Acta Pacis Westphalicae III A 4,1 : Die Beratungen der katholischen Stände, 1. Teil: 1645 - 1647 / Fritz Wolff unter Mitwirkung von Hildburg Schmidt-von Essen
66. Konferenz der Deputierten der katholischen und der evangelischen Stände.Dritte Sitzung Münster 1646 November 21 (nachmittags)
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Münster 1646 November 21 (nachmittags)
Kurmainz A Fasz. 13 = Druckvorlage; damit identisch Bamberg A I fol. 813’–820, Kur-
mainz A Fasz. 14. Vgl. ferner Österreich A II WFr XXXVI fol. 78–78’.
Fortsetzung der Beratungen über Art. 4–8 der protestantischen Erklärung vom 24. August 1646
( Rechte und Pflichten der Bischöfe und Stiftsinhaber ). Abbruch der Verhandlungen.
Im Bischofshof. Katholische Deputierte: Augsburg (Stadt), Konstanz, Kurköln, Kurmainz ( Rai-
gersperger , Bram), Österreich, Prälaten; evangelische Deputierte: Hessen-Kassel, Regensburg
(Stadt), Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg, Straßburg (Stadt), Wetterauische Grafen, Würt
temberg .
Kurmainz. Heut vormittagiger veranlaßung zufolg wolle man die folgende
articuln zu durchgehen ahn handt nehmen, und erstlich den 4 ten anbelan-
gend , wehren die darin vermeldete statuta nur allein uf die stieffter und geist-
liche güeter, so ihnen (den Augspurgischen confessionsverwanthen) ver-
pleiben sollen, restrictive zu verstehen, wie dan auch pro secundo soweith
dieselbe dem Paßawischen vertrag und religionfrieden gemeß seyen.
Ad art. 5 tum . Erstlich quoad menses Papales erclären sich die catholische
dahin, das selbige menses wie auch collationes, indulta etc. ahn allen denen
örttern verpleiben sollen, da sie anno etc. 1624 noch in usu geweßen, im
uberigen solle der terminus nit a tempore vocationis, sed a die notitiae
secundum concordata Germaniae anfangen zue lauffen. 2º die annaten be-
langend , weiln man davorgehalten, daß die catholische dießfals nit deterioris
conditionis sein sollen alß die herrn Augspurgische confessionsverwandten,
könten sie sich von erlegung der annaten nit weniger alß die catholische
eximiren, wolten sie dann der Päbstlichen Heyligkeidt damit nit ahn handt
gehen, so mögten sie eß der Kayserlichen Mayestät entrichten. Drittens
wegen der precum primariarum hilten es die catholische davor, daß die
Kayserliche Mayestät zue praesendirung gewießer persohnen nit zu astrin-
girn , sondern solches deroselben beliebiger disposition ohne maßgebung
ahnheimb zu laßen wehre.
Ad art. 6. seye man in deme einig: 1º daß sie ihre electiones und postula-
tiones innerhalb iahrsfrist ahm Kayserlichen hoff zu notificiren und bey der
lehen empfahung die gewohnliche tax zu erlegen sich erbietig machen, 2º
daß sie zu den crayßtägen beschrieben werden, und 3º sich mit dem titul
„erwöhlter“ oder „postulirter zum ertz- oder bischthumben“ sich conten-
tiren lasßen wollen.
In deme aber seye man noch discrepant: 1º daß sie ahnstatt des indulti
investituram directam und secundo die session in loco ante mutatam reli-
gionem usitato begehren, und waß 3 tio wegen beylegung der differentien
zwischen Saltzburg und Magdeburg annectirt worden
Die evangelische Erklärung vom 24. August 1646 forderte in allgemeiner Formulierung die
sofortige Beilegung der Differenzen zwischen Salzburg und Magdeburg (vgl. Meiern III S. 233 ).
indultum ihnen ebendaßselbig gebe, waß die investitur, so hielte man catho-
lischentheils davor, sie könten dabey wohl acquiesciren. 2 do sessio et votum
in loco antiquo könne ihnen darumb nit gestattet werden, weilen man sie
vor keine geistliche halten oder erkehnen könne. 3 tio zwischen Saltzburg
und Magdeburg wuste man sich catholischentheils keiner differentien zu
erinneren, dannenhero billig, daß Saltzburg bey seiner herbrachten posses-
sion gelasßen werde.
Ad art. 7. befinde sich, daß die Augspurgische confessionsverwandten eine
reciprocation setzen, gestalt den numerum canonicorum in denen stieffteren,
dahe beederseits religionen sich anno etc. 1624 permixtim gefunden, aequa-
liter in eadem utrimque quantitate zu continuiren, wie eß anno etc. 1624
gewesßen. Solches aber könte man catholischentheils nicht nachgeben, und
dieweillen selbiger stieffter nit viell wehren, wurd begehrt, sie wolten
selbige specificiren, damit man desto besßer in specie sich darauff erklähren
könte.
Ad art. 8. Daß ein ertz-, bischoff oder praelat nit mehr alß 1, 2 oder zum hoch-
sten 3 stieffter haben solle, darahn konne man sich catholischentheils nit bin-
den lasßen, sonderen ließe man es bey dem iure canonico undt Pabstlicher dis-
pensation pillig bewenden; die Augspurgische confessionsverwandten aber
mögten in denen stieffteren, so ihnen verbleiben werden, ihres beliebens
dießfahls disponiren, hetten auch also den catholischen hierunder keine
maeß vorzuschreiben.
Sachsen-Altenburg. Quoad hunc punctum de pluralitate beneficiorum
replicirten, die Schweden wehren hierinnen mit ihnen nit einig, sonderen
hetten ihnen noch gesteren zu verstehen geben, daß ein geistlicher nit mehr
alß ein beneficium haben muste, ihre rationes wehren, weilen solches dem
iure divino und reichsconstitutionibus directe zuwieder, dan daß ius divinum
verordnete, quod alteri suum aufferre non licet, die stieffter aber seyen nit
nur uff ein geschlecht oder persohn, sonderen iedeß uff seine besonderen
vorfaheren fundirt, zumahlen derselb, welcher deren mehr alß eines besitzt-
anderen soviell hinwegnimbt, gegen die reichsconstitutiones wehre es dart
umb, weiln ein iedweder in comitiis sein absonderliches votum führen, ni,
aber so viel vota zugleich in einer persohn cumulirt werden sollen.
Hierauff wurden sie gefragt, warumb dan die Schweden so viell stieffter uff
einmahl und doch zugleich alle vota begehren thetten? Undt ließ mans
catholischentheils bey voriger erklerung bewenden.
Illi haben hierauff einen abtritt genohmen et reversi proposuerunt, hetten
die puncta, darinen man einig, wie auch darinen man noch different wehre,
vernohmmen, wehre aber eben daßselbig, waß in der catholischen letzteren
den herrn Keyserlichen ubergebenen bedencken enthalten, so sie zugleich
producirten
Gemeint ist die katholische Erklärung vom 17. September 1646, die den Protestanten nur
mündlich mitgeteilt worden war (vgl. Meiern III S. 352 ).
Kurmainz. Fragte, woher ihnen solches bedencken zu handen kohmmen?
Sachsen-Altenburg. Respondebant, hetten es fortuito bekohmmen
also nit nötig, weiter vorzugehen, wan wir eben in den termino selbigen
bedenckens verbleiben wolten. Interim geben ahnstatt der resolution zu
vernehmen, daß die evangelische sich zu den annaten nit verstehen wurden;
anbelangendt die preces primarias konten sie ebenergestalt nit darinwilligen,
die Keyserlichen herrn gesandten wurdens auch nit begehren.
Kurmainz. Ließen solches der Keyserlichen Mayestät anheimbgestelt sein.
Sachsen-Altenburg. Fragten, warumb ihr bischöffe nit ebensowohl solten
investirt werden alß die catholische bischove?
Kurmainz. Weillen Keyserliche Mayestät solches ratione concordatorum
Germaniae nit thuen könte.
Sachsen-Altenburg. Sie bekenneten sich nit zu selbigen concordatis.
Kurmainz. So bekenneten sich doch Ihre Mayestät darzue.
Sachsen-Altenburg. Sessio in loco 3 tio seye ihnen ein großer schimpff,
alß wan sie indigni wehren, bey anderen ihren mitstenden zu sitzen, undt
wan man schon catholischentheils sie vor geistliche nit erkennen wolte, so
haben doch Österreich und Burgundt ihre session uff der geistlichen banck
etc. Der streitt mit Magdeburg wehre auch alhie beyzulegen, wan man
selbige sach ad petitorium hienweisen wolte, wurde nimmer einen auß
gang haben.
Wegen der ad art. 7. begehrten specification wohlten solches übrigen ihren
confessionsmitverwandten referiren.
Ad art. 8. (de pluralitate beneficiorum) habe man ihre intention gehört.
Kurmainz. Dieweill wir vernohmmen, daß sie der catholischen uber ihre
letztere schriefft verfastes bedencken in handen hetten undt dahero ohn
vonnöten , mit erzehlung der discrepantzien lang uffzuhalten, zumahlen sie
auch keine media vorschlagen, sonderen solches von unß erwarten wolten,
so wurden sie ersucht, sie wolten unß ahnzeigen, in welchen puncten sie
sich beschwerdt befinden, undt solches nit allein zu gewinnung der zeit,
sonderen auch, damit die relation uber dieße angestelte conferentz bey
negstfolgenden pleno desto bestendiger könte eingerichtet werden.
Sachsen-Altenburg. Warinnen die discrepantz bestunde, darinnen bestun-
den auch ihre beschwerdten, gestalt wir ihre beschwerdten darab bey unß
selbst gnugsamb wisßen könten.
Haben darauff einen abtritt genohmen und post ingressum proponirt, der
verspuhrte modus procedendi kheme ihnen frembdt vor undt machte sie
nit wenig besturtz, gebe ihnen auch ursach, dießen handell ab ovo zu repe-
tiren . Eß wehre unß wisßend, daß unßere compositionsvorschläge durch
die herrn Keyserliche sowohl denen Schwedischen herrn abgesandten alß
ihnen (Augspurgischen confessionsverwandten) außgeben worden
Die katholischen media compositionis waren den evangelischen Ständen am 17. März 1646,
den Schweden am folgenden Tage durch die ksl. Gesandten ausgehändigt worden ( vgl. Meiern II
S. 578 , 584 ).
sie sich in allen puncten nit verstehen könten. Hetten doch verhofft, die vor
augen schwebende noth des vatterlandts wurde die catholische angewisßen
haben, etwaß nacher zusahmmen- undt nacher Oßnabrug alß locum tractatus
zu kohmmen, eß wehre aber endtlich die resolution kohmmen, die catholi-
schen wolten sich nach Oßnabrug nit wieder einstellen, auch dieß und ihres in
handlung nit kohmmen lasßen, waruber sie samblich höchstens consternirt
worden, undt obwohl sie bey so beschaffenen dingen keine ursach gehabt
hetten, nach Munster zu kohmmen, dieweill sie iedoch bey sich bedacht,
daß sie nit fortuito zu dießen tractaten kohmmen wehren, sonder auß Gott-
licher vocation (den Gott hette sie beruffen zu abhandlung einer solchen
sachen, welcher menschenbluth betriefft, dahe so viell thaußendt wegen ver-
zogerung deß friedens zugrundt gehen), so hetten sie sich herzu resolvirt,
undt stunde einem iedem hiebey wohl zu bedencken, ob nit Christus der
gerechte richter ahn iehnem tag sagen wurde: „Ihr gesandten, ich habe euch
geschickt gehabt, friedt und einigkeit zu tröest so vieller nothleidenden
einrathen helffen, du aber hast solches underlasßen und dadurch so vieller
menschen verderb verursachet“, welches dan eine große und schwehre
verandwortung nach sich ziehen wurde. Darumb dan, allen schein deß
verzueges zu verhuethen, damit ihnen dergleichen inskunfftig nit könte
imputirt werden, so wehren sie, und zwahren mit unwillen der Schweden
Vgl. die Konferenz zwischen Schweden und Protestanten am 30. September 1646 in Osnabrück
( Meiern III S. 386f. ). Die Verlegung der Traktate nach Münster wurde von Oxenstierna
mißbilligt, während Salvius sie befürwortete (vgl. hierzu oben S. 388 Anm. 1 und 2).
hiehinuber nacher Munster kohmmen und verhoffts, es wurde dieße con-
ferentz alsopaldt ihren anfang gewinen. Sie ihrestheils hetten sich also-
baldt darzue verstanden, man sich auch wuste zu erineren, waß abgeredet
worden, man wolte kurtzlich ohne haltung einiger protocollen und beruh-
rung der iurium partium zusamen conferiren. Sie verspuhrten aber anietzo
daß contrarium, dahe wir wohl wusten, daß sie in die Keyserlichen vor
schläge nit gewilliget noch in allen puncten willigen könten; wir hetten
selbige vorschläg verworffen (ob nit mit verkleinerung der Keyserlichen
herrn abgesandten, ließen sie dahingestelt sein), item ahnstatt der erwarteten
mediorum höre man nur von differentiis reden, von den mediis aber wehre
ein altum silentium, undt wolte deren beypringung ihnen dabey noch uff-
geburdet
6 werden] Nach Österreich A II an dieser Stelle: Es sei Zeitvergeudung, nur die differentiae
beider Parteien zusammenzustellen, das ergäbe sich aus einem Vergleich der protestantischen
Endlichen Erklärung vom 24. August 1646 mit den ksl. Vorschlägen vom 12. Juli von selbst.
Man erwarte vielmehr remedia oder die Annahme der ksl. Vorschläge.
wurde alles uff fernere consultation hinaußgesetzt, dem ansehen nach nur ihre
intention zu expisciren und darnoch gleichwohl zue thuen, waß wir selbst
wolten.
Die königliche Schwedische herrn abgesandten hetten anfangs darin nit
willigen wollen und schon propheciirt, wie eß ablauffen würde; wann sie
nun vernehmen würden, wie eß damit abgangen, würden sie solches gewiß
lich empfinden. Sie (die Augspurgische confessionsverwanthen) stelleten
eß dahin, ob nun solche empfindung achteten oder nit, geben dabey gleich-
wohl zu bedencken, ob nit mit den Schwedischen herrn abgesanden glümpf
lich zu gehen, damit sie sehen, das man lust habe, mit ihnen den general-
frieden zu schließen. Ihre (der Augspurgischen confessionsverwanthen) zu
Osnabruck anweßende mittgesanden würden dieß befrembtlich hören; sie
wolten ihrestheils ahn dieser verzögerung vor Gott und der weldt entschul-
diget sein, wehren noch bereith, zu den sachen rechtschaffen zu thun, wolten
morgen alleß umbständlich, insonderheit unßer letzte begehren, ubrigen
ihren confessionsmittverwanthen zu referiren nit underlaßen, die würden
aber sagen, die discrepantiae und ihre beschwerten bestünden in unis iisdem-
que punctis. Bathen, wir wolten doch beßer zur sachen thuen, damit eß
beßerergestalt (und zwarn wie sie vorgeschlagen) angegrieffen werde, und
die uberige catholische gesandtschafften sich in der nähe zugleich einfinden
mögten, gestalt deren endtliche resolution in vorfallenden punctis ohne
zeitverliehrung könte eingeholt werden. Sie (die Augspurgische confessions-
verwanthen ) wüsten, daß die meiste vota nit von viellen dependirten, son-
dern könten uf etliche wenig persohnen gepracht werden; bathen aber
mahlß , wir wolten doch mittel vorschlagen, sie wolten sich alsobaldt dar-
uber vernehmen laßen und ihre letzte meinung heraußsagen. Sie wüsten
gewüßlich, daß sie nichts vorschlagen würden alß waß der pilligkeid gemäß
wehre.
Kurmainz. Daß die catholische in dießer schwehrwichtigen sach nit der-
gestalt vorteilten oder auch hierinen sich so baldt wie sie (die Augspur-
gische confessionsverwanthen) undereinander nit vergleichen könten, darin
könne man die catholische nit verdencken, zumahlen dieß werck etliche
under ihnen, ya fast alle, hart trefe, dergestalt, daß auch etlicher ihre wohl-
farth hiervon dependiren thette, dahero sie (die Augspurgische confessions-
verwanthe ), alß welche sich leichtlich undereinander einer mainung ver-
gleichen könten (zumahlen deren forderung in lucro captando, hingegen
der catholische in damno vitando versiren thette), leichtsamb bey sich
selbsten ermeßen könten, daß catholischentheils hierinen sich ebennso
geschwindt, wie sie (die Augspurgische confessionsverwanthen) ihrestheils
wohl thun könten, einzulaßen nit möglich wehre. Wir wolten immittelß
nit underlaßen, dieß alleß morgen in pleno fideliter zu referiren und des
darauf außfallenden schlues alßbaldt ihnen hinwiderumb parte zu geben.
Warauff man, weilen die zeit verfloßen, voneinander geschieden.