Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Kurmainz proponebat.
Es würden die churfürstlichen herrn abgesanden sich ohne allen zweiffell
annoch guetermasßen zu errindern haben, welchergestalt man ohnlängsten
in allen dreyen reichsräthen, absonderlich aber alhie im churfürstenrath
sich dahien verglichen gehabt, daß post deliberatam unamquamque classem
tum Suecicae tum Gallicae propositionis man yedesmahls zur re- und corre-
lation schreitten solte, waßmasßen aber nachderhandt von yetztgedachten
beiden cronen Schweden undt Franckreich ein anders, undt zwar dieses
begehrt worden, daß nach völliger erörterung der Repliken die re- undt
correlationes erst vorgenohmmen werden mögten, denen man auch dies-
orths, ohnnetiges quereliren undt disputat zu entfliehen, durchgehendt
deferirt. Weilen man aber anyetzo de novo bericht erlangt, daß von denen
zu Oßnabrugk anwesenden fürstlichen undt stättischen gesanden der erste
modus referendi behauptet werden wolle
Siehe oben nr. [65 S. 448] , nr. [70 S. 490f.]
1º diesem der Osnabrugkischen gesanden begehren deferiren solle.
fürstliche undt stättische gesanden entschlosßen, ad partem, excluso etiam
electorali collegio, welches doch hier in corpore beysammen, under sich
zu re- undt correferiren, darauf auch ein absonderlich bedencken zu über-
geben.
3. verlangen die Osnabrücker Stände, daß eines yeden meinung mit in die te-
undt correlation kommen, auch sogar die singularvota, welches doch gantz
wieder daß reichsherkommen, in die bedencken eingebracht werden solten.
Werde solchem nach zu der churfürstlichen herrn abgesanden belieben
stehen, ob sie sich hierüber der ordnung nach vernehmmen lasßen, ob
und was mann ihnen diesfals nachgeben könne undt wolle.
sich gar wohl zu errindern, daß anfangs die herrn churfürstliche insgesambt
darfürgehalten, daß nach erörterter yeder class die re- undt correlation solte
vorgenohmmen werden, zumahlen mann ohnedaß auch verhofft, dardurch
mehrere lufft und in den andern punctis et classibus desto schleuniger etwa
durchzukommen. Undt bey dieser resolution würde es ohne allen zweiffell
geplieben sein, wan nit beeder Schwedisch- undt Frantzösischer cronen
plenipotentiarii die stendt ersucht hetten, ihre replicas totaliter vorzunehm-
men. […]
Daß aber nun ein anders, undt zwar daß erste conclusum, zu Osnabrugk
wieder auf die bahn gebracht werden wolte, desßen verwunderten sich sehr.
Könten nit sehen, was die Osnabrugkische stendt zu dieser intention
bewegen mögte, hielten gleichwohl darfür, ein löblich Churmaintzisch
directorium alhier wehre zu ersuchen, ihren herrn collegis zu Osnabrugk zu
schreiben, daß sie die stendt daeselbst alles diesfals fürgangenen verlaufs
nachmahlen verstendigen undt dabey dieses bedeuten theten, sintemahlen
auf der cronen begehren man von dem ersten concluso, wie bekant, ausge-
setzt und ein anders angenohmmen, so seye man doch zufrieden, fernere
schädliche remoras zu entfliehen, dafern sie Osnabrugkische stendt es
anders dahien richten könten, daß auch die cronen desßen zufrieden und
solches bey dennselben kein verdrues geben mögte, den ersten modum,
wiewohlen man in der zweitten class auch bereits zu deliberiren ahngefangen,
de novo zu amplectiren.
Wann man nun vernehmmen solte, daß die cronen desßen zufrieden, könten
sie Churtrierischentheils indifferent sein.
Die andere quaestion betreffendt, ob man gestatten undt zugeben solte,
daß die fürstliche excluso collegio electorali mit den stättischen re- und
correferiren undt darauf ein absonderliches guetachten verfasßen undt ein-
lieffern mögten, da könten sie nit recht abnehmmen, wie solches aigentlich
zu verstehen, obs conditionate, undt zwar dahien gemeint, daß wan man
vielleicht ahn beeden orthen nicht einer meinung sich vergleichen würde
können, daß alsdan conclusa separata ubergeben oder obs denn verstandt
habe, daß künfftig allezeit particularconclusa solten eingelieffert werden.
Solte es nun nicht conditionate gemeint sein, sondern es diese letztgemelte
intention haben, wehre solches eine newerung, und könte man sich, zumah-
len man in forma einer reichsversamblung beysammen, darzu keineswegs
verstehen. Es würde dieses nichts anders alß eine schädliche separation
veruhrsachen; hofften, es werden die herrn Osnabrugkische sich eines andern
und besßern weisen lasßen.
Gleichergestalt seye ad 3 um nit herkommen, die absonderliche vota den
bedencken einzurücken; dieses werde den frieden mehr hindern alß befür-
dern. Die Kayserliche würden darüber perplex werden undt nit wisßen,
waß sie sie aigentlich resolviren solten.
Kurköln . Seye nit ohne, wie Trier errinnert, daß anfänglich im churfürst-
lichen collegio dahien geziehelet worden, daß man der cronen replicas von
puncten zu puncten vornehmmen undt nach eines yeden erörterung zur
re- undt correlation schreitten solte, wovon man dann wieder abgerückt ist.
Nun wehre wohl befrembdt zu vernehmmen, daß man iner sach die con-
clusa so offt verendern thete. Kurmainz möge dem Fürstenrat in Osnabrück
aber mitteilen, daß man in diesem Punkt indifferent ist und zustimmen kann, falls
die Kronen nicht neue Änderungsvorschläge machen.
Ad 2 um die re- undt correlation betreffendt, verstünden sich solche, condi-
tionate gemeint zu sein. Da aber ihe solche indifferenter verstanden werden
solte, werde solche sehr schädlich undt ihnen Osnabrugkischen zuzu-
sprechen sein, daß man nit verhoffen wolte, daß ahnstatt der vereinigung
sie zur separation uhrsach geben würden undt wollen, wie sie dann bey
der admission Magdenburg die vertröstung gethan, mit und neben den
catholischen die deliberationes ahnzutretten.
Ad 3 um ob yedes particularvotum dem bedencken einzurücken, seye gantz
wieder daß herkommen; solten yedoch bey der re- und correlation discre-
pante meinung sich befinden,
dieselbe remediiren können; dann so eines yeden meinung specialiter einge-
rückt werden solte, würde einiger consultation noch conclusi oder bedenk-
kens nit nötig sein.
Kurbayern . Hetten die quaestiones verstanden, wüsten sich zu errindern,
was wegen der re- und correlationen vorgangen. Vergleichen sich wegen des
neuen Beratungsmodus mit Kurtrier und Kurköln.
Ad 2 um daß die Osnabrugkische under sich re- undt correferiren, den chur-
fürstenrath aber praeteriren wolten, hetten sie solches dahien eingenohmmen,
daß es conditionate verstanden werde; hielte, diese quaestion werde von sich
selbst fallen. Yedoch da es indifferenter verstanden werden solte, sey solches
nit zuzugeben.
Ad 3 um ob particularia vota dem bedencken solten inserirt werden, wehre
dem stylo gantz nit gemees, es seye dann sach, daß grose discrepantien
sich ereugeten,
Bekant wehre es, daß in aller konigreichen undt parlamenten die maiora
gültig, alias würde man gar nit zusammenkommen.
Kurbrandenburg . Hetten vernohmmen, daß abermahlen der modus agendi
wolte bestritten werden.
Nun stünde nit zum besten, wan man alle tag die consilia undt conclusa
endern wolte, sintemahlen die zeit verlohren und allerhand nachdenckliche
reden dardurch causirt werden dörfften. Was dabevorn in ihrem voto ange-
führt, hetten sie für daß zuträglichste zu sein ermesßen, daß aber davon
abgetretten worden, wehre geschehen auff der cronen begehren; weilen
aber die Osnabrugkische keines angenohmmen, stünde zu bedencken, ob
daß erste oder letztere zu amplectiren.
Ihrestheils wehren auch indifferent und meinen mit Kurköln und Kurbayern,
daß man nun wieder das erste Conclusum aufgreifen soll.
Ad 2 um, da es in eventum zu verstehen, würdte es von sich selbsten fallen.
Es müsten zwar die collegia zuvorders, ehe man zur hauptcorrelation
komme, under sich correferiren. Sonsten aber werde es sich nit schicken,
re- undt correlationes a part ahnzustellen; dieses werde ihnen zu remon-
striren sein.
6–10 Bey – inseriren] Laut Kurbayern K II, spA II verweist Kurbrandenburg bezüglich
Insertion von Einzelvoten auf Regensburg 1641 und Frankfurt 1643. Dazu wird
aber ( Zusatz von J. Adolf Krebs in Kurbayern K II) von den katholischen kurfürstlichen
Gesandten gemeinsam konstatiert, daß damit ein ganz andere meinung, das wan nemb-
lich under den ständen ein grose discrepantz undt ein theil derselbigen, ahnsehens
ehr treffliche rationes allegiret, welche nicht gahr zu verwerffen, da pflegt man
bißweilen solche vota undt fundamenta auch dem guettachten ad Caesarem ein-
zueruckhen.
platz finden theten, der lauf wohl gelasßen werden; yedoch würdte ein
temperament zu gebrauchen undt seines bedünckens zuzeitten auch vor-
träglich sein, in rebus arduis besonderlich, ein- oder des andern gueten vor-
schlag particulariter ahnzunehmmen undt zu inseriren.
Kurmainz . Soviel den ersten proponirten puncten ahnlangte, vernehm-
men sie, die herrn Churtrier-, -cölln-, -bayern- undt -brandenburgische
einer meinung zu sein, daß nehmblichen denn herrn Osnabrugkischen
heimbzustellen, ob mann nach yeder abgehandleter clasß oder allererst nach
volliger deliberation der gantzen repliquen zur re- undt correlation schreit-
ten wolte.
Zweitens sollen die Re- und Correlationen dem Herkommen entsprechend statt-
finden . Drittens sind einzelne Voten den Bedenken nicht einzufügen, es soll aber
gestattet sein, für sich a parte seine meinung undt gueten vorschlag den
herrn Kayserlichen commissarien zu übergeben.
Sie selbst sind mit den Vorstimmenden der Meinung, es den Ständen in Osnabrück
zu überlassen, ob man post classes oder post absolutas totas replicas re- undt
correferiren wolte.
23–26 Ob – ahn] Laut Kurbayern K II, spA II und auch Kurtrier zA, spA
formuliert Kurmainz etwas anders: Annectirn allein dieses, wan die cronnen in erfah-
rung bringen werden, daß man abermahl von ihrem begehrn abgestanden, es nit
wol bei ihnen möchte uffgenohmmen werden oder, da sie auch derentwegen befragt,
das werckh auf ein neues in stöckhen gerathen würde.
cronen erst versicherung einholen solten, daß bey diesem concluso ver-
plieben undt solches nit aufs neue wieder geendert werden mögte, da
stünden sie umb besorgender vieler inconventien willen sehr ahn. Wollen
die Vorstimmenden nochmals dazu hören.
Pro 2º wehren sie gleichfals mit denn herrn vorstimmenden der meinung
undt hielten darvor, daß dieses der Osnabrugkischen stendt vorhaben
conditionate zu verstehen undt also von sich selbst fallen werde, wan man
nehmblichen die ordinari re- undt correlationes vornehmmen thete. Solte
es aber eine andere meinung haben, so könten sie gar nit finden, wie in
einigerley weis diesfals ihnen nachzusehen, sondern achteten eine notturfft
zu sein, dieses ihnen zu remonstriren undt hierüber besßere erleuterung zu
begehren.
3. Partikularvoten in den Bedenken widersprechen dem Herkommen. 1641 auf dem
Reichstag in Regensburg und 1644 in Frankfurt hat man bei zwiespältigen Kur-
fürsten- und Fürstenratsbeschlüssen den Kaiser entscheiden lassen; dabei kann es
auch jetzt belassen werden.
9 Umbfrag] In Kurbayern K II, spA II ( im Gegensatz zu Rp II) keine Einzelvoten;
als Gesamtmeinung der kurfürstlichen Gesandten ist dort nur festgehalten, daß die cronen
hierumb nit zu fragen, auch wohl nichts gegen den neuen Osnabrücker Vorschlag haben
werden. Kurköln zA I, spA I, Ib in der zweiten Umfrage wesentlich knapper.
Kurtrier . Ihre meinung wehre nit gewesen, den cronen hiervon commu-
nication zu thun noch deren assensum einzuholen, sondern hetten dahien
bloes undt allein geziehelet, daß man von den Osnabrugkischen stenden
vernehmmen solte, wofern sie vermeinen würden, daß es den cronen kein
verdrues geben werde, man indifferent sein könte. Hielten sonsten eine
notturfft zu sein, hieraus zuvorhero mit hiesigen fürstenrath zue com-
municiren.
Kurköln . Hette die meinung nit gehabt, der cronen einwilligung zu begeh-
ren, dann es schimpflich sein werde, wann selbige sich zu diesem begehren
nit verstehen solten. Ihre intention seye dahien gangen, daß man sich erkün-
digen solte, ob die Osnabrugkische stendt certitudinem hetten, wofern man
diesen modum correferendi amplectiren solte, daß selbige kein new impe-
diment einwerffen würden.
Kurbayern . Erläutern ihr Votum dahingehend, daß man sich nicht ausdrücklich
an die Kronen wenden soll, sondern daß die Stände in Osnabrück zu fragen sind, ob
sie der Zustimmung der Kronen zu diesem Modus sicher sein können, zumahlen
sie der persuasion, daß ermelte Osnabrugkische stendt mentem coronae
Suecicae allschon haben würden. Seye zu betawren, daß man die kostbahre
zeit in inutilibus also verzehren müsße; hielten auch nit nötig, wann dieses
begehren nit von den cronen herrühre, daß man sich lang aufhalten thue,
sondern vermeinten, daß sie werden zufrieden sein, wan man ihnen ihre
duplicas geben werde.
Kurbrandenburg . Hette kein bedencken, daß denn cronen zumahl hiervon
nichts gemeldet werdte.
Kurmainz. Liesßen sich die erleuterung der votorum gefallen. Wollen
ihren Kollegen in Osnabrück entsprechend Mitteilung machen und deren Erwiderung
hier bekanntgeben.
NB. Ist verglichen worden, obgemelte drey fragen denn fürstlichen alhier
folgenden tag auch zur consultation zu übergeben.