Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker

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Nassaus Wunsch nach einer Unterredung mit den Kurfürstlichen gibt Wartenberg
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an Kurbayern und Kurbrandenburg weiter, welche sich zum erscheinen erpotten.
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109, 17–110 ,25 Eine – gebenn] Wesentlich knapper DKurbayern K I, spA I; fehlt in
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DVolmar, das nur ein kurzes Beschlußprotokoll über diese Konferenz enthält.
Eine Stunde vor Beginn der Unterredung umb 2 schickten zue Ihrer Hoch-
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furstlichen Gnaden die Churbrandenburgische und liesen andeuten, daß
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weilen ietzt der conventus sein solte, wehren sie gedacht, sich geburenndt
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einzuestellenn. Allein, weilen sie sich erinnert, daß Ihr Gnädigster Herr
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nebens Churcollenn in nahmen des gantzenn churfürstlichen collegii depu-
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tirt unnd sich dan die Churbayerische ietzt allein alß privati unnd von
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Churbayeren allein dabey befundenn, ob sie nit denn vorgang vor denn
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Churbayerischenn vermog der deputation habenn soltenn. Ihre Hochfurst-
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liche Gnaden anndtwortteten, weilen sie ihre meinung unndt gutachtenn
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begehrten, so woltenn sie ihnen unverhaltenn, daß notorium, daß Chur-
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maintz unndt -trier doch alternis vicibus den churfürsten zue Collenn vor-
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ginnge; unnd wiewoll Churcollenn nebens Churbranndenburg anno 1636
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ad hosce tractatus deputirt, so weren doch Ihre Hochfurstliche Gnaden
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unnd anndere Churcolnische dahinn instruirt, daß sie, wan bemelte chur-
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fürsten schicken solten, dieser deputation halber keine praeeminentz oder
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mutation sessionis noch sonnst suchen unndt praetendirenn solten, maßen
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sie auch nicht thun wurden. Zuedeme so were es so klar anno 1636 im
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gutachtenn ahn Ihre Kayserliche Maiestätt versehenn, daß man darauß
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gahr leicht, wie eß zue halten, teutlich abnemmen konne

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Der Beschluß war das Ergebnis langwieriger Beratungen (September bis November 1636) im
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Kurfürstenrat gewesen, bei denen Kurbayern die Ansicht vertreten hatte, daß die Deputation der
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Kurfürsten (Kurmainz und Kurbrandenburg für die Traktate mit Schweden, Kurköln und Kur-
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brandenburg für die Verhandlungen mit Frankreich) das Kurkolleg und die Reichsstände repräsen-
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tieren solle, während Kurbrandenburg für die Gleichberechtigung aller zu den Verhandlungen
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abordnenden Kurstände eingetreten war ( Haan S. 145–150).
. Wiewoll Ihre

[p. 110] [scan. 234]


1
Hochfurstliche Gnaden nicht zweiffleten, daß die Churbranndenburgische
2
solches gutachten unnd disposition bei sich haben werden, so wolten Ihre
3
Hochfurstliche Gnaden innen gleichwoll copiam istius passus zueschickenn.
4
Darauff er gesagt, daß er sehr zweiffle, ob die Churbranndenburgische
5
solches haben würden, umb desto mehr innen lieb sein solte, die nachricht
6
zu erlangenn; und haben sogleich darauff Ihre Hochfurstliche Gnaden den-
7
selben bemelten extract zugeschickt. Hora 3 a seindt Ihre Hochfurstliche
8
Gnaden praecise zum herrenn gravenn von Naßaw gefahrenn, welcher
9
dieselbe nit gleich an der gutschenn empfangenn, sonnderenn im gemach,
10
mit enndtschuldigung, daß die Churbranndenburgische zue ime und Vol-
11
mari geschickt unnd, wie oben gemeldet, proponiren laßen, daß sie sowoll
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der deputation alß auch ihrem herren, so dabey interessirt, nicht gern
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etwas vergeben wolten. Sie hätten zwar Wartenbergs extract erhalten, wüßten
14
aber gern noch die meinung der herrn Kayserlichen. Nassau hat innen noch
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kein andtwortt geben konnen, weilen ietzt erst die proposition beschehen;
16
begerte also vonn Ihrer Hochfurstlichen Gnaden zu wißenn, was sie vor
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andtwortt zue geben haben mogtenn.

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Wartenberg referirt seine Antwort an den kurbrandenburgischen Sekretär, daß
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nemblich sie dergestalt instruirt unnd sich verhalten wurden, daß auch das
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conclusum electorale anno 1636 klar seye, gestalt die Kayserliche auch
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annderst nicht iudiciren konnen, ime derentwegen solche andtwortt zu-
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ruckgeben, mit begehren, daß sie inne andtwortt wißen laßen wolten, ob
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sie zue kommen gemeint oder nicht. Unnder diesem seindt die Churbaye-
24
rische ankommen, welchen Ihre Hochfurstliche Gnaden von allem verlauff
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parte gebenn.

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Uber eine weil sein die Churbrandenburgische kommen,

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26–31 unndt – offerirt] Fehlt in DKurbayern K I, spA I.
unndt ist drost
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Heiden alß 2 ten in ordine in abwesenheit des graven vonn Witgenstein
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nach Churbayeren im seßel geseßen. Im hinaußgehen nach vollendeter
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communication sein die Churcolnisch- unndt -bayerische den Churbran-
30
denburgischen vorgangen, dennen sie dan selbsten auch die praecedentz
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offerirt. Bey dieser consultation hat herr Volmari proponirt, man wurde
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sich allerseits wol zu erinneren wißen, was für difficulteten ratione Veneti
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vorkommen. Unnd hab es, soviel man bißhero von dem herrn nuncio ver-
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nommen, das ansehen, alß wan die sach in extremis bestunde. Von Ihrer
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Maiestätt hetten sie allergnädigsten befelch, darahn zue sein unndt zue
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verhueten, damit zwischenn denn churfursten unndt dem Veneto keine
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streittigkeitenn unnd irrungen mogten vorgehenn unnd daß der herrn chur-
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fursten dignitet unndt praeeminentz in geburennder obacht gehalten werde.
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Wehren derowegen diesen morgen zue dem herrn nuncio gefahren unndt,
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nachdemahlen Ihrer Kayserlichen Maiestätt allergnädigste intention diese
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seye, daß keinem theil zur offension veranlaßung geben werden oder icht-
42
was praeiudicirliches vorgehenn mogte, mit demselben geredet, ob nit ein

[p. 111] [scan. 235]


1
medium unnd temperamentum in der sachenn zu finden, zue solchem enndt
2
auch vorgeschlagen, 1. ob nit allerseits zu vergleichen, daß

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2–4 keiner – endtgegenschickenn] Deutlicher in DKurbayern K I, spA I: allß
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ein iede gesandtschafft oder nation den seinigen, die Spanier den Hispanischen, die
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Franzosen den Französischen […] entgegenschickhen, wardurch dan dießer stritt
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auß dem grundt hingelegt wehre.
keiner dem
3
ankommenden inskunftig die carozzen außer dennen, die von einem herren
4
abgeordtnet oder ex uno collegio interessirt wehren, endtgegenschickenn,
5
undt dan 2. bei nitannemmung deßen die churfursten unndt Venetus sich
6
beiderseits solcher endtgegenschickung enthielten. Der herr nuncius habe
7
darauff geandtworttet, daß er wegen dieser streittigkeit vonn Ihrer Hoch-
8
furstlichen Gnaden von Oßnabruck vor unndt nach wol informirt wehre
9
unnd die zue der herrn churfurstenn praeeminentzbehaubtung wol be-
10
grundte unnd dienliche nachrichtung ex curia Romana bekommen hette.

11
Der Venetus berufft sich darauff, daß die respublica anherozuschicken vonn
12
Ihrer Kayserlichen Maiestätt ersucht und eingeladen.

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12–18 Er – thut] Laut DKurbayern K I, spA I ist es auch Meinung des Nuntius, daß die
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Kurfürstlichen anders als Venedig guete occasiones hetten, sich zu absentirn unnd zu
38
dissimulirn, die Kurkölnischen in ihre stiffter, die Churbrandeburgische in die Märckhi-
39
sche nahe gelegene stätt

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Die sogen. sieben märkischen Hauptstädte, die die kleineren Städte auf den Landtagen mitver-
43
traten
, waren Hamm, Unna, Iserlohn, Kamen, Lünen, Schwerte und Soest ( UuA Friedrich
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Wilhelm V 1 S. 15, Altmann S. 25).
, die Kurbayerischen auf Haslangs Güter. Ohne Präjudiz zögen
40
sich hier die Spanier beim Einzug der Franzosen zurück, ingleichen zu Rom die Spanier
41
wegen der Franzosen, zu Wien aber die Französen wegen der Spanier.
Er seinestheils habe
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die gelegenheit nit, wie die churfurstliche sich anderswohin zu begeben
14
unndt bey ankunfft einiger gesanndten zu absentiren; hingegen aber das
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außpleibenn den churfurstlichen nicht praeiudiciren kondte, weilen eben
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dergleichen von den Spanischenn geschehe unnd doch solches zu keinem
17
praeiuditz allegirt haben wolten, mit mehrerem repetirendt, was sich im
18
protocollo deßwegen de 6. huius befinnden thut.

19
Gegen ihn habe sich sonnsten der Venetus genugsamb vernemmen laßen,
20
daß er ungern etwas gegen die churfursten moviren oder auch sie attacqui-
21
renn würde. Solte es aber ime geschehenn, wiste er schonn, was ime zue
22
thun, welches dahinn zielte, daß er alßdan gedachte, tanquam laesus alß-
23
balt hinwegzuziehen, maßen er auch, wan die churfurstlichen die gutschen
24
schicken unndt ihme vorfahren wolten, bey der koniglichen gutsch sich
25
manteniren unndt doch wegen des erweckten disputats sich offendirt be-
26
finden wurde.

27
Anbelangendt das erste vorgeschlagene medium, da stunde er nuncius in
28
sorgen, daß die Frantzosen solches nit annemmen unnd zugleich es dem
29
Veneto wiederrathen mogten. Die Frantzosen hetten bißhero allerhanndt
30
mittel sich bedienet, die friedenshanndlungen aufzuhalten, mogten dieses
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fur eine erwunschete occasion ergreiffenn, dadurch die gantze friedens-

[p. 112] [scan. 236]


1
hanndlungen sich zerschlagen thetenn. Man konnte noch nicht wißen, ob
2

32
2 wurden] Im sonst in der ksl. Proposition etwas knapperen DKurbayern K I, spA I
33
danach zusätzlich: wegen bekhander diffidenz gegen iezige Papstliche Heyligkheit,
34
wie umgekehrt vor diesem die Khayserliche unnd Hispanische deß verstorbenen
35
Papsts Urban

42
Papst Urban VIII. (1568–1644), Maffeo Vincenzo Barberini, gewählt am 3. August 1623,
43
unterhielt schlechte Beziehungen zu Spanien ( Pastor 13, 1 S. 227ff., 245ff., 13, 2 S. 719–732,
44
Walf S. 130f., Koch II S. 37).
mediation nicht gethraut, sondern die adjunction Venedig begehrt.
nit die Frantzosen mcdiationem Pontificis verwerffenn wurden; unnd
3
wehre derwegen soviel nachdencklicher, wan der Venetus davonnzuziehen
4
ursach nemmen solte.

5
Das zweitte medium, daß weder die churfurstlichen noch Venetus schickenn
6
solte, darzu wurde der Venetus nit verstehen, weilen er öffters wiederholet,
7
daß er seinestheilß nichts vorgehenn laßen konte, so demienigen, was biß-
8
hero alhie geschehen, nit conform, unnd daß einmahl in dieser sachenn also
9
tractirt unnd verfahren werden muste, daß es das ansehenn nicht gewunne,
10
alß wan man miteinannder disputirte unnd ime quaestio daruber movirt
11
wurde.

12
Dieses machte nun innen den Kayserlichen nit unbefuegte sorgliche ge-
13
dancken, daß, weilen sie sehen, daß die sache in extremis bestehe, wie zu
14
verhueten, daß dadurch dieser congressus keinen stoß bekommen mogte,
15
dahero, gestalten sachenn nach, ein oder annder theil etwas wurde nach-
16
gebenn mußen.

36
16–25 Eß – wurden] Fehlt in DKurbayern K I, spA I.
Eß seye zwarn nit ohne, daß die respublica anfenglich pro
17
mediatore nit acceptirt. Eß hette sich der am koniglichen hoff zue Pariß
18
angewesener Venetus zur außwechßlung der paßportten für die uncatho-
19
lische, weilen solches der nuncius zue Pariß nit thun wollen, ultro erpottenn
20
unnd angenommen

37
Die Kurie war 1636 nicht bereit gewesen, auch für evangelische Mächte die Friedensvermittlung
38
anzutreten ( Dickmann S. 82–87, 90, Repgen, Kurie I, 1 S. 295, 393–397, Haan S. 14,
39
151f.). Vgl. zur Friedensaktivität des venezianischen Botschafters in Paris, Angelo Corraro,
40
Avenel VI nr. 71 S. 114, VIII S. 324, Fiedler I S. 275, Koch I S. 33, Poelhekke
41
S. 60f., 65f., Bierther S. 249.
, darauff es endtlich zue dieser ietzigen mediation kom-
21
men were. Sie die Kayserliche begehrtenn, es mogten die churfurstlichen
22
alles reifflich erwegen unnd ihre darüber beyfallennde gedanncken innen
23
eroffnen unnd sich versichert halten, daß wan etwas mehrers von innen
24
der sachen zum bestenn konnte praestirt werden, daß sie solches nicht
25
unnderlaßenn wurden.

26
Darauff die Kayserliche in ein annder zimmer gangen, unnd die Churcol-
27
nische, -bayerische unndt -brandenburgische ein ieder sich absonnderlich
28
beredet, und nachdem man sich wiederumb gesetzt unndt Ihre Hochfurst-
29
liche Gnaden bey dem Churbayerischen die umbfrag zue thun den anfang
30
gemacht, haben dieselbe sich dahin vernemmen laßen: Sie verstunden
31
unndt erkenneten auß demjenigen, was ietzo vorkommen, daß der Venetus

[p. 113] [scan. 237]


1
sich gantz necessario machen unnd bei dieser occasion gleichsamb sein
2
intent erzwingen wolle und hingegen die vorgeschlagene mittel verwerffenn,
3
sich auf die possession, daß er alhier entweder auf die Spanischen oder
4
Frantzosische gutsch gefahren unnd hinfurters inseparabiliter fahren muße,
5
berueffen

25
5 thue] Zusätzlich in DKurbayern K I, spA I: Da die Kurfürstlichen dabei aber nicht
26
anwesend waren, kann Venedig dies für kheine rechtmessige possession gegen die
27
curfürstlichen allegiren. Auch aus dem Einzug Kurbayerns und Kurbrandenburgs kann
28
Venedig nichts für sich herleiten, weilen man ihme weder gewichen noch gefolgt,
29
sondern gar den erssten plaz genohmmen.
thue. Gut unnd zu wunschen wehre es, wan ein mittel absque
6
praeiudicio der herrn churfurstenn in diesen sachenn zue finndenn, weilen
7
aber der Venetus noch zue keinem zue pringen gewesen, so kohme innen
8
ietzo kein beßers expediens vor, alß daß durch die herrn Kayserlichen die
9
Spanische dahin disponirt wurden, maßenn Ihre Hochfurstliche Gnaden in
10
discursu selbst vorgeschlagenn hettenn, damit der episcopus Bolducensis

44
Joseph de Bergaigne (siehe oben S. [82 Anm. 2] ), Bischof von Bois-le-Duc (Herzogenbusch),
45
Hauptstadt „du Brabant septentrional“ ( Chéruel II S. 123).

11
all incognito hereinkome; wolte er nachgehendts seinen einzug solenniter
12
haltenn, konndte solches zugleich mit dem conte Pinneranda zue deßen
13
ankunfft beschehenn, wie dan dergleichen in curia Romana wol brauchlich.
14
Underdeßenn gewinne man zeit, denn sachenn weitter

30
14 nachzudenckenn] Zusätzlich in DKurbayern K I, spA I: man erwartet ja auch täglich und
31
stündlich die Proposition.
nachzudenckenn,
15
unnd daß ein ieder an seinen hern principalen dieser wichtigen sachenn
16
halber schreibenn unnd sich behorlichen verhaltensbescheidts erholen konte.
17

32
17–19 Dan – nachzugeben] Laut DKurbayern K I, spA I noch damit begründet, daß
33
die Kurfürsten von etlich hundert jahren her im Besitz der praecedenz gegenüber Venedig
34
von rechts wegen und de facto bestendig sind unnd dargegen in contrarium sich
35
nicht einig praeiudicium erfindet; selbst als der Kaiser Venedig die Behandlung pro testa
36
coronata zugesichert hat, hat er den Kurfürsten durch ein sonderbahres rescriptum
37
doch ihren competirenden vorzueg verwahrt.
Dan wie der Venetus vorgebe, daß er instruirt, das geringste nicht zuzu-
18
laßenn, daß der republica zue praeiuditz gereichenn konnte, also wehren
19
sie die Churbayerische auch befelcht, nit nachzugeben,

38
19–20 was – mogte] Laut DKurbayern K I, spA I votiert Kurbayern kompromißloser:
39
Ist instruiert, dem Venezianer nur dann zu weichen, wenn er unmittelbar nach dem Nuntius
40
fährt und also auch die Khayserliche unnd Khönigliche respectu seiner tragender
41
mediation ihme plaz geben.
was den herrn chur-
20
fursten praeiudicirlich sein mogte.

42
113, 20–114, 7 Konnte – mogten] Randvermerk Haslangs in DKurbayern K I, spA I:
43
ainicher vorschlag dieser Art ist bereits vorhero von Wartenberg geäußert worden.
Konnte die absentirung der churfursten,
21
daß ihre carozzen nit schickten, also außgedeuttet werden, daß dadurch
22
die herrn churfursten sich keines praeiuditz zue befahren unnd dan Ihre
23
Kayserliche Maiestätt die herrn churfursten deßwegen schriftlich versicher-
24
ten, daß, was ietzo wegenn der tractaten vorginge, denn herrn churfursten

[p. 114] [scan. 238]


1
nicht praeiudicirlich sein

38
1 solte] Zusätzlich ist laut DKurbayern K I, spA I zuzusichern: Diese absentirung sei
39
erfolgt in bonum publicum, zu beforderung des fridens unnd respectu der Venetiani-
40
schen mediation sowie nicht als Präjudiz zu werten.
solte, der Venetus sich auch gegen dem herrenn
2
nuncio bestenndig erkhlerte, daß er durch dergleichenn actus nit intendirte
3
noch begehrte, denn herrn churfurstenn einiges praeiudicium zuzuefuegen,
4
unndt man per modum eines avißschreibens, welches an Ihre Hochfurst-
5
liche Gnaden der herr nuncius thette, alsolcher erkhlerung konnte ver-
6
sichert sein, so stunde zu erwartten, weßen sich die herrn churfursten nach
7
der innen hieruber beschehener relation erkhleren mogten. Sonsten habenn
8
finaliter dahin zu concludiren, die Kayserliche hetten die Spannischen zu
9
disponiren, daß der Bolducensis ob angedeutteter maßen vorerst all incognito
10
hereinkehme. Nachgehenndts habenn Ihre Hochfurstliche Gnaden die
11
Churbrandenburgische befragt, welche zue gewinnung zeit sich darauff
12
berueffen, daß wegen der Venetianischenn streittigkeit, darbey gespurter
13
intention unndt vermeindtlich vonn ime allegirter possession wol propo-
14
nirt unnd bereits votirt.

41
14–21 Eß – conservirte] Hinweise auf curia Romana und die letzte ksl. Konzession an
42
Venedig fehlen in DKurbayern K I, spA I.
Eß wehre dieses ein beschwerliche sache, nach-
15
demahlen die herrn churfursten in curia Romana unnd annderßwo, wie die
16
documenta unnd nachrichtungen außweißen, notorie in possessione weh-
17
renn, daß ietzo die Veneti einen alsolchenn unbegrundetenn streit movir-
18
ten; unnd nachdemalen die Veneti auf dasjenige, was sie am Kayserlichen
19
hoff erhalten, ihre quaestion erst angefangenn unnd fundirten, so hette man
20
wol bedachtsamb aufzumercken, wie man daß seinige und die wolher-
21
prachte praecedentz conservirte. Venetus reiicirte alle media unnd gedachte
22
nur seine vermeintlich allegirte possession zu manuteniren, die herrn chur-
23
fursten konten auch nichts nachgebenn, so innen praeiudicirlich. Damit
24
dann gleichwoll zue dem anbetroheten hinwegzug der Venetus nicht mogte
25
bewogen werden, so hette man auf ein medium zu gedencken; unndt damit
26
sowoll zue fernerem nachdencken unndt, weitteren bescheidts sich hieruber
27
einzueholenn, mehrere zeitt gewonnen werden mogte, wehren sie auch der
28
Churbayerischen meinung, daß die Kayserliche mit denn Spanischen von
29
innen angedeuteter maßen zu reden. Sie wehren sonnsten ihrestheilß auch
30
dahin instruirt unndt befelcht, daran zue sein, daß nichts vorgehe, welches
31
den herrn churfursten einiges praeiuditz gebehren mogte.

32
Warauff Ihre Hochfürstliche Gnaden, weßen sie sich mit den Churcolni-
33
schen beigeordtneten auch nach der vonn den Kayserlichen beschehener
34
proposition beredet gehabt, hinwiderumb angezeigt. Unnd wehre innen
35
eben daßjenig, was den Churbayerischen unndt -brandenburgischen zu
36
gemuth gangen, bey dieser materie vorkommenn. Eß scheine woll, daß der
37
Venetus alle mittell unndt practiquen gebrauchte, sich in allen actibus

[p. 115] [scan. 239]


1
inseparabiliter an die koniglichen zue halten.

25
1 Eß] Die Schilderung der nachfolgenden Episode und das kurkölnische Votum insgesamt
26
knapper in DKurbayern K I, spA I.
Eß hette sich bey einer alhie
2
gehaltener procession zuegetragen, daß Ihre Hochfürstliche Gnaden in
3
ihren bischofflichen paramentis das Venerabile ex ecclesia Sancti Lamberti

29
Vgl. zur Lage und Geschichte der Lambertikirche in Münster Geisberg VI S. 92–133, des
30
Doms ( gegründet 805) Geisberg V.

4
in dem thumb getragen, alwo sich auff dem chor in einer banck die beide
5
Frantzosische plenipotentiarii neben dem Veneto befundenn. Unnd alß sie
6
ihre paramenta episcopalia nach niedergesetztem Venerabili abgelegt unndt,
7
gleichwie es der herr nuncius apostolicus bey ebenn selbiger procession in
8
einer annderen kirchen gemacht, wiederumb nach ihrem quartier zu bege-
9
ben vorhabenns, die anwesennde gesandten von weitem begrueßet unnd
10
die escusa durch cavallieri thun laßen, daß sie wegen der in der procession
11
empfundener hitz ihre kleidung ennderen unnd nach hauß begebenn musten,
12
der Venetus besorgt gehabt, es hettenn sich Ihre Hochfürstliche Gnaden
13
oben ime bey die Frantzosenn wollen stellen, derentwegen er dan sich vest
14
ahn sie gesetzt unnd nachgehenndts habe sollen verlautten laßen, daß er
15
resolvirt gewesenn, Ihrer Hochfürstlichen Gnaden, wan sie kommen weren,
16
nit zu weichen und sich ahn die Frantzosenn zue halten; schiene also, daß
17
er in allem gern den vortheil fur die republicq suchte. Eß wurden sich aber
18
die herrn churfursten auß dero so woll beweißlicher unndt herprachter
19
possession bey ihrem klar scheinbahren rechten nit konnen noch wollen
20
setzen laßen. Zudeme hette man propter consequentiam nit allein in dieser
21
sachen auff

27
21 Venedig] Zusätzlich in DKurbayern K I, spA I: weilen es beide khonigreich
28
Cipern

36
Zypern stand von 1489 bis 1570 unter venezianischer Herrschaft. Im Vertrag mit der Pforte
37
vom 7. März 1573 gab Venedig zwar alle Ansprüche auf, hegte aber doch Pläne zur Wieder-
38
eroberung der Insel und stritt mit den Herzögen von Savoyen um den zyprischen Königstitel; dies
39
führte von 1633–1662 zum Abbruch der Beziehungen zwischen Venedig und Savoyen ( Hill
40
III S. 1037, 614, IV S. 40–57, C. J. Burckhardt III S. 390).
uund Candiam

41
Die Türken landeten am 24. Juni 1645 auf Kreta; Venedig wurde nur unzureichend unterstützt,
42
die Hauptstadt Kandia fiel 1669 ( Hemmerdinger Iliadou S. 604, Kretschmayr III
43
S. 315–320, Daru III S. 290, 341ff.).
hat.
Venedig daß absehen zu richten, weiln ratione regni Corsici
22
die Genuenses

31
Genua lag wegen Korsika mit den Königen von Aragon im Streit, die 1295 von Papst Bonifaz
32
VIII. mit der Insel belehnt worden waren; es behauptete sich 1568 im Besitz Korsikas ( Leo IV
33
S. 638, V S. 41–61, 643f., 622). Genua konnte mit den Reichs- und Kurfürsten um so eher in
34
Konkurrenz treten, als es wie Parma und Toscana zu denjenigen norditalienischen Staatsgebilden
35
gehörte, die für einzelne Lehen Reichsvasallen waren ( Noël S. 196 und ff.).
(welche noch kurtz die crön uff ihre wapffen assumirt) und
23
dan die Niederländische Veräinigte Provincien in Hollandt wegen ihres
24
unter ihnnen vor wenig jahren aufgerichteten coeremonialis und selbst-

[p. 116] [scan. 240]


1
äigenerweiße beschehener und angemaster

32
1 erhöhung] DKurbayern K I, spA I nennt noch Lucca

43
Vgl. zu dem Streben Luccas nach Selbständigkeit von der geistlichen Herrschaft des Bischofs und
44
des Papstes um 1640 Leo V S. 590, 637, Mancini S. 262f., Pastor 13, 2 S. 712f. Vgl.
45
auch Zwiedineck-Südenhorst I S. 223–225.
.
erhöhung

37
In der Resolution der Generalstaaten vom 26. November 1639 war der Rang der Vereinigten
38
Niederlande bei den Königreichen, der Republik Venedig und vor den Kurfürsten mit der Ab-
39
schüttelung der spanischen „Tyrannei“, dem Zusammenschluß der näheren Union und den Handels-
40
und diplomatischen Beziehungen zu bedeutenden Ländern und Völkern inner- und außerhalb
41
Europas begründet worden; man nahm für sich die hooghste souverainiteyt, overigheyt ende
42
absolute macht in Anspruch ( Heringa S. 552, 554, 319ff.).
wurden nachfolgen
2
und die herrn churfursten zurucksetzen wollen; derwegen man behuet-
3
samb, sorgfältig und wollbedächtiglich in diesem negotio zu verfahren.
4
Schwär falle es, weilen sowole die churfurstlichen alß der Venetus sich
5
auff ihre befelche beruffen, auß den sachen zu kommen. Solte man deß-
6
wegen zum offentlichen contrasto in actu aliquo kommen, so wurden die
7
churfurstlichen alß die stärckeste sich woll gegen den schwächesten manu-
8
teniren konnen. Wan dieser ietziger status und mediation nit wehre, möchte
9
leichter rhatt gefunden werden. Jetzo fiel dabey ein mehrers zu bedencken,
10
und machte es die sache schwerer, weiln der Venetus, wie es scheinet,
11
keine media annehmmen und sich inseparabiliter an die Frantzosen oder
12
Spanische halten wolle. Daß vor diesem in vorschlag gebrachtes medium,
13
der herrn mediatoren carozzen mögten auffeinander folgen, daßelb wehre
14
dem grafen von Naßaw und Spannien nit eingangen; derwegen dan woll
15
zu vermuthen, daß daruff nit starkh getrungen werde. Hetten sonsten von
16
vertraweten ohrt vernohmmen, daß der Venetus deßwegen an die respublica
17
geschrieben und circa finem huius mensis woll bescheidt haben könte.

18
Bey dem bedrohen, so er wegen seines hinwegreisens thete, mögte auch
19
noch woll einiger zweifell konnen gemacht werden, ob er so leichtlich
20
auffpacken und davonziehen wurde. Weilen aber in einem und anderen so
21
viel zu consideriren, so wehre man eben der meinung, zu gewinnung nach
22
mehrer zeit, daß die von den Churbayerischen und -brandenburgischen
23
wollbedachte underredungh mit den Spanischen die Kayserliche vornehm-
24
men undt sie deßwegen geburendt zu ersuchen, auch ein ieder seine princi-
25
palen unterdeßen von allem verlauff berichten mögte.

26
Nach alsolchem gemachten und beliebten schluß seint die herrn Kayßer-
27
lichen abgesandten widderumb hereinkommen.

33
27–28 Und – angezeigt] Ausführlicher in DKurbayern K I, spA I: weilen man
34
einer opinion gewessen, haben die Churcollnischen in nahmen der gesambten
35
curfürstlichen den Kayserlichen gesanden das von unß insgemein abgefaste votum
36
proponirt.
Und haben Ihre Hochfürst-
28
liche Gnaden ihnnen angezeigt, welchergestalt die churfürstlichen auß dero
29
beschehener proposition mit mehrem und der lengde nach verstanden, was
30
in der differentzsachen mit dem Veneto vorgangen und mit was sorgfalt
31
sich die herrn Kayßerliche die sachen hetten angelegen sein laßen […].

[p. 117] [scan. 241]


1

36
1–23 Wehre – dahero] Fehlt in DKurbayern K I, spA I.
Wehre es gnugsamb bekant, daß nach deme am Kayßerlichen hoff erhalte-
2
nen decret die Veneti ersten angefangen, den churfurstlichen die praece-
3
dentzstreitigkeit zu moviren. Es wehre zu wunschen, das mit dem decreto
4
eine solche veranlasung ihnnen nit gegeben und solches zuruckh- oder ihr
5
ius vorbehalten worden wehre, wie dan die herrn churfursten alsobaldt
6
umb dessen ihnnen unnachtheilige declaration einkommen, da der herrn
7
churfursten praecedentz vor Venedig so beweißlich und notori. Auff so ver-
8
scheidenes der herrn churfursten gezimmendes ansuchen wehre endtlich bey
9
Ihrer Hochfürstlichen Gnaden einzug alhie ein befelch an sie die Kayßerli-
10
chen gesandten kommen, das sie die churfurstlichen dem Veneto in allem
11
gleich halten und tractiren, auch daran sein solten, damit zwischen ihnnen
12
keine […] irrungen vorfallen mögten. Dieses wehre bißhero ohne Weite-
13
rung mit beiderseits satisfaction zugangen […]. Danken den Kaiserlichen
14
für ihre Vermittlungsvorschläge. Zu verwunderen seye es aber, das der Venetus
15
zu denn ihm vorgeschlagenen unpraeiudicirlichen mediis nach anderen
16
keinen sich verstehen wolle. Der herr nuncius hette selbsten woll iungsthin
17
davon anregung gethan, ob es nit dahin zu dirigiren, daß von allen anwe-
18
senden gesandtschafften die endtgegenschickung eingestelt und nur ein
19
ieder die seinige empfinge, wie er es dan anfanglich seinestheils gern gesehen
20
und all incognito hineinkommen wollen

42
Chigi war am 19. März 1644 in Münster eingetroffen und hatte Wohnung im Minoritenkloster
43
genommen ( Schulze S. 275ff., Pastor 14, 1 S. 75ff.).
. Eß hetten aber die anwesende
21
Kayßerliche und Venedische ihme die ehr gethan und mit ihren gutschen
22
empfangen laßen. Jetzo vermeinte der herr nuncius, eß wurde sich, was
23
er selbsten woll wünschen thete, nit woll practiziren lasen, dahero zu
24
vermuthen, es mogten nit allein den Frantzösen, sondern auch den Spani-
25
schen dieser vorschlag zuwidder sein, weiln ein ieder gern sehen und ver-
26
mutlich haben wolte, das den ihrigen die beschehene, andern und bißhero
27
bezeigte ehr auch widderfahren solte; mögte deßwegen woll nit undienlich
28
sein, wan die herrn Kayßerliche den Spanischen noch weiter etwas zu-
29
sprächen.

30
Daß zweyte medium hette der Venetus bereidts verworffen; und weilen er
31
sich auff die possession, den Spanischen oder Frantzößen nachzufahren, be-
32
ziehet und in den extremis zumahln bestunde, da doch die churfurstliche
33
contra Venetos viel anderst fundirt, so wehre dieses eine überauß schwere
34

37
34 sache] Zusätzlich in DKurbayern K I, spA I: Der Venezianer ist – wie der Spanier –
38
auch nicht mit dem mitl einverstanden, unmittelbar nach dem Nuntius und vor den König-
39
lichen
zu fahren, weil er solche ehr nicht acceptirn wolte. Nach Meinung des Nuntius
40
hat der Venezianer aber diß mitl seiner republic vorgeschlagen, kann jedoch wohl vor
41
Johanis

44
24. Juni 1645.
khein antwort darauff empfangen.
sache. Da sich Venedig und auch die Kurfürsten auf ihre Instruktionen beziehen, die
35
churfurstliche auch gegen ihre instruction und zum praeiuditz ihrer princi-

[p. 118] [scan. 242]


1
palen nicht thuen oder zulaßen konten und man in den extremis also behar-
2
ren wurde, so sähe man kein ander mittell, den besorgenden inconvenien-
3
tiis vorzukommen, alß das man noch etwas zeits in den sachen gewinnen
4
und dieserseits seine principalen von einem alsolchen verlauff umbstendig-
5
lich berichten und bescheidts erhollen könte; zu alwelchem endt die herrn
6
Kayßerliche ersucht wurden, die Spanische dahin zu disponiren, das, wie
7
vorhin gemeldet, der episcopus Bolducensis all incognito hineinzukommen
8
sich nit wolte zuwidder sein lasen. Solten die Spanische hierauff difficultet
9
machen, wehre ihnnen und anderen das zu moviren, daß die herrn chur-
10
furstliche ihrenthalben die notification der ihrigen ankunfft underlaßen und
11
daß sie sich also hinwidderumb auch mit einigen mittelen zu bequemen,
12

38
12–15 sonderlich – mogte] Fehlt in DKurbayern K I, spA I.
sonderlich weiln dadurch weiterung verhüten und es bey mehrerm nach-
13
dencken der sachen sich begeben könte, daß sie mit mehrer ehr empfangen
14
und eingeholt wurden, alß eben ietzo bey einem gleichsamb tumultuarisch-
15
vorhabendem einzug geschehen mogte; zudeme so wehren vielleicht die
16
herrn churfurstliche eben so hoch nit obligirt, den Spanischen endtgegen-
17
zuschicken, weiln ihnnen die ehr von denselben auch nit beschehen. Hiebey
18
ist auch von Ihr Hochfürstlichen Gnaden ausfuhrlich vorbracht worden,
19
was die Churbayerischen wegen der Kayßerlichen erklerung und eines von
20
des herrn nuncii beweißthumb und schein, das den herrn churfursten bey
21
diesen tractaten und conventu, da der Venetus mediator seye, kein actus
22
praeiudicirlich sein solte, in ihrem voto erwehnet und sie selbsten a part
23
mit den ihrigen sich underreddet gehabt; wobey dan der Venetus soviel
24
deweniger bedenckens haben solte, weiln der herr nuncius Ihrer Hochfürst-
25
lichen Gnaden und dem dhomprobsten von der Reck angedeutet hette, das
26
der Venetus nit begere, das einiger actus positivus alhie vorgehe, welcher
27
den herrn churfursten zum praeiuditz gereichen mögte. Zu Rom habe man
28
gute nachrichtung, das die herrn churfursten der republica vorgehen; das
29
allegirtes exempel (darauff sich der Venetus allem ansehen nach bey auß-
30
schlagung der vorbrachten mediorum beruffen thuet) wegen der Spani-
31
schen außpleiben und nitschickens werde in diesem puncto nit woll allegirt,
32
dan die Frantzösen per sententiam in curia Romana in possessione, und ob-
33
zwar in aula Caesaris die Spanische per declarationem Caesaris im reich
34
den Frantzoßen vorgehen mögten

39
Seinen Anspruch, Spanien in der Wiener Burgkapelle gleichberechtigt gegenüberzutreten, wahrte
40
der venezianische Gesandte 1622 durch die Abreise vom Kaiserhof, als Oñate ihn düpieren wollte.
41
Die Kassierung des ksl. Dekrets von 1637, das der Republik Venedig vor den Kurfürsten den
42
Vorrang eingeräumt hatte, verlangte das Kurkolleg auf dem Nürnberger Kurfürstentag von 1640
43
unter Androhung von Sanktionen ( Brockhaus S. 205).
, so ließen sich doch dieselbe darumb nit
35
von ihrer intention und praetendirten vorgang abweisen. Eß hetten am
36
Kayßerlichen hoff mit den herrn churfursten und churfurstlichen gesandten
37
ein weit andere beschaffenheit; in publicis conventibus in capella Caesaris

[p. 119] [scan. 243]


1
hetten die herrn churfursten ihre mit rothem sammet bekleidete sessiones,
2
welche stelle von dem paviment etwas uno gradu erhöhet, darin treten nit
3
allein die anwesende herrn churfursten, sondern auch dero principalen
4
gesandten. Den koniglichen gesandten, darbey der Venetus sich zu halten
5
gedächte, den wurde allein eine banck ohne erhöhung, mit einem Turcki-
6
schen tapetten bekleidet, in die mitte gesetzet; dieses wehre bey allen reichs-
7
tagen und -conventibus also von jahren zu jahren und noch anno 1636 und
8
1641 gehalten.

35
8–12 In – ausweißen] Fehlt in DKurbayern K I, spA I, wo auch statt der folgenden
36
Ausführungen nur ein kurzer Hinweis.
In capella privata Caesaris wehre vor etlichen jahren dem
9
Veneto und Florentino nach dem nuncio Apostolico zu Wien die stell assi-
10
gnirt, die herrn churfursten hetten sich aber daruber beschwert und begert,
11
man solte ihnnen ihren gebuhrlichen orth vor die ihrige auch alda vor an-
12
deren ausweißen. Anno 1636, alß Ihrer Hochfürstlichen Gnaden bischoff-
13
liche consecration in gegenwart hochstloblichen gedächtnis Kayßerlicher
14
Maiestät Ferdinandi 2. auff dem chor in cathedrali ecclesiae Ratisbonensis
15
geschehen

37
Wartenberg wurde am 29. November 1636 im Dom zu Regensburg von Bf. Albrecht V. von
38
Törring ( Hopf I 1 S. 46) zum Priester und kurz darauf vom Apostolischen Nuntius Malatesta
39
Baglioni zum Bischof geweiht ( Schwaiger S. 43, Forst S. XV).
, hetten die herrn churfursten und der abwesenden gesandten, alß
16
in specie der Churbrandenburgische herr graff von Schwartzenberg

40
Adam Gf. von Schwarzenberg (1584–1641), kurbrandenburgischer Geheimer Rat und Statt-
41
halter in der Mark Brandenburg, intimer Ratgeber des Kf. Georg Wilhelm von Brandenburg
42
( ADB 33 S. 779ff. , Jaeckel V S. 79f., Meinardus S. 1–58). Er trieb eine antischwedische,
43
ksl. orientierte Politik, die zu seinem Sturz beitrug ( Brockhaus S. 65–67, 75f.).
, vorn
17
her uff dem obergang gestanden und alle andere gesandten ihnnen ruck-
18
warts gewichen. Und wurden die Veneti gegen die churfurstlichen weder
19
zu Rom noch in aula Caesaris et imperio einige possession, sondern die herrn
20
churfursten gegen sie beweißlich allegiren konnen. Ersuchten derowegen
21
die anwesende churfurstliche die herrn Kayßerlichen, sie wolten in einer an
22
Ihre Kayßerliche Maiestätt und des gantzen reichs hochheit und respect mit
23
gereichender sache bey ihrer sorgfalt continuiren und vorersten die Spanische
24
dahin vermögen, das sie bey ihrem vorhabenden einzugh die sache nit un-
25
zeitig vulnerirten und ihrestheils verhueten helffen, damit keine weiterung
26
endtstehen und man allerseits in ruhe und ohne disgusto beyeinanderplei-
27
ben, zusammenkommen und den lieben, lang gewunscheten frieden schlies-
28
sen möchte.

29
Hierauf haben die Kayßerliche sich widder in ein ander zimmer begeben
30
und nach beschehener underreddung vernehmen laßen, sie hetten ihres-
31
theils, was bey dieser sachen vor verscheitene umbstendt und rationes vor-
32
bracht worden, angehort und bey sich, so viel die zeit erleiden konnen,
33
alles erwogen; funden, das es res tanti ponderis et momenti sey, warzu woll
34
ein mehrere zeit zu deliberiren erfordert wurde. Weilen sie gleichwoll

[p. 120] [scan. 244]


1
wegen der morgen abgehender post, damit man an gehorende orter aller-
2
seits der notturfft nach berichten könte, sich constringirt befunden, so
3
wolten sie auch kurtzlich die ihnnen ietzo beyfallende gedancken eroffnen.
4
I mo vernahmen sie auß der churfurstlichen erklerung, das es nit undienlich
5
erachtet wurde, bey dem herrn nuncio weitere instantias zu machen, das
6
das erste vorgeschlagenes mittel, keine gutschen hinfurter mehr entgegen-
7
zuschicken, mögte noch weiters bey dem herrn nuncio und Spanischen
8
urgirt werden.

36
8–13 Nun – anzuspinnen] Fehlt in DKurbayern K I, spA I ebenso wie der kritische
37
Hinweis 15–21 Eß – hinwegziehen].
Nun wolten sie solches zwar gern thun, nachdemahln sie
9
aber von dem herrn nuntio bereits vernommen, das die Frantzößen das-
10
selbe nit allein nit eingehen, sondern auch den Venetum davon abwendig
11
machen möchten, so hette man billig darin anzustehen und sich vorzu-
12
sehen, damit den Frantzosen kein gewunscheter praetextus gegeben wurde,
13
etwas gefharliches darunter anzuspinnen; bey den Spanischen getraweten
14
sie sich, es woll zu richten, dan sie selbsten wegen ihrer streitigkeit mit den
15
Frantzoßen dabey interessirt. Eß wurden aber die Frantzosen es eben
16
darumb soviel diemehr difficultiren, weiln sie muthmasen, daß diß medium
17
den Spanischen nit unannehmblich sein mögte. Bißhero were man in actu
18
contradictorio mit dem Veneto nit begriffen gewesen, sobalt es zu einer
19
alsolcher contradiction kommen solte, hette der Venetus bey dem herrn
20
nuncio sich vernehmen laßen, daß die sach dergestalt dardurch laedirt,
21
daß er nöthwendig muste hinwegziehen; dahero dan ietzo nach daß beste
22
medium wehre, einige zeit zu fernerer deliberation und bericht, auch be-
23
scheidtseinhollung zu

38
23 gewinnen] Danach folgt laut DKurbayern K I, spA I nur noch: damit die Ant-
39
worten
einlangen mögen, ehe der duc de Longueville unnd conte de Pigneranda, so
40
albereit underwegs, in die nahe anlangen.
gewinnen. Wolten derowegen mit den Spanischen
24
vorgeschlagenermasen weiters reden. Ob der Venetus, wie angedeut, umb
25
eine andtworth zu haben geschrieben und selbige zu endt dießes monats
26
haben konte, davon hetten sich nichts gehort, aber woll verstanden, das
27
ihme in hac materia zugeschrieben, er solte sich vorsehen und hueten,
28
indeme er derendts anderen dienete, das er der republica keinen undienst
29
dabey thete.

30
Nach diesem hatt es noch pro informatione et ulteriori consideratione der
31
sachen wichtigkeit nach hinc inde discursus geben, dabey sonderlich dieses
32
von den Churbayerischen movirt, das der herr nuncius selbst ihnnen gesagt
33
hette, es wurde dem Veneto nicht unangenehm sein, wan man de medio
34
aliquo könte bedacht sein, jetzo wolte er keines annehmmen und gleich-
35
samb ipsam quaestionem pro laesione et causa discessus annehmmen.

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