Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Am Vortag geht Wartenberg ein Schreiben der kurmainzischen Gesandten in
Osnabrück zu, das er Kurbayern und Kurbrandenburg mit dem begehren com-
municirt, ob man morgen vormittag umb 8 darüber zusahmenkommen
mögtte, welches also placidirt.
Vormittags umb halb neun erscheinen Kurbayern und Kurbrandenburg in Warten-
bergs Quartier, alda die session gehaltten, wie negstmahlen und hievohrn
gemeldet ist; darauff Ihre Hochfürstliche Gnaden die proposition durch
den cantzlarn Buschman folgendergestaldt thuen laßen. Äuß gestern einge-
schicktten Churmaintzischen schreyben würden die herrn churfürstlichen
abgesandten ersehen haben, waß für fragen von denselben vorgesteldt,
alß 1º durch wehn daß Lengrische collegialconclusum ahn die zue Oßna-
purg ad consultationes mitt zuzulaßen, 3º ob und durch wehme dieß
Lengrische conclusum den Schwedischen gesandten zue communi-
ciren, 4º wie und auff waß weiße die fürstliche abgesandte zue disponiren,
daß praedicatum „Excellentz“ vor die churfürstlichen haubtgesandten
lenger nicht zu sperren, damitt dadurch den conferentiis unnd consulta-
tionibus keine hinderung gemacht, 5º unnd dan, wie der punctus transla-
tionis tractatuum ad unum locum ahn die crohnen zu bringen. Unnd weyln
nun bemelte Churmaintzische auff solche fraghen resolution begehrt, so
hetten Ihre Hochfürstliche Gnaden nebenst den übrigen Churcolnischen
abgesandten nöthig ermeßen, daß schreyben zue communiciren unnd dieße
zusahmenkunfft zu begehren. Dankt den Gesandten, daß sie sich also guet-
willig eingestellet. Bemerkt zum letztern puncto, daß die herrn Churmaint-
zische gleichsamb pro praesupposito hielten, de translatione tractatuum bey
den Franzosen und Schweden anfragens zu thuen, da man sich doch Chur-
colnischentheilß nicht erinnere, daß deßwegen zue besagtem Lengerich
einig conclusum gemacht, sondern viellmehr, daß solches beyseythen zu
setzen fur guett gehaltten, weyln man anderst nicht vorsehen können, alß
daß es den tractaten große hinderung unnd noch dabenebenst den außwehr-
ttigen die impression von dießer seythen machen werde, alß wan man dar-
durch mitt fleiß auffzügh und verlengerung suchen thette; woltten aber
über ein- und anders der herrn churfürstlichen abgesandten vernünfftige
gedancken gehrn vernehmmen.
Kurbayern . Nach beschehener dancksagh für die communication und sorg-
faltt erclehrten sich bey der ersten fragh,
billich vom Churmaintzischen directorio geschehen solle, immaßen dan
auch demselbigen solches propriissime gebühre, unnd hetten gehoffet, es
würde die intimation schon lengst vorgangen und die dispositio zur vort-
stellung der tractaten dermahln in etwas gemacht worden sein, und ver-
meinten, daß mans ihnnen nochmahln ahn die hand zu geben.
Ad 2. erinnerten sich, daß beim reichßthag anno 1641 die stadt Straespurg
bey den consultationibus nicht admittirt
urgirt, weylen sie sich zue dem Prager frieden umb deßwillen pure nicht
erclehrt, daß sie eine frontirstadt und sich in dehnnen terminis haltten
müesten, damitt dadurch die benachbarte crohn Franckreich nicht mögtte
offendirt werden. Sie hieltten, daß man Ihrer Maiestät daß guettbefundene
bedencken und dan dabenebenst auch dießen casum allerunderthenigst
zue referiren und entzwischen den Straeßburgischen abgeordneten
Obwohl ursprünglich eine größere Gesandtschaft seitens der Stadt erwogen worden war, sandte
Straßburg nur den Advokaten Dr. Markus Otto (1600–1674) (über ihn ADB 25 S. 787–789 ,
Walther S. 94) ab; ihm waren der Kanzleisekretär Ernst Heuß und zwei Schreiber beigegeben.
Otto war seit Ende März 1645 auf dem Kongreß anwesend, ihm hatten auch die Städte Speyer,
Landau und Weißenburg ihr Mandat angetragen ( Katterfeld S. 6–8).
geduldt anzuweißen hette.
Ad 3. vermainten, weyln die herrn Churmaintz- und -brandenburgische
mitt der interimsinterposition sich guetwillig beladen laßen, daß auch durch
selbige die anzeigh der chron Schweden legatis zu geschehen.
Ad 4. hetten die herrn Kayserliche, wie sie vernehmen, deßwegen alberait
bey den fürstlichen nöthige erinnerung gethan und die sach auff communi-
cation mitt den hie anwehsenden außgestellet; so hette mans zu gewahrtten,
dah es aber nicht verfangen soltte, alßdan dem Lengrischen concluso ge-
meß per secundarios die communication zu thuen.
Ad 5. wüsten sich ihrestheilß auch nicht zu erinneren, daß davon iüngstens
formaliter proponirt, weniger concludirt; unnd obwoll zue wünschen
gestanden, daß anfangs die verleggung der tractaten ahn ein ohrt geschehen
konne, wie es aber biß dato nicht zu erlangen gewest, werde sichs anitzo
(weylen woll eines halben iahrs zeitt darzue erfördert wurde) nicht woll
practiziren laßen, dah man underdeßen zu verhoffen hette, daß der fried
woh nicht gahr geschloßen, doch ein gueter anfangh damitt gemacht wor-
den sein, also daß sie für beßer erachteten, mitt dießer frag zuerugkzu-
dieße weiß nicht vortzukommen, möchte man pro re nata sehen, wie alßdan
davon füeglich auff die bahn zu bringen. Woltte sonsten ihres ermeßens die
noth erforderen, die herrn Churmaintzische zue maturirung ihrer anhero-
kunfft in dießem schreiben nochmahlen instendig zu erinneren.
munication und gethane proposition […] befinden das erste eine alberaits
zue Lengrich geschloßene sach, das nemblich durch die herrn Churmaintz-
und -brandenburgische zugleich die intimation den fürstlichen zu thuen,
wobey sei es nochmahln allerdings bewenden ließen.
Beym 2. scheine die fragh nicht allein wegen Straeßpurgh, sondern auch
wegen Heßen Caßel und Magdeburch zue sein; Straeßburgh belangent,
sehen sie nicht, wie selbige von den consultationibus außzuschließen,
12–13 ratione – vernehmmen] Ausführlicher DKurbayern K II, spA II: Straßburg
kann nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil es den Prager Frieden nicht angenommen hat,
dan sonsten deren noch mehr außzuschliessen wehren; zudeme vermeine Hessen
Cassel zu den reichsconsultationen admittirt zu werden, weillen alle status sollen
zuegelaßen werden.
nehmmen.
Quoad 3. reportiren daß Churbayerische votum und laßens ebenmeßig
bey dem zue Lengrich gemachten concluso.
Ad 4. erinneren sie sich, daß die herrn Kayserliche sich erbotten, den fürst-
lichen ratione praedicati „Excellentz“ zuzusprechen; hetten auch vernohm-
men, daß damitt beraits der anfangh gemacht unnd es ad deliberandum
genohmmen, so werde man deßen also zu gewahrtten haben.
Ad 5. ist ihnnen gleichfalß frembd vorkommen, daß bey den herrn Chur-
maintzischen pro praesupposito gehaltten wirdt, so doch in schluß nicht
kommen; befinden auch die Churbayerische rationes praegnant, daß mit
deßen anbringung zurugkzuhaltten, unnd bey den tractaten den sachen
alßdan weyther nachdencken kontte.
colnischen deputirten einen abtritt genohmmen und nach vorgangener
underredung die vota recapitulirt und bey der ersten frag, daß nemblich
die andeuthung des schlußes per Maintz und Brandenburg den fürstlichen
zu thuen, sich conformirt.
Waß den 2. punct anbelangt, hielten den kürtzern wegh, daß wolgemelt
Churmeintz- und -brandenburgische nicht alle samentlich, sondern allein
zwey, alß einen von der geistlichen und einen von der weldtlichen banck
zue sich zu berueffen, dehnselben daß conclusum zu eröffnen und zu begeh-
ren hetten, solches den übrigen stendten zue intimiren. Die stadt Straßburg
anbelangent, hette anno 1641 auß dehn von den Churbayerischen ange-
führten ursachen auff die session selbst nicht fast gedrungen.
wegen Hessen Cassel und Magdeburch in die proposition nichts kommen,
seye, daß solches in quaestion nicht, sondern allein, ob Straeßburg gleich
Hessen und Magdeburch bey der session zue praeteriren, seye es auch, waß
Hessen betreffend, eine sach, die in sich clahr, daß man nemblich einem,
welcher die wapffen gegen Ihre Maiestät unnd das reich führen, auch mitt
dem gegentheyll in consilio und sonsten heben und leggen thuet, ad sessio-
nem et conclusa nicht werde admittiren wollen oder können; gleichdan
auch bey negstgemeltem reichßthag zue Regenspurg eben diese motivva
dem hauß Caßel im wegh gestanden
Obwohl sie gegen den Kaiser im Felde standen, wurden auf Drängen der Reichsstände Hessen-
Kassel und Braunschweig-Lüneburg im Oktober 1640 zum Regensburger Reichstag zugelassen –
allerdings nur zwecks Rechtfertigung ihrer Bündnispolitik und Beratung ihrer Forderung, mit
Sitz und Stimme am Reichstag teilzunehmen ( Bierther S. 135ff., 144f.).
die observantz im reich
Als protestantischer Stiftsinhaber war der Magdeburger Administrator Joachim Friedrich von
Brandenburg aufgrund des Geistlichen Vorbehalts von Sitz und Stimme auf Reichstagen aus-
geschlossen worden. Magdeburg hielt aber seine Ansprüche auf Session bei den Reichsversamm-
lungen von 1582, 1588, 1594, 1608 und 1613 aufrecht. Vgl. Ritter I S. 580ff., 640, Wid-
mann S. 113f., Haas S. 10, engagiert Droysen S. 392–395, allgemein zur Postulation pro-
testantischer Bischöfe durch die Domkapitel Roberg S. 31–33.
den köntte.
Beim 3. hette es billich auch sein verbleiben bey dem, waß zu Lengerich
rathsamb unnd guett befunden.
Ratione praedicati „Excellentz“ pro 4º betreffend, ist man zue Lengerich
der meinung gewehßen, daß wan die herrn Kayserliche den fürstlichen re-
praesentirt, daß sie daßjenige, waß ihrestheilß auß befelch Ihrer Maiestät
würcklich geschehen, nicht zue weigeren hetten und daß es ihnen Kayser-
lichen anderenfalß verkleinerlich, auch dergleichen demonstration von
den churfürstlichen derjenigen fürsten gesandten, welche mitt den chur-
haußern anverwandt oder sonsten mitt dehnen sie in gueter confidentz
stunden, zu thuen, es wurden sich dieselbe zue beßeren disponiren laßen
immaßen dan auch Ihre Hochfurstliche Gnaden mitt ein- und anderen deß-
wegen a part albereit gerehddet hetten unnd noch rehdden wollen.
5º. Wehre die translation der tractaten ad unum locum den sachen anfangs
sehr ersprießlich gewehßen, itzo aber wehrde es zue großer verlengerung
gereichen, also beßer, dieße fragh beyseyth zu stellen und bey dem processu
tractatuum zu sehen, ob alßdan davon zue deliberiren noch nöthig, sonder-
lich weyln das motivum, welches zue solcher translation occasio sein kön-
nen, durch das Lengrische conclusum cessirt.
Schließlichen verglichen sich auch damitt, daß die herrn Churmaintzische
zu erinneren, ihre anherokunfft lenger nicht zue differiren, damit den sachen
dermahln ein würcklicher anfangh gemacht werden köntte; unnd bleibe
diesemnegst daß vorgeschlagene medium zue der hern churfürstlichen
abgesandten nachdencken gestellet.
Kurbayern .
10–12 Ließ – voto] In DKurbayern K II, spA II zusätzlich: Magdeburg aber seye
niemahl zu einichem reichsconvent admittirt worden, zumahlen aber bekhandt, daß
bei Überlassung des Erzstifts an den jetzigen Administrator
annectirt worden, es solle der herr administrator khein sessionem oder votum bei
den reichsconventen praetendiren oder haben, wie biß dato observirt worden, son-
dern sich darmit contentiren, daß er den Obersachßischen craißtagen beiwohnen
möge; wir glauben auch nit, daß Chursachsen seinem herrn sohn permittiren werde,
den Prager frieden zu contraveniren .
sich im übrigen, in specie wegen Heßen und Magdeburch, mitt dem Chur-
cölnischen voto.
Kurbrandenburg . Wegen Straeßpurg finden sie daß von Churcöln ange-
brachtes mittell nicht undiensamb. Waß Hessen anbelangtt, hetten sich
dieselbe alberaits angeben unnd gedächten sich von den consultationibus
men dörfften, gleichdan auch mit Magdeburch zu vermuthen. Sie hettens
darumb gemeldet, daß man davon nachricht haben und inzeitten darauff
gedencken möchte; die erinnerung der Churmaintzischen anherokunfft,
wie auch, daß sie den auffsatz deß conclusi maturiren möchten, ließen sich
gleichfalß mitt gefallen.
Kurköln . Vermerckten so viell, daß die vota mitteinander einstimmeten;
werde nun ahn dehme sein, die andtwortt zu verfaßen unnd die beschehene
erinnerung dabey zu beobachten, immaßen sie sich darzue erbietig machen
thetten, auch daß concept vorhero zur applacitirung communiciren wollen.
Nach geendigter session ist in discursu vom herrn graffen von Wittgen-
stein erwehnet, daß kurtz vor seinem abrayßen zue Oßnabruck der Schwe-
dische legatus Oxenstiern etliche stundt langh bey ihnnen Churbranden-
burgischen gewehßen und sich über alle maaß ungedulttig bezeigtt, daß
man die deliberationes pacis dergestaldt langh verweyle, dabey auch mitt
vermeldet, daß wan anderst nicht zue den sachen gethan, er sich von dannen
und wenigstens auff ein zeittlangk wegkzubegeben gemeint, umb desto
mehrer man mitt vortstellung des iüngst gemachten conclusi zu eylen;
ihrestheilß seye kein mangell, gestaldt dan durch die Churbrandenbur-
gische deßwegen bey den Churmeintzischen schon zum dritten mahl anmah-
nung beschehen; warahn es haffte, daß dem schluß nicht nachgangen,
konnen sie nicht wißen. Es hetten sonsten die Schweden, alß viell sie vom
Oxenstiern vermerckt, von dem concluso albereits, ohnwißent woher,
umstendtliche nachricht gehabtt, solches auch, alß viel abzunehmmen
gewest, nicht gahr weith geworffen.