Acta Pacis Westphalicae III A 4,1 : Die Beratungen der katholischen Stände, 1. Teil: 1645 - 1647 / Fritz Wolff unter Mitwirkung von Hildburg Schmidt-von Essen
42. Konferenz der Gesandten der katholischen Kurfürsten Münster 1646 April 21
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Münster 1646 April 21
Kurmainz B = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurbayern A III fol. 16–27; Kurmainz A
Fasz. 9; Wartenberg / Register I fol. 175’ und Ia.
Der Stand der Verhandlungen in Osnabrück.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurbayern, Kurköln, Kurmainz, Kurtrier.
Kurmainz . Seye communicirt worden, waß ihnen von Osnabrüg in puncto
gravaminum zukomben, darauß erscheinet, daß deputati dem tractat den
anfangh geben, bestehe aber fernere handlungh, davon noch zur zeit nicht
kan geredt werden
Nachdem die Deputationen in Osnabrück in den ersten drei Sitzungen über Verfahrensfragen
beraten hatten, wurde in der vierten ( am 19. April 1646 ) beschlossen, mit Hintansetzung der
Formalitäten die materiam selbst anzugreifen. Das Protokoll dieser Sitzung bei Meiern II
S. 600ff. ; vgl. ferner F. Dickmann S. 352.
die beyfahlende erinderungen thun könne. Brandeburgische abgesandten
haben verschiedentliche erinderungen uber die guttachten eingeben
Kurbrandenburg hatte bei den Beratungen des Kurfürsten- und des Fürstenrates (hier durch
Pommern) verschiedene Separatvoten einreichen lassen, in denen es seine von den Bedenken der
Kollegien abweichende Haltung erläuterte (vgl. C. W. Gärtner IX Nr. 72 S. 479 und
Meiern II S. 931–946; dazu F. Dickmann S. 258).
zu erwögen, ob selbige dem bedencken zu inseriren oder per modum einer
beylagen zuzufügen.
Kurtrier . Dankt dem Direktorium für die Eröffnungen; wiederholt sein Votum
vom 18. April .
Ad 2. Die Brandeburgische erinderungen können dem bedencken bey-
gelegt werden.
Kurköln . Man soll zunächst den weiteren Verlauf der Verhandlungen abwarten.
Der ewige Verzicht auf geistliche Güter kann nicht zugegeben werden; in dieser
Sache sollen die katholischen Stände hartnäckig bleiben. Wahn protestirende dieses
vermercken, werden sie es näher geben, zumahlen herr graff von Traut-
mansdorff zu verstehen geben, sie würden zwar anfangs auff ihrer praeten-
sion wegen der perpetuität starck bestehen, wahn sie aber catholicorum
zusamensetzende constantiam undt resolutionem verspüren, davon abwei-
chen . 2º Chursachßen gehet ad definitum tempus, 3º andere fürstliche ge-
sandten , in specie Cülnbach undt Wirtenbergh, seindt auch also instruirt,
4º seindt iuxta conclusum nuperum per Trier undt Cöln die remonstrationes
bey Franckreich beschehen, daß pro bono religionis sich bey Schweden
interponiren wollen.
Will kürtzlich referiren, waß bey der visita sich zugedragen, nicht zweiffe-
lendt , Trier werde gern deßgleichen thun.
Habe mit herren dhumbprobsten von der Reck die visita beym duc de
Longueville undt dem comte de Servient abgelegt , dabey erstlich verspürt,
daß sie mit catholicis darin eins, daß man in puncto reservati nicht solle
weichen. Wegen der temporalität haben uber sich genohmen, mit Schweden
zu reden, hoffen, sie darzu zu vermögen, wahn nuhr Caesarei nicht nimis
faciles sein. Habe ihnen benomben, daß hierauß keine diffidentz erwachßen
kahn, mit dem Churbayerischen argument, daß man in den letzten zehen
iahren, wahn man zuvor nicht die religion componirt, auff weitere ver-
gleichungsmittell gedencken undt nicht abereins zu den wapffen greiffen
solle, zudem endtstehet darauß kein kriegh, wahn man iure verfahrt undt
sich ahn der iustitia ersättigen laßet. Es erclehren sich die cronen auch,
wahn einer gegen den anderen bellum moviren wolte, denselben communibus
armis zu compesciren, welches dahien nicht zu verstehen, alß wahn dar-
durch verbotten würde, via iuris zu procediren, welches die Frantzösische,
insonderheit Servient, woll eingenohmen, mit erbiethen, dieses den Schwe-
dischen undt protestirenden bestens zu remonstriren. Der duc habe hinzu-
gesetzt , er finde die tractatus ahn seithen der catholischen also raisonnable,
daß nichts dargegen zu sagen, mit gleichmeßiger erbiethungh.
Buschmann in Osnabrück ist über die Haltung der Franzosen informiert, die main-
zischen Gesandten müßten auch entsprechend instruiert werden.
Bei seinem Besuch bei den Franzosen ist auch über die hessischen Satisfaktions-
forderungen gesprochen worden
non sit danda satisfactio, so er communiciren will. Der comte de Servient
seye dem unerachtet auff der satisfaction bestanden, undt daß sie zwar nicht
ahn gelt, sonderen ahn landt undt leuthen solle verschafft werden, so contra-
dicirt , angesehen sie vermüthlich von weltlichen nichts praetendiren undt
dannenhero der last auff die geistlichen fahllen würde, die kondten aber
ihre catholische underthanen den Calvinisten nicht uberdragen. Darauff sie
replicirt, man müste dargegen conditiones setzen, daß sie per modum anti-
chriseos iährlichs ad 20 000 rthl. abnutzen können. Sie haben es biß dahero
nicht anbracht, erwartendt auff daß guttachten; wahn solches ubergeben,
werden sie sich specifice vernehmen laßen.
Fulda, das ebenfalls von den Forderungen betroffen wird, muß auch gehört werden.
Kurbayern . Zunächst ist der weitere Verlauf der Verhandlungen abzuwarten.
Protestantes beschwehren sich, daß man catholischentheilß ad temporale
gehet, […] der religionfriedt seye auff ein ewiges gesetzt, also muße auch
der verglich super gravaminibus sein, darwieder catholici nicht sein wollen,
sie können aber nicht ewiglich auff die geistliche gutter renuntiiren.
Quoad punctum iustitiae, solle dieselbe constans et perpetua sein, ut suum
cuique tribuatur, wahn aber die mächtige häußer den hohen tribunalibus
nicht deferiren noch denen darvon cum causae cognitione ertheillenden
sententiis acquiesciren wollen, so wirdet die iustitia im reich nimmehr
konnen administrirt werden. Praesumptio ist pro magistratu, undt wirdet
ein ieder sein iurament so weith in acht nehmen, daß dargegen nichts
spreche, maßen von den uncatholischen in der vier clöster sachen in camera
beschehen, so den protestirenden zu gemüth zu führen. Von anderen ge-
richteren zu reden ist noch zu zeitlich, man solle ietz die motus im reich
sediren undt sich gegen den herfurbrechenden Türcken rüsten undt auff
nechsten reichßtagh von dieser sachen tractiren; einmahll können catholici
von dem geistlichen vorbehalt nicht abstehen, undt wahn dieses den prote-
stirenden rotunde bedeutet wirdt, so wißen sie, warahn sie es haben, undt
daß sie darmit nicht durchgehen werden.
Absentes sollen weniger nicht als praesentes ahn den machenden verglich
gebunden sein, so gantz billigh, undt seindt alle ständte von Caesare beschrie-
ben , daß sie sich nicht endtschütten oder beschwehren können.
Wirdt auch disputirt, waß bey dem werck pro regula zu halten: daß ist ia
der Paßauwer vertragh undt darauff gefolgter religionfriedt, darahn pro-
testantes aber kein eintzigen § um gehalten […].
Der religionfriedt ist aller clar, es manglet nuhr allein wiedrigerseiths ahn
deßen observantz, darwieder haben die protestirende die frembde cronen
ins reich gezogen, undt dardurch die so schwar satisfaction verursachet, die
woll hette können vermitten pleiben, wahn sie den frieden gehalten […].
Weillen Franckreich nuhnmehr societatem imperii angenohmben
Die ksl. Erklärung vom 14. April 1646 verlangte, daß Frankreich für die Gebiete, die zur
Satisfaktion angeboten wurden, an den Reichssteuern in der Höhe des Beitrags eines Kurfürsten
beteiligt werde (§ 8; vgl. Meiern III S. 6 ); Frankreich forderte jedoch nach einigem Schwanken
die volle Souveränität für die abzutretenden Gebiete (so in der Erklärung vom 30. Mai 1646;
vgl. Meiern III S. 37ff.; hierzu auch F. Dickmann S. 287f.).
billigh, daß sie bey dem interesse religionis participiren undt alß catholische
catholicis statibus assistiren, so sie ihnen die woch schon vielmahls recom-
mendirt , seye derowegen causa communis, welche sie permanente salvo
foedere cum Suecis inito woll verfechten können […]; ist gewiß, daß sich
alle drey Frantzösische plenipotentiarii pro manutenendo reservato eccle-
siastico anerbiethigh gemacht. Servient hatt sich erclerth, daß ers in instruc-
tione habe, wolle es auch besten fleißes negotiiren
In der Tat hat sich Servien dann, als er sich in der letzten April- und ersten Maiwoche in
Osnabrück aufhielt, bei seinen Verhandlungen mit Schweden und Protestanten für die Interessen
der katholischen Stände eingesetzt (vgl. die Relation vom 7. Mai 1646: Nég. secr. III S. 173f.;
C. W. Gärtner IX Nr. 102 S. 617ff.).
nuntio Parisiensi zugeschrieben, daß werck dem cardinal Mazarini also zu
recommendiren, damit der befelch ad plenipotentiarios möge erneuwert
werden; deßgleichen zu thun wehre herr nuntius alhie undt Venetus zu
ersuchen. Sie haben diese gethane anerbiethungen graffen von Trautmans-
dorff wie auch ihren collegis notificirt, gestalt die Frantzosen deren zu
erinderen.
Diese Argumente sollen auch den französischen Gesandten in Osnabrück durch die
kurmainzischen Gesandten vorgehalten werden.
Zur 2. Frage: Die kurbrandenburgischen Erinnerungen können dem Bedenken bei
gefügt werden, grundsätzlich soll jedoch der stylus imperii befolgt werden.
Kurköln . Addit, seye daß letztere außgefallen, vergleich sich doch, weillen
nuper concludirt, daß die Brandeburgische erinderungen sollen beygelegt,
nicht aber inserirt werden, weillen es contra imperii stylum ist.
Kurtrier . Bittet um genauere Information über die Vorgänge in Osnabrück.
Longueville habe den kurtrierischen Gesandten versprochen, die gerechten Forderungen
der katholischen Stände zu unterstützen; hetten Schweden under anderen remon-
strirt , es wehre ihr vortheill nicht, daß sie ad perpetuum gingen, indeme
die renunciation gegen sie wehre, undt fahlß er der religion, wolte daß
temporale lieber haben, weillen perpetuum in catholicorum potentia nicht
bestünde. Endtlichen alß man auff ihnen umb resolution gedrongen, hette
er in vertrauwen gesagt: Schweden gienge wegen Bremen undt Verden so
eyfferich auff die perpetuität, wahn ihn aber ahn anderen weltlichen gütteren
satisfaction geschehen köndte, würden sie sich so starck nicht opponiren,
bittet es in geheimb zu halten.
Kurköln . Dankt Kurtrier für seine Bemühungen.
Aus Osnabrück berichtet Buschmann, daß Oxenstierna gegen Trauttmansdorff er
wähnt habe, Schweden würde auf ganz Pommern, Bremen und Verden nicht ver-
zichten . Die kaiserlichen Gesandten fürchten, daß die Stifter nicht zu retten sind.
Comte d’Avaux sage, man müße die sache nicht deterioriren, undt köndten
die ertz- undt stieffter nicht in feudum gegeben werden. Thutt den vor-
schlagh , wahn nach ableben yetzigen possessoris deß ertzstieffts Bremen
die cron Schweden einen zum ertzbischoffen praesentirt, daß darnach die
wahll capitulo heimbfallen solle.
Kurmainz . Habe vota undt relationes angehört, bedancket sich gegen Trier
undt Cöln wegen ubernohmbener bemühungh, hoffet, es solle darauff ein
gutter effectus erfolgen.
Im ubrigen, weillen daß werck auff ferner handlungh ruhet, wirdt biß
auff deren erfolgungh angestanden müßen werden, damit man alßdan sich
desto sicherer resolviren könne; laßet sich auch nicht zuwieder sein, daß per
Osnabrügenses die Frantzösische ihrer gethanen offerten erindert werden.
Waß wegen Heßen Cassell vorkommen, solle in acht genohmen undt deß
wegen eine fürderliche convention indicirt werden.
Wegen Brandeburgischer erinderungen vergleicht sich, daß sie per modum
einer beylagen dem bedencken zugefüget werden.