Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Kurmainz . Nimmt Bezug auf die Beratungen, die auf diesem Kongreß und
früheren Konventen über Sicherheit und Unterhalt des Reichskammergerichts statt-
gefunden haben. Unnd nachmahln ermeltes cammergerichtß praesidenten unnd
assessorn ihr letzt eingelangtes suchen allein uff die underhaltung gericht
unnd ahngehalten, damit ihnen gegen nechstkunfftige Franckfurther Oster-
meß
salarii ahn handt gegangen werde, unnd dann Ihre Churfürstliche Gnaden
zu Maintz vor pillig erachteten, dafern man daß gericht zu des reichs
nachtheil unnd höchsten verschimpfung nit gahr zugrundtgehen lassen
wolte,
beschwerlichen zeiten verschafft unnd consequenter die justiz administrirt
werde, so zweivelen sie nit, man werde uff mittel bedacht sein, wie dem-
selben geholffen werde. Stehen diesem nach zu der herren gesanden be-
lieben, ihre gedanckhen zu eröffenen, wie sie vermeinten, daß den herren
cameralen mit einem stück gelt gegen nechstkunfftige Ostermeß ahn handt
gegangen werden könte, unnd erachteten unnöthig, diesmahlß viel von
den neglecten unnd restanten zue reden, sondern dieselbe uff ein reichstaeg
zu verweisen.
Kurtrier . Wehre leichtlich zu erachten, daß daß cammergericht sich lenger
mit blossen worten nit abspeisen laßen werde […]. Waß aber vor media
zu ergreiffen, da nehmen sie den Vorschlag auf, der bei letztem Reichstag gemacht
worden ist, daß nämlich jeder Stand
soll, und empfehlen dessen Verwirklichung; denn die Judencapitation, findet ihr
Kurfürst, wie schon mehrmals gesagt, bedenklich und das Kammergericht selbst
nit zuträglich und schwer durchführbar. Man hette gesehen, daß etliche ständt,
welche mit dem kriegslast sehr hart beschwehrt worden alß der stiefft
Münster und andere nit allein ihre ziehler völlig erlegt, sondern auch etliche
albereit anticipative erlegt. Und hielten, daß keiner sich mit der unmüglich-
keit entschuldigen könde, wie dan Ihr Gnädigster Herr sich zu erlegung
der dreyen ziehler gegen Östern
24 erpotten] Zusätzlich in Kurköln zA I, spA II, etwas ausführlicher in Kurtrier zA
und sinngemäß in Kurbrandenburg Rk II: Den punctum securitatis, neglectorum
et distributionis, davon die herrn camerales auch meldung gethan, weyln derselb
zur umbfrag nicht gestelt, so sie doch nothig hielten, wolten dasmahl auch eingestelt
sein lassen.
Kurköln ( Landsberg) . Die Judencapitation, gegen die viele Einwände laut
wurden, wird kaum durchzuführen sein. Wüsten also kein ander medium, alß
das die ständt zu praestirung deßen, so bey iüngstem reichsconvent ver-
glichen, sonderlich aber zu erlegung dreyer ziehler gegen künfftige Oster-
meß zu erinnern.
Kurbayern . Sind in Frankfurt und hier stets für das Mittel der Judencapitation
eingetreten; da eß ihe nit ercklecklich, dannoch zu einem mercklichen ab-
schlag gereichig sein würde, umb soviel mehr, weiln fast alle stendt deß
reichs solches approbirt und Ihrer Kayßerlichen Mayestät eingerathen,
dahero umb soviel weniger schwehr fallen würde, solche Juden zu deßen
abstattung ahnzuhalten; dabei bleibt Kurbayern. Solte aber neben dießer
Judencapitation von sambtlichen chur-, fürsten und stenden auch fur
räthlich gehalten werden, daß etwan gegen negstkünfftige Ostern drey
ziehl erlegt werden solten, wolte er davorhalten, solches seinem Gnädigsten
Herrn, weiln ein gemeines conclusum sein werde, auch nit zuwider sein,
und dieselbe pro posse gern cooperiren würden.
Kurbrandenburg . Sie mögten wünschen, daß sie solche media beytragen
könten, dardurch dem cammergericht geholffen werde, inmaßen Ihr Gnä-
digster Herr davorhielte, daß daß cammergericht ohne contentirung nit
lenger leben könde. Nach Kenntnisnahme des Projekts der Judencapitation hetten
Seine Churfürstliche Durchlaucht davorgehalten, eß werde damit seine
richtigkeit haben und dahero sie seithero weiter diesfahls nit befelcht.
Müsten also nochmahls uf der Judencapitation bestehen und vermeinten,
wan nur die stendt, darunder Juden geseßen, exequiren wolten, eß würden
solche mittel wohl zu erhalten sein.
tige Ostern drey ziehl zu erlegen, so müsten sie zuvor Ihres Gnädigsten
Herrn meinung daruber einholen.
ten auch nichts liebers gesehen, dan das daß mittel der Judencapitation,
wie solches Ihrer Kayßerlichen Mayestät von chur-, fürsten undt stenden
bey iüngstem reichsdeputationtag zu Franckfurth und alhie allerunder-
thenigst eingerathen worden, werckstellig gemacht werden können.
Dieweiln aber wider beßer zuversicht uff all solche bedencken bißhero
einige willfährige antwortt nit erfolgt, sondern allein dießes eingewendt
worden, daß etliche auß den stenden selbsten, darunder Juden geseßen,
bey Ihrer Kayßerlichen Mayestät umb einstellung deßen einkommen, so
wehr zu besorgen, wan auch schon nachmahls diesfals die notturfft ahn
Kayßerliche Mayestät gepracht werde, daß solches unfruchtbar sein werde,
dahero sie, ob sie sich wohl mit den Churbayerischen und -brandenburgi-
schen hierin vergleichen könten, davorhielten, daß dießes conclusum in
etwaß beyseitzusetzen, biß man mit den herrn Chursächßischen hierauß
gleichergestalt communicirt. Und wehren mit den herrn Churtryer- und
-cöllnischen der meinung, daß interim die stendt zu erlegung deren bey
iüngstem reichstag verwilligter drey ziehler gegen negst bevorstehende
Ostermeß zu erinnern; und zweifelten nit, obschon Ihre Churfürstliche
Gnaden zu Maintz ietzo in einem betrübten zustandt begrieffen, sie dannoch
daß ihrige zu verhüttung der dissolution gern beytragen würden.
Wie aber dießes mittel ohne weitern verzueg werckstellig zu machen, werde
wohl die frag sein, dan die sach ahn Ihre Kayßerliche Mayestät zu pringen,
werde viel zeit erfordern; durch die gesandtschafften selbsten bey ihren
allerseits Gnädigsten Herrn die erinnerung zu thun, dörffte allerhandt
bedencken geben, dann einer dem cammergericht affektionirt, der ander nit,
der drite dorffte auch andere bedencken haben, die notturfft zu hinderprin-
gen.
gesanden seinen herrn principalen dieße deß heyligen reichs höchsten
gerichts bevorstehende dissolution und waß darauß dem Römischen reich
vor unwiderpringlicher schaden, schimpff undt spott zuwachßen würde,
bestens remonstriren und dieselbe dabeneben erinnern, fals man nit vor-
setzlich daß gericht und mit dem die justiz zugrundtgehen laßen wolle,
die uf iüngstem Regenspurgischen reichstag verglichene drey ziehler gegen
negstkünfftige Franckfurther Ostermeß ahnfehlbahr,
exception deß vermögenden oder unvermögenden standts, erlegen zu laßen.
Zweifelten nit, wann damit richtig beygehalten werde, die herrn cameraln
sich vor diesmahl werden contentiren laßen.
Das von Kurbrandenburg ausbedungene Warten auf Instruktion in dieser Frage
halten sie für unnöthig, weiln durch die Judencapitation den stenden deß
reichs ihre schuldige ordinari ziehler nit indulgirt würden, sondern dießes
mittel allein zu eylfertiger beypringung einer gewißen geldtsummen
angesehen geweßen, wie noch allermaßen dan iedesmahls Ihre Kayßerliche
Mayestät zugleich ersucht und gepetten worden, die stendt auch zu erlegung
ihrer ordinari ziehler zu erinnern.
Durchlaucht zu Brandenburg zu conservation deß gerichts sich wegen
abstattung der vorgeschlagenen 3 en ziehler auch gern vergleichen werden.
Sie hetten zwar auch kein bedencken gehabt, wegen der securitet eine umb-
frag zu thun; weiln aber in instrumento pacis derentwegen beßere vorsehung
wirdt geschehen können, die cronn Franckreich sich auch interim zur ver-
schonung desselben erpotten, so hetten sie solches noch zur zeit unnöthig
erachtet. Solte gleichwohl in überigen räthen diesfals etwas vor guet befun-
den werden, so werde mit wenigen auch im churfürstenrath alßdan davon
zu reden sein.
Ratione neglectorum werde sich ahm besten bey negstkünfftigem reichstag,
alwo die stend allein beysamen und ohnedaß von dem puncto iustitiae
gehandlet werden muß, reden laßen.
4–6 Mit – verglichen] Ausführlicher in Kurtrier zA, Kurköln zA I, spA II,
Kurbrandenburg Rk II: Die Mehrheit im Fürstenrat hat zunächst beschlossen, halb-
scheidt der restanten gegen die Ostermees abzustatten, einige, besonders Bamberg,
haben sich strikt dagegen ausgesprochen. Der Fürstenrat ergänzt den Kurfürstenratsbeschluß,
den er annimmt, dahingehend, das wegen der dreyer ziell nicht nur an die Kommittenten,
sondern auch an den Kaiser zu schreiben ist. –
Auf der letzten Seite von Kurmainz Rs ( offenbar nach Osnabrück übersandt) von Leubers
Hand mit Datum vom 31. März 1647 notiert, daß die kursächsischen Gesandten sich in
puncto der Judencapitation mit Kurbrandenburg vergleichen und sich auch wegen der
cammergerichtsziehle gnädigster resolution erholen wollen.
ob sie wohl anfangs einer weit andern meinung geweßen, durchgehent
verglichen.