Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[61.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1647 Mai 22

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[61.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation


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Münster 1647 Mai 22

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Kurmainz Rs FrA Fasz. 20 = Druckvorlage; damit identisch Kurmainz Rk FrA Fasz.
11
21 nr. 43. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit gleichlautend Kurbrandenburg Rk II fol.
12
88–94); Kurköln zA I fol. 311’–314’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 702–707’
13
und Kurköln zA Extrakt fol. 34’); Kurbayern Rp in K III fol. 527–531.

14
Intervention der Reichsstände für die Unabhängigkeit des Baxtellischen reichslehens von den
15
Niederlanden. Indirekte Reichsunmittelbarkeit. Exemtion Burgunds vom Reich. Von den Nieder-
16
landen
bedrohte Dependancen der Bistümer Köln und Lüttich.

17
Streit zwischen den Grafen von Isenburg und dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt: Frühere
18
Verhandlungen, Einschaltung des Kurkollegs.

19
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
20
bayern, Kurbrandenburg.

21
Kurmainz. Die herrn gesanden werden sonder zweifel per dictaturam
22
empfangen und verleßen haben, waß die Kayßerliche herrn plenipotentia-
23
rien zum reichsdirectorio der Baxstellischen reichslehen

33
Stadt, Schloß und Herrschaft Boxtel in der Meierei Herzogenbusch mit neun Dörfern (Provinz
34
Nordbrabant), ursprünglich Reichslehen und freie Herrschaft, 1440 von Hg. Philipp II. von
35
Burgund der brabantischen Lehnshoheit unterworfen, gelangte dann in den Besitz der Grafen von
36
Horn ( Ersch-Gruber I 12 S. 164f., Zedler 4 Sp. 942, Hübner IV 1283f., Moser,
37
Lehens-V. S. 881).
halben vor schrieff-

[p. 791] [scan. 915]


1
ten

29
Zugleich mit ihrer Proposition ans Reichsdirektorium (Münster 1647 V 8) hatten die ksl.
30
Gesandten das Zitationsschreiben Ks. Ferdinands III. an Gf. Albert von Hornes und Beaucignies
31
als den Inhaber des Reichslehens Boxtel (1646 VI 28) (vgl. Hübner IV 1284f.) sowie Briefe
32
des Kaisers an den Gouverneur der Spanischen Niederlande (1646 VI 20) und an die General-
33
staaten (1646 VI 28) eingegeben (Druck Meiern V S. 290–294 ), in denen verlangt wurde,
34
Boxtel wieder als Reichslehen anzuerkennen.
ubergeben. Bitten um Meinungsäußerung der Gesandten zu der Forderung
2
der Kaiserlichen an die Stände, sie wolten in conformität Ihrer Kayserlichen
3
Mayestät abgelaßenen schreiben sowohl bey den Staaden von Hollandt
4
alß der königlich Spannischen regierung thun, damit der inhaber besagten
5
reichslehens bey seiner immedietät rühig und unperturbirt verpleiben
6
möge. Zwar hetten sie wünschen mögen, daß man hiervon einige mehrere
7
information hette haben können, weiln aber solche nit zu erlangen geweßen
8
und es gleichwohl allein umb einige ahnmahnungsschreiben zu thun, so
9
hielten sie, die herrn gesanden, sich hieruber zu erclären, kein sonderbahr
10
bedencken haben werden.

11
Kurtrier. Seye dießes gar ein altes reichslehen, welches Philipus hertzog
12
von Burgundt

35
Hg. Philippe II. (le bon) (1396–1467), regierend seit 1419; er vereinigte unter sich die Graf-
36
schaften Flandern und Artois, die Herzogtümer Brabant, Burgund, Limburg, Luxemburg, die
37
Graf- und Herrschaften Namur, Hennegau, Holland, Zeeland, Westfriesland, Chiny ( Nouv.
38
Biogr. gén. 39 Sp. 980–987, Poullet II S. 234–237); über Boxtel verfügte er als Reichs-
39
vikar ( Meiern V S. 292 ).
vor zweyhundert jahren ingehabt und zeithero vom reich
13
zu lehen nit recognoscirt worden und also praescribirt. Sehen also nit,
14
wie vom reich die immedietät könte praetendirt werden, zumahln auch
15
die Burgundische exemption in weeg liege, in welche alle eingeseßene
16
fürsten, graffen und herrn eingeschloßen. Solten gleichwohl die herrn ge-
17
sanden vermeinen, daß mit den schreiben etwaß außzurichten, wolten sie
18
sich davon nit separiren. Eß wehre nit undienlich geweßen, wan man einige
19
information hette haben können, ob und waß die Spannische regierung und
20
Staaden von Hollandt Ihrer Kayßerlichen Mayestät widerumb geantworttet.
21
Zum fall man ahn ertzhertzogen in den Niderlanden

40
Ehg. Leopold Wilhelm von Österreich. Er löste Don Manuel de Melo y Corterreal, marqués de
41
Castel-Rodrigo († 1652) 1647 als Gouverneur der Spanischen Niederlande ab ( Dicc. hist.
42
Esp. I S. 770f.).
zu schreiben vor guet
22
ansehen solte, hilten auch zugleich wegen abschaffung der excessuum
23
wider die Brabandische güldene bull

43
Die Brabanter Goldene Bulle, erwirkt 1349 von Ks. Karl IV., verbot, die weltliche und geistliche
44
Gerichtsbarkeit des Reichs über Einwohner der Herzogtümer Lothringen, Brabant und Limburg
45
auszuüben, außerdem die Evokation von in diesen Gebieten anhängigen Prozessen an vom Reich
33
abhängige Gerichte sowie alle Sanktionen gegen die Einwohner der Herzogtümer und ihrer auch
34
außerhalb dieser gelegenen Güter ( Poullet II S. 41f., I S. 477, J. G. Wolf, Nachricht
35
S. 436–484).
erinnerung zu

24
23 thun] Laut Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II führt Kurtrier weiter aus:
25
Nach einem ihnen gestern abgestatteten Bericht des stadtkölnischen Gesandten ist ein Ant-
26
werpener
Bürger in Köln arrestirt unnd, alß er bullam Brabanticam allegirt, relaxirt
27
worden, deßen er sich zu Antwerpen beclagt; unnd wehre darauff die statt Coln
28
citirt worden, ad videndum se in poenam 4000 goltfl. gefallen zu sein.
thun.

[p. 792] [scan. 916]


1
Kurköln. Die herrschafft Baxstell sey in der mayerey Hertzogenbusch
2
gelegen, uber welche deß exercitii religionis halber bißhero die Spannische
3
und Hollendische gestritten. Wehre undisputirlich, daß solche herrschafft
4
vor dießem zum reich gehörig geweßen; daß nun vorige Kayßer einem
5
und andern reichsfürsten commission ufgetragen, reichslehen zu begeben,
6
solches vermeinten sie keinesweegs praeiudicirlich zu sein,

23
6–8 maßen – hetten] Ausführlicher in Kurtrier zA, Kurbrandenburn Rk II:
24
Ein Reichsfürst kann, wenn nicht proprio, so doch imperii nomine einen vasallum uber
25
reichslehen einsetzen. Deshalb ist dieses Lehen, obschon nit immediatum, so doch sub-
26
alternum, zumal es kaiserlicherseits pro immediato gehalten wird.
maßen dan auch
7
Churcölln und sonder zweifel Maintz und andere mehr reichslehen zu bege-
8
ben hetten. Und hette man sich deßen umb soviel mehr ahnzunehmen,
9
weiln von den catholischen sowohl alß protestirenden, auch den Schwedi-
10
schen herrn plenipotentiariis selbsten vorkommen und in dem instrumento
11
pacis gesetzt worden, die reichsmatricul widerumb zu ergentzen. Zwar
12
gehöre diese sach uf einen reichsconvent, weiln aber die Holländer anietzo
13
in den tractaten mit den Spannischen begrieffen und dießfals dem reich zu
14
nachtheil leicht etwaß begeben werden könde, so hielten, nit allein die vorge-
15
schlagene schreiben abzulaßen, sondern auch die Kayßerliche, königliche
16
Spannische und Staadische gesanden mündtlich zu requiriren, um auch
17
späteren Streitfällen dieser Art vorzubeugen.

18

27
18–19 Wegen – sein] Laut Kurbrandenburg Rk II, Kurtrier zA führt Kurtrier
28
weiter aus: Denn die Niederlande und Spanien schatten die Reichsstände, so ihnen gelegen,
29
man considerire nur die Maaßcanten undt wie der graffe von Anholdt

36
Die freie und reichsunmittelbare Herrschaft Anholt (heute Landkreis Borken) war umgeben
37
von der Grafschaft Zutphen, dem Herzogtum Kleve, dem Hochstift Münster, kam im 13. Jahr-
38
hundert an die Dynasten von Bronckhorst, 1641 an die Rheingrafen von Salm, die für die Herr-
39
schaft Sitz und Stimme im westfälischen Reichsgrafenkolleg und auf den westfälischen Kreistagen
40
hatten; ein anderer Teil der Herrschaft gelangte über die Tochter Isabella des Gf. Johann Jakob
41
von Anholt an die Fürsten von Croy. Anholt mußte sich vor allem gegen Geldern behaupten,
42
dessen Herzöge seine Lehnsherren gewesen waren ( Handbuch 3 S. 26f., Ersch-Gruber I
43
4 S. 135f., Zedler 2 Sp. 321, Moser, Crays-V. S. 148, Delfos S. 89).
belegt
30
werde undt vielmehr im fürstenthumb Cleve undt anderswo: wehre zu recommen-
31
diren, damit solche stände nicht doppelt angeschlagen werden, dazu werden aber die
32
Niederlande erst durch den Frieden zu bringen sein.
Wegen abschaffung der contribution besorgten, werde wenig zu erhalten
19
sein.

20
Ratione bullae aureae und deren darwieder vorgehenden excessuum halber
21
hette man sich nit allein, sonder auch anderer beschwehrten ahnzunehmen,
22
alß in specie Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Cölln sich dero ertz- und

[p. 793] [scan. 917]


1
stieffter Cölln und Lüttig halber wegen Mastrich

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Die Stadt Maastricht stand unter der souveraineté indivise der Herzöge von Brabant und der
40
Fürstbischöfe von Lüttich, die wiederum dem Reich unterworfen waren und dem Westfälischen
41
Kreis zugehörten ( Poullet II S. 35, 34, 38–40, I S. 517f.).
und Rheinberg

42
Festung und Amt im niederen Teil des Erzstifts Köln ( Wittrup passim, Fabricius II
43
S. 85, 105f.), 1597/98 zwischen Spanien und den Generalstaaten hart umkämpft ( Ritter II
44
S. 137f., 140, 143, 199). Vgl. zu Repressalien (1643) Meinardus, Protokolle 4 S. XIII.
uber die
2
Generalstaaden zu beschwehren. Sie vernehmen, daß die Holländer noch
3
under wehrenden dießen tractaten bey den ständen eine schriefftliche con-
4
firmation ihrer mit dem reich habenden neutralitet zu suchen gemeint;
5

25
5–5/6 uf – anzunehmen] Zusätzlich in Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II, auch
26
in Kurköln zA I, spA II: Dies jedenfalls hat ihnen vorerst Trauttmansdorff empfohlen.
uf solchen fall man ursach und gelegenheit haben würde, sich der sachen an-
6
zunehmen. Weiln gleichwohl alles ungewieß,

27
6 so] Aus Kurmainz Rk eingesetzt für verschrieben sie der Vorlage.
so vermeinten, man hette den
7
herrn Kayßerlichen gesanden ahn hand zu geben, demnach andere ständt
8
gleichwie die herrschafft Boxstell beschwehrt würden, derentwegen mit
9
zuziehung etlicher reichsstend mit den Staaden von Hollandt zu tractiren.

10
Kurbayern.

28
10–12 Wehre – resolvirt] Laut Kurtrier zA, Kurköln zA I, spA II, Kurbayern
29
Rp, Kurbrandenburg Rk II wird hinzugefügt: nachdem das ksl. Schreiben bereits
30
ein jahr alt.
Wehre guet geweßen, wan man einige nachricht hette haben
11
können, ob und waß die Spannische regirung und Staaden von Hollandt
12
sich gegen Kayßerliche Mayestät resolvirt; solte keine antwortt erfolgt sein,
13
werde schimpfflich fallen, im nahmen der reichsstendt zu schreiben. Ver-
14
meinten, die herrn

31
14 Kayßerliche] Danach zusätzlich in Kurtrier zA, Kurbayern Rp, Kurbranden-
32
burg
Rk II: mundlich.
Kayßerliche zu ersuchen, bey den Spannischen und Hol-
15
ländischen erinnerung zu thun, damit beym friedenschluß auch dießer
16
sachen in acht genohmen werden möge.

17
Kurbrandenburg. Bey dießer sachen gingen ihnen underschiedliche
18
rationes pro et contra zu gemüt; und weiln sie befinden, daß dieße herr-
19
schafft ein freyes reichslehen geweßen, so hielten, man hette sich auch
20
deßen anzunehmen, dann obschon in so langer zeit die recognition nit
21
erfolgt,

33
21–23 so – contradicirt] Ausführlicher Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II:
34
Hg. Philipp der Gute von Burgund hat hier kein ius erworben, weil er als vicarius imperii
35
investirt, wie andere churfursten mehr, alß Cöln, Tryer etc. Zudem erstreckt sich die
36
Burgundische transaction nur auff ihre provintzen unndt nit auff andere stände.
37
Kurbrandenburg ist gegenteiliger Information aufgeschlossen, glaubt aber, nachdeme das
38
reich vielfaltig dismembrirt, daß dieße herschafft zu reuniren.
so seye gleichwohl die belehnung von Burgundt allzeit im nahmen
22
deß reichs beschehen, welches dahero abzunehmen, weiln daß reich sich
23
bißher solches nit contradicirt; die schreiben ahn Spanien undt Holandt
24
konden nach ahnleitung der Keyserlichen schriefften abgelaßen werden.

[p. 794] [scan. 918]


1
Ob nun andere errinnerung mehr zu thun, werde sich finden, wan die
2
Staaden umb confirmation der neutralitet ansuchen

27
2 werden] Zusätzlich in Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II: Wusten nit, daß die
28
Staden einige contributiones auff die reichsstände geschlagen; der graff von Anholt
29
wird wegen seiner Herrschaften in Geldern und in den Niederlanden zu den contributionen
30
gezogen.
werden.

3
Kurmainz. Recapitulirte der herren vorstimmenden vota, undt hetten
4
gleichfals vor sehr dienlich erachtet, wan man einige nachricht hette haben
5
können, ob undt wohin die Spanische regirung undt Staden von Holandt
6
Ihre Keyserliche Mayestät hinwiedder beandtwort. Weilen gleichwohl
7
solches nit ervolgt, so hetten dannoch nicht gehren ichtwaß underlassen
8
wollen, so dem Romischen reich zum besten gericht sein mach, und confor-
9
mirten sich mit Collen undt anderen vorstimmenden, daß dieser herschafft
10
Baxstell halber in conformität der Keyserlichen rescripten in nahmen der
11
reichsstend ahn Spanien undt Holand ohne berührung der meritorum
12
causae zu schreiben; wolte man auch darfurhalten, daß dieße sach den
13
Keyserlichen, Spanischen undt Holandischen gesandten mündtlich zu
14
recommendiren, solches stellten sie dahin, wie wenigers nit, daß die Keyser-
15
liche herren plenipotentiarien zu ersuchen, nechst zuziehung etlicher
16
reichsstend die notturfft ahn die Holandische deputirte wegen abschaffung
17
anderer gravaminum zu pringen.

18

31
18–20 Sonsten – mogen] Zusätzlich in Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II,
32
auch in Kurköln zA I, spA II: Hierüber ist unter Hinzuziehung der Stände zwischen
33
den ksl., niederländischen und spanischen Gesandten zu verhandeln, und zwar ohne Aufschub
34
noch vor Trauttmansdorffs Abreise. – Die folgende Umfrage wird in den übrigen Über-
35
lieferungen nicht gesondert aufgeführt, aber als Punkt 2 der ersten Umfrage behandelt.
Sonsten seye ihnen auch nit unbekandt, daß wieder die Brabandische
19
guldene bull hin- undt wieder underschiedliche große excessus vorgehen,
20
dahero dan pillig dahin zu sehen, wie solche abgeschafft werden mogen.

21
Die ksl. Gesandten haben über den Streit zwischen dem Lgf. Georg von Hessen-
22
Darmstadt
und den Grafen von Isenburg, über den zwischen beiden geschlossenen
23
Vertrag

36
Wegen gebrochenen Landfriedens und Kriegsdiensten auf Seiten der Union gab Ks. Ferdinand II.
37
die Gebiete der Grafen von Isenburg-Büdingen 1635 an Hessen-Darmstadt. Im Hauptvergleich
38
vom 24. November 1642 zwischen Lgf. Georg II. von Hessen-Darmstadt und Wilhelm Otto
39
Gf. von Isenburg wurde Isenburg den Grafen restituiert, Hessen-Darmstadt behielt aber mehrere
40
isenburgische Ämter und die Expektanz auf die gesamte Grafschaft, falls der isenburgische
41
Mannesstamm ausstarb ( G. Simon, Geschichte II S. 317f., Bierther S. 147, 156, 184,
42
Ersch-Gruber II 24 S. 351f., Demandt S. 502). Wilhelm Otto von Isenburg wurde bereits
43
in die suspendierte Generalamnestie von 1641 eingeschlossen, endgültig wurden die Grafen erst
44
1648 amnestiert.
und schließlich noch von den churfurstlichen gesandten bericht
24
begehrt, ob die Angelegenheit ihrer art undt eigenschafft nach in die amnisti
25
mit einschlage oder nit. Bitten um entsprechende Meinungsäußerung. Fuhrten
26
beneben ahn, waßmassen sich daß churfurstliche collegium uff begehren der

[p. 795] [scan. 919]


1
Romischen Keyserlichen Mayestät wie auch beyder interessirter theill zu
2
underschiedlichen mahlen, undt zwahr anno 1639 zu Nurnberg undt bey
3
dem darauff gevolgten reichsconvent dahin bemühet undt interponirt, wie
4
die sach in der guette hingelegt werden möge,

21
4–7 auch – verglichen] Laut Kurköln zA I, spA II, Kurbayern Rp hat
22
Kurmainz dazu das kurfürstliche collegiallguettachten vom 6. August 1642 zu Wien
23
abgelesen.
auch eß endlich zu Wien so
5
weit pracht, daß der Hessen Darmstatt- undt Ysenburgische deputirte Dr.
6
Wolff

24
Johann Jakob Wolff von Todenwarth (1585–1655), ksl. und fl. hessen-darmstädtischer Rat,
25
Syndikus der Stadt Regensburg und Gesandter Hessen-Darmstadts am Kongreß, Bruder des
26
fl. bessen-darmstädtischen Geheimen Rats und Kanzlers (seit 1624) Dr. Anton Wolff Frhr.
27
von Todenwarth (1592–1641), der vorher (1630, 1632) Verhandlungen in der Isenburger Sache
28
geführt hatte ( Frohnweiler S. 11 Anm. 7, 172, 176f., Kneschke 9 S. 236f.). Aufgrund
29
eines Beschlusses des Nürnberger Kurfürstentages von 1640 vermittelte das Kurkolleg in der
30
Angelegenheit auf dem Regensburger Reichstag von 1640/41 ( Brockhaus S. 227f.).
und Rebeneck

31
Verhandlungspartner Wolffs während der Wiener Pfalztraktate von 1642, bei denen auf Ver-
32
mittlung des Kurkollegs auch die Restitution der Grafen von Isenburg–Büdingen verhandelt wurde,
33
war der kfl. brandenburgische Rat und Resident am ksl. Hof Mattheus Rebenick von Reben-
34
berg. Wilhelm Otto Gf. von Isenburg legitimierte ihn von vornherein nur unzureichend und ver-
35
wendete ihn alß ein solicitator, der günstige Verhandlungsangebote der Gegenseite hervorlocken
36
sollte (Vollmacht vom 17. Januar 1642, Fürstl. Ysenburg- u. Büdingensche Archiv-
37
verwaltung
, Prozesse Fasz. 21 Bd. 121 nr. 14, vgl. ebd. nrr. 179, 128, 171).
sich in nahmen ihrer allerseits herrn principalen
7
eines gewissen verglichen; dieweiln sich aber nach der handt die herren
8
graven von Ysenburg daruber zum hochsten beschwert, vorgebent, daß
9
dero deputirter in vielen punctis uber seine habende instruction gehandlet,
10
alß hetten beyde theill solchen verglich wieder cassirt undt sich de novo
11
ohne vorwissen des churfürstlichen collegii mit zuziehung etlicher Wettera-
12
wischer graven miteinander verglichen.

13
Kurtrier. Seye dieße strittigkeit schon vorlengst, undt zwar anno 1630
14
zu Regenspurg auch vorkommen, allda der herr landtgraff von Darmbstatt
15
den graven von Ysenburg des landtfriedtbruchs undt criminis laesae
16
maiestatis beschuldiget, vorgebendt, es hette der graff von Manßfeldt auff
17
dem grafflichen Ysenburgischen hauß in beysein des graven von Ysenburg
18
den ahnschlag uff Darmstatt gemacht, waruber dan nit allein Darmbstatt
19
uberstiegen, sonderen auch er landtgraff gar gefenglich mit hinwegge-
20
fuhrt worden

38
Gf. Ernst von Mansfeld (1580–1626) drang im Juni 1622 in Hessen-Darmstadt ein, Lgf.
39
Ludwig V. von Hessen-Darmstadt geriet in Gefangenschaft bei Pgf. Friedrich V.; im gleichen
40
Jahr plünderte Gf. Wolfgang Heinrich von Isenburg u. a. das darmstädtische Amt Nidda. Der
41
Reichshofrat und 1630 das Kurkolleg befanden die Grafen von Isenburg des Landfriedensbruchs
42
schuldig und verurteilten sie zu Schadenersatz. Vgl. Frohnweiler S. 170–172, G. Simon,
43
Geschichte II S. 295f., zum Feldzug Mansfelds ADB 20 S. 222–232 , Hofferberth S. 15f.,
44
44, Hurter II S. 496f., Ütterodt passim.
. Es hette sich aber der herr graff von Ysenburg dieses facti

[p. 796] [scan. 920]


1
halber entschuldiget undt daß der graff von Manßfeldt sein hauß ebensowohl
2
mit gewahlt occupirt undt daßelbe selbsten gantz spolirt. Undt weilen
3
Ihre Churfurstliche Gnaden zu Trier den graven vor unschuldig erkennet,
4
hetten sie derzeit hieruber nicht votiren, auch daß churfürstliche guetachten,
5
so in favorem deß herrn landtgraven ergangen, nit mit volnziehen wollen.
6
Ob undt wie sich nun beyde theill miteinander verglichen undt ob sie auff
7
alle kunfftige reichsschlueß renunciirt, seye ihnen unbewust;

26
7–9 wan – gehörig] Fehlt in Kurköln zA I, spA II, in den anderen Überlieferungen
27
knapper; laut Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II behält sich Kurtrier aber vor,
28
Hessen-Darmstadt nichts benehmen unnd zuvor andere hören zu wollen, so bey der
29
handtlung seithero geweßen.
wan man aber
8
daß factum, die zeit undt ursach ansehe, musten sie dafurhalten, daß es ad
9
amnistiam gehörig.

10

30
10 Kurköln] Laut Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II sagt Wartenberg zunächst,
31
daß er ohne bericht ist, weil Buschmann, der bei den handtlungen geweßen, verreist ist
32
und die acta hinder sich hat.
Kurköln. Seyen in facto nichts informirt, wehre auch die letztere trans-
11
action ohne vorwissen des churfürstlichen collegii vorgangen, also daß
12
man davon keine nachricht hette. Undt wurden die Keyserliche ex actis
13
genugsamb vernehmmen können, ob die sach ad amnistiam gehorig oder
14
nit.

15
Kurbayern. Ob dieße sach ad amnistiam zu ziehen, da vermeinte, weilen
16
die herren Keyserliche albereit in diesem puncto vielfaltig negotiirt, sie
17
werden auch solches leicht erortern konnen. Undt weilen ein generalissima
18
amnistia geschloßen werden solle, so werde auch dieße sach schwehrlich
19
davon konnen gezogen werden; yedoch wolte sich hierinnen von den
20
maioribus nit separiren.

21
Kurbrandenburg.

33
21–25 Hetten – konne] Fehlt in Kurköln zA I, spA II. Laut Kurbrandenburg Rk II,
34
Kurtrier zA bringt Kurbrandenburg weiter vor: Es mag bei dem Vergleich der partheyen
35
under sich selbst bleiben. Das angezogene kurfürstliche Gutachten verliert an Wert durch
36
den defectus mandati der damaligen Kontrahenten. Zwar kann der Kaiser die solennitates
37
suppliren ex plenitudine potestatis; ob dieses aber auch platz habe in defectu
38
voluntatis, stünden sie nicht weinig ahn.
Hetten keine information; ob die sach ad amnistiam
22
gehorig, werde sich auff den actis befinden, dan die actio ex capite criminis
23
laesae maiestatis constituirt seye. Undt ließen dahingestelt sein, waß die sach
24
von sich selbsten rede; weilen nun alle andere in die amnisti mit einge-
25
schloßen werden, so sehen sie nit, wie dieß davon excipirt werden konne.

[p. 797] [scan. 921]


1

38
797, 1–798, 12 Kurmainz – möchte] In Kurköln zA I, spA II wesentlich kürzer.
Kurmainz.

28
1–11 Wan – nit] Laut Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II, sinngemäß Kur-
29
köln
zA I, spA II nimmt Kurmainz außerdem noch auf seine Instruktion Bezug,
30
Heßen Darmstatt in allen thunlichen sachen möglichen beystandt zu thun, und
31
begründet das wenig entschiedene Conclusum damit, daß Kursachsen noch gehört werden muß.

32
Laut Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II folgt noch: Bei der Re- und Correlation
33
verlangen die übrigen Reichsräte, das ratione bullae Brabanticae eine clausul zu subnec-
34
tiren undt sowoll wegen der herschafft Bachstell als anderer eingezogener undt
35
verstuckkelter lehen nit allein zu schreyben, sondern auch das werck mundtlich zu
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recommendiren. Laut Kurköln zA I, spA II ist Punkt 2 in den anderen Kollegien
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nicht proponirt worden.
Wan sie alle umbstandt wie auch den terminum amnistiae undt
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daß die privation ex crimine laesae maiestatis et turbatae pacis herrühre,
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considerirten, so mogte es wohl daß ansehen haben, daß diese sach schwehr-
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lich von der amnistia, angesehen dieselbe generalissima sein solle, werde
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eximirt pleiben können. Dieweilen gleichwohl beyde theill nach der handt
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sich a part ohne vorwissen undt interposition des churfürstlichen collegii
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allein under sich mit zuziehung etlicher Wetterawischen graven verglichen
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und man von solchem vergleich keine eigentliche nachricht hette, so wehren
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sie der meinung, die sach ahn die Keyserliche wiederumb zu remittiren
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undt denselben ex actis zu erkennen anheimzustellen, ob diese sach ad
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amnistiam gehorig oder nit.

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