Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Kurmainz. Nehmen Bezug auf die in allen drei Reichsräten, vornehmlich alhie
in electorali collegio am 1. April 1647 gepflogenen Beratungen über den Unter-
halt des Reichskammergerichts und die Erlegung dreier ordentlicher Kammerzieler
bis zur Ostermesse.
Nuhn werden die herren abgesandten auß deme von der dictatur erlangtem
schreiben ermeltes Kayßerlichen camergerichts
Vgl. Schreiben des Reichskammergerichts vom 8./18. Mai 1647 mit Verzeichnis der an der
Frankfurter Ostermesse 1647 erlegten Kammerzieler (Druck Meiern V S. 297 –299).
sehen haben, waß bey gedachter meß von den ständten einbracht worden,
undt daß sich die summa uber 2299½ reichsthaler nit erstrecket. Dieweillen
nuhn dieselbe, maßen in angeregtem schreiben vermeldet, under 51 per-
sohnen außzutheillen undt dannenhero einer jeden ein sehr geringe portion
eingehen müß, daß den erwogenen umbständen nach eine lautere unmög-
lichkeit, daß praesidenten undt assessoren ihre haußhaltungen, wie gering
sie auch dieselbe anstellen, durchbringen mögen, derowegen hetten sie
viellfaltig remonstrirt, daß wahn die ständte nit beyhalten köndten oder
wolten, sie sich deßen erclehren wolten, damit ein undt ander sich in heren-
dienst begeben undt also weib undt kindt ernehren möchte.
Ex parte deß directorii hette man in vorigen propositionen wie auch noch
darfurgehalten, daß den herren cameralibus entweder der nöttige undt
schuldige gehalt zu verschaffen oder ihnen zu erlauben, daß sie sich ander-
werths umsehen mögen. Dieses begerten dieselbe nachmahls, salvis tarnen
eorum restantiis, dahero diese quaestion in deliberation gestelt würde, ob
undt auff waß versicherte weiß man den underhalt beytragen oder praesi-
denten undt assessoribus bedeuten wolte, daß sie sich umb anderwerte
conditiones bewerben […]. Solte nuhn der schlüß dahien außfallen, daß
sie nachmahls zu animiren undt bey der bieß dato administrirter iustitz zu
halten, so würde auff solchen fahll auch nöttig sein, davon zu reden, waß
vor gewiße mittel zu ergreiffen. Solte aber hingegen daß conclusum auff
eine beurlaubung gehen, so würde wenigers nicht zu deliberiren sein, waß
vor ein anstandt der restanten halben zu machen. Weillen sie nuhn mit
Osterreich dahien veranlaßet, daß eben dieses auch in ubrigen räthen solle
vorgenohmben werden, so wolten die heren abgesandten sich belieben
laßen, ihre gedancken hieruber mit wenigen zu eröffnen.
Kurtrier. Haben gemäß dem Beschluß vom 1. April 1647 ihren Kurfürsten
gebeten, dahin zu trachten, damit mit dem pfenningmeister rechnung ge-
pflogen undt dero camerrichtersquota in solutum abgerechnet werden
mögte. Wiewoln sie nuhn darauff noch einige befelch nicht weder nachricht
empfangen, so zweiffelten sie dannoch nit, Seine Churfürstliche Gnaden
würden mit den pfenningmeister haben rechnen und ihr salarium in solu-
tum nehmen laßen. Warumb andere nicht beygehalten, möchte fieleicht
dieß die ursach sein, weillen keine meß geweßen.
Soviell nuhn die frag belangt, ob die herren camerales zu befriedigen oder
zu licentiiren, da erinderten sie sich zwar, daß die Judencapitation pro
medio extraordinario vorgeschlagen worden, sie hetten aber wiedrige in-
struction empfangen, in betrachtung Ihre Churfürstliche Gnaden erbiethig,
dero ertz- undt stieffter quotas ahn ihrem salario abgehen zu laßen, daß
sie also kein beßer expediens vorschlagen köndten alß daß vorige, daß
nemblich bey künfftiger herbstmeß wieder drey ziehler endtrichtet werden;
undt wahn es den ständten ernst, daß camergericht zu underhalten, so
würden sie, sonderlich die, so underem krieg nit so starck begrieffen, noch
soviell beytragen können, da ein churfürstenziehll sich nit höher alß 300
fl. erstrecket undt mancher auff den krieg 300 000 reichsthaler spendirt.
Würde dannenhero disreputirlich sein, daß man pro iustitia nit 9 oder 10
persohnen underhalten solte, stünde also bey den ständten, diese wenige zu
entreteniren, damit es nit den nahmen undt schein gewinne, man habe
keine affection zu der iustitz.
Diesem allem nach wehren die herren camerales nachmahls zu ermünteren,
sie wolten ihre functiones continuiren, angesehen man abereins drey zieler
beytragen würde. Vor diesem wehre geschrieben worden, sie solten den
modum distribuendi einschicken, welches daßmahll zu dissimuliren undt
ihnen die neglecta bieß auff weitere verordtnung passiren zu laßen.
Kurköln. […] Ihre Fürstliche Gnaden hetten nit underlaßen, Churcöln
gebührende relation […] zu erstatten, dieselbe auch wegen der restanten
zu erinderen, nicht zweiffelendt, weillen kein contrari befelch einkommen,
man werde im werck begrieffen geweßen sein, den beytrag zu thun, wahn
man nicht durch den eingefallenen kriegsschwall sowoll im ertzstiefft Cöln
alß hießigen landen verhindert worden, neben dem, daß auch kein meß
geweßen. Wie dan der eintzige Konigsmarck wieder alle verträge den
stiefft Hillesheimb in gar weniger zeit ahn die 130 000 reichsthaler gekostet
Durch den Goslarer Vertrag vom 16. Januar 1642 zwischen dem Kaiser und Braunschweig-
Lüneburg wurde Kurköln das „kleine“ Stift Hildesheim restituiert ( Förster); bereits vor der
Ratifikation des Vertrages durch Kurköln unternahm Königsmarck Streifzüge im Hildesheimi-
schen ( Dickmann S. 384, Theatr. Europ. IV S. 860–867, S. 855, 868–870, A. Ber-
tram III S. 43ff.).
daß also große beschwerden vorfallen, derentwegen sich ein undt ander zu
endtschuldigen hette, vorab auch dieyenige, so von landt undt leuthen
vertrieben undt keine direction daruber haben, wie Seine Fürstliche Gnaden
zu Osnabrügh, Minden undt Verden. Ex proprio herzugeben, falle auch
schwar, doch wolten sie mit ihren capitulis daß beste thun, wie sie im
fürstenrath auch anbefohlen; Stabell wehre durch die Lottringische gantz
ruinirt.
Daß nuhn neben vorigen noch drey andere zieler zu der anvorstehender
herbstmeß sollen gelieffert werden, deßen wolten sie, wahn die maiora
darauff gingen, Ihre Durchlaucht zu Cöln berichten; Münster hette uber-
zahlt, wie bekandt. Wegen der Judencapitation hetten sich Ihre Durch-
laucht wie Churtrier beschwerdt, weillen es aber durchgehendt sein undt
den landtschafften zum besten komben solte, applacidirt; undt nachdemahlen
der gantze mangell ahm Kayßerlichen hoff bestünde, so wehren Ihre Kay-
ßerliche Mayestät deßen per guttachten oder dero gesandten nachmahls zu
erinderen.
Waß pro 2 do im Trierischen voto ratione neglectorum erwehnet worden,
daß ließen sich Ihre Fürstliche Gnaden vor daßmahll auch gefallen.
Daß sonsten in quaestionem gebracht, ob die herren camerales zu licen-
tiiren, darzu köndte man ex parte Churcöln nit verstehen, auß ursachen,
daß wahn dieß dicasterium solte dissolvirt werden, da die uncatholische
ohnedem auff newere gehen, dörfften die tractaten schwerer gemacht undt
gefehrliche newerung eingeführt werden. Wehre dannenhero beßer, statum
praesentem zu erhalten alß zu mutiren; darzu die cronen stillschweigen.
Wahn die camerales darvon gehen solten, würden die partheyen mehrers
beschwerdt, weillen die newe ahnkombende ahn der praxi etliche jahr
lehrnen müsten […], undt wehre den cameralibus dannenhero beste ver-
tröstung zu geben, denen auch per cancellarium Moguntinum in privato
köndte zugeschrieben werden, sie müsten sich in etwas bey yetziger zeit
mit anderen exulanten patientiren.
Kurbayern. Er hette daß nehere conclusum referirt undt wehre darauff
befelchs gewertig. Sonsten erinderte er sich, daß die Judencapitation nit
allein zu Franckfurth, sonderen auch alhie in vorschlagh komben, dabey
Ihre Churfürstliche Durchlaucht verplieben, undt wehre er auff kein ander
extraordinari medium instruirt. Undt weillen, maßen im Colnischen voto
erwehnet, die meiste difficultet sich im Kayßerlichen hoff erreget, alß wehre
nachmahlen ein guttachten zu geben undt darin zu begehren, daß dieß
medium ehist möge zu werck gerichtet werden. Fahlß uber dieses mittell
noch andere gegeben werden könten, wolte er dieselbe hinderbringen.
Die licentiirung betreffendt, deßen hette er kein befelch. Von Trier undt
Cöln wehre gar vernünfftig angezogen, daß eß Kayßerlicher Mayestät undt
dem reich zu höchster disreputation gereichen undt dem gemeinen weßen
sehr gefehrlich sein würde, in betrachtung, daß ohnedem auff newe dicaste-
ria getrachtet wirdt. Vermeinte derohalben, daß die heren camerales mit
aller beweglichkeit zu erinderen, sie wolten sich ahn der handt halten,
würde den herren principalen zuschreiben undt die ständte uber vorige
drey ziehler bey künfftiger herbstmeß ein mehrers thun.
Kurmainz. Sie vernehmben, daß die herren vorstimbende sambt undt
sonders die licentiirung nit vor rathsamb befinden, sonderen darfurhalten,
daß yetzigem reichßzustandt nach der herren praesidenten undt assessoren
conditionirten begeren gewillfahrt solle werden. Sie köndten, soviell diesen
punct anlanget, sich gar woll vergleichen, undt allen erwogenen der sachen
umbstenden nach befindeten nicht, wie die licentiirung ohne höchste gefahr
der iustitz undt schaden, so maximum in dissolutione camerae sein würde,
zu verwilligen. Dahero sie auch der meinung, daß die herren praesidenten
und assessores durch eine wiederanthwort zu animiren, ihnen obige rationes
et motiva zu repraesentiren undt dabey zu ersuchen, daß sie sich in etwas
patientiren undt wie biß dahero löblich beschehen, also noch furbaß der
iustici vorstehen wolten.
Wahn dieses nuhn also vorkommen undt praesidenten undt assessores auff
mittel vertröstet werden, so folget von sich selbsten, daß auch auff den
effectum zu sehen undt dahien zu gedencken, wie ihnen mit der realitet ahn
handt gegangen werde, dan wieder den respect undt authorität sein würde,
so vielle vertrostungen zu thun undt dannoch nichst zu praestiren, ange-
sehen die schreiben bey dem archivo verpleiben; die Gesandten werden sich
hoffentlich inständig an ihre Kommittenten wenden.
Ihre Churfürstliche Gnaden zu Mayntz, obschon sie in sehr betrübtem undt
armsehligen zustandt, wie kündig, begrieffen undt uber drey jahr in exilio
deß ihrigen nit genießen können, so wehren sie dannoch geneigt, willig
undt erbiethig, daß ihrige zu thun undt die drey ziell, weillen es bey nechster
meß unmöglich gefallen, auffs ehist zu endtrichten, mit befelch, andere
stände auch dahien zu vermögen, damit daß collegium nit möge dissolvirt
werden.
Waß vor mittell zu ergreiffen, da befindeten, daß Trier und Cöln vast einer
meinung, dan Trier darfürhaltet, daß nit allein die vorige, sonderen auch
gegen nechstfolgende herbstmeß 3 andre zieler zu erlegen undt darbenebens
die neglecta vor daßmahll nachzusehen, oder, soviell Cöln betriefft, die
Judencapitation zu reassumiren undt also die camerales in etwas zu be-
friedigen. Sie ließen sich alle drey vorschläge woll gefallen undt schloßen,
daß allerseiths gnedigsten herren principalen beweglichst zuzuschreiben,
daß sie soviell möglich die erste 3 ziehll ehistens erlegen undt mit den
anderen dreyen gegen die herbstmeß sich gefast halten wollen, wie dan
auch die neglecta einzuschließen, wiewollen die herren camerales dieses
wenig achten werden, angesehen sie in ihrer deduction probiren, daß dern
nit zu gedencken.
Ahn ihrer seithen vermeineten sie wie allezeit, daß der nechste wegh wehre,
wahn Ihre Kayßerliche Mayestät köndten bewegt werden, die Judencapi-
tation zu verwilligen. Sie sehen nit, weillen dieselbe den ständten solle zum
besten komben, warumb sie sich deren zu beschweren, sonderlich Ihre
Churfürstliche Gnaden zu Trier, weillen ahn dero quot ihrer Judenanschlag
abgehet undt sie auch alß camerrichter davon participiren, hoffendt, wahn
dieses ihro nachmahls remonstrirt wirdt, sie werden kein weitere difficultät
darbey machen.
Sie wehren erbiethig, mit dem fürstenrath hieruber zu re- undt correferiren;
undt wahn sie auch der meinung, daß dieses durch ein abermahliges gutt-
achten oder sonsten mündtlich zu recommendiren, alles werckstellig zu
machen, gestaltsamb es daß letzte mahll uber die maßen recommendirt wor-
den, die herren Kayßerliche hettens aber nuhr nude ohne einige recommen-
dation beygelegt Ihrer Mayestät, wie sie selbsten gesehen.
Hierbenebens würde angezeigt, daß die gesandtschafften zu Osnabrüg auch
verwilliget, daß sowoll ahn Burgundt alß Staden von Hollandt wegen deß
reichßlehen Bochßtell solle nit allein geschrieben, sonderen es auch nomine
imperii ordinum den gesandten alhie per Caesareanos auffs beste recom-
mendirt werden.
Occasione dieses hetten die reichßstätte erindert, daß auch der güldenen
büll zu gedencken, wie auch dabey anderer reichßbeschwerden nit zu
vergeßen.