Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
18. Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 Februar 10
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Münster 1646 Februar 10
Kurmainz Rk FrA Fasz. 9 II nr. 8 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit
identisch Kurtrier spA p. 252–264 ); Kurköln zA I fol. 159–164’ ( damit identisch Kur-
köln spA I fol. 346’–358’, Kurköln spA Ib fol. 358–372’ und Kurköln zA Extrakt
fol. 15–15’ ); Kurbayern K II fol. 81’–95’ ( damit identisch Kurbayern spA II p. 171–197 ).
Generalamnestie: Grundsätzliche Bedeutung, Datierung, Zusammenhang mit den Gravamina.
Kriegsursachen. Reichsinterna. Rückgabe der Festung Ebrenbreitstein und des Schlosses Hammer-
stein an Kurtrier.
Ist der Vorspann der schwedischen Replik auch zu beraten? Abstimmung mit den Reichsberatun-
gen in Osnabrück.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
Kurmainz proponebat.
Der iüngst beschehenen veranlaßung nach werde anietzo von der ersten
class der Schwedischen replic, und zwar dem derselben anhangenden puncto
generalis amnistiae, zue deliberiren sein, zumahln dieienige incidentpuncta,
so in dem proemio sowohl in der Frantzösischen als Schwedischen replic
gesetzt, von solcher importanz nit seyen, daß man sich damit auffzuhalten,
sinthemahln dieselbe zu dem reich nit gehörig. Sonsten wehre bekand und
geben die anno 1635 zu Prag, anno 1636 zu Regenspurg, 1639 zu Nürn-
berg , 1641 zu Regenspurg und iüngst zu Franckfurth verhandlete acta mit
mehrem zu erkennen
Siehe oben S. [ 441 Anm. 1 ] , außerdem Hauck S. 48–57, 68f.
worden, wie doch nechst aufhebung des eingerißenen höchstschädlichen
mißtrawens zwischen haubt und gliedern und dießer under sich selbsten
wiederumb einige bestendige vereinigung und rechtschaffene zusammen-
setzung erlangt, consequenter dardurch die reichsberuhigung umb soviel
ehender befürdert werden möge, welchergestalt man auch zue erlangung
dießes zwecks yedesmahls die generalamnistia vor daß eintzige mittel
gehalten, darüber a parte chur-, fürsten und ständ viele verschiedene con-
clusa gefast und Ihrer Kayßerlichen Mayestät durch guetachten uberpracht,
endlich gar anno 1641 zu Regenspurg dießelbe geschloßen und crafft des
reichsabschieds ins reich publicirt worden. Ob man nun wohl verhofft, es
würde bey dießem zwischen Ihrer Kayßerlichen Mayestät und den ständen
gemachten schlueß sein bestendiges verpleiben haben, nachdemahln aber
auß den replicis sonderlich der Schwedischen abzunehmmen, daß weder
die cronen noch auch etlich auß den reichsständen selbsten dafurhalten
wollen, daß solche zu erlangung der innerlichen rhue nit zulenglich, sondern
selbe ad annum 1618 gesteh werden müste, so werde zu deliberiren sein:
1º ob von demienigen, waß anno 1641 zu Regenspurg der amnisti, einvol-
gentlich der geist- und weltlichen güter halber auffgericht, geschloßen und
vermittelst des reichsabschieds ins reich publicirt worden, 1º ohne verlet-
zung der reichsconstitutionen, 2º der Kayßerlichen reputation und des hey-
ligen reichs hochheit, 3º ohne besorgende hochstschädliche consequenz
abgesetzt werden konne oder solle,
stiedict per expressum eingeruckt worden, daß deme allem, waß verglichen,
trew und auffrichtig nachgesetzt werden solle, es falle auch das wandelbahre
glück der waffen, wie es wolle, 2º, wann nun hierüber ein gewiße resolution
verfast werde, waß alsdann ahn Ihre Kayßerliche Mayestät durch guet-
achten zu pringen. Stehen solchem nach zu der herrn gesanden belieben,
hierüber ihre beygehende gedancken zu eröffnen.
Gnedigsten Herrn ermeßens es nothwendig bey demienigen zu verpleiben,
waß in hoc puncto amnistiae bey verschiedenen reichsconventen, auffge-
richten friedenschlüßen von Kayßerlicher Mayestät und sambtlichen chur-,
fürsten und ständen, wenig außgenohmmen, verglichen und guetwillig
acceptirt worden. Und wehre außer zweivel, daß bey iüngstem reichstag
solche trifftige ursachen sowohl Kayßerlicher Mayestät alß chur-, fürsten
und ständen uber die amnisti zu gemüt gangen sein werde, welche sie bewo-
gen , verabschiedermaßen ein- und anders ins reich zu publiciren. Die cronen
setzten, daß dießer reichsabschied in keine consideration zu ziehen, weiln
der krieg nit in der darin bestimbten zeit, nemblichen von anno 1627 und
1630, sondern in anno 1618 von dem Boheimbischen weßen seinen anfang
gewonnen. Zwar rührt auch nach der Meinung des Kurfürsten von Trier der
ursprung des Teutschen kriegs von selbigem her, es hetten aber die cronnen
sich deßen, waß vorgangen, nit angenohmmen noch anzunehmmen, auß
ursachen, weil sie derzeit mit dem reich in unguetem nichts zu thun gehabt,
also der zeit halben nit interessirt. Daß interesse der ständ belanget, weiln
chur-, fürsten und ständ sich mit Ihrer Kayßerlichen Mayestät verglichen
und dießfals der termin auff anno 1627 in ecclesiasticis und 1630 in politicis
gesetzt, so sehen sie nit, warumb chur-, fürsten und ständ von demienigen,
so geschloßen, absetzen und ein newes tractiren solten. Sie hetten in den
replicis ersehen, daß die cronen nit allein daß, so der zeit halben verglichen
worden, sondern auch, waß res iudicatae und transactae und sonsten von
voriger Kayßerlichen Mayestät rechtmeßigerweiß gehandlet, geurtheilt
und geschloßen worden wehre, uber ein hauffen geworffen haben wolten,
welches dann ohne despect und verletzung Ihrer Kayßerlichen Mayestät
hochheit nit geschehen könde. Sie sehen auch nit, waß dardurch vor ein
fried erhoben werden mögte, dann nit allein uff eines theils restitution,
sondern vielmehr dieienige, so ihr land und leuth durch res transactas et iudi-
catas erhalten, zu sehen. Solte solches cassirt werden, würde der eine theil
belaidiget, solchem nach zur verbitterung verursacht und also der cronen
begehren nit erhalten. Es wehre dergleichen amnistia bey keinen handlungen
auch beim Passawischen vertrag nit vorkommen, sondern Ihrer Kayßer-
lichen Mayestät res iudicatas, proscriptiones und verträg dabey vorbehalten
und nichtdestoweniger die ständ in guetem vertrawen plieben. Hielten
also dafür, es beim termino a quo, wie solcher zue Regenspurg anno 1641
verglichen, zu laßen, yedoch mit vorbehalt, wan ein oder ander stand ratione
der außzüg und sonsten sich darwider beschwehrt zu sein vermeinen würde,
daß alsdann ihme freystehen solle, solches
den ständen anzupringen, des versehens, gleichwie Kayßerliche Mayestät
daß vertrawen under den ständen wiederauffzurichten sich yederzeit hoch
angelegen sein laßen, also dieselbe auch daßienige, so zu widerwillen ursach
geben mögte, uff ein- und andern stands ansuchen abthun werden; und könde
dießergestalt daß guetachten ahn Kayßerliche Mayestät gepracht werden.
Sie wolten auch ihre vorige meinung anhero widerholen, daß solche daß
Römische reich allein concernirende materien, so in der ersten class begrif-
fen , gar nit mit den cronen abzuhandlen, daß man darüber pacisciren und
in offenen vergleich und frieden pringen solle; wie dann bekand, wann auch
schon dabevorn sich in reichssachen frembde cronen einmischen und der
ständ annehmmen wollen, solches doch niemahls gestattet worden, maßen
der Passawische vertrag mit mehrem außweißet
nechst ihres dafurhaltens quoad negotia imperii zu beobachten.
1–9 Haben – mögen] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA: Kurfürst von Trier hat
wegen Ehrenbreithstein schon an den Kurfürsten von Köln, an die spanischen Gesandten
wegen Hammerstein die restitution viellfältigh geschrieben. Kurtrier verweist darauf,
waß Hammerstein vor ungelegenheit ahm Rheinstromb bevorab mit erhebung deß
doppelten zohlß causirt undt noch anyetzo nach der Besetzung des Orts durch Truppen
des Herzogs von Lothringen viellmehr causiren werde. Dies ist für das Erzstift besonders
unerträglich, weil im Reichsabschied von 1641 die Entsetzung dieses Postens vorgesehen wor-
den ist, undt zwar alsobalt undt unerwartet deß generalfriedens .
die Restitution von Ehrenbreitstein
Festung und Residenz gegenüber der Moselmündung in Koblenz, seit 1018 trierisch ( Hand-
buch 5 S. 86f., Dehio-Gall II S. 348f., Tillmann I S. 191). Nachdem der Kurfürst von
Trier sich am 23. Dezember 1631 in französischen Schutz begeben hatte, wurde die Festung ver-
traglich Frankreich überliefert und Anfang Juni 1632 von französischen Truppen besetzt, aber
am 27. Juni 1636 nach langer Belagerung von dem ksl. Reitergeneral Jan van Werth wieder-
erobert und zunächst dem Kurfürsten von Köln vorläufig übergeben; erst im Friedensvertrag von
1648 wurde die Rückgabe der Festung in gemeinsame Verfügung des Kf. Philipp Christoph und
des Trierer Domkapitels vorgesehen ( Knipschaar S. 44f., 56, H. Weber , Frankreich
S. 197ff., Heydendorff I S. 92, 95, 121, Stramberg 2, 1 S. 211ff., 224–232, 364ff.,
386f.).
Festung südöstlich von Linz am Mittelrhein, gegründet im 10. Jahrhundert ( Handbuch 5
S. 127, Dehio-Gall II S. 329, Tillmann I S. 353). Die Festung, seit 1419 vollständig in
kurtrierischem Besitz, wurde 1632 von den Spaniern, danach von den Franzosen, 1637 von den
ksl. Truppen eingenommen; von 1646 bis 1654 war sie von lothringischen Kontingenten besetzt,
die Rheinzoll erhoben und jährlich 20 000 Reichstaler eingenommen haben sollen ( Knipschaar
S. 47, Stramberg 3, 7 S. 74–85 ausführlich über die Kriegsschicksale der Festung zwischen
1645 und 1648).
mit Kayserlichen und Spanischen völcker besetzt. Bei Entlassung des Kur-
fürsten hat zwar der Kaiser in einer gewißen capitulation sich die disposition
über diese Plätze vorbehalten
Vgl. Meiern I S. 392, Baur II S. 64f.
beschwert und seinem churfürstlichen stand disreputirlich, die guarnisonen
aus seinen Mitteln zu erhalten und dennoch darüber nicht verfügen zu dürfen; und
würden dardurch frembde völcker ursach nehmmen, uff solche orth etwas
feindliches zu tentiren und zu sehen, wie sie dieselbe bekommen mögen.
Ließen dießem nach höchstgedachte Ihre Churfürstliche Gnaden die herrn
gesanden ersuchen, bey vornehmmung des puncti restituendorum auch
der restitution Ehrenbreitstein und Hammerstein
den guetachten ahn Ihre Kayßerliche Mayestät zu gedencken und dieselbe
allerunderthenigst zu ersuchen, Seiner Churfürstlichen Gnaden ob morae
periculum, ehe sich andere frembde völker deren bemächtigten mögten,
zu besagten beyden posten, und zwar vor beschließung des friedens, wider
kommen zu laßen; solches wehren dieselbe hinwider zu verschulden und
zu erkennen erpietig.
Wann sich schließlichen die herrn gesanden wegen anderer in der Schwe-
dischen replic in specie vermelder ständ alß Pfaltz, Würtenberg, Durlach
vernehmmen laßen werden, wolten sie sich alßdann auch gern erclären.
laßen, daß eine realis, actualis et nullis conditionibus restricta amnistia
zu werck gerichtet werde, wann anders dahingegen Ihrer Kayßerlichen
Mayestät und denienigen, so ihro assistirt, daßienige, so ihnen allerseits
durch die waffen entzogen worden, auch wiederumb restituirt würde, dann
iha unpillig, wann man einer seit alles nachgeben, anderntheils aber alles
behauptet werden wolte. Und erscheine, daß man alles behalten oder eine
erstattung der kriegscösten haben wolle; Ihre Kayßerliche Mayestät werden
bey solcher amnistia kein bedencken haben, weiln selbe albereit iüngst zu
Regenspurg geschloßen und publicirt worden. Und ob man zwar derselben
derzeit noch eine suspension angehenckt, so wüste man doch, daß solche
cassirt und also die amnistia ihre völlige crafft erhalten. Alle difficultät
beruhe in dem termino a quo, indeme die frembde cronen solchen uff
anno 1618 zurückzuziehen gemeint, zu Regenspurg aber geschloßen wor-
den , daß alles wider in den stand, wie es anno 1630 in politicis und anno
1627 den 12. Novembris in ecclesiasticis geweßen, gesetzt werden solle.
Und wüsten sie von dießem termino nit abzustehen, 1º weil die frembde
cronen weiter keine amnisti begehren können, alß man mit ihnen im krieg
geweßen, sondern werden sich mit dem befriedigen müßen, wann intuitu
ipsorum wegen geführter waffen niemand etwas leiden solle.
So wehre 2º zwischen Kayßerlicher Mayestät und den ständen zue Regens-
purg der schlueß albereit gemacht worden, darinnen dann die frembde
cronen sich nit einzumischen, gleichwie sie solches auch ungern von Kayßer-
licher Mayestät und dem reich erwarten werden. 3º wehre der amnisti ein-
verleibt , dabey zu verpleiben, unangesehen, wohin auch daß wandelbahre
glück der waffen außschlagen mögte; so wehre unpillig, daß Kayßerliche
Mayestät sich verbinden solten, anderntheils man aber offene hand behalten
wolte.
So wehre auch 4º zu Muhlhaußen alles ratificirt
selbiger zeit gehandlet
tirlich , davon abzufallen und die amnistia weiter hinaußzuziehen.
5º. Wann alles, auch waß iudicialiter cum causae cognitione abgeurtheilt
und sonsten verglichen worden, wiederumb umbgestoßen und andern ihr
ius benohmmen werden solte, werde darauß große verbitterung ent-
springen .
6º. Deß großen schimpfs zu geschweigen, so der nechst verstorbenen Kay-
ßerlichen Mayestät glorwürdigisten andenckens zuwachßen würde, wann
alles indifferenter, so bey ihrer regierung vorgangen, abgeurtheilt und ver-
handlet worden, auff einmahl auffgehoben werden solte.
7º werde große confusiones und verbitterung hierdurch erweckt, dann ein
yeder zu behaubtung seiner ungerechten sach dießer amnisti sich bedienen
werden wolle. Und ob man wohl sagen mögte,
die erleutherung bedürfften und, wann dießes nit geschehe, man von newem
in krieg kommen werde, so wehre doch unnöthig, eben darumb a priora
regula zu weichen, sondern werden solche wohl separatim abgehandlet
werden können; wie dann allen ständen unbenohmmen ist, ihre gravamina
vorzupringen, wie sie sich dann wohl zu erinnern wüsten, daß iüngst zu
Wien die Pfaltzische sach mit allerseits interessenten belieben suspendirt
und zu fernerer güetlichen composition außgestelt worden
wohl zu gelegener zeit neben andern ahn hand genohmmen werden
könde.
8º. Werden viel sachen sein, darüber ein oder der ander sich beschwehren
mögte und under die gravamina gehörig und da erörtert werden können;
und wann die sachen von der regul außgenohmmen werden, so seye die
quaestio de nomine.
9º. Wann man alles, waß vorgangen, solte cassiren, so werde anderst nichts
alß nur inconvenientien darauß entspringen. Hielten also, es bey der regul
anno 1630 und 1627 zu laßen, waß particularia seyen, so der herrn gesanden
meinung nach künfftig wider zu einem newen krieg außschlagen mögten,
separatim anzuhören und zue tractiren. Wann nun die ständ einer meinung
und dießes ahn die frembde cronen gepracht werde, wehre nit zu zweiveln,
sie dabey acquiesciren und lenger den frieden nit aufzuhalten begehren
werden.
Waß die herrn Churtryrische wegen restitution Ehrnbreitstein und Ham-
merstein erwehnet, da erinnerten sich, waß dießfals bey iüngsten reichs-
conventen in favorem des ertzstiffts Tryr ahn Ihre Kayßerliche Maye-
stät sowohl alß die cron Spanien gepracht worden
Trotz gewisser Bedenken der Mitkurfürsten war Kurtrier 1636/37 bei der Wahl Ks. Ferdinands
III. klar übergangen worden ( Haan S. 31f., 103–105, Theatr. Europ. V S. 723); gegen
den Willen des Kaisers nahm sich indes der Kurfürstenrat 1641 der Sache Kurtriers an, für das
vor allem Kurbrandenburg eintrat, um einen Bundesgenossen für die pfälzisch-bayerischen Aus-
gleichsverhandlungen zu gewinnen ( Bierther S. 217f.).
Churfürstlichen Gnaden gern die restitution gönnen und zu solchem end
mit der gesuchten intercession willfahren.
fürstliche Durchlaucht hetten zwar uff anlangung und begehren der kriegs-
generaln die vestung Ernbreitstein in deposito gehabt , mit dem erpieten,
sopald Ihre Churfürstliche Gnaden zu Tryr wiederumb zu dero landen
kommen werden, dieselbe wiederumb abzutretten, welches sie auch zu
werck gesetzt haben wolten. Weiln aber Ihre Churfürstliche Gnaden mit
Kayßerlicher Mayestät uff gewiße maß sich dießfals verglichen und aller-
höchstgedachte Kayßerliche Mayestät solchen vergleich deroselben zu
ihrer nachricht zugeschickt, so hette ihro auch in alle weg gepürt, demselben
sich gehorsambst zu bequemen; und wehre darauff der guarnison ein newes
iurament, darunder yedoch Seine Churfürstliche Durchlaucht abermahls
begrieffen geweßen, aufferlegt worden. Nachdemahln sie aber besorgt,
es mögte ihro ahn einen und andern orth offension gebehren, so hetten sie
die besatzung ihres iuraments völlig erlaßen,
interessirt. Gleichwohl werde ihro nit zuwider sein, Kayßerliche Mayestät
zu ersuchen, den accord zu
vestung wider zu restituiren, wie mann dann anderst nit dafürhielte, wann
dieße amnisti und der frieden geschloßen, einem yeden chur-, fürsten und
stand daß seinige auch wider restituirt werden müße.
Kurbayern . Befinden, daß nach gehaltenen schwehren kriegen kein ander
beßer expedient, alles wider in vorigen stand zu stellen, zu ergreiffen als
daß remedium amnistiae; wehre auch in allen vorigen schwehren kriegen
dießes mittel yederzeit emploirt worden. Nunmehr versirte man in quae-
stione termini, sie erinnerten sich, mit waß sorgfältigkeid daß churfürstliche
collegium anno 1639 hierin gehandlet und welchergestalt darauff hernacher
zu Regenspurg cum sufficientissima causae cognitione der schlueß ein-
hellig mit chur-, fürsten und ständ beyder religion belieben dahin formirt,
auch ins reich publicirt worden, daß alles wider in den stand, wie es anno
1627 in ecclesiasticis und anno 1630 in politicis geweßen, wider gestelt
werden solle, wobey dann die ständ crafft des amnistiedicts einander ver-
sprochen , trotz Wandel des Kriegsglücks in perpetuum bey dießen handlungen
zu verpleiben. Halten dahero pro decoro, dabey zu bestehen, dann Ihrer
Kayßerlichen Mayestät und dem reich schimpflich, daß daßienige, so heut
geschloßen, den volgenden tag wider cassirt werden solte. Sie sehen keine
consideration, warumb res iudicatae et transactae solten auff einmahl
auffgehebt werden, welche nun von 28 jahren hero cum tanta causae cog-
nitione , da viele schrifften darüber gewechßelt, alles wohl deliberirt und
erwogen worden wehre, abgeurtheilt und mit Kayßerlicher Mayestät
approbation verglichen worden;
effectu hierdurch sublata iustitia auß dem Römischen reich ein mördergruben
gemacht und das faustrecht wider in schwang kommen. Die amnistia müste
nit einseitig, sondern reciproca sein, dann wie ein theil, also auch der ander
nit ruhen, sondern sich ahn andere frembde cronen hencken und krieg
führen werde, bis sie daß ihrige wider haben, wordurch dann der scopus
pacis nit erreicht werde. Wann alles, so die nechst abgelebte Römisch
Kayßerliche Mayestät Ferdinandus 2 us also pillig disponirt, determiniren
und ihr Kayßerliches ambt interponiren laßen, wider uber hauffen gestoßen
werden solte, werde es daß ansehen gewinnen, daß nichts, waß geschloßen,
gehalten werden könde […].
Es opponirten die frembde cronen, es wehren underschiedliche ständ mit
dem termino nit zufrieden. Sie stelten es dahin, fals ein oder ander stand
vermeint, rechtmeßige ursach zu haben, sich zu beschweren, daß er solches
vorpringe; werden ihnen alßdann Kayßerliche Mayestät und die ständ
anhören und pilligen dingen nach verhelffen.
Die von Tryr begehrte restitution Ernbreitstein und Hammerstein belanget,
weiln dießes facti alieni, hetten sie davon keine information, zweivelten nit,
es werden Kayßerliche Mayestät die gedancken nit haben, Ihrer Churfürst-
lichen Gnaden daß geringste zu entziehen, sondern die vollkommene resti-
tution widerfahren zu laßen; und wann, wie zu hoffen, fried geschloßen
werden solte, werde ihro auch satisfaction beschehen. Wollen dem Kur-
fürsten davon berichten und sich darüber bevelchs erholen.
1 Kurbrandenburg ] Gleich eingangs macht der Votant laut Kurtrier zA, spA,
Kurköln zA I, spA I, Ib, Kurbayern K II, spA II geltend, seines Erachtens würde
diese materi heuth nicht vorkommen, sonderen dem concluso gemeß von puncten
zu puncten gangen undt die einschlagende zusamengesetzt werden, so nicht be-
schehen .
proemiis enthalten, welche loco fundamenti müsten vorgenohmmen werden,
und dahero sich allein uf dieselbe gefast gemacht, allermaßen sie dann auch
vermeinten, es uf die weiß zu Oßnabrück geschehen werde; und hielten sie
dafür, daß nichts zu praeteriren.
denburg hielten sich anietzo weit von hier auff, dahero, bis sie uber ein-
und andern puncten resolution erlangen könden, große zeit verlohren
ginge; wolten sich also daßienige, so dieselbe uff erstattete relation uber
eines und anders erinnern mögten, vorbehalten haben. Weiln sie auch hier-
nechst in ihren votis ichtwas erinnern mögten, so zu verdruß oder offension
ursach geben mögte, so wolten sie sich dabey bedingt haben, daß solches
anderst nit, alß wie sie es zu befürderung des allgemeinen weßens besten
zu sein befinden, gemeint, zweivelten auch nit, die herrn gesanden eben auch
der meinung sein werden.
Weiln auch die frembde cronen, absonderlich die cron Franckreich, in dem
proemio ihrer replic sich reservirt, mehrere erleuterung zu thun, so ver-
meinten , daß beste zu sein, wan solches geschehe, damit nit etwan hiernechst,
wann man mit der deliberation fertig, alßdann mehrere ansam zum scrupu-
liren gesucht werden mögte. Hetten also bedencken, ehe solches geschehe,
sich heraußzulaßen.
Sonsten wehre ihnen nit zuwider, und könden wohl geschehen laßen, daß
uff der herrn Churtryrischen gesanden ietzt beschehenes ansuchen die resti-
tution Ernbreitstein und Hammerstein in optima forma Kayßerlicher Maye-
stät recommendirt werde, wie sie dann eben auch bevelch hetten, die herrn
gesanden umb interposition zu ersuchen, damit die in der graffschafft Marck
annoch mit Kayßerlicher guarnison besetzte orth, Hamb etc.
Im Vergleich vom 29. Oktober 1644 hatte die Landgräfin von Hessen-Kassel dem Kurfürsten von
Brandenburg den Auszug der hessischen Besatzungen im Klevischen nur unter der Bedingung in
Aussicht gestellt, daß er seinerseits die ksl. Truppen zur Räumung Hamms bewege ( Moerner
S. 135). Vgl. Förster , Koch II S. 80f.
befreyhet werden mögten.
Kurmainz . Hetten verstanden, wohin die herrn vorstimmende sich ver-
nehmmen laßen.
gestalten man iüngsthin veranlast, anietzo von der ersten class, und zwar
in specie dem puncto amnistiae, zu deliberiren. Hetten auch sich versehen,
es würden demezuvolg die herrn Churbrandenburgische sich gefast gemacht
haben. Weiln sie sich gleichwohln entschuldigen und dafürhalten wollen,
erst die proemia vorzunehmmen, so wolten der herrn gesanden meinung
hierüber vernehmmen; sie befinden solche von schlechter importanz, und
werden sich ihres dafürhaltens hiernechst schon finden
6 laßen] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA: Osnabrugenses haben auch darvorgehalten,
daß der erst punct, wie der kriegh eingeführt, außzulaßen, ebenfalls der zweite wegen
der cron Spanien, 3ter, Schönbeckischen proiects
Vgl. Meiern II S. 185 . Die 16 Punkte des Schönebecker Projekts vom 28. September 1635
wurden zwischen dem schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna und dem Kurfürsten von
Sachsen nach dem Prager Frieden ausgehandelt; Schweden hatte Entschädigung in Geld, Bezah-
lung seiner Armee, Bestätigung von Bündnissen mit den evangelischen Ständen, Amnestie für
Anhänger und Bundesgenossen verlangt, mit dem kursächsischen Angebot von 2½ Millionen fl.
war es nicht einverstanden gewesen. Vgl. Odhner S. 25ff., Dürbeck S. 71ff., Fürnkranz
S. 58–67, Wandruszka , Reichspatriotismus S. 93ff., Jaeckel V S. 68, 70f., Breucker
S. 20f., Koch II S. 13.
werden, unangesehen es alß uncomplet unverbundlich; von Lothringen undt Por-
tugal solle nichst geredt werden, weillen diese puncten daß reich nicht concerniren,
so hatt mans billigh auff seith gesetzt. Sie konnen ihr votum nicht eröffnen, biß
alle vorgehende abgelegt; Osnabrügenses seindt mit einer classe fertigh.
Hinsichtlich der Restitution von Ehrenbreitstein und Hammerstein hetten von den
zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von Trier vereinbarten capitulationes
vernohmmen. Ihre Churfürstliche Gnaden zu Maintz […] werden Chur-
tryr gern gönnen, waß derselben von rechts wegen gepürt. Weiln sie aber
derentwegen nit instruirt, so wolten sie sich auch inmittels, bis die herrn
Churbayerische bevelch erlangt, bescheids erholen und hiernechst darüber
wie auch die Churbrandenburgische erinnerungen vernehmen laßen.
churfürstlichen gesanden zusprechen erclärt, bey nechstvolgender session
in puncto amnistiae ihr votum abzulegen.