Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
Straßburgisches Directorium. Demnach von Münster sicherer nachricht
einkommen, daß die daselbstige chur- und fürstliche in den consultationen
über der anderen class Schwedischer replic fortzuschreiten, die re- und cor-
relation aber allererst nach dero sambtlichen erörterung fortgehen zu laßen,
sich per majora entschloßen haben, so seye auch an diesem ort davon
eventualiter zu reden, ob man sich mit ihnen conformiren, oder aber, auff
hiebevor gefaßte resolution, daß vor allen dingen super prima classe re- und
correferirt werden solle, bestehen wolle? Seines theils müße er bekennen,
daß utrinque zimliche rationes obhanden. Für die zu Münster militiren, daß
selber modus 1. zu beförderung der consultationen, 2. zu erspahrung mühe
und fastidien, 3. auch darzu diene, daß bey denen confoederirten cronen,
welche deßwegen per herrn Stengel et Milonium
Jérémias Jacques Stenglin, Sekretär und Dolmetscher Longuevilles, später Neuenburger Kanzler,
neben Dr. Heider geschäftsführender Vertreter des Baseler Bürgermeister Wettstein während
dessen Abwesenheit (APW [III A 1,1 S. 411] ). Ob er mit Jérémias Jacques Stenglin (1589–
1645), dem schwedenfreundlichen augsburgischen Stadtpfleger, verwandt war, ist unklar (P. v.
Stetten II S. 649f.).– Matthias Mylonius (1607–1671), 1646 nobilitiert: Biörenklou (Biörne
klou), Lehrer Magnus de la Gardies, Professor der Rhetorik in Uppsala, diplomatisch tätig seit
1636, 1640 kgl. schwedischer Kanzleisekretär, 1643–1647 Legationssekretär bei den schwedischen
Gesandten in Osnabrück, Nachfolger von Rosenhane als Resident in Münster, 1653 Hofrat (J. L.
Walther S. 27–30; Bildnisse I S. 12; G. Elgenstierna I S. 411f.; C. Th. Odhner
S. 116; APK 2210–2213; SMK I S. 324f.).
laßen, durch gratification dankh verdienet und 4., da man gleich sich abzu-
sondern vermeinen wollte, solches doch, weiln die zu Münster sich albereit
eines andren per majora verglichen, umbsonst und vergeblich sein würde.
Deßen gleichwol ungeachtet laßen die alhiesige evangelische fürstliche ihnen
den lezten modum belieben, und halte er dafür, daß diese meinung auff
solchen fundamenten bestehe, die im nachdenken den stich viel beßer halten.
Dann 1. könne von vorigem schluß, daß über eine jede classem nicht allein
deliberation, sondern auch re- und correlation absonderlich zu pflegen,
absque inconstantiae nota nicht abgesprungen werden. 2. Seye vornemlich
zu besorgen, daß, nachdem die ständ alle classes zugleich werden durchloffen
und ihre darüber gefaßte gutachten eröffnet haben, die Kayser- und könig
liche herren plenipotentiarii den punctum satisfactionis, als daran ihnen am
meisten gelegen, heraußnehmen und denen ständen in puncto amnistiae,
restitutionis, jurium, gravaminum, justitiae et commerciorum das nachsehen
laßen möchten. 3. So werdens die confoederirte cronen so hoch nicht achten,
ob gleich auf der vorigen resolution sollte bestanden werden, weiln auch
Monsieur de la Barde ihme solche vorhin selbsten nicht hat mißlieben laßen.
4. Seye der fürsten und stände deputirte am verschienenen sambstag erst wol
2 stunden bey denen Schwedischen herren plenipotentiariis gewesen, von
diesem begehren aber im geringsten nichts vorkommen, welches doch,
wann denen Schwedischen daran sonderlich gelegen, gewißlich nicht unter-
blieben were
Vgl. J. Oxenstierna und Salvius an Kgin. Christine APW [II C 2 nr. 53 S. 163–169] .
selbsten darauf so hoch nicht dringen, genugsam erscheine, so seye 5. nicht
zu zweifeln, daß es allein der catholischen und sonderlich eines bekannten
invention, damit die cronen durch erörtterung puncti satisfactionis möchten
abgewiesen, etliche occupata reciproce behalten, und prima classis, welche
denen catholicis ohne das ein dorn im aug, auf andere gelegenheit außgesezt
werden möchte. 6. Wird die re- und correlatio, da sie über alle 4 classes
zugleich geschehen sollte, wegen weitleufftigkeit und unterschied der materi
ohne confusion schwerlich abgehen. 7. Weiln auch punctus amnistiae noch
indecisus, catholici auf den majoribus bestehen, denen evangelischen aber
ihre zeitliche und ewige wolfahrt daran gelegen, were ja höchstgefährlich,
wann man weiter schreiten und in dubio laßen wolte, was sowol von den
catholischen ständen als denen Kayserlichen herrn plenipotentiariis, an
denen nunmehr die handlung hierinnen zu hoffen stehen möchte. Bleibe
derowegen dabey, daß ehe man wiße, wie man bey der ersten class mit denen
catholischen daran, welches auß re- und correlation erhellen werde, die deli-
berationes super ceteris einzustellen seyn. Sollten aber hernach die catholici
davor halten, daß man die drey übrige classes zusammen nehmen und auf
eine re- und correlation versparen solle, werde man alßdann leichtlich
können gratificiren.
Eßlingen. Habe die von dem löblichen directorio vorgetragene quaestion
zusambt denen in utramque partem eingeführten argumenten, wol einge-
nommen und ihm, was pro re- und correlatione super prima classe separatim
instituenda angezogen worden, sonderlich gefallen laßen. Zweifle nicht,
daß selber modus für den richtigsten, besten und wegesten zu halten. Weil
aber herr Salvius dieser tagen zu verstehen geben, daß ihnen zwar solcher
modus, wegen guten vertrauens, das sie in die stände sezen, und weiln der
krieg ursprünglich nicht wegen der cronen satisfaction, sondern wegen des
reichs innerlicher und in prima classe begriffener beschwerden angefangen
worden
Salvius bezog sich hier auf jenen Passus im Prooemium der schwedischen Replik, wo behauptet
wurde, Kg. Gustav Adolf sei den Reichsständen notgedrungen zu Hilfe geeilt ( Meiern II S. 192 ).
Gustav Adolf selbst hatte verschiedentlich betont, nicht gegen das Reich und seine Verfassung, son-
dern für ihre Erhaltung Krieg zu führen (G. Droysen, Schriftstücke S. 7–9, 12, 18, 91–93;
J. Kretzschmar, Gustav Adolfs Pläne nr. 15 S. 374; Begründung für Kriegseintritt Londorp
IV S. 73–77; vgl. auch APW [III A 1,1 S. 467 Anm. 1] ).
sich umb den anderen modum also inständig alhier beworben, schwerlich zu
erhalten, insonderheit weiln sich die Münsterischen stände zur ergreifung
solcher meinung albereit haben bewegen laßen, so besorge er, daß wir uns
umbsonst opiniatriren und anstatt des guten intents allein schimpff erhalten
möchten. Derowegen zu erwarten were, wohin die fürstliche alhie eigentlich
incliniren möchten, umb denenselben beyfall zu geben
Vgl. FR Osnabrück 13. Sitzung vom 13. Februar 1646 ( Meiern II S. 380–387), 14. Sitzung
vom 18. Februar ( ebd. S. 387–396).
Bremen. Die rationes, welche pro dilatione deliberationum biß super prima
classe re- et correlatio beschehen, wol eingewendet worden, praeponderiren,
weiln bekannt, aus was ursachen die Französische, welche auch mit dem
Bavaro bißher deßhalben unter einer dekh gelegen, auf den andern modum
so sehr dringen, da doch solcher evangelicis zu höchstem praejudiz gerei-
chen würde, in dem die Kayserlichen, da man alle 4 classes liese zusammen
kommen, was ihnen beliebt, würden herauß nehmen und den rest anderst-
wohin verweisen. Vergleiche sich derowegen mit dem herrn directore,
sonderlich auch in dem, daß, nachdem die erste classis richtig, hernacher
die übrige 3 classes miteinander deliberirt und re- und correferirt werden.
Über die zu Münster in contrarium gefallene conclusa haben wir uns nicht zu
verwundern, weiln catholici daselbst in allen collegiis die majora machen, so
man aber in diesem stukh so wenig als in puncto amnistiae müße attendiren.
Die Schwedische haben zwar den Monsieur d’Avaux auf seiner meinung
laßen müssen, werden aber selbige, wie von Heßen Darmbstatt und
Mechelnburg berichtet worden, weiter nicht urgiren, sondern ihnen die
unsrige gerne belieben laßen. Erholet diß sein votum auch nomine Lübekh
suo loco et ordine.
Lindau. Diese quaestio seye von großer wichtigkeit und treffe sonderlich
die stätte an. Leztere rationes aber, daß super prima classe, ehe man zu
ferneren consultationen schreitet, referirt werden solle, schlagen der andern
weit vor, dahero sie auch von denen fürstlichen zweifelsfrey werden beob-
achtet werden, daß also die stätte davon keines wegs zu weichen haben,
sonderlich weiln, wie iezo berichtet worden, die herren Schwedische ihnen
solche auch nicht zuwider sein laßen. Dafern auch nachmaln die drey leztere
classes zusammen und in einer re- und correlation zusammengefaßt würden,
fielen die pro contraria sententia allegirte rationes miteinander dahin und
könne zeit und mühe, einen weg wie den andern ersparet werden. Were gut,
wann man bey denen Schwedischen unterbauen könnte.
Herford. Die frag seye pro et contra wol perpendirt, finde aber auch, daß
man sich aus dem auf der Französischen einrathen zu Münster placitirten
modo evangelischer seiten großen praejudiz zu befahren und deßwegen auff
dem ersten zu beharren habe. Allein seye daran gelegen, wie die cronen auch
darzu können bewogen werden, sonderlich die cron Franckreich, weiln es
wegen Schweden und dero vormaligen erklärungen verhoffentlich nicht
werde noth haben.
Conclusum. Man solle auf vorigem modo womöglich verharren, re- und
correlation über der ersten class laßen vorgehen, umb zu sehen, weßen man
sich zu denen catholischen und Kayserlichen dabey zu versehen, folgendts
auf der übrigen gutbefindung die 3 restirende classes zusammen nehmen.
Secundo:
Directorium. Seye lezthin von dem fürstlichen Brandenburgisch Culm-
bachischen herrn abgesanden ein schreiben an der evangelischen stände
alhier anwesende gesandtschafften umb promotorial oder vielmehr inter-
cessional schreiben an die königliche majestät in Polen
Wladislaw IV. Vasa (1595–1648), Kg. v. Polen (seit 1632), vgl. auch [S. 223 Anm. 4] .
mitbelehnung des herzogthumbs Preußen, item noch andere memorialia ein-
kommen, welche die restitution der vestung Wilzburg, Kizingen closter und
statt wie auch die ecclesiastica der graf- und herrschafft Schwarzenberg
betreffend, deßwegen man sich auf allen fall zu resolviren, was dabey zu thun
sein wolle
Die verschiedenen Schreiben Johann Müllers in Meiern II S. 811–820. Wilzburg, Feste im
Fürstentum Ansbach; das Nonnenkloster Kitzingen, oberhalb Würzburg gelegen, war 1629 an
Würzburg gefallen; Grafschaft Schwarzenberg (Maingebiet).
Er halte bey dem ersten davor, daß, dieweiln dergleichen auch an chur- und
fürstliche collegia abgangen, denenselben nicht vorgegriffen, sondern auff
ihre resolutiones gewartet und, weiln solche zweifelsohne willfährig zu
hoffen, denenselben als dann beyfall gegeben werden solle.
Wegen der übrigen könne man, propter interesse religionis und weiln sie
allererst anno 1629 depossessionirt worden, wie anderer häuser restitution
nominetenus begehren und auff ihre eigene memorialia referiren.
Caeteri omnes conformiren sich.
Conclusum. Solle iezt erzehlter maßen gehalten werden.
Tertio.
Directorium. Der Dortmundische herr abgesande habe ein memorial
hinterlaßen , betreffend militaria, beklage sich der starkhen guarnison und
anderer kriegsbeschwerden, deßwegen dieses collegium bey denen höheren
unterbauen und also intercessionales an die generalitet des Westphälischen
craißes außwürcken solle. Seines theils halte er dafür, man werde sich
schwerlich darzu verstehen können, weiln es nicht styli, sondern vielmehr
ihme an die hand zu geben habe, daß er bey denen höhern collegiis selbsten
einkomme und sich alsdann der stättischen assistenz, so viel möglich, ver-
sichere, solches werde nicht allein zu verhütung unglimpffs dienen, sondern
auch einen beßern nachdrukh haben, wiewol an dem lezteren nichts desto
minder sehr zu zweiffeln, weiln bekannt, daß der herr graf von Trautmans-
dorff dergleichen intercessionales an obbemelde generalitet bereit ertheilet
und gleichwol damit nichts außgerichtet habe.
Eß l ingen. Möchte gern ein expediens sehen, dardurch denen afligirten
ständen zu helffen were, Nördlingen und Eßlingen seyens nicht weniger
benöhtiget; habe aber erfahren, daß alle intercessionales umbsonst seyen,
doch wolle der Dortmundische ein solches mittel versuchen, möge ers thun,
solle ihm secundiren.
Bremen. Idem.
Lindau. Liege mit Dortmund in einem spital krankh, man müße ihn ad
stylum ordinarium weisen, daß er seine memorialia an alle 3 collegia richte.
Herford. Idem. Zweifelt aber an der würkung, weiln die statt Dortmund
hiebevor intercessionales et rescripta Imperatoris erhalten, so dannoch nichts
haben verfangen mögen.
Conclusum. Solle an alle drey collegia verwiesen und von diesem secundirt
werden.