Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Nassaus Wunsch nach einer Unterredung mit den Kurfürstlichen gibt Wartenberg
an Kurbayern und Kurbrandenburg weiter, welche sich zum erscheinen erpotten.
furstlichen Gnaden die Churbrandenburgische und liesen andeuten, daß
weilen ietzt der conventus sein solte, wehren sie gedacht, sich geburenndt
einzuestellenn. Allein, weilen sie sich erinnert, daß Ihr Gnädigster Herr
nebens Churcollenn in nahmen des gantzenn churfürstlichen collegii depu-
tirt unnd sich dan die Churbayerische ietzt allein alß privati unnd von
Churbayeren allein dabey befundenn, ob sie nit denn vorgang vor denn
Churbayerischenn vermog der deputation habenn soltenn. Ihre Hochfurst-
liche Gnaden anndtwortteten, weilen sie ihre meinung unndt gutachtenn
begehrten, so woltenn sie ihnen unverhaltenn, daß notorium, daß Chur-
maintz unndt -trier doch alternis vicibus den churfürsten zue Collenn vor-
ginnge; unnd wiewoll Churcollenn nebens Churbranndenburg anno 1636
ad hosce tractatus deputirt, so weren doch Ihre Hochfurstliche Gnaden
unnd anndere Churcolnische dahinn instruirt, daß sie, wan bemelte chur-
fürsten schicken solten, dieser deputation halber keine praeeminentz oder
mutation sessionis noch sonnst suchen unndt praetendirenn solten, maßen
sie auch nicht thun wurden. Zuedeme so were es so klar anno 1636 im
gutachtenn ahn Ihre Kayserliche Maiestätt versehenn, daß man darauß
gahr leicht, wie eß zue halten, teutlich abnemmen konne
Der Beschluß war das Ergebnis langwieriger Beratungen (September bis November 1636) im
Kurfürstenrat gewesen, bei denen Kurbayern die Ansicht vertreten hatte, daß die Deputation der
Kurfürsten (Kurmainz und Kurbrandenburg für die Traktate mit Schweden, Kurköln und Kur-
brandenburg für die Verhandlungen mit Frankreich) das Kurkolleg und die Reichsstände repräsen-
tieren solle, während Kurbrandenburg für die Gleichberechtigung aller zu den Verhandlungen
abordnenden Kurstände eingetreten war ( Haan S. 145–150).
Hochfurstliche Gnaden nicht zweiffleten, daß die Churbranndenburgische
solches gutachten unnd disposition bei sich haben werden, so wolten Ihre
Hochfurstliche Gnaden innen gleichwoll copiam istius passus zueschickenn.
Darauff er gesagt, daß er sehr zweiffle, ob die Churbranndenburgische
solches haben würden, umb desto mehr innen lieb sein solte, die nachricht
zu erlangenn; und haben sogleich darauff Ihre Hochfurstliche Gnaden den-
selben bemelten extract zugeschickt. Hora 3 a seindt Ihre Hochfurstliche
Gnaden praecise zum herrenn gravenn von Naßaw gefahrenn, welcher
dieselbe nit gleich an der gutschenn empfangenn, sonnderenn im gemach,
mit enndtschuldigung, daß die Churbranndenburgische zue ime und Vol-
mari geschickt unnd, wie oben gemeldet, proponiren laßen, daß sie sowoll
der deputation alß auch ihrem herren, so dabey interessirt, nicht gern
etwas vergeben wolten. Sie hätten zwar Wartenbergs extract erhalten, wüßten
aber gern noch die meinung der herrn Kayserlichen. Nassau hat innen noch
kein andtwortt geben konnen, weilen ietzt erst die proposition beschehen;
begerte also vonn Ihrer Hochfurstlichen Gnaden zu wißenn, was sie vor
andtwortt zue geben haben mogtenn.
Wartenberg referirt seine Antwort an den kurbrandenburgischen Sekretär, daß
nemblich sie dergestalt instruirt unnd sich verhalten wurden, daß auch das
conclusum electorale anno 1636 klar seye, gestalt die Kayserliche auch
annderst nicht iudiciren konnen, ime derentwegen solche andtwortt zu-
ruckgeben, mit begehren, daß sie inne andtwortt wißen laßen wolten, ob
sie zue kommen gemeint oder nicht. Unnder diesem seindt die Churbaye-
rische ankommen, welchen Ihre Hochfurstliche Gnaden von allem verlauff
parte gebenn.
Uber eine weil sein die Churbrandenburgische kommen, unndt ist drost
Heiden alß 2 ten in ordine in abwesenheit des graven vonn Witgenstein
nach Churbayeren im seßel geseßen. Im hinaußgehen nach vollendeter
communication sein die Churcolnisch- unndt -bayerische den Churbran-
denburgischen vorgangen, dennen sie dan selbsten auch die praecedentz
offerirt. Bey dieser consultation hat herr Volmari proponirt, man wurde
sich allerseits wol zu erinneren wißen, was für difficulteten ratione Veneti
vorkommen. Unnd hab es, soviel man bißhero von dem herrn nuncio ver-
nommen, das ansehen, alß wan die sach in extremis bestunde. Von Ihrer
Maiestätt hetten sie allergnädigsten befelch, darahn zue sein unndt zue
verhueten, damit zwischenn denn churfursten unndt dem Veneto keine
streittigkeitenn unnd irrungen mogten vorgehenn unnd daß der herrn chur-
fursten dignitet unndt praeeminentz in geburennder obacht gehalten werde.
Wehren derowegen diesen morgen zue dem herrn nuncio gefahren unndt,
nachdemahlen Ihrer Kayserlichen Maiestätt allergnädigste intention diese
seye, daß keinem theil zur offension veranlaßung geben werden oder icht-
was praeiudicirliches vorgehenn mogte, mit demselben geredet, ob nit ein
medium unnd temperamentum in der sachenn zu finden, zue solchem enndt
auch vorgeschlagen, 1. ob nit allerseits zu vergleichen, daß
ankommenden inskunftig die carozzen außer dennen, die von einem herren
abgeordtnet oder ex uno collegio interessirt wehren, endtgegenschickenn,
undt dan 2. bei nitannemmung deßen die churfursten unndt Venetus sich
beiderseits solcher endtgegenschickung enthielten. Der herr nuncius habe
darauff geandtworttet, daß er wegen dieser streittigkeit vonn Ihrer Hoch-
furstlichen Gnaden von Oßnabruck vor unndt nach wol informirt wehre
unnd die zue der herrn churfurstenn praeeminentzbehaubtung wol be-
grundte unnd dienliche nachrichtung ex curia Romana bekommen hette.
Der Venetus berufft sich darauff, daß die respublica anherozuschicken vonn
Ihrer Kayserlichen Maiestätt ersucht und eingeladen.
12–18 Er – thut] Laut DKurbayern K I, spA I ist es auch Meinung des Nuntius, daß die
Kurfürstlichen anders als Venedig guete occasiones hetten, sich zu absentirn unnd zu
dissimulirn, die Kurkölnischen in ihre stiffter, die Churbrandeburgische in die Märckhi-
sche nahe gelegene stätt
sich hier die Spanier beim Einzug der Franzosen zurück, ingleichen zu Rom die Spanier
wegen der Franzosen, zu Wien aber die Französen wegen der Spanier.
die gelegenheit nit, wie die churfurstliche sich anderswohin zu begeben
unndt bey ankunfft einiger gesanndten zu absentiren; hingegen aber das
außpleibenn den churfurstlichen nicht praeiudiciren kondte, weilen eben
dergleichen von den Spanischenn geschehe unnd doch solches zu keinem
praeiuditz allegirt haben wolten, mit mehrerem repetirendt, was sich im
protocollo deßwegen de 6. huius befinnden thut.
Gegen ihn habe sich sonnsten der Venetus genugsamb vernemmen laßen,
daß er ungern etwas gegen die churfursten moviren oder auch sie attacqui-
renn würde. Solte es aber ime geschehenn, wiste er schonn, was ime zue
thun, welches dahinn zielte, daß er alßdan gedachte, tanquam laesus alß-
balt hinwegzuziehen, maßen er auch, wan die churfurstlichen die gutschen
schicken unndt ihme vorfahren wolten, bey der koniglichen gutsch sich
manteniren unndt doch wegen des erweckten disputats sich offendirt be-
finden wurde.
Anbelangendt das erste vorgeschlagene medium, da stunde er nuncius in
sorgen, daß die Frantzosen solches nit annemmen unnd zugleich es dem
Veneto wiederrathen mogten. Die Frantzosen hetten bißhero allerhanndt
mittel sich bedienet, die friedenshanndlungen aufzuhalten, mogten dieses
fur eine erwunschete occasion ergreiffenn, dadurch die gantze friedens-
hanndlungen sich zerschlagen thetenn. Man konnte noch nicht wißen, ob
2 wurden] Im sonst in der ksl. Proposition etwas knapperen DKurbayern K I, spA I
danach zusätzlich: wegen bekhander diffidenz gegen iezige Papstliche Heyligkheit,
wie umgekehrt vor diesem die Khayserliche unnd Hispanische deß verstorbenen
Papsts Urban mediation nicht gethraut, sondern die adjunction Venedig begehrt.
wehre derwegen soviel nachdencklicher, wan der Venetus davonnzuziehen
ursach nemmen solte.
Das zweitte medium, daß weder die churfurstlichen noch Venetus schickenn
solte, darzu wurde der Venetus nit verstehen, weilen er öffters wiederholet,
daß er seinestheilß nichts vorgehenn laßen konte, so demienigen, was biß-
hero alhie geschehen, nit conform, unnd daß einmahl in dieser sachenn also
tractirt unnd verfahren werden muste, daß es das ansehenn nicht gewunne,
alß wan man miteinannder disputirte unnd ime quaestio daruber movirt
wurde.
Dieses machte nun innen den Kayserlichen nit unbefuegte sorgliche ge-
dancken, daß, weilen sie sehen, daß die sache in extremis bestehe, wie zu
verhueten, daß dadurch dieser congressus keinen stoß bekommen mogte,
dahero, gestalten sachenn nach, ein oder annder theil etwas wurde nach-
gebenn mußen. Eß seye zwarn nit ohne, daß die respublica anfenglich pro
mediatore nit acceptirt. Eß hette sich der am koniglichen hoff zue Pariß
angewesener Venetus zur außwechßlung der paßportten für die uncatho-
lische, weilen solches der nuncius zue Pariß nit thun wollen, ultro erpottenn
unnd angenommen
Die Kurie war 1636 nicht bereit gewesen, auch für evangelische Mächte die Friedensvermittlung
anzutreten ( Dickmann S. 82–87, 90, Repgen, Kurie I, 1 S. 295, 393–397, Haan S. 14,
151f.). Vgl. zur Friedensaktivität des venezianischen Botschafters in Paris, Angelo Corraro,
Avenel VI nr. 71 S. 114, VIII S. 324, Fiedler I S. 275, Koch I S. 33, Poelhekke
S. 60f., 65f., Bierther S. 249.
men were. Sie die Kayserliche begehrtenn, es mogten die churfurstlichen
alles reifflich erwegen unnd ihre darüber beyfallennde gedanncken innen
eroffnen unnd sich versichert halten, daß wan etwas mehrers von innen
der sachen zum bestenn konnte praestirt werden, daß sie solches nicht
unnderlaßenn wurden.
Darauff die Kayserliche in ein annder zimmer gangen, unnd die Churcol-
nische, -bayerische unndt -brandenburgische ein ieder sich absonnderlich
beredet, und nachdem man sich wiederumb gesetzt unndt Ihre Hochfurst-
liche Gnaden bey dem Churbayerischen die umbfrag zue thun den anfang
gemacht, haben dieselbe sich dahin vernemmen laßen: Sie verstunden
unndt erkenneten auß demjenigen, was ietzo vorkommen, daß der Venetus
sich gantz necessario machen unnd bei dieser occasion gleichsamb sein
intent erzwingen wolle und hingegen die vorgeschlagene mittel verwerffenn,
sich auf die possession, daß er alhier entweder auf die Spanischen oder
Frantzosische gutsch gefahren unnd hinfurters inseparabiliter fahren muße,
berueffen
5 thue] Zusätzlich in DKurbayern K I, spA I: Da die Kurfürstlichen dabei aber nicht
anwesend waren, kann Venedig dies für kheine rechtmessige possession gegen die
curfürstlichen allegiren. Auch aus dem Einzug Kurbayerns und Kurbrandenburgs kann
Venedig nichts für sich herleiten, weilen man ihme weder gewichen noch gefolgt,
sondern gar den erssten plaz genohmmen.
praeiudicio der herrn churfurstenn in diesen sachenn zue finndenn, weilen
aber der Venetus noch zue keinem zue pringen gewesen, so kohme innen
ietzo kein beßers expediens vor, alß daß durch die herrn Kayserlichen die
Spanische dahin disponirt wurden, maßenn Ihre Hochfurstliche Gnaden in
discursu selbst vorgeschlagenn hettenn, damit der episcopus Bolducensis
Joseph de Bergaigne (siehe oben S. [82 Anm. 2] ), Bischof von Bois-le-Duc (Herzogenbusch),
Hauptstadt „du Brabant septentrional“ ( Chéruel II S. 123).
all incognito hereinkome; wolte er nachgehendts seinen einzug solenniter
haltenn, konndte solches zugleich mit dem conte Pinneranda zue deßen
ankunfft beschehenn, wie dan dergleichen in curia Romana wol brauchlich.
Underdeßenn gewinne man zeit, denn sachenn weitter
unnd daß ein ieder an seinen hern principalen dieser wichtigen sachenn
halber schreibenn unnd sich behorlichen verhaltensbescheidts erholen konte.
17–19 Dan – nachzugeben] Laut DKurbayern K I, spA I noch damit begründet, daß
die Kurfürsten von etlich hundert jahren her im Besitz der praecedenz gegenüber Venedig
von rechts wegen und de facto bestendig sind unnd dargegen in contrarium sich
nicht einig praeiudicium erfindet; selbst als der Kaiser Venedig die Behandlung pro testa
coronata zugesichert hat, hat er den Kurfürsten durch ein sonderbahres rescriptum
doch ihren competirenden vorzueg verwahrt.
laßenn, daß der republica zue praeiuditz gereichenn konnte, also wehren
sie die Churbayerische auch befelcht, nit nachzugeben,
fursten praeiudicirlich sein mogte.
daß ihre carozzen nit schickten, also außgedeuttet werden, daß dadurch
die herrn churfursten sich keines praeiuditz zue befahren unnd dan Ihre
Kayserliche Maiestätt die herrn churfursten deßwegen schriftlich versicher-
ten, daß, was ietzo wegenn der tractaten vorginge, denn herrn churfursten
nicht praeiudicirlich sein
nuncio bestenndig erkhlerte, daß er durch dergleichenn actus nit intendirte
noch begehrte, denn herrn churfurstenn einiges praeiudicium zuzuefuegen,
unndt man per modum eines avißschreibens, welches an Ihre Hochfurst-
liche Gnaden der herr nuncius thette, alsolcher erkhlerung konnte ver-
sichert sein, so stunde zu erwartten, weßen sich die herrn churfursten nach
der innen hieruber beschehener relation erkhleren mogten. Sonsten habenn
finaliter dahin zu concludiren, die Kayserliche hetten die Spannischen zu
disponiren, daß der Bolducensis ob angedeutteter maßen vorerst all incognito
hereinkehme. Nachgehenndts habenn Ihre Hochfurstliche Gnaden die
Churbrandenburgische befragt, welche zue gewinnung zeit sich darauff
berueffen, daß wegen der Venetianischenn streittigkeit, darbey gespurter
intention unndt vermeindtlich vonn ime allegirter possession wol propo-
nirt unnd bereits votirt.
demahlen die herrn churfursten in curia Romana unnd annderßwo, wie die
documenta unnd nachrichtungen außweißen, notorie in possessione weh-
renn, daß ietzo die Veneti einen alsolchenn unbegrundetenn streit movir-
ten; unnd nachdemalen die Veneti auf dasjenige, was sie am Kayserlichen
hoff erhalten, ihre quaestion erst angefangenn unnd fundirten, so hette man
wol bedachtsamb aufzumercken, wie man daß seinige und die wolher-
prachte praecedentz conservirte. Venetus reiicirte alle media unnd gedachte
nur seine vermeintlich allegirte possession zu manuteniren, die herrn chur-
fursten konten auch nichts nachgebenn, so innen praeiudicirlich. Damit
dann gleichwoll zue dem anbetroheten hinwegzug der Venetus nicht mogte
bewogen werden, so hette man auf ein medium zu gedencken; unndt damit
sowoll zue fernerem nachdencken unndt, weitteren bescheidts sich hieruber
einzueholenn, mehrere zeitt gewonnen werden mogte, wehren sie auch der
Churbayerischen meinung, daß die Kayserliche mit denn Spanischen von
innen angedeuteter maßen zu reden. Sie wehren sonnsten ihrestheilß auch
dahin instruirt unndt befelcht, daran zue sein, daß nichts vorgehe, welches
den herrn churfursten einiges praeiuditz gebehren mogte.
Warauff Ihre Hochfürstliche Gnaden, weßen sie sich mit den Churcolni-
schen beigeordtneten auch nach der vonn den Kayserlichen beschehener
proposition beredet gehabt, hinwiderumb angezeigt. Unnd wehre innen
eben daßjenig, was den Churbayerischen unndt -brandenburgischen zu
gemuth gangen, bey dieser materie vorkommenn. Eß scheine woll, daß der
Venetus alle mittell unndt practiquen gebrauchte, sich in allen actibus
inseparabiliter an die koniglichen zue halten.
gehaltener procession zuegetragen, daß Ihre Hochfürstliche Gnaden in
ihren bischofflichen paramentis das Venerabile ex ecclesia Sancti Lamberti
in dem thumb getragen, alwo sich auff dem chor in einer banck die beide
Frantzosische plenipotentiarii neben dem Veneto befundenn. Unnd alß sie
ihre paramenta episcopalia nach niedergesetztem Venerabili abgelegt unndt,
gleichwie es der herr nuncius apostolicus bey ebenn selbiger procession in
einer annderen kirchen gemacht, wiederumb nach ihrem quartier zu bege-
ben vorhabenns, die anwesennde gesandten von weitem begrueßet unnd
die escusa durch cavallieri thun laßen, daß sie wegen der in der procession
empfundener hitz ihre kleidung ennderen unnd nach hauß begebenn musten,
der Venetus besorgt gehabt, es hettenn sich Ihre Hochfürstliche Gnaden
oben ime bey die Frantzosenn wollen stellen, derentwegen er dan sich vest
ahn sie gesetzt unnd nachgehenndts habe sollen verlautten laßen, daß er
resolvirt gewesenn, Ihrer Hochfürstlichen Gnaden, wan sie kommen weren,
nit zu weichen und sich ahn die Frantzosenn zue halten; schiene also, daß
er in allem gern den vortheil fur die republicq suchte. Eß wurden sich aber
die herrn churfursten auß dero so woll beweißlicher unndt herprachter
possession bey ihrem klar scheinbahren rechten nit konnen noch wollen
setzen laßen. Zudeme hette man propter consequentiam nit allein in dieser
sachen auff
21 Venedig] Zusätzlich in DKurbayern K I, spA I: weilen es beide khonigreich
Cipern
Zypern stand von 1489 bis 1570 unter venezianischer Herrschaft. Im Vertrag mit der Pforte
vom 7. März 1573 gab Venedig zwar alle Ansprüche auf, hegte aber doch Pläne zur Wieder-
eroberung der Insel und stritt mit den Herzögen von Savoyen um den zyprischen Königstitel; dies
führte von 1633–1662 zum Abbruch der Beziehungen zwischen Venedig und Savoyen ( Hill
III S. 1037, 614, IV S. 40–57, C. J. Burckhardt III S. 390).
die Genuenses
Genua lag wegen Korsika mit den Königen von Aragon im Streit, die 1295 von Papst Bonifaz
VIII. mit der Insel belehnt worden waren; es behauptete sich 1568 im Besitz Korsikas ( Leo IV
S. 638, V S. 41–61, 643f., 622). Genua konnte mit den Reichs- und Kurfürsten um so eher in
Konkurrenz treten, als es wie Parma und Toscana zu denjenigen norditalienischen Staatsgebilden
gehörte, die für einzelne Lehen Reichsvasallen waren ( Noël S. 196 und ff.).
dan die Niederländische Veräinigte Provincien in Hollandt wegen ihres
unter ihnnen vor wenig jahren aufgerichteten coeremonialis und selbst-
äigenerweiße beschehener und angemaster
In der Resolution der Generalstaaten vom 26. November 1639 war der Rang der Vereinigten
Niederlande bei den Königreichen, der Republik Venedig und vor den Kurfürsten mit der Ab-
schüttelung der spanischen „Tyrannei“, dem Zusammenschluß der näheren Union und den Handels-
und diplomatischen Beziehungen zu bedeutenden Ländern und Völkern inner- und außerhalb
Europas begründet worden; man nahm für sich die hooghste souverainiteyt, overigheyt ende
absolute macht in Anspruch ( Heringa S. 552, 554, 319ff.).
und die herrn churfursten zurucksetzen wollen; derwegen man behuet-
samb, sorgfältig und wollbedächtiglich in diesem negotio zu verfahren.
Schwär falle es, weilen sowole die churfurstlichen alß der Venetus sich
auff ihre befelche beruffen, auß den sachen zu kommen. Solte man deß-
wegen zum offentlichen contrasto in actu aliquo kommen, so wurden die
churfurstlichen alß die stärckeste sich woll gegen den schwächesten manu-
teniren konnen. Wan dieser ietziger status und mediation nit wehre, möchte
leichter rhatt gefunden werden. Jetzo fiel dabey ein mehrers zu bedencken,
und machte es die sache schwerer, weiln der Venetus, wie es scheinet,
keine media annehmmen und sich inseparabiliter an die Frantzosen oder
Spanische halten wolle. Daß vor diesem in vorschlag gebrachtes medium,
der herrn mediatoren carozzen mögten auffeinander folgen, daßelb wehre
dem grafen von Naßaw und Spannien nit eingangen; derwegen dan woll
zu vermuthen, daß daruff nit starkh getrungen werde. Hetten sonsten von
vertraweten ohrt vernohmmen, daß der Venetus deßwegen an die respublica
geschrieben und circa finem huius mensis woll bescheidt haben könte.
Bey dem bedrohen, so er wegen seines hinwegreisens thete, mögte auch
noch woll einiger zweifell konnen gemacht werden, ob er so leichtlich
auffpacken und davonziehen wurde. Weilen aber in einem und anderen so
viel zu consideriren, so wehre man eben der meinung, zu gewinnung nach
mehrer zeit, daß die von den Churbayerischen und -brandenburgischen
wollbedachte underredungh mit den Spanischen die Kayserliche vornehm-
men undt sie deßwegen geburendt zu ersuchen, auch ein ieder seine princi-
palen unterdeßen von allem verlauff berichten mögte.
Nach alsolchem gemachten und beliebten schluß seint die herrn Kayßer-
lichen abgesandten widderumb hereinkommen.
liche Gnaden ihnnen angezeigt, welchergestalt die churfürstlichen auß dero
beschehener proposition mit mehrem und der lengde nach verstanden, was
in der differentzsachen mit dem Veneto vorgangen und mit was sorgfalt
sich die herrn Kayßerliche die sachen hetten angelegen sein laßen […].
Wehre es gnugsamb bekant, daß nach deme am Kayßerlichen hoff erhalte-
nen decret die Veneti ersten angefangen, den churfurstlichen die praece-
dentzstreitigkeit zu moviren. Es wehre zu wunschen, das mit dem decreto
eine solche veranlasung ihnnen nit gegeben und solches zuruckh- oder ihr
ius vorbehalten worden wehre, wie dan die herrn churfursten alsobaldt
umb dessen ihnnen unnachtheilige declaration einkommen, da der herrn
churfursten praecedentz vor Venedig so beweißlich und notori. Auff so ver-
scheidenes der herrn churfursten gezimmendes ansuchen wehre endtlich bey
Ihrer Hochfürstlichen Gnaden einzug alhie ein befelch an sie die Kayßerli-
chen gesandten kommen, das sie die churfurstlichen dem Veneto in allem
gleich halten und tractiren, auch daran sein solten, damit zwischen ihnnen
keine […] irrungen vorfallen mögten. Dieses wehre bißhero ohne Weite-
rung mit beiderseits satisfaction zugangen […]. Danken den Kaiserlichen
für ihre Vermittlungsvorschläge. Zu verwunderen seye es aber, das der Venetus
zu denn ihm vorgeschlagenen unpraeiudicirlichen mediis nach anderen
keinen sich verstehen wolle. Der herr nuncius hette selbsten woll iungsthin
davon anregung gethan, ob es nit dahin zu dirigiren, daß von allen anwe-
senden gesandtschafften die endtgegenschickung eingestelt und nur ein
ieder die seinige empfinge, wie er es dan anfanglich seinestheils gern gesehen
und all incognito hineinkommen wollen
Kayßerliche und Venedische ihme die ehr gethan und mit ihren gutschen
empfangen laßen. Jetzo vermeinte der herr nuncius, eß wurde sich, was
er selbsten woll wünschen thete, nit woll practiziren lasen, dahero zu
vermuthen, es mogten nit allein den Frantzösen, sondern auch den Spani-
schen dieser vorschlag zuwidder sein, weiln ein ieder gern sehen und ver-
mutlich haben wolte, das den ihrigen die beschehene, andern und bißhero
bezeigte ehr auch widderfahren solte; mögte deßwegen woll nit undienlich
sein, wan die herrn Kayßerliche den Spanischen noch weiter etwas zu-
sprächen.
Daß zweyte medium hette der Venetus bereidts verworffen; und weilen er
sich auff die possession, den Spanischen oder Frantzößen nachzufahren, be-
ziehet und in den extremis zumahln bestunde, da doch die churfurstliche
contra Venetos viel anderst fundirt, so wehre dieses eine überauß schwere
34 sache] Zusätzlich in DKurbayern K I, spA I: Der Venezianer ist – wie der Spanier –
auch nicht mit dem mitl einverstanden, unmittelbar nach dem Nuntius und vor den König-
lichen zu fahren, weil er solche ehr nicht acceptirn wolte. Nach Meinung des Nuntius
hat der Venezianer aber diß mitl seiner republic vorgeschlagen, kann jedoch wohl vor
Johanis khein antwort darauff empfangen.
churfurstliche auch gegen ihre instruction und zum praeiuditz ihrer princi-
palen nicht thuen oder zulaßen konten und man in den extremis also behar-
ren wurde, so sähe man kein ander mittell, den besorgenden inconvenien-
tiis vorzukommen, alß das man noch etwas zeits in den sachen gewinnen
und dieserseits seine principalen von einem alsolchen verlauff umbstendig-
lich berichten und bescheidts erhollen könte; zu alwelchem endt die herrn
Kayßerliche ersucht wurden, die Spanische dahin zu disponiren, das, wie
vorhin gemeldet, der episcopus Bolducensis all incognito hineinzukommen
sich nit wolte zuwidder sein lasen. Solten die Spanische hierauff difficultet
machen, wehre ihnnen und anderen das zu moviren, daß die herrn chur-
furstliche ihrenthalben die notification der ihrigen ankunfft underlaßen und
daß sie sich also hinwidderumb auch mit einigen mittelen zu bequemen,
sonderlich weiln dadurch weiterung verhüten und es bey mehrerm nach-
dencken der sachen sich begeben könte, daß sie mit mehrer ehr empfangen
und eingeholt wurden, alß eben ietzo bey einem gleichsamb tumultuarisch-
vorhabendem einzug geschehen mogte; zudeme so wehren vielleicht die
herrn churfurstliche eben so hoch nit obligirt, den Spanischen endtgegen-
zuschicken, weiln ihnnen die ehr von denselben auch nit beschehen. Hiebey
ist auch von Ihr Hochfürstlichen Gnaden ausfuhrlich vorbracht worden,
was die Churbayerischen wegen der Kayßerlichen erklerung und eines von
des herrn nuncii beweißthumb und schein, das den herrn churfursten bey
diesen tractaten und conventu, da der Venetus mediator seye, kein actus
praeiudicirlich sein solte, in ihrem voto erwehnet und sie selbsten a part
mit den ihrigen sich underreddet gehabt; wobey dan der Venetus soviel
deweniger bedenckens haben solte, weiln der herr nuncius Ihrer Hochfürst-
lichen Gnaden und dem dhomprobsten von der Reck angedeutet hette, das
der Venetus nit begere, das einiger actus positivus alhie vorgehe, welcher
den herrn churfursten zum praeiuditz gereichen mögte. Zu Rom habe man
gute nachrichtung, das die herrn churfursten der republica vorgehen; das
allegirtes exempel (darauff sich der Venetus allem ansehen nach bey auß-
schlagung der vorbrachten mediorum beruffen thuet) wegen der Spani-
schen außpleiben und nitschickens werde in diesem puncto nit woll allegirt,
dan die Frantzösen per sententiam in curia Romana in possessione, und ob-
zwar in aula Caesaris die Spanische per declarationem Caesaris im reich
den Frantzoßen vorgehen mögten
Seinen Anspruch, Spanien in der Wiener Burgkapelle gleichberechtigt gegenüberzutreten, wahrte
der venezianische Gesandte 1622 durch die Abreise vom Kaiserhof, als Oñate ihn düpieren wollte.
Die Kassierung des ksl. Dekrets von 1637, das der Republik Venedig vor den Kurfürsten den
Vorrang eingeräumt hatte, verlangte das Kurkolleg auf dem Nürnberger Kurfürstentag von 1640
unter Androhung von Sanktionen ( Brockhaus S. 205).
von ihrer intention und praetendirten vorgang abweisen. Eß hetten am
Kayßerlichen hoff mit den herrn churfursten und churfurstlichen gesandten
ein weit andere beschaffenheit; in publicis conventibus in capella Caesaris
hetten die herrn churfursten ihre mit rothem sammet bekleidete sessiones,
welche stelle von dem paviment etwas uno gradu erhöhet, darin treten nit
allein die anwesende herrn churfursten, sondern auch dero principalen
gesandten. Den koniglichen gesandten, darbey der Venetus sich zu halten
gedächte, den wurde allein eine banck ohne erhöhung, mit einem Turcki-
schen tapetten bekleidet, in die mitte gesetzet; dieses wehre bey allen reichs-
tagen und -conventibus also von jahren zu jahren und noch anno 1636 und
1641 gehalten.
Veneto und Florentino nach dem nuncio Apostolico zu Wien die stell assi-
gnirt, die herrn churfursten hetten sich aber daruber beschwert und begert,
man solte ihnnen ihren gebuhrlichen orth vor die ihrige auch alda vor an-
deren ausweißen. Anno 1636, alß Ihrer Hochfürstlichen Gnaden bischoff-
liche consecration in gegenwart hochstloblichen gedächtnis Kayßerlicher
Maiestät Ferdinandi 2. auff dem chor in cathedrali ecclesiae Ratisbonensis
geschehen
in specie der Churbrandenburgische herr graff von Schwartzenberg
Adam Gf. von Schwarzenberg (1584–1641), kurbrandenburgischer Geheimer Rat und Statt-
halter in der Mark Brandenburg, intimer Ratgeber des Kf. Georg Wilhelm von Brandenburg
( ADB 33 S. 779ff. , Jaeckel V S. 79f., Meinardus S. 1–58). Er trieb eine antischwedische,
ksl. orientierte Politik, die zu seinem Sturz beitrug ( Brockhaus S. 65–67, 75f.).
her uff dem obergang gestanden und alle andere gesandten ihnnen ruck-
warts gewichen. Und wurden die Veneti gegen die churfurstlichen weder
zu Rom noch in aula Caesaris et imperio einige possession, sondern die herrn
churfursten gegen sie beweißlich allegiren konnen. Ersuchten derowegen
die anwesende churfurstliche die herrn Kayßerlichen, sie wolten in einer an
Ihre Kayßerliche Maiestätt und des gantzen reichs hochheit und respect mit
gereichender sache bey ihrer sorgfalt continuiren und vorersten die Spanische
dahin vermögen, das sie bey ihrem vorhabenden einzugh die sache nit un-
zeitig vulnerirten und ihrestheils verhueten helffen, damit keine weiterung
endtstehen und man allerseits in ruhe und ohne disgusto beyeinanderplei-
ben, zusammenkommen und den lieben, lang gewunscheten frieden schlies-
sen möchte.
Hierauf haben die Kayßerliche sich widder in ein ander zimmer begeben
und nach beschehener underreddung vernehmen laßen, sie hetten ihres-
theils, was bey dieser sachen vor verscheitene umbstendt und rationes vor-
bracht worden, angehort und bey sich, so viel die zeit erleiden konnen,
alles erwogen; funden, das es res tanti ponderis et momenti sey, warzu woll
ein mehrere zeit zu deliberiren erfordert wurde. Weilen sie gleichwoll
wegen der morgen abgehender post, damit man an gehorende orter aller-
seits der notturfft nach berichten könte, sich constringirt befunden, so
wolten sie auch kurtzlich die ihnnen ietzo beyfallende gedancken eroffnen.
I mo vernahmen sie auß der churfurstlichen erklerung, das es nit undienlich
erachtet wurde, bey dem herrn nuncio weitere instantias zu machen, das
das erste vorgeschlagenes mittel, keine gutschen hinfurter mehr entgegen-
zuschicken, mögte noch weiters bey dem herrn nuncio und Spanischen
urgirt werden.
aber von dem herrn nuntio bereits vernommen, das die Frantzößen das-
selbe nit allein nit eingehen, sondern auch den Venetum davon abwendig
machen möchten, so hette man billig darin anzustehen und sich vorzu-
sehen, damit den Frantzosen kein gewunscheter praetextus gegeben wurde,
etwas gefharliches darunter anzuspinnen; bey den Spanischen getraweten
sie sich, es woll zu richten, dan sie selbsten wegen ihrer streitigkeit mit den
Frantzoßen dabey interessirt. Eß wurden aber die Frantzosen es eben
darumb soviel diemehr difficultiren, weiln sie muthmasen, daß diß medium
den Spanischen nit unannehmblich sein mögte. Bißhero were man in actu
contradictorio mit dem Veneto nit begriffen gewesen, sobalt es zu einer
alsolcher contradiction kommen solte, hette der Venetus bey dem herrn
nuncio sich vernehmen laßen, daß die sach dergestalt dardurch laedirt,
daß er nöthwendig muste hinwegziehen; dahero dan ietzo nach daß beste
medium wehre, einige zeit zu fernerer deliberation und bericht, auch be-
scheidtseinhollung zu
vorgeschlagenermasen weiters reden. Ob der Venetus, wie angedeut, umb
eine andtworth zu haben geschrieben und selbige zu endt dießes monats
haben konte, davon hetten sich nichts gehort, aber woll verstanden, das
ihme in hac materia zugeschrieben, er solte sich vorsehen und hueten,
indeme er derendts anderen dienete, das er der republica keinen undienst
dabey thete.
Nach diesem hatt es noch pro informatione et ulteriori consideratione der
sachen wichtigkeit nach hinc inde discursus geben, dabey sonderlich dieses
von den Churbayerischen movirt, das der herr nuncius selbst ihnnen gesagt
hette, es wurde dem Veneto nicht unangenehm sein, wan man de medio
aliquo könte bedacht sein, jetzo wolte er keines annehmmen und gleich-
samb ipsam quaestionem pro laesione et causa discessus annehmmen.