. Erst wenn auch der andere Teilfürstenrat die Beratung abgeschlossen hat-te, ergab sich bei Addition aller Voten aus den „Meinungen“ der beiden Teilfürstenräte das Endresultat: das
conclusum des Gesamtfürstenrats
Diese Terminologie ist in den Protokollen nicht immer gleichmäßig verwendet worden. So meint z. B. das im
FRO
am 13. Februar bekanntgegebene
conclusum per maiora die Mehrheitsmeinung des
FRM
vom 10. Februar 1646 (s. dazu
[Nr. 101 Anm. 5] ). Zu den terminologischen Schwierigkeiten angesichts ao. Verfahren in einer neuen Situation s. oben Anm. 143.
. Dieses Verfahren wurde bald durch die Evangelischen im Fürstenrat Os-nabrück in Frage gestellt. Sie forderten, daß ihr einstimmiges Votum, das angesichts der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse im Gesamtfürstenrat als Minderheitsmeinung entfallen wäre, im Gesamt-
Conclusum, in der Cor-relation des Fürstenrats und im Reichsbedenken, neben der Mehrheits-meinung gesondert aufgeführt werde. Die grundsätzliche Geltung des Mehrheitsprinzips wollten sie nicht in Zweifel ziehen. Nur in dieser be-sonderen Situation könne es nicht gelten, denn
per maiora sei kein
friede zu machen, die cronen würden sich
an die maiora durchaus nicht [...] binden laßen, und man dürfe
die rechnung [nicht] ohne den wirth ma-chen
Siehe S. 111 Z. 33f, S. 109 Z. 18–21.
. Sie traten mit dieser Argumentation und generell mit ihrer For-derung nach Einbeziehung ihrer Minderheitsmeinung am 13. Februar 1646 hervor, als im Fürstenrat Osnabrück das Beratungsergebnis des Für-stenrats Münster zur Amnestie und pfälzischen Restitution bekanntgege-ben wurde:
Die katholischen Fürstenratsmitglieder waren im Prinzip mit der bislang vom Kaiser gewährten Amnestie einverstanden, indem sie die in den Re-gensburger Reichsabschied von 1641 aufgenommene Regelung akzeptier-ten, die eine Generalamnestie mit den Stichjahren 1630 für Personen und weltliche Sachen und 1627 für geistliche Sachen vorsah, davon aber aus-drücklich die kaiserlichen Erblande und die Pfalzfrage ausnahm, über die gesondert verhandelt werden solle. Diese Regensburger Amnestie war zu-nächst bis zur Aussöhnung aller Reichsstände mit dem Kaiser ausgesetzt (suspendiert) worden, doch hatte der Kaiser sie durch die Aufhebung die-ser Suspension (die
cassation des
effectus suspensivus) am 10. Oktober 1645 in Kraft gesetzt. Die katholischen Reichsstände des Fürstenrats Mün-ster hatten ihre Zustimmung vom 10. Februar allerdings an die Bedingung geknüpft, daß die Forderungen aller, die durch diese Regelung nicht zu-friedengestellt waren, angehört werden müßten und gesondert zu beraten
[p. LXIX]
[scan. 69]
seien
Zur Regensburger Amnestie von 1641 s.
APW III A 3/1
[Nr. 19 Anm. 83] ; 3/2
[Nr. 32 Anm. 6] , 7. Die „Meinung“ der kath. Reichsstände im
FRM
wurde im
FRO
am 13. Fe-bruar als
conclusum per maiora vom 10. Februar bekanntgegeben (s. Nr. 101 bei Anm. 6). Die kath.
Ges.
des
FRO
hatten am 8. Februar 1646 entsprechend, doch ohne die in Münster angehängte Bedingung, votiert (s. S.
77 Z. 8ff).
. Die Evangelischen im Fürstenrat Osnabrück forderten (bis auf Hessen-Darmstadt) einstimmig eine den Status quo ante bellum wieder-herstellende Amnestie mit dem Stichjahr 1618 in geistlichen und weltlichen Sachen
Siehe S. 77 Z. 11–15. Die ev. Minderheit im
FRM
hatte am 10. Februar ebenso gestimmt; ihr Votum ist angeführt in dem
[Nr. 101 Anm. 2] nachgewiesenen Text. Zu Hessen-Darm-stadt s. oben bei Anm. 77.
. Sie hatten schon vor Beginn der Hauptberatungen vorausgese-hen, daß es in dieser Frage zu gegensätzlichen Auffassungen der konfessio-nellen Parteien kommen werde,
so daß man sich alsbalt zustoßen werde
APW
III A 3/2, 483 Z. 11f.
. Tatsächlich wurde der 13. Februar, an dem die Beratungsergebnisse des Fürstenrats Münster im Fürstenrat Osnabrück bekanntgegeben wurden, zum Kulminationspunkt, denn die Evangelischen machten seither die Be-rücksichtigung ihrer Minderheitsvoten zu ihrer zentralen Forderung. Ob Richtersberger dem Fürstenrat Münster darüber sofort berichtet hat, ist un-gewiß, denn in dieser Phase scheint die Kommunikation zwischen den Rä-ten nicht sehr intensiv gewesen zu sein
Am 16. Februar hatte Richtersberger keine Nachricht aus Münster (S. 153 Z. 23f); am 19. Februar konnte er drei Beratungsergebnisse aus Münster mitteilen, hatte aber noch keine Antwort auf die „Meinungen“ des
FRO
vom 6. Februar (S. 154f Z. 30–33, Z. 1–14; S. 164 Z. 11–14).
. Am 21. Februar verlas Richters-berger den ersten Entwurf der Correlation zu Klasse I der Repliken, den er aus den Mehrheitsbeschlüssen, wie sie sich bei Zusammenzählung der Vo-ten aus den beiden Teilfürstenräten ergaben, zusammengesetzt hatte. Sein Entwurf hatte Gültigkeit für beide Fürstenräte; ob Richtersberger ihn aber vor der Bekanntgabe in Osnabrück vom Fürstenratsdirektorium Münster hat billigen lassen, muß offenbleiben. Beratungspunkte, die zwar in Osna-brück, aber noch nicht im Fürstenrat Münster behandelt worden waren, hat er nicht aufgenommen
Siehe Nr. 106 bei Anm. 5.
. Die evangelische Mehrheit im Fürstenrat Osnabrück lehnte diesen Entwurf einstimmig ab, da ihre abweichenden „Meinungen“ zwar erwähnt
(remissive einverleibet), ihre Argumente
(ra-tiones) aber ausgelassen und somit ihre Forderungen vom 13. Februar nicht erfüllt seien. Sie verlangten erneut die Einfügung ihrer „Meinungen“ ein-schließlich ihrer Argumentation. Richtersberger wollte eine so schwerwie-gende Entscheidung, die vom Reichsherkommen abwich
Siehe S. 172 Z. 1ff, 12ff.
, nicht allein treffen und schrieb ratsuchend nach Münster
Ob er sich an das dortige FR-Direktorium oder mehrere Institutionen wandte, geht aus dem Protokoll nicht hervor (s. S. 186 Z. 10).
. Eine kontroverse Beratung am 23. Februar über das Re- und Correlationsverfahren (in dem herkömm-licherweise die Beratungsergebnisse der Kurien so lange miteinander ver-
[p. LXX]
[scan. 70]
glichen wurden, bis ein einstimmiges Ergebnis vorlag
Zur Re- und Correlation nach Reichstagsherkommen s.
Aulinger,
214ff.
) veranlaßte Rich-tersberger zu erneuten Briefen an den Fürstenrat Münster, den Kurfürsten-rat, das Reichsdirektorium und an Trauttmansdorff
Siehe S. 186 Z. 17–20; Nr. 109 bei Anm. 30.
. Am 28. Februar konnte er zwar drei in Münster formulierte
conclusa bekanntgeben, hatte aber auf seine Anfragen noch keine Antwort erhalten
. Am 5. März konnte er wiederum ein Beratungsergebnis des Fürstenrats Münster mittei-len, doch fehlte immer noch die Antwort auf seine Briefe vom 21. und 23. Februar. Die evangelischen Gesandten erneuerten ihre Forderungen und übergaben ihr
Votum commune über Amnestie und Restitution zur Ein-fügung in Correlation und Reichsbedenken. Richtersberger konnte nur darauf verweisen, daß ihm nach wie vor eine
instruction aus Münster fehle. Dabei muß er an Trauttmansdorff gedacht haben, denn der Fürstenrat Münster konnte ihm sicherlich keine
instruction erteilen. Am 8. März konnte er schließlich das Beratungsergebnis des Fürstenrats Münster über die Re- und Correlation und die Einfügung von Minderheitsvoten be-kanntgeben und in Osnabrück zur Umfrage stellen
. Auch scheint er nun die nötigen
instructionen erhalten zu haben. Die Zustimmung des Für-stenrats Osnabrück zu den „Meinungen“ des Fürstenrats Münster konnte er durch geschickt geleitete Umfragen erreichen, so daß sein zweiter Corre-lationsentwurf zu Klasse I der Repliken am 10. März im Fürstenrat Osna-brück zur Umfrage gestellt werden konnte. Er hatte bereits den Direktoren des Fürstenrats Münster vorgelegen und war von ihnen gebilligt worden
. Die örtliche Trennung der beiden Fürstenräte und die notwendige Eini-gung über Verfahrensfragen hatte zu einer Verzögerung von sechzehn Ta-gen geführt, die zwischen der Verlesung des ersten Correlationsentwurfs am 21. Februar und der Beratung über den zweiten Entwurf am 10. März verstrichen waren. Richtersberger schickte seinen zweiten Entwurf nach Billigung durch den Fürstenrat Osnabrück wahrscheinlich am 11. März an den Fürstenrat Münster
. Auch danach fuhr er fort, die Osnabrücker Beratungsergebnisse dorthin zu senden
Er überschickte die „Meinungen“ des
FRO
vom 12. bis 17. März, ebenso die ev.
Grava-mina politica
(S. 381 Z. 15; oben bei Anm. 154).
. Am 17. März wurden die Bera-tungen im Fürstenrat Osnabrück vorläufig abgeschlossen. Die nächste Sit-zung fand am 17. April statt, nachdem die Salzburger Gesandten nach Os-nabrück gekommen waren, um ihren Correlationsentwurf zu Klasse II bis IV der Repliken im Fürstenrat zu proponieren. Nachdem Richtersberger die Correlation zu Klasse I federführend entworfen hatte, war nach dem Alternationsprinzip nun die Reihe am Salzburger Fürstenratsdirektorium, das die Correlation gemäß den Beratungsergebnissen beider Fürstenräte
[p. LXXI]
[scan. 71]
und von vornherein unter Einbeziehung der Minderheitsvoten ausgearbei-tet und bereits am 9. April im Fürstenrat Münster zur Umfrage gestellt hatte
Zur Ausarbeitung der Correlation s. S. 381 Z. 14f; zur Billigung des Entwurfs durch den
FRM
s. S. 380 Z. 18f; zum Datum s. das
FRM
-Protokoll vom 9. April 1646 (
StA
Bam-berg Rep. B 33 Serie II Bd. 4 fol. 396’-403’).
. Im Fürstenrat Osnabrück wurde er am 17. April verlesen, am 19. April zur Beratung gestellt
und noch während der Sitzung korrigiert. Dazu setzten sich der Salzburger und der Österreichische Direktor an einen Tisch und trugen die Änderungswünsche in das Manuskript ein. Diese
rec-tification
Siehe Nr. 118 bei Anm. 69.
war wohl ihre unmittelbarste und intensivste Zusammen-arbeit. Die korrigierte Fassung wurde dem Kurmainzer Reichsdirektorium übergeben
Siehe Nr. 118 bei Anm. 88.
, das nun die Vorbereitungen zur Re- und Correlation treffen mußte, die am 26. und 27. April in beiden Kongreßstädten gleichzeitig in Plenarsitzungen der Reichskurien vorgenommen wurde.
2. Die zeitliche Koordination der Beratungen
Eine ähnlich exakte zeitliche Übereinstimmung wie bei der Re- und Cor-relation hat es bei den Beratungen der Fürstenräte Münster und Osnabrück nie gegeben, da ein Thema in dem einen Fürstenrat immer etwas später als im anderen zur Umfrage gestellt wurde, so daß der Nachzügler jeweils in Kenntnis des bereits vorliegenden Resultats Umfrage halten und zu dem Ergebnis Stellung nehmen konnte. Zumindest ist Richtersberger im Für-stenrat Osnabrück so vorgegangen
So am 19. Februar (s. Nr. 105 bei Anm. 27), am 5. März (s. Nr. 109 bei Anm. 6) und am 13. März (s. S. 282f Z. 5–31, 1–4).
. In der ersten Sitzung am 3. Februar hatte mit dem
Bedenken der drei Reichsräte vom 30. Januar ein Ergebnis aus Münster vorgelegen, über das der Fürstenrat Osnabrück zwei Sitzun-gen lang beriet. Dann beschloß er, nicht auf die Zustimmung des Fürsten-rats Münster zum eigenen Beratungsergebnis zu warten, sondern nach der feststehenden Tagesordnung selbständig fortzufahren
. Er gewann da-durch einen zeitlichen Vorsprung, indem er gemäß der festgelegten Bera-tungsfolge alle Gegenstände aus Klasse I der schwedischen Replik (die Reichssachen) mit Ausnahme der Handelsfragen eher vornahm als der Für-stenrat Münster
Über Amnestie und pfälzische Restitution beriet der
FRO
am 8. und der
FRM
am 10. Februar (s. Nr. 98 und Nr. 101 bei Anm. 2); über die reichsständischen Rechte und Pri-vilegien beriet der
FRO
am 9. und der
FRM
am 14. Februar (s. Nr. 99 und Nr. 105 bei Anm. 2).
. Die Beratung über den Handel hatte der Fürstenrat Osnabrück in Erwartung des Memorials der Reichs- und Hansestädte zu-rückgestellt, nahm aber am 19. Februar zum Beratungsresultat aus Münster vom 15. Februar Stellung
Siehe Nr. 104 bei Anm. 20; S. 160 Z. 15 – S. 164 Z. 8.
. Auch bei den Themen aus der französischen
[p. LXXII]
[scan. 72]
Replik schritt der Fürstenrat Osnabrück zügiger voran als der Fürstenrat Münster
Über die Röm. Kg.swahl beriet der
FRO
am 15. und der
FRM
am 21. Februar (s. Nr. 103 und Nr. 108 bei Anm. 2); über die Frage, ob ein Junktim eines frz. Friedensschlusses mit Spanien für den Frieden Frk.s und Schwedens mit Ks. und Reich bestehen solle, beriet der
FRO
am 13. und der
FRM
am 26. Februar (s. Nr. 101 und Nr. 108 bei Anm. 6); über die frz. Forderung nach dem Ausschluß Hg. Karls von Lothringen vom
WFK
beriet der
FRO
am 14. und der
FRM
am 26. Februar (s. Nr. 102 und Nr. 108 bei Anm. 8); über die frz. Forderung nach Geleitbriefen für die portugiesischen
Ges.
beriet der
FRO
am 10. und der
FRM
am 26. Februar (s. Nr. 100 und Nr. 108 bei Anm. 9).
. Beide Fürstenräte hatten ihre Arbeit am 26. Februar im we-sentlichen so weit abgeschlossen, daß die Re- und Correlation über den er-sten Teilabschnitt, die Reichssachen, hätte vorgenommen werden können, falls Einigkeit über das Verfahren bei der Re- und Correlation und über die Forderung der Protestanten nach Einfügung ihrer Minderheitsvoten be-standen hätte
Der
FRM
hatte zu diesem Zeitpunkt im Gegensatz zum
FRO
noch nicht über einige Punkte aus der frz. Replik beraten, doch standen diese Beratungen auch noch bei Vorlage des zweiten Entwurfs von Richtersbergers Correlation über Klasse I der Repliken aus (s. Nr. 110 bei Anm. 40).
. Bei der Re- und Correlation ging es neben den strittigen Verfahrensweisen auch um die Frage, wieviele Re- und Correlationsver-fahren durchzuführen seien. Die Evangelischen wollten unter allen Um-ständen die Reichssachen vollständig beraten und durch ein Re- und Cor-relationsverfahren abgeschlossen haben, ehe sie gemäß der beschlossenen Beratungsfolge zur Behandlung der Satisfaktionsforderungen übergingen. Sie waren besorgt, daß Schweden sie nach Abschluß der Satisfaktionsbera-tungen nicht mehr genügend bei der Durchsetzung ihrer reichsständischen Ziele unterstützen würde
Siehe S. 196 Z. 35–39. Siehe auch unten bei Anm. 214.
. Richtersberger versuchte am 28. Februar ver-geblich, doch noch eine unverzügliche Behandlung der französischen und schwedischen Satisfaktionsforderungen durchzusetzen. Auch sein Hinweis, daß dieser Beratungspunkt in Münster bereits am nächsten Tag vorgenom-men werde, fruchtete nichts
. So beriet der Fürstenrat Osnabrück erst am 13. März über die französischen Satisfaktionsforderungen, nachdem Rich-tersberger einen korrigierten zweiten Correlationsentwurf zu Klasse I der Repliken nach Münster geschickt und die Evangelischen nach Einfügung ihrer „Meinungen“ in denselben auf ein vorgezogenes Re- und Correlati-onsverfahren über die Reichssachen verzichtet hatten
Siehe Nr. 113. Zur Übersendung des korrigierten 2. Correlationsentwurfs nach Münster s. oben Anm. 171.
. Bei allen weiteren Beratungsgegenständen hatte der Fürstenrat Osnabrück wieder einen zeit-lichen Vorsprung vor dem Fürstenrat Münster, so daß in den fünf Osna-brücker Fürstenratssitzungen vom 12. bis 17. März mit den „Meinungen“ des Fürstenrats Münster vom 1. März nur ein einziges Beratungsergebnis (am 13. März) bekanntgegeben werden konnte
. Da die Beratungen in
[p. LXXIII]
[scan. 73]
Münster und auch die Ausarbeitung der Correlation zu Klasse II bis IV der Repliken abgewartet werden mußten, entstand in Osnabrück eine ein-monatige Sitzungspause, bis am 17. April der vom Fürstenrat Münster be-reits gebilligte Salzburger Correlationsentwurf in Osnabrück verlesen und proponiert werden konnte
.
V. Das Verhältnis des Fürstenrats Osnabrück zum Reichsdirektorium, zum Kurfürstenrat und zum Städterat
Zu Beginn der Hauptberatungen am 3. Februar strebte der Österreichi-sche Fürstenratsdirektor danach, Kompetenzen des Kurmainzer Reichs-direktoriums an sich zu ziehen, was ihm bei Ansage und Proposition ge-lang
. Schon die Inspektion der als Tagungsraum vorgesehenen Rats-stube des Osnabrücker Rathauses hatte er selbst übernommen, obwohl dies eigentlich auch in die Kompetenz des Reichsdirektoriums fiel
. Als sich herausstellte, daß eine starke evangelische Mehrheit innerhalb des Fürstenrats Osnabrück unnachgiebig auf ihren Forderungen bestand und sich eine Kooperation zwischen den evangelischen Fürstenratsmitgliedern, Kurbrandenburg und dem Städterat Osnabrück anzubahnen schien, wan-delte sich Richtersbergers Verhältnis gegenüber Kurfürstenrat und Reichs-direktorium, indem er seine Inkompetenz in bestimmten Fragen geradezu betonte und bei beiden Institutionen Rückhalt suchte:
In der Sitzung vom 23. Februar stellte sich heraus, daß die evangelischen Fürstenratsmitglieder eine Re- und Correlation unter den (vorwiegend evangelischen) Reichsständen in Osnabrück anstellen, ein eigenes
Beden-ken aufsetzen und den Kaiserlichen übergeben wollten. Besonders der kurbrandenburgisch-pommersche Gesandte Wesenbeck trat für diesen Plan ein und meinte auch zu wissen, daß die kurfürstlichen und reichs-städtischen Gesandten in Osnabrück damit einverstanden wären. Der sachsen-lauenburgische Gesandte Gloxin, der auch dem Städterat ange-hörte, gab ebenfalls seine Zustimmung
Siehe S. 184 Z. 14–24, S. 185 Z. 23–26.
: Offensichtlich hatten entspre-chende Gespräche mit Kurbrandenburg und dem Städterat Osnabrück be-reits stattgefunden. Die Verwirklichung dieses Plans hätte faktisch eine Aufspaltung der Reichsstände nach konfessionellen Gesichtspunkten – an-stelle der herkömmlichen Gliederung nach Kurien – bedeutet, indem den kaiserlichen Gesandten in Osnabrück ein
Bedenken mit den „Meinungen“ der evangelischen Reichsstände und in Münster eines mit denen der ka-tholischen übergeben worden wäre. In dieser Situation schrieb Richters-berger an Kurfürstenrat und Reichsdirektorium in Münster
, während die Evangelischen vergeblich eine Verständigung mit den Kurmainzern
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[scan. 74]
in Osnabrück (Brömser und Krebs) suchten. Die Kurmainzer hatten das Vorhaben der Evangelischen nämlich nur
zu bedencken genommen und so reagiert, daß ein negativer Bescheid zu erwarten war
. Sachsen-Al-tenburg stellte schon Überlegungen an, ob man Kurmainz die Kompetenz einräumen solle, eine Re- und Correlation (in Osnabrück) grundlos zu verhindern; Braunschweig-Lüneburg sekundierte mit einer heftigen In-vektive auf Kurmainz, das mit dem Amt des Reichsdirektoriums Miß-brauch treibe. Richtersberger aber ließ sich auf keine Diskussion ein, zog sich auf die Position mangelnder Kompetenz zurück
und erhielt die er-betene Unterstützung aus Münster. Am 8. März teilte er im Fürstenrat Osnabrück mit, daß vor allem der Kurfürstenrat eine eigene Re- und Cor-relation in Osnabrück wie auch die Übergabe zweier verschiedener
Be-denken ablehne. Kurmainz hatte sich erboten, in Münster eine Re- und Correlation über Klasse I der Repliken abzuhalten
Das Angebot stammte von Raigersperger (s. Nr. 110 bei Anm. 23).
. Dagegen hatten die Evangelischen einzuwenden, daß keine Kongreßstadt bevorzugt und Schweden nicht durch eine Re- und Correlation und die Übergabe des
Bedenkens nur in Münster beleidigt werden dürfe. Sie erklärten sich aber schließlich einverstanden, daß unter Verzicht auf ein förmliches Re- und Correlationverfahren die in Osnabrück zur Umfrage gestellte und kor-rigierte Correlation zu Klasse I der Repliken von Richtersberger nach Münster geschickt und nach Billigung durch den Fürstenrat Münster dem Kurmainzer Reichsdirektorium übergeben werde
. Damit war es Rich-tersberger mit Hilfe von Reichsdirektorium und Kurfürstenrat gelungen, die geplante Kooperation zwischen Kurbrandenburg und der starken evangelischen Fürstenratsmehrheit und dem Städterat in Osnabrück zu unterbinden. Zusammen mit dem Salzburger Fürstenratsdirektorium hat er später noch einmal auf das Reichsdirektorium als die entscheidende In-stanz verwiesen, als es darum ging, eine ihm nicht genehme Forderung abzuwehren
Siehe dazu oben bei Anm. 138.
. Das Reichsdirektorium war ihm so in seiner schwierigen Situation innerhalb des Fürstenrats Osnabrück ein Rückhalt.
VI. Das Verhältnis des Fürstenrats Osnabrück zum Corpus Evangelico-rum und zum Corpus Catholicorum; die Gravaminaverhandlungen
Im Februar und März 1646 gehörten mehr als vier Fünftel der Reichs-stände des Fürstenrats Osnabrück dem Corpus Evangelicorum an. Fak-tisch bildeten sie das Corpus Evangelicorum, denn in diesen Monaten nah-men an dessen Sitzungen im wesentlichen nur Fürstenratsmitglieder teil
Zu den Zahlen s. oben bei Anm. 53, zu den Mitgliedern des
CE
Wolff, Corpus Evan-gelicorum, 94.
. Der Fürstenrat Osnabrück bestand somit de facto aus dem Corpus
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[scan. 75]
Evangelicorum unter Einschluß einzelner katholischer Gesandter, deren Position dadurch etwas verbessert wurde, daß mit Österreich einer der Ihren das Direktorium führte. Durch vorher vereinbarte Voten, durch Eingabe gemeinsam beschlossener Schriftsätze
Zum
Votum commune zu Amnestie und Restitution, praes. 1646 III 5, s. Nr. 109 bei Anm. 17; zum Schriftsatz des
CE
zur Friedensgarantie, praes. 1646 III 15, s. Nr. 115 bei Anm. 34; zu den ev.
Gravamina politica, praes. 1646 III 17, s. Nr. 116 bei Anm. 16; zum Schriftsatz des
CE
betr. Handelsfragen, verlesen 1646 IV 27, s. Nr. 120 bei Anm. 20.
und durch die Forde-rung, daß diese in Correlation und Reichsbedenken aufgenommen werden müßten, versuchten die evangelischen Reichsstände, dem Fürstenrat ihren Willen aufzunötigen. Ihre Taktik wurde am 8. Februar bei der Beratung über die Amnestie offenbar, ihr Postulat nach Berücksichtigung ihrer Min-derheitsvoten zuerst am 13. Februar bei Bekanntgabe der Mehrheits-„Meinung“ des Fürstenrats Münster zur Amnestie nachdrücklich aus-gesprochen
Siehe Nr. 98 und Nr. 101.
. Die katholischen Reichsstände mit dem Österreichischen Direktor an der Spitze reagierten zurückhaltend; das Verhalten der Evan-gelischen wurde in den Sitzungen weder kommentiert noch kritisiert, die eingereichten Schriftsätze wurden nicht zurückgewiesen. Richtersberger wußte, daß sie in gemeinsamen Sitzungen Absprachen für den Fürstenrat trafen, wie die Erwähnung einer solchen Sitzung im österreichischen Pro-tokoll beweist: Der erst bei der Re- und Correlation am 27. April vor-getragene Schriftsatz des Corpus Evangelicorum über Handelsfragen sei, so heißt es dort,
in conciliabulo Magdeburgico zusammengestellt wor-den
Siehe S. 421 Z. 28f. Das
CE
tagte im Magdeburger Quartier.
conciliabulum bezeichnet normalerweise eine Kirchenversammlung, deren Mitglieder der Irrlehre beschuldigt wer-den, oder im verächtlichen Sinn ein kleines, nicht rechtmäßiges Konzil (
Campe I, 249;
Sleumer, 228).
. Diese herabsetzende Charakteristik paßt zu der stillschweigenden Mißbilligung, mit der die katholischen Fürstenratsmitglieder dem Verhal-ten der Evangelischen begegneten. Sie steht auch damit im Einklang, daß die auf Reichstagen seit langem praktizierten Separatzusammenkünfte der Protestanten offiziell weder vom Kaiser noch von der katholischen Mehr-heit anerkannt worden waren
Wolff, Corpus Evangelicorum, 3. Das
CE
konstituierte sich erst 1653 als formelle Reichstagsinstitution (
Repgen, Corpus Evangelicorum, 1320). – Der Begriff
Corpus Evangelicorum taucht demgemäß in den FR-Protokollen nie auf, ebensowenig der Be-griff
Corpus Catholicorum. Beide werden hier benutzt, da sie für die Bezeichnung der Separatverhandlungen der konfessionellen Parteien auf dem
WFK
gebräuchlich sind.
.
Die kritische Einstellung des Fürstenratsdirektors betraf allerdings nicht unterschiedslos alle Verlautbarungen der Evangelischen. Als Sachsen-Al-tenburg am 5. Februar
nomine der herren evangelischen bat, die Ver-handlungen über die
Gravamina ecclesiastica möchten befördert wer-den
, war Richtersberger bereit, sich dafür einzusetzen. Die
Gravamina sollten jedoch nicht in den Reichstagskollegien, sondern gesondert durch
[p. LXXVI]
[scan. 76]
Deputierte beider Konfessionsparteien behandelt werden
. Die Evangeli-schen zählten sie zu den wichtigsten Gegenständen überhaupt
und drängten auf den Beginn direkter, mündlicher Verhandlungen, während die im Corpus Catholicorum zusammengeschlossenen katholischen Reichs-stände den Behandlungsbeginn verzögerten
Bayern und Würzburg fanden sich zur Behandlung der Religionsbeschwerden auf dem
WFK
nur zögernd bereit (
Jürgensmeier,
74f;
Immler,
279–298;
Albrecht,
Maximilian, 1033–1041); zur Haltung beider s. auch oben bei Anm. 113, zu den Gravaminaverhand-lungen insgesamt und zur ksl. Position s.
Wolff,
Corpus Evangelicorum, 151–176;
Rep-gen,
Hauptprobleme, 412.
. Richtersberger kam dem Wunsch der Evangelischen nach und konnte schon am 10. Februar im Für-stenrat bekanntgeben, daß die katholischen
Gegenbeschwerden nunmehr vorlägen, was einen baldigen Beginn der mündlichen Verhandlungen er-hoffen ließ
Siehe Nr. 100 bei Anm. 5.
. Am 21. Februar gab er während der Fürstenratssitzung be-kannt, daß
die herrn catholischen einen Beschluß über die Gravamina überschickt hätten. Trauttmansdorff hatte Richtersberger aus dem Sit-zungssaal rufen lassen, um ihm diese Information zu übermitteln, und die-ser richtete den Evangelischen sogleich aus, daß Trauttmansdorff wegen dieser Angelegenheit eine Deputation erbitte
Siehe Nr. 106 bei Anm. 56.
. Diese Unterbrechung der Fürstenratssitzung zeigt, wie wichtig sowohl Trauttmansdorff als auch Richtersberger die Gravaminaverhandlungen nahmen. Beide erkannten in diesem Zusammenhang auch die Evangelischen im Fürstenrat und damit das Corpus Evangelicorum als zuständiges Gremium an. Die Kritik richtete sich demnach gegen das Engagement des Corpus Evangelicorum in all-gemeinpolitischen Fragen, nicht gegen seinen Einsatz für konfessionelle Be-lange und die Gravaminaverhandlungen, die seit der Reformation faktisch in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen waren
Entsprechend fiel auch die (von Richtersberger inspirierte) Kritik Lambergs und Kranes beim Ks. vom 22. März 1646 aus (
APW II A 3, 436 Z. 9f). Zu der Behandlung der
Gravamina durch das
CE
s.
Repgen, Corpus Evangelicorum, 1320.
. – Das Corpus Catholi-corum wird im übrigen nur im Zusammenhang mit dieser Vermittlungs-aktion Richtersbergers erwähnt; der Fürstenrat Osnabrück als solcher un-terhielt keine Kontakte zu dieser Vertretung der katholischen Reichsstände.
VII. Das Verhältnis des Fürstenrats Osnabrück zum Kaiser
Der Kaiser und seine Gesandten wurden in den Osnabrücker Fürstenrats-sitzungen nur selten erwähnt; auch sprach keine Deputation des Fürsten-rats bei den kaiserlichen Gesandten vor. Dennoch gab es intensive Kon-takte: Der Österreichische Direktor Richtersberger unterrichtete den Kai-ser regelmäßig vom Fortgang der Beratungen, schickte Fürstenratsproto-kolle an den kaiserlichen Hof
Zur Überlieferung der Relationen und Protokolle s. unten S. CXVII.
und unterhielt enge Beziehungen zu
[p. LXXVII]
[scan. 77]
Trauttmansdorff, Lamberg und Krane. Trauttmansdorff gab ihm Anwei-sungen für sein Verhalten im Fürstenrat, selbst wenn er in Münster weil-te
Siehe Nr. 109 bei Anm. 29: Richtersberger wartete auf eine schriftliche
instruction Trauttmannsdorffs. Das Abhängigkeitsverhältnis des Direktors geht aus seinen Relationen an Ks. Ferdinand III. hervor, s. seinen Bericht von 1646 II 22: Richtersberger wird gege-benenfalls die
instruction Trauttmansdorffs einholen (
Österreich A II (XXXII) fol. 166–166’, 180, hier fol. 166’); von 1646 III 1: er erwartet den
befelch Trauttmansdorffs (
Österreich A II (XXXIII) fol. 1’); von 1646 III 15: er wird nach
befelch Trauttmans-dorffs handeln (
Österreich B I fol. 85–85’, 118, hier fol. 118).
, während sich Lamberg und Krane mündlich berichten ließen; auch die Correlation über Klasse I der Repliken sahen sie sich an (am 11. März 1646)
Siehe APW
III C 4, 116 Z. 1ff.
und unterrichteten ihrerseits den Kaiser. In kaiserlichem Auftrag wies Lamberg den Magdeburger Gesandten Krull am 25. März wegen seines Verhaltens im Fürstenrat zurecht. Anlaß war das Magdeburger Vo-tum zu Amnestie und Restitution vom 8. Februar; besonders die pro-testantischen Forderungen für die kaiserlichen Erblande hatten den Kaiser empört
Der damit in Zusammenhang stehende Briefwechsel: Trauttmansdorff, Lamberg und Krane an Ks. Ferdinand III., Osnabrück 1646 II 12 (
APW II A 3 Nr. 152); Ks. Ferdi-nand III. an Trauttmansdorff, Lamberg und Krane, Linz 1646 III 6 (
ebenda Nr. 190); Lamberg und Krane an Ks. Ferdinand III., Osnabrück 1646 III 22 (
ebenda Nr. 224); Lamberg und Krane an denselben, Osnabrück 1646 III 26 (
ebenda Nr. 231); s. auch
APW III C 2, 573 Z. 32–35;
APW III C 4, 118 Z. 4ff. – Empörung Ks. Ferdinands über reichsständische Forderungen für die ksl. Erblande:
APW II A 3, 382 Z. 6–14; s. dazu unten S. 62 Z. 7–31.
. Bei der Ermahnung Krulls kam auch das Gesamtverhalten der Evangelischen zur Sprache, das eine Spaltung der Reichsstände verursache und Einstimmigkeit im Fürstenrat verhindere. Die wichtigsten Beratun-gen waren im Fürstenrat Osnabrück zu diesem Zeitpunkt freilich schon abgeschlossen; bis zur Re- und Correlation fanden nur noch die beiden Sitzungen unter Salzburger Direktorium am 17. und 19. April statt, so daß die Zurechtweisung schon aus diesem Grund keinen wesentlichen Ef-fekt mehr haben konnte. Lambergs Eingreifen und die vorangegangenen Berichte an den Kaiser dokumentieren, wie genau die kaiserlichen Ge-sandten die Verhandlungen im Fürstenrat beobachteten und anhand von Richtersbergers Mitteilungen kontrollierten. Dieser hat sicherlich immer im Einverständnis mit den kaiserlichen Bevollmächtigten gehandelt, so daß seine Verhandlungsführung, vor allem der schwierige Umgang mit der großen evangelischen Mehrheit in Osnabrück, die Billigung der kai-serlichen Gesandten und letztlich des Kaisers selbst gefunden haben wird.
VIII. Das Verhältnis des Fürstenrats Osnabrück zu Schweden
Nicht der Fürstenrat Osnabrück selbst, wohl aber der größte Teil seiner Mitglieder stand in engen Beziehungen zu Schweden: Die evangelischen Reichsstände hatten bei Übergabe der
Gravamina Evangelicorum an Oxenstierna und Salvius am 25. Dezember 1645 ihre Unterstützung bei
[p. LXXVIII]
[scan. 78]
den schwedischen Satisfaktionsforderungen zugesagt, falls sich Schweden weiterhin ihrer annehmen und ihnen besonders bei den
Gravamina beiste-hen werde. Der Magdeburger Krull hatte an der Spitze der Delegation gestanden, die dieses Versprechen gegeben hatte. Zwei Tage später hatten die Deputierten im damals noch rein evangelisch besetzten Fürstenrat dar-über berichtet
Siehe
APW III A 3/2, 374 Z. 24–30, 379 Z. 31ff.
. Da die Evangelischen besorgt waren, daß Schweden sich nach Erfüllung seiner Satisfaktionsansprüche nicht mehr hinreichend für die evangelischen
Gravamina einsetzen würde oder sie zum Kompensati-onsobjekt bei den Satisfaktionsverhandlungen machen könne, drängten sie im Fürstenrat auf Abschluß der Beratungen über die Reichssachen (zu de-nen die
Gravamina zählten), ehe sie sich den schwedischen und französi-schen Satisfaktionsforderungen zuwendeten
Siehe Nr. 108. Braunschweig-Lüneburg und Sachsen-Altenburg engagierten sich beson-ders (s. S. 199 Z. 25f, 30–33; s. auch
Wolff, Corpus Evangelicorum, 90; oben bei Anm. 183).
. Es kam deshalb im Für-stenrat zu Auseinandersetzungen über die Frage, ob die Kaiserlichen bei Vorliegen des reichsständischen Gutachtens über Klasse I der schwe-dischen Replik bereits mit Schweden und Frankreich über die Reichs-sachen verhandeln würden, während die Reichsstände noch über die an-deren drei Klassen der schwedischen Replik berieten. Richtersberger be-stritt das mit Entschiedenheit, während Lampadius „und andere“
fast ver-sichern wollten, daß Schweden dazu bereit sei
. In Wirklichkeit wartete Schweden voller Ungeduld auf den vollständigen Abschluß der reichsstän-dischen Beratungen und befürchtete neue Verzögerungen durch mehrere Re- und Correlationsverfahren. Mit Rücksicht auf das schwedische Drän-gen beschloß der Fürstenrat Münster am 22. Februar, erst am Schluß der Beratungen ein einziges Re- und Correlationsverfahren durchzuführen. Doch dann erklärte sich der Kurmainzer Gesandte Raigersperger bereit, den Forderungen der Evangelischen im Fürstenrat Osnabrück nachzuge-ben und eine vorgezogene Re- und Correlation über die Reichssachen ab-zuhalten
Siehe Nr. 108 bei Anm. 41; Nr. 110 bei Anm. 23.
. Sie sollte am 31. März 1646 in Münster stattfinden. Daß sie schließlich doch nicht zustande kam, hatte mit der „Eifersucht“
(jalousie, gelosia) der Kronen aufeinander zu tun, deren Prestige eine Gleichbe-handlung der Kongreßstädte Osnabrück (als dem Hauptverhandlungsort Schwedens) und Münster (als dem Hauptverhandlungsort Frankreichs) unerläßlich erscheinen ließ
Zur
jalousie der Kronen s. z. B. auch S. 13 Z. 19ff, S. 181 Z. 12, 184 Z. 4f, S. 217 Z. 40, S. 225 Z. 34, S. 228 Z. 36, S. 247 Z. 11–15.
. Das auf kurbrandenburgisch-pommersche Initiative hin am 29. März zusammengerufene Corpus Evangelicorum verständigte sich durch Deputierte mit Richtersberger, der die notwendige Korrespondenz mit Münster übernahm und so gleichsam in letzter Minute
[p. LXXIX]
[scan. 79]
am 31. März die geplante Re- und Correlation verhinderte, die
der Cron Schweden verkleinerlich gewesen wäre
So Milagius an die Fürsten von Anhalt, Osnabrück 1646 III 25/IV 4 (
Krause V.2, 91–94, hier 91f); s. dort auch die Beschreibung der gesamten Vorgänge. Siehe ferner mag-deburgisches Diarium zu 1646 III 19/29–20/30 in:
Magdeburg F III fol. 503;
Meiern II, 875
;
ebenda, 875f Text eines nicht ausgefertigten Briefes des
CE
an den
FRM
über die geplante Re- und Correlation, Osnabrück III 20/30; eine Kopie wurde zur Kennt-nisnahme an die ev. Fürsten und Stände in Münster geschickt; s. dort 876: Es sei nicht ratsam,
die Herren Schwedische Gesandten zu offendiren, was durch eine einseitige Re- und Correlation in Münster geschehen würde.
.
Bei dieser Absage spielte auch eine Rolle, daß den Evangelischen zu die-sem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr an einer vorgezogenen Re- und Cor-relation über die Reichssachen gelegen war, da der Fürstenrat Osnabrück inzwischen (am 12. bis 14. März) bereits über die Satisfaktionsforderun-gen beraten hatte. Da sich Ende März eine gleichzeitige Re- und Corre-lation in Osnabrück und Münster nicht so schnell bewerkstelligen ließ, verzichteten sie lieber ganz auf ein eigenes Re- und Correlationsverfahren über die Reichssachen, für das sie sich in der Fürstenratssitzung am 28. Februar so sehr eingesetzt hatten. Die nach Abschluß der Beratungen am 26. und 27. April veranstaltete Re- und Correlation fand gleichzeitig in Münster und Osnabrück statt. Damit wurde vermieden, daß
den cronen schimpf zugezogen und Schweden
in gelosia gesäzt werde
So schon die Forderung des
FRO
am 8. März (S. 228 Z. 26f, 35f).
.
Die Besorgnis der Evangelischen, daß Schweden sich nach Beratung der Satisfaktionsforderungen nicht mehr für ihre Gravamina
einsetzen würde, erwies sich als unnötig: Salvius sprach am 29. April mit Trauttmansdorff über die Gravamina
Siehe APW
II A 4, 109 Z. 15–18.
.
Zweifellos spielte dabei eine Rolle, daß auch die Evangelischen ihre Zusage eingehalten und im Fürstenrat Osnabrück die Beratung der Frage, ob man der cron Schweden einige satisfaction schül-dig,
abgelehnt hatten. So war die von Richtersberger gewünschte negative Antwort vermieden worden
.
IX. Das Verhältnis des Fürstenrats Osnabrück zu Frankreich
Für Frankreich war Münster der Hauptverhandlungsort, und Osnabrück, wo nur der Resident La Barde die französischen Interessen vertrat, war weniger wichtig. So gab es auch nur wenige Kontakte zwischen dem Für-stenrat Osnabrück und den Franzosen. Am intensivsten waren sie gleich zu Beginn, als die Beratungsfolge festgelegt wurde. Die Reichsstände in Münster hatten beschlossen, daß neben den reichsständischen Beratungen zugleich die Verhandlungen der Kaiserlichen über die französischen und schwedischen Satisfaktionsforderungen begonnen werden sollten
. Da-mit stimmte Frankreich überein, das nach offizieller Erklärung seiner For-derungen in der Replik vom 7. Januar die Verhandlungen über die terri-
[p. LXXX]
[scan. 80]
torialen Ansprüche in den Vordergrund treten ließ und sich an den reichs-politischen Fragen weniger interessiert zeigte
. La Barde hatte den Mecklenburger Gesandten Kayser sogar aufgefordert, im Fürstenrat für gleichzeitige Verhandlung über die Satisfaktion und Beratung über die Reichssachen zu votieren; auch Lampadius wußte davon
Siehe Nr. 96 bei Anm. 28 und 31.
. Im Fürstenrat Osnabrück sprach sich allerdings nur der bayerische Gesandte Ernst ent-schieden für einen sofortigen Beginn der Satisfaktionsverhandlungen aus. Bayern hatte auf dem Kongreß eine Art Mittlerrolle zwischen Kaiser und Frankreich übernommen und setzte sich für vorrangige Verhandlungen der französischen Satisfaktionsforderungen ein
Albrecht,
Maximilian, 1033f;
Tischer,
247–252.
. Im Fürstenrat plädierte der bayerische Gesandte dafür, erst den äußeren Brand zu löschen, um sich dann dem inneren Feuer zuzuwenden
. Die große Mehrheit aber wünschte im Gegenteil, zunächst die inneren Angelegenheiten und damit die in Klasse I der schwedischen Replik zusammengefaßten Reichsangele-genheiten zu behandeln
. Dieser Beschluß rief auch insofern das franzö-sische Mißfallen hervor, als sich Frankreich durch die Bezugnahme auf die schwedische Replik zurückgesetzt fühlte. Als Richtersberger davon erfuhr, machte er für zwei Sitzungen die französische Replik zum Leitfaden sei-ner Propositionen. Er brach dieses Verfahren ab, als die evangelischen Ge-sandten darauf bestanden, die Beratungen über die Reichssachen abzu-schließen, bevor Gegenstände aus den übrigen drei Klassen der schwe-dischen Replik vorgenommen würden
Richtersberger hatte durch seine Orientierung an der frz. Replik einen Vorgriff auf Klasse III (Friedenssicherung) getan (S. 152 Z. 19–28, S. 153 Z. 21f). – Zum Bericht über die Unzufriedenheit der Franzosen s. Nr. 102 bei Anm. 28.
. Um die französische Kritik nicht wieder herauszufordern, sprach der Fürstenrat in seinen Correlationen nicht von der Reihenfolge der schwedischen Replik, sondern wählte zur Vermeidung der
jalousie Frankreichs eine neutrale Formulierung
Nr. 111 bei Anm. 125; s. auch Nr. 118 bei Anm. 68.
.
X. Ergebnisse der Beratungen
1. Chronologie der Entscheidungen
Zu Beginn der Hauptberatungen beschloß der Fürstenrat Osnabrück am 3. Februar mit großer Mehrheit, die schwedische Replik vom 7. Januar 1646 mit ihrer Einteilung in vier Klassen von Verhandlungsgegenständen zum Leitfaden für die Reihenfolge seiner Beratungen zu machen und so-mit zuerst die Reichssachen (Klasse I), dann die territorialen und finan-ziellen Forderungen Schwedens und Frankreichs (Klasse II), darauf die Fragen der Friedenssicherung (Klasse III) und zuletzt die Schluß- und Ausführungsbestimmungen des Friedensvertrags (Klasse IV) vorzuneh-
[p. LXXXI]
[scan. 81]
men
Siehe Nr. 95 (S. 26 Z. 3–9).
. Am 5. Februar wurde einstimmig beschlossen, ohne Rücksprache mit dem Fürstenrat Münster und dem Reichsdirektorium mit den Bera-tungen zu beginnen, was am 6. Februar geschah
Siehe Nr. 96 und 97; s. oben S. LXXI.
. Am 9. Februar legte Magdeburg sein Votum zu Amnestie und Restitution vom 8. Februar beim Österreichischen Direktor schriftlich mit der Forderung vor, es in die Correlation des Fürstenrats einzufügen. Auch das Magdeburger Vo-tum vom 9. Februar über die reichsständischen Rechte und Privilegien wurde schriftlich übergeben. Diesem Votum hatten sich alle Evangeli-schen, dem Magdeburger Votum vom 8. Februar alle Evangelischen außer Hessen-Darmstadt, angeschlossen
Zur Übergabe des Votums vom 8. Februar s.
[Nr. 99 Anm. 13] ; zur Übergabe des Votums vom 9. Februar s. S. 80 Z. 21ff. Zur Haltung Hessen-Darmstadts s. oben bei Anm. 77.
. Am 13. Februar wurde zum ersten Mal eine „Meinung“ des Fürstenrats Münster zu einem im Fürstenrat Os-nabrück bereits behandelten Punkt bekanntgegeben; das Gesamtconclu-sum zur Amnestie war schon in Münster durch Zusammenrechnung aller Voten aus beiden Fürstenräten ermittelt worden und wurde nun in Osna-brück mitgeteilt. Da die „Meinungen“ in Münster und Osnabrück unter-schiedlich ausgefallen waren und die Evangelischen im Fürstenrat Osna-brück ihre fast einstimmige Minderheitsmeinung nicht berücksichtigt fan-den, forderten sie, daß neben der Mehrheitsmeinung ihre abweichenden Voten (die
vota discrepantia oder
discrepirende mainungen) den Fürsten-ratsconclusa und später der Correlation eingefügt werden sollten. Wenn dies nicht geschehe, wollten sie ihr eigenes Gutachten oder
Bedenken den Kaiserlichen separat übergeben
Die Drohung formulierte Magdeburg und, ausführlicher, Braunschweig-Lüneburg (S. 108 Z. 32, S. 111 Z. 36ff). – Die Begriffe
Bedenken oder
Gutachten wurden synonym verwendet (
Moser IL, 432).
. Am 21. Februar verlas der Fürstenrats-direktor seinen ersten Correlationsentwurf über Klasse I der Repliken; da er die Minderheitsmeinungen der Evangelischen nicht wörtlich eingefügt hatte, lehnten diese den Entwurf ab
Siehe Nr. 106 und oben bei Anm. 163.
. Richtersberger wendete am 21. Februar die Drohung der Protestanten zum Angebot: Sie könnten ihr
Be-denken dem Reichsdirektorium oder den Kaiserlichen separat übergeben. Das wäre für die Evangelischen eine schlechte Lösung gewesen, denn in diesem Fall stand es im Belieben der Kurmainzer oder kaiserlichen Ge-sandten, ob sie ein solches
Bedenken annehmen und berücksichtigen woll-ten
Richtersberger erläuterte dies selbst (S. 172 Z. 9f).
. Die Evangelischen beharrten daher auf ihrer Forderung nach Ein-beziehung ihrer abweichenden „Meinungen“ und entwickelten nach Ab-sprache mit Kurbrandenburg und dem Städterat Osnabrück den Plan ei-nes separaten Re- und Correlationsverfahrens (jeweils unter den Reichsständen in Osnabrück und in Münster) mit anschließender Über-
[p. LXXXII]
[scan. 82]
gabe zweier unterschiedlicher
Bedenken an die Kaiserlichen. Sie unter-breiteten diesen Vorschlag bei der Beratung über die Re- und Correlation am 23. Februar
Siehe Nr. 107: Vorschlag Magdeburgs, ausführlicher erläutert von Sachsen-Altenburg (S. 178f, S. 179f); s. dazu oben bei Anm. 190.
. Desgleichen forderten sie eine eigene Re- und Correla-tion über Klasse I der Repliken und die Einfügung der
vota singularia in das
Bedenken, was einzelne Gesandte bereits am 3. Februar verlangt hat-ten. – Der Begriff
votum singulare wurde erst am 8. März erläutert
Siehe unten bei Anm. 242. Am 3. Februar hatten Sachsen-Altenburg, Pommern, Meck-lenburg, Württemberg und die Wetterauer Gf.en gefordert, daß Einzelvoten in wichtigen Angelegenheiten, in denen die Stände als einzelne (
ut singuli) und nicht als Körperschaft zu betrachten seien, in die FR-Beschlüsse aufgenommen werden sollten; so am deutlich-sten (aber unvollständig wiedergegeben) Württemberg, s. dazu
[Nr. 95 Anm. 71] ; zu den Voten Sachsen-Altenburgs, Pommerns, Mecklenburgs und der Wetterauer Gf.en s. S. 11 Z. 9, S. 17 Z. 30–35, S. 18 Z. 30–33, S. 25 Z. 9ff. Am 23. Februar forderten Sachsen-Wei-mar, Baden-Durlach, Pommern und die Wetterauer Gf.en die Einfügung der
vota singu-laria (s. S. 182 Z. 10ff, S. 183 Z. 35ff, S. 184 Z. 10f, S. 185 Z. 38), dazu zusammenfassend der Öst. Direktor (S. 186 Z. 6f).
. Am 28. Februar erklärte sich Richtersberger bereit, die abweichenden „Meinungen“ der Evangelischen in die Correlation einzufügen, falls Kur-fürstenrat und Städterat einverstanden wären; eine Antwort auf seine An-fragen bei diesen und anderen Institutionen lag aber noch nicht vor
Siehe S. 197 Z. 25–28. Zu Richtersbergers Anfragen s. oben bei Anm. 167.
. Daraufhin übergab Magdeburg im Namen der Evangelischen am 5. März das
Votum commune über Amnestie und Restitution mit der Auf-forderung, es der Correlation und dem Reichsbedenken einzufügen
Siehe Nr. 109 bei Anm. 16; oben S. LVI.
.
Exkurs zur Bedeutung der Begriffe vota discrepantia, vota singularia
und vota particularia:
Am 8. März lag die Zusage des Fürstenrats Münster zur Abhaltung ei-ner gesonderten Re- und Correlation über Klasse I der Repliken vor; Raigersperger wollte sie im Namen des Reichsdirektoriums in Münster abhalten
Siehe Nr. 110 bei Anm. 23; oben bei Anm. 216.
. Der Fürstenrat Münster war auch mit der Einfügung der abweichenden „Meinungen“ (der vota discrepantia
) einverstanden, nicht aber mit der Einfügung der vota singularia
bzw. vota particula-ria
Beide Begriffe wurden vom
FRM
synonym verwendet (S. 221 Z. 24f und Z. 30f). Ent-sprechend auch in der Aufzeichnung der „Meinung“ (s.
[Nr. 110 Anm. 2] , fol. 28’, 29 an der dort angegebenen Stelle):
singularia vota entsprechen
particularanligen.
.
Die Evangelischen (abgesehen von Hessen-Darmstadt) erneuer-ten jedoch ihre Forderung, daß auch die vota singularia
wörtlich auf-genommen werden müßten. Erst jetzt wurde der Begriff definiert: Es ging nicht um ein abweichendes Einzelvotum bei allgemeinen Bera-tungsgegenständen (votum singulare in rebus communibus
), sondern um ein Einzelvotum, das sich auf Angelegenheiten des jeweiligen Reichsstands selbst bezog, sofern diese mit den Friedensverhandlungen zu tun hatten (votum singulare in rebus singularibus, die in die haubt-
[p. LXXXIII]
[scan. 83]
sache einlauffen,
oder so totum negotium concerniret
Richtersberger hatte sich den Begriff von Lampadius am 7. März bei einer Visite erläu-tern lassen (s. Lampadius an Hg. Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg-Calen-berg, Osnabrück 1646 III 6/16, in:
Braunschweig
-
Lüneburg
-
Calenberg A IV fol. 208–211, dort fol. 208–208’ eine deutlichere Definition als im FR-Protokoll; s. dazu die Voten Braunschweig-Lüneburgs und Pommern-Stettins und die „Meinung“ des
FRO
, zu Punkt III: S. 225ff und S. 229 Z. 14–17).
). Der Wort-gebrauch ist in den Protokollen zum Teil unscharf und zweideutig, in-dem eine Unterscheidung zwischen Singular- und Partikularvoten ver-sucht wird
Siehe S. 224 Z. 11–16: Waß die singularia vota antrifft [...]. Was andere particularia be-langet [...].
. Genau definiert ist nur der Terminus votum singulare in rebus singularibus.
„Partikularvotum“ ist der allgemeinere Begriff, der ein Einzelvotum mit Spezialanliegen bezeichnet und zum Teil eine ne-gative Konnotation hat, indem bei einem Partikularvotum der Bezug auf die allgemeinen Friedensverhandlungen in Zweifel gezogen oder abgesprochen wird
Siehe z. B. particular- oder privatinteresse
(S. 196 Z. 19).
. Im allgemeinen werden beide Begriffe synonym verwendet
Bei der Re- und Correlation am 26. April sprach das Reichsdirektorium von eingerückten oder beygelegten particularvotis,
das Öst. Direktorium von den erwähnten oder bei-gelegten Singularvoten (cum mentione [...] votorum quorundam singularium
), s. S. 415 Z. 25ff.
.
Während der Fürstenrat Münster am 5. März beschlossen hatte, daß Sin-gularvoten gar nicht berücksichtigt werden sollten, forderte der Fürstenrat Osnabrück am 8. März mehrheitlich, daß die
vota singularia in rebus sin-gularibus in die Correlation eingefügt werden sollten. In der Praxis wur-den die Singularvoten mit argumentativer Begründung des Standpunkts beigelegt und kurze Verweise auf das spezielle Anliegen eines Standes in eigener Sache eingefügt. Eine Abstimmung über diese Frage hat es im Für-stenrat Osnabrück nicht gegeben
Wahrscheinlich beeinflußte der Beschluß des
KFR
vom 28. März 1646, daß die kurbg. Voten der kfl. Relation beigelegt und nicht inseriert werden sollten, den
FR
(
APW III A I/1, 557 Z. 23ff, 559 Z. 10f). Zu den Singularvoten Pommerns und Brandenburg-Kulmbachs und -Ansbachs sowie Hildesheims, Münsters, Fuldas und Hessen-Darmstadts s.
[Nr. 118 Anm. 35] , zu dem der Wetterauer Gf.en unten Anm. 251. Ein Verweis auf ein „singulares“ Anliegen ist Österreichs Votum für die Interessen der Innsbrucker Linie des Hauses Habsburg, die durch die frz. Satisfaktionsforderungen betroffen war (s. unten bei Anm. 292).
.
Ferner beschloß der Fürstenrat Osnabrück am 8. März mit Mehrheit, daß die Correlation über Klasse I im Osnabrücker Fürstenrat verlesen, ver-abschiedet, anschließend an den Fürstenrat Münster geschickt, dort behan-delt und dann dem Kurmainzer Reichsdirektorium übergeben werden sol-le, das die Aufgabe hatte, die bei ihm eingehenden Schriftsätze zum Reichsbedenken zusammenzufügen
. Auf eine Re- und Correlation sollte demnach verzichtet werden, da sie andernfalls mit Rücksicht auf
[p. LXXXIV]
[scan. 84]
Schweden und Frankreich in beiden Kongreßstädten hätte vorgenommen werden müssen und ein herkömmliches Verfahren, das Verhandlungen zwischen den Kurien bis zum Ausgleich der divergenten „Meinungen“ vorsah, ohnehin zwecklos schien
Zur Zwecklosigkeit des herkömmlichen Re- und Correlationsverfahrens s. S. 217 Z. 34f und S. 224 Z. 2f, zur
jalousie der Kronen aufeinander oben Anm. 217.
. Auf den Vorschlag Raigerspergers zu einer Re- und Correlation in Münster ging der Fürstenrat Osnabrück nicht ein. Da dieser sein Angebot aufrechterhielt und der Fürstenrat Os-nabrück anscheinend nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht hatte, daß er mit einem einseitigen Re- und Correlationsverfahren in Münster keinesfalls einverstanden sei, wäre es am 31. März in Münster beinahe zu einer Re- und Correlation über Klasse I gekommen. Das Verfahren wurde durch einen Einspruch Richtersbergers im letzten Augenblick abge-sagt
.
Aufgrund der Beschlüsse des Fürstenrats Münster vom 5. und des Fürsten-rats Osnabrück vom 8. März verlas Richtersberger dann am 10. März einen zweiten Correlationsentwurf über Klasse I der Repliken, in den das
Votum commune der Evangelischen über Amnestie und Restitution wörtlich eingefügt war
Es begann: Hergegen weren die herrn protestirenden einer anderen mainung gewesen
(S. 234 Z. 31f).
. Diesem
Votum commune war seinerseits das Wetterauer Votum zur Amnestie (in der Neufassung vom 5. März) bei-gelegt worden
.
Nachdem die Correlation über Klasse I beschlußgemäß nach Münster ge-schickt worden war, begann am 12. März eine neue Phase der Beratun-gen im Fürstenrat Osnabrück, der die Klassen II bis IV in nur fünf Tagen behandelte. Vom 12. bis 14. März war Klasse II Beratungsgegenstand, am 15. März Klasse III und am 17. März Klasse IV
Siehe Nr. 112–114; Nr. 115; Nr. 116.
. Am 15. März verlas der Magdeburger Gesandte einen Schriftsatz zur Friedensgarantie mit der Aufforderung, ihn der Correlation und später dem Friedensschluß ein-zufügen, und mit dem Vorbehalt weiterer Ergänzungen; die meisten evangelischen Gesandten schlossen sich an. In das vom Direktorium for-mulierte Beratungsergebnis wurde aufgenommen, daß des Schriftsatzes beim Friedensschluß
zu gedencken sei; in der Correlation zu Klasse II, III und IV wurde er erwähnt und anscheinend beigelegt
. Am 17. März verlas der Magdeburger Gesandte evangelische
Gravamina politica, ebenfalls mit der Forderung, sie in Correlation und Friedensvertrag ein-zufügen. Er regte an, den katholischen Gesandten Gelegenheit zu Ergän-zungen zu geben, was aber unterblieb
Siehe S. 357 Z. 11–14; s. auch oben bei Anm. 154.
. Als diese
Gravamina politica am 19. April noch einmal (unter Salzburger Direktorium) Beratungs-
[p. LXXXV]
[scan. 85]
gegenstand waren, wurde beschlossen, sie der Correlation beizufügen
Siehe Nr. 118 bei Anm. 75.
. Beide Schriftsätze kann man als
vota communia klassifizieren, da die evangelischen
Gravamina politica vom Corpus Evangelicorum gebilligt worden waren und der Schriftsatz zur Friedensgarantie während der Sit-zung von den meisten Evangelischen gebilligt und von keinem abgelehnt wurde
. Die Schriftsätze fallen aber nicht in die Kategorie der
vota dis-crepantia, da sie nicht von den übrigen (katholischen) Voten abwichen, sondern Punkte enthalten, die der Fürstenratsdirektor gar nicht pro-poniert hatte.
Es ging in dieser zweiten Beratungsphase so zügig voran, weil nicht mehr über Verfahrensfragen gesprochen und die Correlation über Klasse II bis IV der Repliken in Münster aufgesetzt wurde. Nach dem 17. März stellte der Fürstenrat Osnabrück seine Sitzungen vorübergehend ein, um den Abschluß der Beratungen in Münster abzuwarten. Als nach Eintreffen weiterer katholischer Gesandter und der Ankunft des Salzburger Direkto-riums der Fürstenrat Osnabrück am 17. April einberufen wurde, um die im Fürstenrat Münster genehmigte Fassung der Correlation zu Klasse II, III und IV zu vernehmen, drängte alles zur Eile. Detailfragen der bevor-stehenden Re- und Correlation müssen bereits in Münster geklärt worden sein
Zum KFR-Beschluß vom 28. März 1646 über die Aushändigung dreier getrennter Be-denken an die Kaiserlichen s.
[Nr. 119 Anm. 26] .
; zumindest ist im Fürstenrat Osnabrück nicht mehr darüber debat-tiert worden. Am 19. April ist von keinem Gesandten in Zweifel gezogen worden, daß bei der Re- und Correlation abweichend vom Reichsher-kommen die Relation des Kurfürstenrats und die Correlationen von Für-sten- und Städterat nur
in pleno abgelesen und dann sogleich als
Beden-ken der Reichsräte den Kaiserlichen übergeben werden sollten
Siehe S. 397 Z. 21–24, S. 399 Z. 20ff (und ähnlich noch mehrfach).
. Auch ist die Correlation des Fürstenrats zu Klasse II, III und IV nur in wenigen Punkten und noch während der Sitzung korrigiert worden, da sich die meisten Gesandten das Recht auf Zusätze und Korrekturen vorbehielten und sie unter dieser Voraussetzung oft pauschal und zum Teil mit aus-drücklicher Bitte um Beschleunigung des Verfahrens billigten
Ausdrücklicher Vorbehalt des Rechtes auf „Erinnerungen“ im Verlauf der Verhandlun-gen bei Bayern (S. 393 Z. 3f), Magdeburg (S. 394 Z. 16ff), Pfalz-Lautern (S. 395 Z. 6–9), Corvey (S. 398 Z. 25f), Brandenburg-Kulmbach (S. 399 Z. 22f), Braunschweig-Lüne-burg, auch für Mecklenburg-Schwerin und -Güstrow und Baden-Durlach (S. 399 Z. 34, 36–39), Pommern-Stettin (S. 400 Z. 21ff), Württemberg (S. 403 Z. 4), Sachsen-Lauenburg (S. 404 Z. 10f), Wetterauer Gf.en (S. 406 Z. 13ff); Bitte um Eile z. B. bei Pfalz-Lautern und Sachsen-Altenburg (S. 394 Z. 29f, S. 397 Z. 18). Zur Korrektur am Ende der Sitzung s. oben bei Anm. 175.
.
Bei der Re- und Correlation am 26. und 27. April machte das Kurmainzer Reichsdirektorium zur Bedingung, daß alle Verstöße gegen das Reichsher-kommen kein Präjudiz darstellen sollten. Das Österreichische Direkto-
[p. LXXXVI]
[scan. 86]
rium wiederholte diesen Vorbehalt, besonders im Hinblick auf die Be-schlußfassung und die
vota singularia
Siehe S. 413 Z. 19–24, S. 415 Z. 14–21. Wiederholung am 27. April: S. 430 Z. 22–25.
. Neben der Verlesung der
Beden-ken der drei Reichsräte wurde der Text eines Begleitschreibens bekannt-gegeben. In ihm behielten sich die Reichsstände das Recht vor, informiert zu werden und die Verhandlungsergebnisse vor dem Friedensschluß zu genehmigen
Siehe
[Nr. 120 Anm. 4] . Die Wiedergabe im Protokoll (S. 426 Z. 17–20) ist sehr verkürzt und spricht nur von der erbetenen Information der Reichsstände.
. Ein erst während des Re- und Correlationsverfahrens bei einer separaten Beratung des Fürstenrats bekanntgegebener Schriftsatz des Corpus Evangelicorum über Handelsfragen wurde von den katholischen Fürstenratsmitgliedern nicht akzeptiert, da er im Fürstenrat Münster nicht behandelt worden sei
So Konstanz (s. Nr. 120 bei Anm. 25; der Schriftsatz wurde nicht in das Reichsbedenken eingebracht: s. Nr. 120 bei Anm. 70; s. auch oben bei Anm. 99).
. Magdeburg behielt den Evangelischen ausdrück-lich das Recht auf spätere „Erinnerungen“ zu den Reichsbedenken vor und wiederholte damit die im Fürstenrat am 19. April angemeldeten Vor-behalte; der Österreichische Direktor erklärte, daß die
Bedenken der Reichsräte nicht bindend sein sollten
Siehe S. 420 Z. 4f; oben bei Anm. 97.
. Der Fürstenrat nominierte ferner die Deputierten zur Übergabe der Reichsbedenken. Magdeburg forderte im Namen der Evangelischen eine paritätische Deputation, doch nomi-nierte das Österreichische Direktorium mehr Katholiken als Evangelische. Da jedoch mehrere katholische Deputierte fernblieben, nahmen mehr Protestanten als Katholiken an der Deputation teil
Siehe dazu oben bei Anm. 65.
. Der weitgehende Verzicht auf eine Diskussion abweichender Auffassungen zu einzelnen Punkten in den
Bedenken der anderen Kurien wurde mit Zeitmangel be-gründet; so blieb es bei einer Reihe von allgemeinen Protesten und Wider-sprüchen
. Ganz am Schluß setzte Kurbrandenburg mit Hilfe einiger Protestanten noch eine besondere Weisung für den mündlichen Vortrag der Deputierten durch. Sie betraf die Information der Reichsstände und speziell der Betroffenen über den Stand der Verhandlungen
.
Bei der Übergabe der Reichsbedenken tadelten die kaiserlichen Gesandten, daß die Reichsstände die
relationen nicht früher vorgelegt hätten, und er-boten sich, die Dupliken an Schweden und Frankreich danach einzurichten. Sie kommentierten nicht die ungewöhnliche, gegen das Reichsherkommen verstoßende Form der getrennten
Bedenken der Reichsräte, die nur äußer-lich in einem Faszikel vereinigt worden waren
Zur äußeren Form s.
APW II A 4, 118 Z. 9.
. Zur Information der Reichsstände über den Fortgang der Verhandlungen waren sie nur bedingt bereit, und dies war der Anlaß zu einem „hitzigen“ Wortgefecht zwischen
[p. LXXXVII]
[scan. 87]
dem kurbrandenburgischen Deputierten Löben und den kaiserlichen Ge-sandten, das andere Themen nicht zur Sprache kommen ließ
.
2. Das Fürstenratsbedenken vom 27. April 1646
Analog zum Beratungsverlauf bestand das
Bedenken des Fürstenrats aus zwei Teilen: der Correlation zu Klasse I und der Correlation zu Klasse II bis IV der Repliken
Siehe Nr. 121 bei Anm. 2.
. Beide enthielten die Stellungnahmen zu den Punk-ten, in denen die Friedensvorschläge des Kaisers einerseits und Schwedens und Frankreichs andererseits voneinander abwichen oder die eine Seite Formulierungen der anderen geändert oder gestrichen haben wollte
Dabei ging es konkret um die schwed. und frz. Proposition II von 1645 VI 11, die dazu Stellung nehmenden ksl. Responsionen von 1645 IX 25 und die Repliken Frk.s und Schwedens von 1646 I 7 (s.
[Nr. 95 Anm. 3] , 7, 8 und 9).
. Der erste Punkt der Correlation zu Klasse I betraf die schwedische Behaup-tung, nicht gegen das Reich Krieg geführt zu haben, konkret die schwe-dische Forderung nach Auslassung der Worte
in Imperium in der kaiserli-chen Responsion
Siehe dazu Nr. 97 bei Anm. 8.
. Fürstenrat und Städterat schlugen vor, die Worte zur Vermeidung einer Diskussion über die Kriegsgründe auszulassen (zu
dis-simulieren)
Correlation des
FR
zu Klasse I der Repliken (
Meiern II, 510
, zweiter Absatz, beginnend
Solchemnach); Correlation des SR, Ad prooemium (
ebenda, 947, erster Absatz, begin-nend
So viel).
Dissimulieren bezeichnet das Ausklammern von unlösbar erscheinenden Fragen und damit eine in der Frühen Neuzeit typische Form des politischen Kompromis-ses, s. dazu
Kaiser, 292 (mit Angaben zur älteren Literatur).
. Der Kurfürstenrat empfahl, zur Vermeidung neuer Diskus-sionen
in Germaniam statt
in Imperium zu setzen
Relation des KFR, Klasse III (
Meiern
II, 926f
, letzter/erster Absatz, beginnend Bey der 2)
).
. Der zweite Punkt der Correlation des Fürstenrats betraf die schwedische Forderung, daß Spanien nicht auf der Seite des Kaisers als Kriegsgegner Schwedens genannt werden solle
Siehe Nr. 97 bei Anm. 34. Correlation des
FR
zu Klasse I der Repliken (
Meiern
II, 510
, letzter Absatz, beginnend Fuer das Andere
).
. Hier befand der Fürstenrat, daß die Klärung dieser Frage Schwe-den und Spanien überlassen werden könne. Der Kurfürstenrat empfahl, der Kaiser solle von Schweden und Frankreich eine Erläuterung fordern, da sich beide in diesem Punkt uneins seien; im übrigen könne Spanien vom Frieden nicht ausgeschlossen werden
Relation des KFR, Klasse III (
Meiern
II, 927
, zweiter Absatz, beginnend Belangend die Cron
).
. Der Städterat hat sich zu der schwedischen Forderung nicht geäußert. Das Schönebecker Projekt von 1635, das Schweden offiziell nicht anerkannte, solle der Kaiser, so empfahl der Fürstenrat, nicht erwähnen, da es keine Verbindlichkeit habe. Ähnlich, aber weniger definitiv, formulierte der Städterat, während der Kurfürsten-rat darauf verwies, daß Schweden das Projekt selbst in seiner Proposition II
[p. LXXXVIII]
[scan. 88]
erwähnt habe
Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern II, 511
, erster Absatz, beginnend
Drittens be-gehren); Correlation des SR (
ebenda, 948, erster Absatz, beginnend
Was ferners). Rela-tion des KFR, Klasse I (
ebenda, 916, zweitletzter Absatz, beginnend
Und haben). Im
FRO
hatte der Österreichische Direktor ebenso argumentiert (Nr. 97 bei Anm. 41). Zu den Schönebecker Verhandlungen s.
[Nr. 97 Anm. 42] ; zu den Gründen, warum die mei-sten Evangelischen eine Bezugnahme darauf ablehnten, s.
APW III A 3/2, 7 Z. 11–23. Der SR hat sich in seiner Meinung über das Projekt an den
FRO
angepaßt (
APW III A 6, 74 Z. 2–6).
. Der Fürstenrat empfahl dem Kaiser, der französischen Forderung nach Geleitbriefen für die portugiesischen Gesandten nicht stattzugeben; falls aber Frankreich deshalb die Friedensverhandlungen verzögere, solle nach einem Weg gesucht werden, wie Frankreich ohne Ein-mischung dieses Streits in die Reichsangelegenheiten zufriedengestellt wer-den könne. Der Kurfürstenrat lehnte die französische Forderung ab und überließ die Entscheidung dem Kaiser und Spanien, während sich die Reichsstädte mit dem Rat begnügten, daß die Hauptverhandlungen wegen dieser Forderung nicht verzögert werden dürften
Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern
II, 511
, zweiter Absatz, beginnend Gleicher-gestallt
); Relation des
KFR
(
ebenda,
914, zweiter Absatz, beginnend Und erfreuet
). Zu den Beratungen im
FRO
s. Nr. 100.
. In der Frage der Amnestie riet der Fürstenrat dem Kaiser mehrheitlich, es bei der im Okto-ber 1645 in Kraft gesetzten Regensburger Amnestie von 1641 mit den Stich-jahren 1630 bzw. 1627 zu belassen
Correlatio des
FR
zu Klasse I (
Meiern II, 511
, dritter Absatz, beginnend
Hierauf ist). Zur Inkraftsetzung der Regensburger Amnestie s. oben S. LXVIII.
. Im Anschluß an die Argumente für diese Regelung, die im wesentlichen dem zweiten Correlationsentwurf vom 10. März entsprechen, verzeichnet die Correlation die abweichende Meinung der Evangelischen, die 1618 als Stichjahr empfahlen; diese Darle-gungen stimmen im Kern mit dem Magdeburger Votum zu Amnestie und Restitution vom 8. Februar und genauer mit dem am 10. März 1646 im Fürstenrat Osnabrück verlesenen
Votum commune der evangelischen Reichsstände über Amnestie und Restitution überein
Correlatio des
FR
zu Klasse I (
Meiern II, 513
, letzter Absatz, beginnend
Hingegen sind); Magdeburger Votum vom 8. Februar: s. S. 59–63; zweiter Correlationsentwurf Richtersbergers vom 10. März: s. S. 231–237; zum
Votum commune s. Nr. 111 bei Anm. 45.
. Die Mehrheits-meinung des Fürstenrats zur Amnestie entsprach jener des Kurfürstenrats, während sich Kurbrandenburg, wie die evangelischen Fürstenratsmitglie-der, für eine Amnestie mit dem Stichjahr 1618 aussprach. Ebenso empfahl der evangelische Teil des Städterats eine solche Amnestie. Der katholische hingegen legte die Gründe dar, die gegen diesen Terminus a quo sprächen, und setzte sich für 1630 als Stichjahr ein
Relation des KFR, Klasse I,1 (
Meiern II, 915
–918). Abweichende „Meinungen“ Kur-brandenburgs sind in beigelegten Voten verzeichnet. Zur Beilage dieser Voten (statt der geforderten Einfügung) s. oben Anm. 246; zum kurbg. Votum zur Amnestie s.
[Nr. 119 Anm. 29] . „Meinung“ der ev. Mitglieder des SR: s. Correlation des SR, Klasse I,1 (
Mei-ern II, 948–952), „Meinung“ der kath. Mitglieder des SR:
ebenda, 952f.
. In der Amnestiefrage gaben
[p. LXXXIX]
[scan. 89]
also alle drei Kurien nach konfessionellen Gesichtspunkten ein geteiltes Ur-teil ab. Diese Frage entzweite die Reichsstände stärker als jede andere.
Zu den Privilegien und Rechten der Reichsstände hatte Schweden Aufklä-rung über eine Klausel gefordert, welche die in der kaiserlichen Respon-sion aufgezählten reichsständischen Rechte dahin beschränkte, daß alles
iuxta morem ab antiquo in Imperio receptum zu verstehen sei. Schweden hatte die rhetorische Frage gestellt, ob sich dies bis auf die Zeit des Kaisers Tiberius erstrecke. Der Fürstenrat ignorierte den ironischen Unterton und riet dem Kaiser zu der Antwort, daß sich die Klausel auf den neuzeitlichen Zustand des Reiches und dessen Fundamentalgesetze beziehe, empfahl aber ihre Auslassung, falls sie Verzögerungen verursache
Zu der Vorbehaltsklausel s. Nr. 99 bei Anm. 6 und dazu
Dickmann,
Frieden, 326; Cor-relation des
FR
zu Klasse I (
Meiern
II, 517f
, letzter/erster Absatz, beginnend Was fer-ner
).
. Der Kurfür-stenrat ging auf die eigentliche Intention der Schweden ein und nahm zu der Frage Stellung, ob und wie die kaiserlichen Reservatrechte und/oder die Rechte der Kurfürsten genannt werden sollten. Er befand, daß am be-sten beides zu umgehen sei; gegebenenfalls solle erläutert werden, daß dem Kaiser alle Hoheitsrechte zustünden, an denen die Reichsstände nicht kraft Wahlkapitulation, Goldener Bulle und den Reichsgrundgesetzen partizipierten. Daraus spricht die auch vom Kaiser geteilte Auffassung, daß ursprünglich alle Hoheitsrechte dem Kaiser zukamen, der die Reichs-stände an bestimmten partizipieren ließ
Relation des KFR, Klasse I,2 (
Meiern
II, 919
, zweiter Absatz, beginnend Bey dem 2) Puncte
). Näher dazu
Dickmann,
Frieden, 326.
. Der Städterat zählte die in der kaiserlichen Responsion genannten Rechte der Reichsstände auf, verwan-delte aber die Vorbehaltsklausel in die Aussage, daß die Partizipation der Reichsstände an diesen Rechten ohnehin den Reichsgrundgesetzen und dem Herkommen entspreche. Außerdem hat der Städterat Änderungen an der kaiserlichen Aufzählung der Rechte vorgenommen, indem einige spezifiziert bzw. ergänzt wurden. Die Reichsstädte baten um eine Enume-ration der Rechte im Friedensvertrag
Correlation des SR, Klasse I,2 (
Meiern II, 954
, Ende des ersten Absatzes, beginnend
Auf die beym). – Die ksl. Responsion an Schweden spricht von Krieg oder Rüstung zum Krieg (zu Art. 5,
Meiern I, 620
), die Correlation des SR von Musterplätzen, Einquartierungen, Besatzungen und Erbauung neuer Befestigungen in den Territorien der Reichsstände.
.
Der Fürstenrat hat nachträglich noch einmal zu den Reichsrechten Stel-lung genommen und in Korrektur seines ursprünglichen Beratungsergeb-nisses mehrheitlich beschlossen, daß die kaiserliche Vorbehaltsklausel ganz ausgelassen und nur die Aufzählung der reichsständischen Rechte stehen-bleiben solle. Auch der Fürstenrat hat nun bei deren Wiedergabe in seiner Correlation Änderungen vorgenommen, indem er zusätzlich Werbung und Einquartierung, Befestigung oder Besetzung in den Territorien der Reichsstände als Aufgaben nannte, über die der Reichstag entscheiden sol-le; am Ende der Aufzählung nannte er summarisch
andere Negotia glei-
[p. XC]
[scan. 90]
cher
Natur und Eigenschafft Eine Minderheit empfahl hingegen, die Vor-behaltsklausel unverändert stehenzulassen
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 899
f, letzter/erster Absatz, begin-nend
Ferners haben). Der
FRO
beriet nach vorangegangener Behandlung dieses Punkts im
FRM
in der letzten Sitzung vor der Re- und Correlation über die Vorbehaltsklausel (s. Nr. 118 bei Anm. 5).
.
Beim Bündnisrecht der Reichsstände solle, so empfahl der Fürstenrat, die von den Schweden angegriffene Klausel
contra Imperatorem et Imperium stehenbleiben. Sie ließ Bündnisse der Reichsstände mit auswärtigen Mäch-ten nur dann zu, wenn sie sich nicht gegen Kaiser und Reich richteten. Auch die Mehrheit der Kurfürsten und die Reichsstädte sprachen sich für die Beibehaltung der Klausel aus. Kurbrandenburg allerdings wollte Vor-sorge für den Fall getroffen wissen, daß der Kaiser und das Haus Öster-reich gegen das Reich Krieg führten. Eine solche Unterscheidung zwischen Kaiser und Reich hatte Schweden mit der Forderung angeregt, daß Bünd-nisse gegen den Kaiser zuzulassen seien, falls dieser gegen die Reichs-grundgesetze verstoße
Zu der Klausel s. Nr. 99 bei Anm. 7; s. dort S. 79 Z. 23–30 die Argumentation gegen den schwed. Vorschlag nach Unterscheidung zwischen Ks. und Reich und dazu
Dickmann, Frieden, 328. Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern II, 517
f, hier 517, letzter/erster Absatz, beginnend
Was ferner); Relation des KFR, Klasse I,2 (
Meiern II, 919
, letzter Absatz, beginnend
Betreffend den); Correlation des SR, Klasse I,2 (
Meiern II, 955
, letz-ter Absatz, beginnend
Kuenftige); zum kurbg. Votum zum reichsständischen Bündnis-recht s.
[Nr. 119 Anm. 33] .
. Der Fürstenrat trat ferner für Gültigkeit und Bestand der Erbverbrüderung zwischen den kurfürstlichen und fürstlichen Häusern Sachsen, Brandenburg und Hessen ein, während der Städterat nur allgemein von der Erhaltung der Erbvereinigungen
(pacta gentilitia) sprach und der Kurfürstenrat darüber nichts sagte
Correlation des
FR
zu Klasse I (wie vorige Anm.); Correlation des SR, Klasse I,2 (wie vorige Anm.).
. Zu der Frage der französischen Replik, ob das Reich ohne Einschluß Spaniens mit Frank-reich Frieden schließen wolle, befand der Fürstenrat einstimmig, daß die Beantwortung zu verschieben sei, bis andere, das Römische Reich betref-fende Probleme gelöst seien; wenn Frankreich aber die Friedensverhand-lungen deshalb verzögere, sei der Friede im
Vaterland Deutscher Nation deswegen nicht aufzuhalten; sinngemäß ebenso votierte der Städterat
Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern II, 518
, zweiter Absatz, beginnend
Und dem-nach). Zur Beratung über diese Frage im
FRO
s. Nr. 101. – Correlation des SR, Klasse III (
Meiern II, 961
, zweiter Absatz, beginnend
Daß sonst). Zur Meinung des
KFR
s. oben bei Anm. 275.
.
Zu der französischen Forderung, Herzog Karl von Lothringen nicht zu den Friedensverhandlungen zuzulassen, riet der Fürstenrat, daß sich die kaiserlichen Gesandten weiterhin um die Erteilung der Geleitbriefe be-mühen sollten, doch ohne dadurch die Friedensverhandlungen zu ver-zögern. Er nahm damit eine mittlere Position ein, denn der Kurfürstenrat befand, daß die Geleitbriefe erteilt werden müßten, während sich der
[p. XCI]
[scan. 91]
Städterat mit der Feststellung begnügte, daß die Friedensverhandlungen deshalb nicht verschleppt oder gehindert werden sollten
Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern
II, 518f
, letzter/erster Absatz, beginnend Was ferner
); Relation des
KFR
(
Meiern
II, 914f
, letzter/erster Absatz, beginnend Betreffend aber
); Correlation des SR, Ad Prooemium (
Meiern
II, 947
, letzter Absatz, beginnend Und erfreuet
). Zur Beratung über diese Frage im
FRO
s. Nr. 101.
. Frankreich hatte in der Proposition II vom 11. Juni 1645 gefordert, daß zu Lebzeiten eines Kaisers kein Römischer König gewählt werden dürfe; die Replik vom 7. Januar 1646 hatte dies noch zu der Forderung zugespitzt, daß kein Mit-glied aus der Familie des Kaisers zum Römischen König gewählt werden dürfe. Darin sah der Fürstenrat einen Verstoß gegen die Goldene Bulle und die Wahlfreiheit der Kurfürsten und meinte zuversichtlich, daß Frankreich von dieser Forderung zurücktreten werde. Eine namentlich aufgeführte Mehrheit der protestantischen Fürstenratsmitglieder riet hin-gegen, der Kaiser möge Frankreich als Kompromiß vorschlagen, daß künf-tig immer ein Reichstag die Frage prüfen werde, ob eine Römische Königs-wahl vorzunehmen sei
Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern II, 519
, zweiter Absatz, beginnend
Endlichen hat; namentlich genannt sind Pfalz-Lautem, Pfalz-Simmern, Pfalz-Zweibrücken, Mag-deburg, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Eisenach, Braunschweig [gemeint sind die drei braunschweigischen Fürstentümer Celle, Grubenha-gen und Calenberg], Mecklenburg [gemeint sind Mecklenburg-Schwerin und Mecklen-burg-Güstrow], Hessen [gemeint sind Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt], Baden-Durlach, Sachsen-Lauenburg, Anhalt). – Hintergrund war die Absicht, dem
FR
eine Be-teiligung an der Röm. Kg.swahl zu verschaffen. Zu den Beratungen im
FRO
s. Nr. 103 und 108.
. Der Kurfürstenrat befand wie die Mehrheit des Fürstenrats, daß die französischen Forderungen dem Reichsrecht wider-sprächen und daher abzulehnen seien. Der Städterat kam Frankreich et-was entgegen, indem er empfahl, nur vacante Imperio einen Römischen König zu wählen, es sei denn, das allgemeine Wohl oder die Not des Rei-ches machten eine Ausnahme nötig
Relation des KFR, Klasse I,2 (
Meiern II, 920
, zweiter Absatz, beginnend
Was 4)). Cor-relation des SR, Klasse I (
Meiern II, 954
f, letzter/erster Absatz, beginnend
Und gleich-wie). Das Kurmainzer Direktorium stellte die (ev.) Fürstenratmitglieder und den SR bei der Re- und Correlation wegen der Vorschläge zur Röm. Kg.swahl zur Rede (s. Nr. 120 bei Anm. 33). Der Kurmainzer Deputierte kritisierte den
FR
bei Übergabe der Reichs-bedenken an die Ksl. (s. Nr. 121 bei Anm. 11).
. Eine Hebung des Handels werde sich, so befand der Fürstenrat, durch den Friedensschluß von selbst einstel-len. Er sprach sich für die Abschaffung der während des Krieges einge-führten Zölle und Zollerhöhungen aus und verwies unter dem Vorbehalt, daß die Friedensverhandlungen dadurch nicht verzögert würden, auf das Gutachten der Reichs- und Hansestädte. Der Kurfürstenrat empfahl ähn-lich, aber detaillierter, daß alle ohne Zustimmung des Kaisers und der Kurfürsten neu erhobenen oder erhöhten Zölle abgeschafft werden sollten und im übrigen das Gutachten der Hanse- und Reichsstädte abzuwarten sei. Der Städterat begnügte sich mit einem Verweis auf ein Memorial der
[p. XCII]
[scan. 92]
Reichs- und Hansestädte, das bereits den kaiserlichen und königlichen Ge-sandten übergeben worden sei
Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern II, 520
, zweiter Absatz, beginnend
Das 4. Mem-brum); Relation des KFR, Klasse I,4 (
ebenda, 920, letzter Absatz, beginnend
Betreffend schließlich); Correlation des SR, Klasse I,4 (
ebenda, 958). Zu den Beratungen des
FRO
über den Handel s. Nr. 105. Das Memorial der Reichs- und Hansestädte über den Han-del wurde bei der Re- und Correlation am 27. April 1646 erwähnt, aber nicht abgelesen (s. Nr. 120 bei Anm. 16).
.
Die Correlation des Fürstenrats zu Klasse II bis IV der Repliken beginnt mit einer Stellungnahme zu den französischen Satisfaktionsforderungen. Der Fürstenrat empfahl, der Kaiser solle das Angebot einer Abtretung der drei lothringischen „Bistümer“ und Reichsstädte Metz, Toul und Verdun sowie der Festungen Pinerolo und Moyenvic unter Vorbehalt der Rechte und Privilegien aller davon betroffenen Reichsstände und Institutionen wiederholen und Fürsten und Stände über die Verhandlungen informieren und ihr Gutachten und ihre Ratifikation einholen. Ein Teil des Fürstenrats befand, der Kaiser solle, falls Frankreich mit diesem Angebot nicht zufrie-den sei, die Verhandlungen mit Befragung der Betroffenen fortsetzen; ein Teil aber meinte, der Kaiser solle nicht über das Angebot hinausgehen. Österreich
und andere machten zur Bedingung, daß die von den französi-schen Satisfaktionsforderungen betroffenen, noch minderjährigen Erzher-zöge Ferdinand Karl und Sigismund Franz aus der Innsbrucker Linie des Hauses Habsburg sowie die Hochstifte unter den Satisfaktionsforderungen Frankreichs nicht leiden dürften
. Zu den schwedischen Satisfaktionsfor-derungen befand die Mehrheit des Fürstenrats, daß zunächst versucht wer-den solle, Schweden mit Geld abzufinden. Falls das nicht gelinge, sollten die kaiserlichen Gesandten die Verhandlungen mit Befragung und Zuziehung der Betroffenen zu einem möglichst wenig nachteiligen Ergebnis führen und Fürsten und Stände über den Verhandlungsstand zur weiteren Bera-tung und Billigung informieren. Da Schweden hauptsächlich eine Lösung der inneren Probleme im Reich fordere, sollten sie die Fortsetzung dieser (das heißt der Gravamina-)Verhandlungen forcieren. Pommern-Stettin und Pommern-Wolgast sowie Brandenburg-Kulmbach und Brandenburg-Ansbach führten in einem beiliegenden Votum die Gründe auf, warum der Kurfürst von Brandenburg der schwedischen Forderung nach Pommern seine Zustimmung verweigere. Salzburg, Deutschmeister und namentlich nicht genannte weitere Reichsstände baten die kaiserlichen Gesandten, Schweden von seinen Forderungen abzubringen
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 895
f). Zu den Beratungen des
FRO
über die schwed. Satisfaktion s. Nr. 112 und das Votum Pommern-Stettins und -Wolgasts in Nr. 113, zu den schwed. Satisfaktionsforderungen s.
[Nr. 112 Anm. 7] , zum pommer-schen und fürstlich bg. Votum s.
[Nr. 118 Anm. 35] .
. Dagegen legte der
[p. XCIII]
[scan. 93]
Kurfürstenrat den Schwerpunkt seiner Stellungnahme auf die Argumente, mit denen die Kaiserlichen den schwedischen und französischen Satisfakti-onsforderungen begegnen sollten. Falls diese nichts fruchteten, solle nach Information der Reichsstände eilends, noch vor dem Sommerfeldzug, über die Forderungen Schwedens und Frankreichs verhandelt werden. Kurbran-denburg sprach sich dafür aus, daß die kaiserlichen Gesandten so schnell wie möglich mit Frankreich weiter verhandeln sollten, da sich die Franzo-sen nicht mit Metz, Toul und Verdun zufriedengeben würden. Zur schwe-dischen Satisfaktionsforderung nach Pommern führte Kurbrandenburg die Gründe auf, warum Kurfürst Friedrich Wilhelm seine Zustimmung ver-weigere. Der Städterat entwickelte die detailliertesten Vorstellungen über die für sicher gehaltenen territorialen Abtretungen und befand, die kaiser-lichen Gesandten sollten die schon begonnenen Verhandlungen mit Frank-reich und Schweden wieder aufnehmen und unter Zuziehung der Betroffe-nen zu einem Ergebnis führen, das die wenigsten Nachteile habe. Dabei sollten sie die Reichsstände laufend über die Verhandlungen informieren und ihr Gutachten einholen. Mögliche Abtretungen sollten vom Reich zu Lehen genommen werden und allen früheren Besitzern ihre Güter in den abgetretenen Landen restituiert werden
Relation des KFR, Klasse II (
Meiern II, 921
–924); zum kurbg. Sondervotum zur Satis-faktion der Kronen s.
[Nr. 119 Anm. 35] . Correlation des SR, Klasse II (
ebenda, 958ff).
. Zu den Forderungen Hessen-Kassels empfahl der Fürstenrat, daß die verlangte Amnestie und Restitution zu den allgemeinen Verhandlungen über die Amnestie und die Frage des Einschlusses der Reformierten in den Religionsfrieden zu den Gravamina-verhandlungen gehöre. Ferner sollten die von Kurmainz 1638 bis 1639 in kaiserlichem Auftrag mit Hessen-Kassel geführten Verhandlungen wieder-aufgenommen werden. Die verlangte Bestätigung der Erbverbrüderung zwischen den kur- und fürstlichen Häusern Sachsen, Brandenburg und Hessen, der Primogenitur und anderer Familienstatuten solle gewährt wer-den. Der Marburger Erbfolgestreit sei durch die Vermittlung Herzog Chri-stian Ludwigs von Braunschweig-Lüneburg-Calenberg beizulegen und bei einem Mißerfolg seiner Bemühungen auf dem Westfälischen Friedenskon-greß, doch ohne Beeinträchtigung der allgemeinen Verhandlungen, zu schlichten; dazu verwies der Fürstenrat auf ein beigelegtes hessen-darm-städtisches Votum, zu dem sich Hessen-Kassel eine Stellungnahme vor-behielt. Aus Mangel an Information konnte der Fürstenrat zu den Diffe-renzen zwischen Hessen-Kassel und Waldeck nicht Stellung nehmen. Zu den Satisfaktionsforderungen Hessen-Kassels führte er Argumente an, wel-che die Landgräfin zu einem Verzicht auf ihre Forderungen veranlassen sollten; dazu verwies er auf drei beigelegte Voten der Hochstifte Hildes-heim und Münster und der Fürstabtei Fulda
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 896
f). Zu den Beratungen des
FRO
über die Forderungen Hessen-Kassels s. Nr. 114; zu den sechsgliedrigen hessen-kasselschen
Gra-vamina und Postulata s. S. 321f, zu den Sondervoten der Hst.e
[Nr. 118 Anm. 35] .
. Die Mehrheit des Kurfür-
[p. XCIV]
[scan. 94]
stenrats stimmte damit im Prinzip überein, doch gaben die Kurfürsten – trotz eingestandenen Informationsmangels – ihrer Hoffnung Ausdruck, daß die Grafen von Waldeck auf ihre Forderungen gegenüber Hessen-Kas-sel verzichten würden. Deutlicher als die Fürsten tadelte der Kurfürstenrat die hessen-kasselschen Satisfaktionsforderungen und verlangte von der Landgräfin, die besetzten Lande und Orte zu restituieren. Kurbranden-burg legte ein Gutachten mit positiver Tendenz für Hessen-Kassel vor und empfahl, daß es über die Frage des Einschlusses der Reformierten in den Religionsfrieden keine Diskussion und keinen Verweis auf die Gravamina-verhandlungen geben dürfe; daß Hessen-Kassel im Marburger Erbschafts-streit seinen eigenen Angaben zufolge Unrecht geschehen und daß zu über-legen sei, ob seinen Satisfaktionsforderungen um des Friedens halber nach-gegeben werden solle. Der Städterat äußerte nur die Hoffnung, daß Hes-sen-Kassel freiwillig von seinen Forderungen zurücktreten werde
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern
II, 896
); Relation des KFR, Klasse II,1 (
ebenda,
924f); zu den drei kurbg. Voten s.
[Nr. 119 Anm. 36] ; Correlation des SR, Klasse II (
ebenda,
960, zweiter Absatz, beginnend Was der verwittibten
).
. Zu der von Schweden für beide Kronen geforderten Militärsatisfaktion befand der Fürstenrat, daß die kaiserlichen Gesandten Schweden und Frankreich argumentativ zur Preisgabe ihrer Forderungen veranlassen möchten, wäh-rend sich der Kurfürstenrat auf die allgemeine Bemerkung beschränkte, daß sich nach seiner Erwartung die übrigen Fragen im Zuge der Verhand-lungen über die Territorialsatisfaktion mit erledigen würden. Derselben Meinung war, mit eingehenderer Begründung, der Städterat
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern
II, 897
, vierter Absatz, beginnend In-gleichen werden
). Zu den Beratungen des
FRO
über die Militärsatisfaktion s. Nr. 114. Schweden hatte am 11. Juni 1645 Militärsatisfaktion für beide Kronen gefordert (s.
[Nr. 114 Anm. 5] ). Relation des KFR, Klasse II,1 (
Meiern
II, 923f
, letzter/erster Absatz, be-ginnend Welches alles zwar
); Correlation des SR, Klasse II (
ebenda,
960, dritter Absatz, beginnend Sodann ferners
).
.
Zu den in Klasse III zusammengefaßten Auffassungen über die Wieder-herstellung und Sicherung des Friedens befand der Fürstenrat mehrheit-lich, daß die gegenseitige Erklärung, die den Kaiser zum Verzicht auf eine Assistenz Spaniens in einem künftigen spanisch-französischen Kon-flikt und Frankreich zu einem künftigen Verzicht auf eine Assistenz Schwedens in einem künftigen Konflikt zwischen Schweden und dem Reich verpflichtete, stehenbleiben solle und dem Kaiser nicht verwehrt werden könne, Spanien als Erzherzog von Österreich Beistand zu leisten. Die evangelische Minderheit hingegen war der Ansicht, daß Frankreich sich nicht zu einem Verzicht auf eine Beistandserklärung für Schweden zu verpflichten brauche und daß die Vorbehaltsklausel, die dem Kaiser doch eine Hilfeleistung für Spanien ermögliche, ausgelassen und statt des-sen eine Klausel eingefügt werden solle, die bei einer Hilfeleistung des Hauses Österreich für Spanien Schaden für das Römische Reich ausschlie-ße. Außerdem solle bei Friedensschluß der von Magdeburg eingereichte
[p. XCV]
[scan. 95]
Schriftsatz zur Friedensgarantie berücksichtigt werden. Der Städterat und die Mehrheit des Kurfürstenrats empfahlen sinngemäß entsprechend wie die Mehrheit des Fürstenrats, während Kurbrandenburg der Mei-nung war, daß Frankreich sich nicht zu einem Assistenzverzicht für Schweden zu verpflichten brauche, doch daß diese Frage bis zum Ende der Verhandlungen ausgesetzt werden könne
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern
II, 897
, zweitletzter Absatz, beginnend Nachdem man
); Relation des KFR, Klasse III,1 (
ebenda,
927, dritter Absatz, beginnend Daß der Cron
); Correlation des SR, Klasse III (
ebenda,
961, erster Absatz, beginnend Bey der dritten
); zum kurbg. Votum zur Friedensgarantie s.
[Nr. 119 Anm. 37] , zum Schriftsatz des
CE
zur Friedensgarantie
[Nr. 115 Anm. 4] und oben bei Anm. 85.
. Ferner rieten alle drei Reichskurien, zwei Wendungen, die Schweden für mißverständlich hielt, auszulassen
Gemeint sind die Worte praetextu ex hoc bello
und occasione huius belli,
s. Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern
II, 897
, letzter Absatz, beginnend Dieweil die
); Relation des KFR, Klasse III,1 (
ebenda,
927, dritter Absatz, beginnend Daß der Cron
); Correlation des SR, Klasse III (
ebenda,
962, erster Absatz, beginnend Und ob wohl
). Zur Beratung darüber im
FRO
s. Nr. 115, zweite Umfrage.
. Zur Sicherheit des Friedens und speziell zu der von Frankreich und Schweden vorgeschlagenen Liga gegen Friedensstörer gab der Fürstenrat keine einheitliche Stellungnahme ab. Der Fürstenrat Münster hatte eine solche Liga abgelehnt, da die Reichssatzungen bei Friedensbruch eines Reichsstandes hinreichende Verfahren vorsähen. Bei Konflikten zwischen Kaiser und Reich einerseits und auswärtigen Mäch-ten andererseits sei der Reichstag die zuständige Institution, eine Sonder-liga zur Friedenssicherung sei also überflüssig. Der Fürstenrat Osnabrück hatte vorausgesetzt, daß Frankreich und Schweden auf dem Abschluß einer Liga beharren würden. Er riet den kaiserlichen Gesandten, sich mit beiden Mächten über Zeit und Verfahrensweise einer gütlichen Eini-gung zu verständigen, die vor einem militärischen Eingreifen vorzusehen seien
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 898
, zweiter Absatz, beginnend
Daß aber). Zu den Beratungen des
FRO
über eine Liga zur Friedensgarantie s. Nr. 115, zu den frz. Ligaplänen
Tischer, 292.
. Die Mehrheit des Kurfürstenrats hielt eine Liga zur Friedens-garantie bei (der anscheinend als gegeben angesehenen) Einbeziehung der Reichsstände in den Frieden nicht für ratsam, da die Reichssatzungen Verfahren bei Konflikten zwischen den Reichsständen enthielten und die Erfahrung gezeigt habe, daß die Einmischung fremder Mächte proble-matisch sei. Sie empfahl deshalb ausdrücklich, der Kaiser solle Frankreich und Schweden ersuchen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Reiches zu mischen. Der Zeitraum, der vor einem militärischen Eingrei-fen zur gütlichen oder rechtlichen Einigung zur Verfügung stehen solle, könne, anders als Schweden meinte, nicht generell festgelegt werden. Kurbrandenburg war der Auffassung, daß der Kaiser die Liga schwei-gend gebilligt habe, indem er die entsprechenden Vorschläge in seinen Responsionen nicht kommentiere. Deshalb könnten die Reichsstände
[p. XCVI]
[scan. 96]
nicht von den Ligaplänen abraten
Relation des KFR, Klasse III,2 (
Meiern
II, 927f
). Zum kurbg. Votum zur Friedens-garantie s.
[Nr. 119 Anm. 37] .
Aretin/
Hammerstein,
470, halten die Formulierung in der kfl. Relation über die Einbeziehung der Reichsstände für polemisch (und da die Reichs-Stände, einfolgentlich das Reich selbsten, mit darunter verstanden werden sollte).
Doch legt der Gesamtzusammenhang eine solche Beurteilung nicht nahe.
. Der Städterat nahm zu den Liga-plänen nicht ausdrücklich Stellung, betonte aber, daß vor einem militäri-schen Eingreifen eine gütliche und rechtliche Einigung zu suchen sei und Konflikte zwischen dem Reich und auswärtigen Mächten auf einem Reichstag erörtert und beigelegt werden müßten. Über den Zeitraum zur gütlichen Einigung urteilte er wie der Kurfürstenrat
Correlation des SR, Klasse III (
Meiern
II, 962
, zweiter Absatz, beginnend 5) Den Ter-minum
).
.
Der Fürstenrat erinnerte in diesem Zusammenhang von sich aus an den Erbfolgestreit um Jülich und Kleve: Es sei dafür zu sorgen, daß die Sicher-heit des Reiches nicht durch Einmischung von außen gestört werde; viel-mehr seien kriegerische Auseinandersetzungen zu meiden
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 898
, dritter Absatz, beginnend
Hier-bey ist). Der
FRO
hat über diesen Punkt nicht beraten. Der Erbfolgestreit hatte 1609 mit dem Tod Hg. Johann Wilhelms von Jülich-Kleve-Berg (1562–1609) begonnen und wurde 1614 XI 12 durch den Vertrag von Xanten (Text:
DuMont V.2, 259ff) und die vorläu-fige Landesteilung zwischen Pfalz-Neuburg (dem Jülich-Berg) und Kurbrandenburg (dem Kleve-Mark-Ravensberg zugesprochen wurde) provisorisch und erst 1666 endgültig beigelegt (
Janssen, 35;
Ollmann
-
Kösling).
.
Die Correlation des Fürstenrats behandelt als letzten Punkt der Klasse III einen von Schweden geforderten Zusatz zu einer Formulierung der kaiserlichen Responsion. Dort wurden die friedenschließenden und zur Hilfeleistung im Konfliktfall verpflichteten Parteien mit den Worten be-zeichnet:
tam una quam altera pars atque utriusque partis foederati et adhaerentes. Schweden verlangte den Zusatz
atque universi status Impe-rii, weil es den Reichsständen im Konfliktfall die Rolle einer eigenständi-gen Kraft zuwies, die als Intervenienten zwischen dem Kaiser und den Kronen das Gleichgewicht herstellen sollte. Dies wurde in der schwe-dischen Replik erläutert und im Fürstenrat Osnabrück von Sachsen-Al-tenburg erklärt
, doch ging der Österreichische Fürstenratsdirektor dar-über hinweg und behandelte vielmehr die Frage, ob in der Formulierung
tam una quam altera pars die Reichsstände implizit einbegriffen seien, oder ob die Reichsstände neben dem Kaiser, der
una pars, eine Vertrags-partei, bildete, gesondert aufgeführt werden müßten. Der Fürstenrat Münster nahm zu dem Problem nicht Stellung, da er die Ligapläne ab-lehnte und damit auch der entsprechende Artikel entfiel. Der Fürstenrat Osnabrück riet zu einer summarischen Nennung der Reichsstände, wie sie auf Reichstagen üblich war. Der Kurfürstenrat sah jeglichen Zusatz als unnötig an, da Kaiser und Reichsstände ein Corpus bildeten, dessen Haupt, der Kaiser, für alle Glieder handele. Der Städterat dagegen hielt
[p. XCVII]
[scan. 97]
den Zusatz für nötig, da die Reichsstände am
ius belli et pacis teilhätten und demnach auch neben dem Kaiser zu nennen seien
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern
II, 898
, vierter Absatz, beginnend Daß folgends
); Relation des KFR, Klasse III,2 (
ebenda,
928, dritter Absatz, beginnend Schließlich erachten
); Correlation des SR, Klasse III (
ebenda,
963, vierter Absatz, be-ginnend Letzlich
).
. Darin kommt die Anschauung zum Ausdruck, daß das Reich nicht allein durch den Kaiser, sondern durch die Gesamtheit der Reichsstände im Verein mit dem Kaiser repräsentiert werde
Siehe dazu
Dickmann,
Reichsverfassung, 23f. Zum verbreiteten Bild des Reiches als ei-nes Körpers aus Haupt und Gliedern s.
Aretin/
Hammerstein,
470.
.
Der erste Punkt der Correlation zu Klasse IV betraf die Freilassung der Kriegsgefangenen. Der Fürstenrat empfahl, daß zwischen Soldaten und Zivilisten unterschieden und den Zivilisten das zugesagte, aber nicht be-zahlte Lösegeld erlassen werden solle. Zu Herzog Eduard von Braganza, der sich in Mailand in spanischer Haft befand, gab der Fürstenrat kein einheitliches Gutachten ab. Die Mehrheit riet dem Kaiser, sich bei Spanien für seine Freilassung zu verwenden, ohne daß deshalb die Hauptberatun-gen aufgehalten würden. Eine Minderheit riet, über diese Angelegenheit gar nicht zu verhandeln, da sie das Römische Reich nicht berühre
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 898
f, letzter/erster Absatz, begin-nend
In deliberation). Der erste Punkt (zur Unterscheidung zwischen Soldaten und Zi-vilisten) wurde im
FRO
nicht behandelt; er fehlt auch in den ksl., frz. oder schwed. For-derungen für den Friedensschluß. Zur Beratung über die Forderung nach Freilassung Hg. Eduards von Braganza im
FRO
s. Nr. 116.
. Die Gutachten von Kurfürsten- und Städterat stimmen in der Substanz mit dem Mehrheitsvotum des Fürstenrats überein; der Städterat hielt die In-terposition des Kaisers für Herzog Eduard für nötig, da er sonst negative Auswirkungen auf den (Portugal-)Handel befürchtete
Relation des KFR, Klasse IV,1 (
Meiern
II, 928f
, letzter/erster Absatz, beginnend Bey der IV.
); Correlation des SR, Klasse IV (
ebenda,
963f, letzter/erster Absatz, beginnend Die Vierdte
).
.
Zur Restitution der besetzten Orte befand der Fürstenrat, die kaiserlichen Gesandten sollten sich dafür verwenden, daß entgegen der schwedischen Forderung nur die mitgebrachten Mobilien (Geschütze und Munition) bei Truppenabzug mitgenommen werden dürften und auch die Archive voll-ständig zurückzuerstatten seien. Die Feindseligkeiten sollten nach Unter-zeichnung des Friedens aufhören und die Restitutionen beginnen
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 898
f, letzter/erster Absatz, begin-nend
In deliberation). Zur Beratung über die Restitution der besetzten Plätze im
FRO
s. Nr. 116.
. Das detailliertere kurfürstliche Gutachten erwähnt speziell die von Hessen-Kassel besetzten Orte im Erzstift Köln und anderen Hochstiften sowie im Herzogtum Jülich, die vollständig zu restituieren seien, und nennt ge-naue Fristen für die Restitutionen. Kurfürstenrat und Städterat lehnten ebenfalls die schwedische Forderung nach Mitnahme der vorgefundenen
[p. XCVIII]
[scan. 98]
Mobilien ab; der Kurfürstenrat befand allerdings, daß dieser Punkt nicht so wichtig sei, um deswegen den Frieden aufzuhalten. Der Städterat mahnte besonders zur Restitution der französisch besetzten Reichsstädte. Die Restitutionen sollten möglichst nach Unterzeichnung des Friedensver-trags geschehen; wenigstens sollten die Feindseligkeiten dann eingestellt werden
Relation des KFR, Klasse IV,1 (
Meiern
II, 929
, zweiter Absatz, beginnend Quoad Re-stitutionem
); Correlation des SR, Klasse IV (
ebenda,
964, zweiter Absatz, beginnend Betreffend 2)
).
.
Die Demobilmachung war nach Meinung des Fürstenrats so vorzuneh-men, daß den Reichsständen kein Schaden daraus entstehe und Schweden und Frankreich kein Anlaß zur
jalousie gegeben werde. Der Kaiser dürfe zur Grenzverteidigung der Erblande und Ungarns beliebig viele Truppen unterhalten; ebenso dürften die Reichsstände Besatzungs- und Grenztrup-pen auf eigene Kosten beibehalten. Dasselbe riet der Kurfürstenrat und setzte hinzu, Schweden solle nicht deutsche Truppen aus dem Reich mit-führen dürfen. Das Gutachten des Städterats war entsprechend, aber de-taillierter: Es solle Söldnern unbenommen sein, fremde Kriegsdienste an-zunehmen oder fremden Herrschern Truppen nach Maßgabe des Reichs-abschieds von 1570 zuzuführen
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern II, 899
, dritter Absatz, beginnend
Den punctum). Zur Beratung des
FRO
über die Truppenabdankung s. Nr. 116; über die not-wendige Gleichbehandlung Schwedens und Frk.s bei der Demobilmachung wurde dort nicht gesprochen. Relation des KFR, Klasse IV,3 (
Meiern II, 929
f, letzter/erster Absatz, beginnend
Daß nun bey); Correlation des SR, Klasse IV (
ebenda, 964f, letzter/erster Absatz, beginnend
Exauctorationem militiae). Zum RA von 1570 s.
[Nr. 115 Anm. 36] .
.
Zur Benennung der in den Frieden Inkludierten, zur Unterzeichnung, Pu-blikation und Ratifikation befand der Fürstenrat, daß die Verbündeten sowie deren Anhänger und demnach auch die Reichsstände benannt und die Reichsritterschaft ebenfalls erwähnt werden solle. Die Gesandten soll-ten nach dem Herkommen bei Subskription der Reichsabschiede unter-schreiben, und eine „genügende“ Zahl an Vertragsinstrumenten sei aus-zufertigen. Die Publikation sei in beiden Kongreßstädten in einem feierli-chen Akt vorzunehmen
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern
II, 899
, vierter Absatz, beginnend Was schlueßlich
). Zur Beratung des
FRO
über diese Punkte s. Nr. 116.
. Im Gegensatz zum Fürstenrat befand der Kurfürstenrat, daß alle Reichssachen zwischen dem Kaiser und den Reichsständen gesondert abgehandelt und beschlossen werden sollten. Falls Schweden und Frankreich darauf bestünden, daß die Reichssachen in den Friedensvertrag eingefügt würden, sollte eine Klausel über die Ein-haltung der Vereinbarungen zwischen Kaiser und Reichsständen einge-rückt und vermerkt werden, daß alles mit Gutachten, Zustimmung und Genehmigung durch die Reichsstände ausgehandelt worden sei. Der Kur-fürstenrat sprach sich ausdrücklich gegen eine Unterzeichnung durch die Reichsstände aus. Zwar habe der Kaiser den Reichsständen die kaiserli-
[p. XCIX]
[scan. 99]
chen, schwedischen und französischen Friedensvorschläge zugestellt, damit sie kraft des ihnen in Reichssachen (und demnach nur in Reichssachen
Weder die ksl. Invitation der Reichsstände zum
WFK
von 1645 VIII 29 (s.
[Nr. 97 Anm. 25] ) noch die ksl. Proposition an die Reichsstände von 1645 IX 25 (s.
[Nr. 95 Anm. 83] ) kennen eine materielle Beschränkung des Jus suffragii auf die Reichssachen.
) zustehenden Jus suffragii darüber berieten, doch stehe dem Kaiser als dem Oberhaupt
das supremum Jus und Ober=Direction Pacis & Belli zu, wes-halb er nach dem Herkommen (beim Abschluß von Friedensverträgen) allein berechtigt sei, den Vertrag zu unterzeichnen. Falls Schweden und Frankreich auf der Unterzeichnung der Reichsstände beharrten, sollten Kaiser und Reich die Subskription der „Reichsstände“ Schwedens und Frankreichs fordern
Relation des KFR, Klasse IV,5 (
Meiern II, 930
f, dritter und letzter/erster Absatz, begin-nend
Bey dem 5ten und
Sollten aber). Die Frage, ob zwei oder drei Vertragsinstrumente aufgesetzt und die Reichssachen gesondert in einem Vertrag behandelt werden sollten, wurde auch bei der Re- und Correlation angesprochen (Nr. 120 bei Anm. 67).
. Der Städterat empfahl dasselbe wie der Fürstenrat über den Einschluß der Reichsstände und die Subskription der Gesandten. Die Reichsritterschaft, die Hanse- und Mediatstädte sollten im Friedens-vertrag explizit genannt werden
Correlation des SR, Klasse IV (
Meiern
II, 965
, zweiter Absatz, beginnend Betreffend dann
).
.
Die Correlation des Fürstenrats schließt mit einem Vermerk über die bei-gefügten, zehn Punkte umfassenden evangelischen
Gravamina politica. Sie sollten entweder auf dem Friedenskongreß oder dem nächsten Reichstag behandelt werden; beigelegt waren außerdem Gravamina der Wetterauer Grafen
Correlation des
FR
zu Klasse II bis IV (
Meiern
II, 900
, zweiter Absatz, beginnend Demnach auch
). Zur Übergabe der ev. Gravamina politica
durch Magdeburg s. Nr. 116 bei Anm. 16; zu den Wetterauer Gravamina s.
ebenda
Anm. 39.
. Die evangelischen
Gravamina politica enthalten zwar einige nicht konfessionsgebundene Beschwerden traditioneller Art, die sehr wahrscheinlich auch die Zustimmung des Fürstenrats Münster gefunden hätten, wenn sie dort beraten worden wären
Siehe dazu oben bei Anm. 154. Konstanz bezeichnete die ev. Gravamina politica
als causa communis
(S. 395 Z. 36).
; doch betreffen andere Be-schwerden, wie die Klagen über kaiserliche Vorrechte und die kurfürst-liche Präeminenz
Besonders ausführlich Punkt 9 (ksl. Standeserhöhungen); s. ferner Punkt 3 (Beschwerden über kfl.
Eingriffe in die Rechte der anderen Kurien) und Punkt 4 (Beschwerde über die neue kfl. Forderung nach dem Exzellenztitel). Die übrigen Beschwerden betreffen die seltene Einberufung von
RT
; die Reichsmatrikel; das Votum curiatum der Reichsstädte, das nicht beeinträchtigt werden sollte; willkürliche Verfügung über Land und Leute von Reichsständen und über Reichsdörfer; reichsunmittelbare Stände, die sich von der Juris-diktion und den Reichslasten befreien ließen und andere Stände mediatisierten; Privile-gierung von Landsassen, Bürgern und Untertanen ohne Anhörung der Landesherren; Postgeld, das am ksl. Hof gefordert wurde (
Meiern II, 504
–508).
, Auffassungen, denen sich die Mehrheit des Fürsten-rats Münster wahrscheinlich nicht angeschlossen hätte. Diese Beschwerden machen auch verständlich, daß der kurbrandenburgisch-pommersche Ge-sandte Wesenbeck nicht zu der Sitzung des Corpus Evangelicorum gela-
[p. C]
[scan. 100]
den worden war, in der die
Gravamina auf der Tagesordnung gestanden hatten
. Der Städterat hat sieben Gravamina politica seiner Correlation eingefügt, die teils mit den evangelischen
Gravamina politica übereinstim-men, teils spezifisch städtische Belange berühren
. Der Kurfürstenrat hat keine Gravamina politica vorgelegt.
3. Die Bedeutung des Fürstenratsbedenkens für den Fortgang der Ver-handlungen
Die
Bedenken der drei Reichskurien divergierten nicht nur untereinander, sondern waren auch in sich uneinheitlich; allein das
Bedenken des Für-stenrats verzeichnet in acht Beratungspunkten unterschiedliche „Meinun-gen“
Der Gesamt-FR hatte in folgenden Punkten divergente Auffassungen: Amnestie; Röm. Kg.swahl; frz. Satisfaktion; schwed. Satisfaktion; gegenseitige Verpflichtungserklärung des Ks.s und Frk.s zum Verzicht auf eine Assistenz Spaniens bzw. Schwedens; Liga zur Friedenssicherung; ksl. Interposition für eine Freilassung des Hg.s von Braganza; Vor-behaltsklausel bei Aufzählung der reichsständischen Rechte. Bei der Amnestie, der Röm. Kg.swahl und der gegenseitigen Verpflichtungserklärung wich eine ev. Minderheit von der Mehrheits-„Meinung“ ab, in der Frage der Liga vertraten der
FRM
und der
FRO
abweichende „Meinungen“, und in der Frage der schwed. Satisfaktion vertraten Salz-burg, Deutschmeister „und andere“ eine abweichende Auffassung. In den anderen Fällen wird die Minderheitsmeinung unspezifisch mit
etliche bezeichnet.
. Die kaiserlichen Gesandten sprachen vom
raethliche[n] Bedencken der Reichsstände, wozu die im Fürstenrat Osnabrück oft bekundete An-sicht paßt, nur „Vorschläge“ für den Frieden unterbreiten zu wollen
So argumentierten vor allem (aber nicht nur) die Evangelischen und unter ihnen an er-ster Stelle Sachsen-Altenburg (s.
[Nr. 111 Anm. 97] ).
. Die kaiserlichen Gesandten wählten aus diesen Ratschlägen das nach ih-rem Urteil Geeignete aus, um die Dupliken zusammenzustellen. Dabei nutzten sie die
Bedenken der Reichsräte, indem sie in vielen Fällen nicht nur deren Ratschläge – und bei divergenten „Meinungen“ den einen oder anderen Ratschlag – mehr oder weniger wörtlich übernahmen, sondern sich auch bei den Begründungen
(rationes) für eine Entscheidung auf die
Bedenken stützten. Im Falle der Duplik an Schweden haben sie einzelne Sätze und manchmal längere Textpassagen mit einzelnen Korrekturen und Einschüben in die Duplik übernommen
Die ksl. Duplik an Frk. (s.
[Nr. 110 Anm. 7] ) wurde nicht in der Langfassung vom 1. Mai 1646 den Franzosen mitgeteilt, sondern am 5. Mai in einer lat. Kurzfassung (s.
APW II A 4 Nr. 62, 72, 77;
Bosbach, in
APW II B 3/1, LXI Anm. 141). Auf der Grundlage dieses Textes sind Aussagen über eine Benutzung der
Bedenken der Reichsräte nur schwer mög-lich.
. Sie hielten sich dabei streng an die Fragen und Beanstandungen der schwedischen Proposition und Replik und gingen in der Regel auf Forderungen und Vorschläge, die darüber hinaus in den
Bedenken vorgebracht wurden, nicht ein. So beantworteten sie z. B. in enger Anlehnung an den Vorschlag der fürst-lichen Correlation zu Klasse I der Repliken die schwedische Frage nach
[p. CI]
[scan. 101]
der Bedeutung der Formel
iuxta morem ab antiquo in Imperio receptum, gingen aber nicht auf die darüber hinausweisenden Erörterungen über eine Aufzählung der kaiserlichen und reichsständischen Rechte in den (Cor-)Relationen der Kurien ein
Vgl. ksl. Duplik an Schweden (
Meiern
III, 59
, vierter Absatz, beginnend Die in Resp.
) Die [...] Worte [...] verstehen sich auf den Modernum Imperii Statum & ejusdem Fun-damentales Leges, Consuetudines & Observantias [...]
mit Correlation des
FR
zu Klasse I (
Meiern
II, 517f
, letzter/erster Absatz, beginnend Was ferner) [...] dahero dann denen Schwedischen Herrn Plenipotentiariis zu antworten waere, daß man die Worte juxta mo-rem [...] auf den modernum Imperii Statum & ejusdem Leges Fundamentales verstehe [...].
Siehe auch oben Anm. 284.
. Was das
Bedenken des Fürstenrats betrifft, schöpften die kaiserlichen Gesandten vorrangig aus der Correla-tion zu Klasse I, sehr viel weniger aus jener zu Klasse II bis IV. Das mag auf den engen Kontakt zwischen den kaiserlichen Gesandten und Rich-tersberger zurückzuführen sein, von dem der Entwurf zur Correlation zu Klasse I stammt. Diese war spätestens seit dem 11. März Lamberg und Krane bekannt
. Ihr sind passagenweise fast wörtlich die Argu-mente entnommen, mit denen die kaiserliche Duplik ihre Stellungnahme für eine Amnestie mit den Stichjahren 1630 bzw. 1627 untermauert
Beginn der rationes
in der ksl. Duplik:
Meiern
III, 56
, vierter Absatz, beginnend Dann 1
). Übernahme aus der Correlation des
FR
zu Klasse I (mit einzelnen Abweichungen) bis S. 57, erster Absatz, Z. 17:
nicht in Abrede stehen.
Die restlichen Zeilen bis zum Ende des Absatzes (über die Schönebecker Verhandlungen) stimmen nicht überein. Erneute Über-nahme von
ebenda,
zweiter Absatz, beginnend 3) Ist die publicirte
bis gesetzet worden.
Es folgt ein fremder Einschub, beginnend hoechstgedachter Koenig
bis ergriffen haben.
Erneute Übernahme von Der Hertzog
bis zum Ende des Absatzes mit Abweichungen und dem Einschub von gar nicht
bis gehabt
. Erneute Übernahme vom Beginn des letzten Absatzes, beginnend Die Stadt Eger
(mit Zusätzen und Abweichungen) bis S. 58, Z. 7: ausnehmen lassen.
Es folgt ein längerer Einschub. Erneute Übernahme vom Beginn des zweiten Absatzes, beginnend Es ist auch
bis
ebenda
Z. 5: treiben lassen.
. Selbstverständlich fehlen in der kaiserlichen Duplik hier und in anderen Fällen die abweichenden „Meinungen“ aus der Correlation. Nur in einem Fall erwähnt die kaiserliche Duplik, daß ein Teil der Reichsstände anderer Meinung sei – und die kaiserlichen Gesandten trotzdem anders entschie-den
Die ksl.
Ges.
lehnten das vorgeschlagene
General-Buendniß
(die Liga) zur Friedenssiche-rung nicht ab, ob zwar bey theils Standen derentwegen allerhand Bedencken gibt
(ksl. Duplik an Schweden,
Meiern
III, 61
, zweiter Absatz, beginnend Wegen
der).
. Das wirft die Frage auf, warum die evangelischen Gesandten im Fürstenrat Osnabrück so hartnäckig darauf bestanden hatten, daß ihre
vota discrepantia (und vor allem jenes über die Amnestie) in die Correla-tion eingefügt wurden, denn ihnen dürfte doch klar gewesen sein, daß ihr Votum keine Aufnahme in die kaiserliche Duplik finden würde. Die Ant-wort ist einfach, wenn man die Alternative bedenkt: Die Übergabe eines Reichsbedenkens mit eingerückten Minderheitsvoten hatte gegenüber der separaten Aushändigung eines evangelischen
Bedenkens (gemäß dem Vor-schlag Richtersbergers vom 21. Februar) den Vorteil, daß die kaiserlichen
[p. CII]
[scan. 102]
Gesandten die Minderheits-„Meinungen“ offiziell zur Kenntnis nehmen mußten
Siehe dazu oben bei Anm. 235.
. Es war ihnen die Möglichkeit benommen, sich etwa in der wichtigen Frage der Amnestie auf ein Reichsgutachten zu berufen, das sich einheitlich für die Stichjahre 1630 und 1627 ausgesprochen hätte. Das war verhandlungstaktisch von Bedeutung in den Verhandlungen mit Schweden, das sich der Sache der Protestanten zuverlässig annahm: Schon am 29. April sprach Salvius bei Trauttmansdorff vor, erörterte mit ihm fast alle Verhandlungspunkte und sprach an erster Stelle über die umstrit-tenen Stichjahre der Amnestie
APW II A 4, 115 Z. 20–29.
. Die Auffassungen dazu blieben kontro-vers; die Frage wurde durch die uneinheitlichen
Bedenken der Reichsräte nicht entschieden, sondern offengehalten. Die divergenten „Meinungen“ der Reichskurien verstellten andererseits den Verhandlungspartnern die Möglichkeit, sich in diesen Fällen auf die Gesamtheit der Reichsstände zu berufen und damit ein gewichtiges Argument für ihre Verhandlungsposi-tion zu gewinnen. In zentralen Fragen des Friedens (Satisfaktion, Amne-stie) halfen die
Bedenken der Reichsräte also nicht entscheidend weiter. Darüber darf aber nicht vergessen werden, daß die Stellungnahmen der Kurien zu fast allen Verhandlungsgegenständen (mit Ausnahme der
Gra-vamina ecclesiastica) eine wertvolle Quelle für die Auffassungen der pro-filiertesten Juristen und Diplomaten ihrer Zeit über die Reichsverfassung, über die Kriegsursachen und über partikulare Konflikte (wie den Marbur-ger Erbfolgestreit) darstellen.