Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
Herr Director proponirt: Es seye ohne weittläuffige erzehlung denen
herren abgesandten, warum diese zusammenkunft angestellet, vorhin be-
kandt, nemblichen der herren cameralen ihrer salarien und anderer sachen
halben an gesambte stände des reichs abgelaßenes und gestriges tages per
dictaturam communicirtes schreiben
Schreiben vom 24. Juli/3. August 1647 ( Druck Meiern V S. 336–339 ).
nöthig, daßelbe zu verlesen, sondern wolle vielmehr die herren abgesandten,
daß sie sich mitt ihren gedancken darüber vernemen laßen, freundtlich
gebetten haben.
Bremen. Er habe angeregtes schreiben durchlesen und befunden, daß die
herren camerales zwar die ihnen in neulichkeit offerirte 3 ziehler acceptirt,
sich aber auch dabey beschwärt haben, daß mit erlag derselben ihre notturfft
noch nicht allerdings ersetzet sein werde. Schlagen derwegen neben der
Judencapitation (derethalben sie an Ihre Kayserliche Majestät zu schreiben
und, ob selbige ad effectum gebracht werden möchte, zu versuchen erbietig)
noch andere mittel vor und geben zu bedenckhen, ob nicht, wie vor zeitten
geschehen, ein neuer reichszoll auffzusetzen oder anderer stände zöll ohnver-
vermerckhter weiß zu steigern sein möchten. Über welche vorgeschlagene ex-
pedientia er zwar in specie nicht instruirt, zumahln es solche sachen, davon
biß dato nie nichts vorkommen seye, gleichwohl in genere deßen gewiß, daß
seine herren und oberen ratione teloniorum dahin, daß entweder ein neuer
reichszoll angestelt oder anderer stände zöll ersteigert werden, nicht schla-
gen werden, weiln es 1. res odiosae, 2. das Römische reich ohne das damit
überhäufft, die commercia 3. mehreres dadurch beschwärt, 4. große miß
bräuch daraus entstehen und denen ständen, welche gern ihre zöll erhöhet
sehen, der weg dadurch gebahnt, hingegen der justiti und denen herren
cameralibus wenig damitt gedienet sein würde. Demnach were denen herren
cameralibus die antwortt ohngefehrlich dahin zu ertheilen, man hette in
bewilligung der 2 ziehler soviel, als bey jetzigen schwären kriegsläufften und
zeitten immer möglich gewesen, gethan. Was aber übrige expedientia an-
lange, wolte man künfftiger zeitt darauff, daß einiger mangel diß orths nicht
erscheine, bedacht sein, möchten also so lang in ruhe zu stehen und, sich zu
gedulden, gebetten sein.
Eßlingen per Lindau. Es hette mit deme, daß die herren camerales die 3
ziehler acceptirt, insoweitt, wann sie erlegt werden köndten, seine richtig-
keit,
Kayserlichen Majestät selbsten, weiln es sonsten damit anstehen dörffte,
erinnerung einwenden mögen, wohl zuzugeben und die verhoffende gewüh
rige resolution zu gönnen. Was sie aber auff den fall der insufficienz mit auff-
richtung eines neuen reichszolls oder erhöhung anderer zölle noch weitter
vorschlagen, seyen solche sachen, darauff vermuthlich niemandt instruirt
sein werde. Und weiln er befinde, daß man über die Steigerung der zölle
hiebevor geclagt, würde solches, wann es jetzundt bewilliget werden solte,
gantz contrari scheinen und wider sich selbsten lauffen. Conformire sich also
auch mit Bremen.
Memmingen . Laße es bey hiebevoriger seiner meinung, daß seine herren
und oberen dißfalls, was ihnen nur möglich, zu thun nicht ermanglen
werden. Wegen übriger vorschläg aber bey den majoribus verbleiben.
Herr Director . Er habe zu gewinnung der zeitt seine gedanckhen in forma
conclusi zu papyr gebracht, stelle zu der herren abgesandten belieben, ob sie,
was sie dabey zu erinnern haben möchten, ohnbeschwert eröffnen wolten.
Weiln nun das verlesene concept von denenselben ohne einige erinnerung
beliebt und für angewandte mühe und befürderung des geschäffts danckh
gesaget worden, alß volgt hiebey deßelben innhalt.
Conclusum. Auff die von dem hochlöblichen Kayserlichen und des heyligen
Römischen reichs cammergericht zu Speyer wegen ohnfehlbarer erlegung
der zu underhaltung deßelben auff umstehende Franckhforter herbstmeß ver-
willigten termin sub dato des 24. Julii nächsthin begehrte notification- und
erinnerungsschreiben, kann man vorderst ohnangeregt nicht laßen, daß,
gleichwie an seitten der erbaren frey- und reichsstätte auß kundtbarem
derenselben ohnvermögen bey jetzigen höchstbedaurlichen läufften und aller
orthen darnider liegenden commercien einige verwilligung zu dreyen ter-
minen niemahlen geschehen, sondern derenselben verschiedenlich gethane
hochdringliche erinnerungen wegen underblibener sonsten gewohnlicher
re- et correlation in abgelaßenem antworttschreiben allerdings beyseitt ge-
setzt und übergangen worden, also auch vormahls eingewandte contradictio
wohl hiernechst, wann es zum zahlen ankombt, erhohlet werden dörffte,
zum fall vermittelst würcklicher ein- und abstellung der auff dem Rhein biß
her verübter arresten und repressalien deren ohnentbärlichen commercien
kein mehrere securitet und freyheit gegeben und denen erbaren stätten
sowohl als den höheren ständen schleunige justitia administriret werden
solte. Nächst diesem, die von wohlermeltem cammergericht begehrte notifi
cations- und erinnerungsschreiben concernirend, were zwar wohl zu wün
schen, daß der anerbottene beytrag gegen dem ptennigmeister ohne einige
exception und fehler werckhstellig gemacht werden köndte. Nachdem aber
die verwilligung in consideration jetzigen der stände zustandes anderst nicht
denn cum expressa conditione possibilitatis geschehen, selbige auch sowohl
durch anwesende der stände gesandtschafften als vermittelst des an ihre zu
Speyer habende procuratores dem 21. Julii nechsthin deretwegen insonder-
heit ergangenen cameralischen decrets aller orthen zu genügen bereits notifi-
cirt, bey denen ohnvermöglichen aber auch die allerschärffste und beweg-
lichste erinnerungsschreiben von keinem effect sein würden, alß wolte man der
ohnvorgreifflichen meinung sein, daß dieselben noch zur zeitt wohl auf sich
verbleiben und die herren camerales deretwegen zu ruhe gewisen werden
köndten.
Was fürs ander, die von denen herren cameralibus neben der Judencapitation
vorgeschlagene extraordinari mittel anlangt, will sich, was von anordtnung
eines neuen reichszolls oder Steigerung der im reich hin und wider bereits
auffgerichteten zöll und accisen gemeldet ist, der zeit umb soviel weniger
practiciren laßen, weiln menniglich bekandt, daß der zöll im reich vorhin
soviel, daß darüber nicht allein die commercia, sondern auch der höheren
stände cammergefäll in merckhlichen abgang und schmälerung gerathen und
man eben der ursachen halben, wie solchem ohngemach zu remediren und
die nach und nach ohnzimlicher weiß eingeschlichene neue zöll zusambt der
alten ohnbefuegten erhöhung abzustellen und dagegen die dadurch eußerst
beschwärdte commercia sowohl alß dahero rührende der höheren stände
intraden, in vorigen flor zu bringen, in vollem werck begriffen seye.
Auff übrige in angeregtem, deß heyligen reichs deputirten nach Franckhfort
überschickhtem guthachten enthaltene expedientia will man sich 3., wann ver-
mittelst gewohnlicher dictatur oder in andere weg, vorderst communication
davon geschehen seind wirdt, der gebuhr nicht weniger vernemen, biß
dorthin aber zustehendes votum eingestelt sein laßen.
Und weiln 4. die herren camerales dafür halten, daß um angeführter ursach
willen vormahls erregtes medium sportularum et poenae temere litigantium
aut revisionem petentium sich der zeitt nicht introduciren und einführen
laßen, sondern ein mehreres nachdenckhen requiriren wolle, alß läßt man es
ebener gestalt dahin gestelt sein und haltet dafür, daß sich zu anderer mehr
bequemerer zeitt mit beßerem effect davon judiciren und etwas gewißes
deretwegen statuiren laßen werde.
Der angewandten depositorum halben kann man sich 5. mit beeder höherer
collegiorum gefallenden guthachten deßto leichter conformiren, weiln, ob
die erbaren stätt sich dabey sonderlich interessirt befinden, ohnbekandt.
In puncto petitae securitatis will man 6., die stättischen theils toties quoties
eröffnete bedenckhen anhero repetirt und daselbst beschehene vorschläge in
das werckh zue richten, auch in namen der höchstbedrängten statt Speyer zum
fleißigsten gebetten haben.
Die erforderte ersetzung vacirender assessoratstellen wirdt sich 7. mit ver-
mehrung der intraden und einkommen von selbsten ergeben und leichtlich
effectuiren laßen. Was schließlich und zum 8. die im postscripto geclagte ver-
werffung der cameralischen päß betrifft und anlangt, weiln selbige nicht
allein der ertheilten Frantzösischen salva guardi e diametro zuwider, sondern
auch zu abbruch der stände jurium und herbringen in consequentiam gereichet,
alß haltet man eine ohnumbgängliche nothwendigkeit zu sein, daß solche
neuerliche begegnus denen königlichen Frantzösischen herren plenipotenti-
ariis zu Münster per deputatos auß allen dreyen reichscollegiis clagendt vor-
gebracht und, daß sie zu abstellung derselben zulängliche vorsehung gehöriger
orthen fürderlichst thun wolten, beweglichst zuzusprechen sein werde.
Nächst diesem, ist von dem herrn Directore incidenter bericht geschehen,
daß die statt Herforth für die ihro von dem erbaren stätt collegio an herrn
general Königsmarck
Hans Christoph Graf von Königsmarck (1600–1663), 1620 Rittmeister in ksl. Dienst, 1626
Major in schwedischem Dienst, 1632 Oberstleutnant, 1640 Generalmajor, 1644 Generalleutnant,
1646 General der Kavallerie und Gouverneur der Stifter Bremen und Verden (G. Hesekiel:
Nachrichten zur Geschichte des Geschlechts der Grafen Königsmarck. 1854; ADB XVI
S. 528–530 ; SMK IV S. 392; APK 13908–13912; S. Stolpe S. 18f, 23; APW [II C 2 S. 85 Anm. 2] ; APW [II C 3 S. 344 Anm. 7] ).
Das hier erwähnte Schreiben steht wohl im Zusammenhang mit dem Feldzug Königsmarcks im
westfälischen Raum, in dem die Festung Fürstenau erobert (A. Schröder: Geschichte der Stadt
Fürstenau. 1951), die Vereinigung mit dem hessischen Generalmajor Rabenhaupt (vgl. ADB
XXVII S. 85–7 zur Belagerung von Warendorf und anderer Plätze vollzogen und die Ausein-
andersetzung mit der ksl. Armee unter Lamboy vorbereitet wurde (vgl. Meiern IV S. 691 , 743).
danckht, zu allen dancknemigen bezeigungen sich hinwiderumb anerbotten
und alles fleißes gebetten habe, sich ihrer, da etwas, so sie in particulari con-
cernirte, vorfallen solte, noch ferners mitt gleichmäßigem eiffer anzunem-
men und sie ohnbeschwärt zu berichten, was für eine antwortt von Königs
marck einkommen möchte.
Schließlichen referirten der herr Bremische und Memmingische abge-
sandte, welcher gestalt sie am vergangenen sontag das von dem herrn Eß
lingischen bey einem erbaren stätt collegio eingebrachtes und löbliche statt
Kempten betreffendes memorial dem Churmaintzischen abgesandten, herrn
Dr. Krebßen, bestes fleißes recommendirt und von demselben, daß er es sei-
nen herren collegis zu Münster ehist communiciren und sowohl ad publicam
dictaturam als gewohnliche reichsconsultation befürdern wolte, guthe ver
tröstung bekommen hetten.