Acta Pacis Westphalicae II B 6 : Die französischen Korrespondenzen, Band 6: 1647 / Michael Rohrschneider unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und unter MIthilfe von Rita Bohlen
a. Der Kriegsverlauf
Nach der Unterzeichnung der niederländisch-spanischen Provisional-Arti-kel vom 8. Januar 1647
und dem daraus resultierenden faktischen Aus-scheiden der Generalstaaten aus dem Krieg gegen Spanien mußte die fran-zösische Regierung mehr denn je darauf bedacht sein, Mittel und Wege zu finden, die nunmehr ausbleibende Unterstützung durch Truppen des nie-derländischen Alliierten zu kompensieren, um sich in den militärischen Auseinandersetzungen mit Spanien erfolgreich behaupten zu können. Dies galt insbesondere für den Kriegsschauplatz in den Spanischen Nieder-landen. Angesichts des drohenden militärischen Übergewichts der spa-nischen Flandernarmee und der inzwischen erfolgten Neutralisierung Kurbayerns durch den Ulmer Waffenstillstand vom 14. März 1647
hatte Turenne, der Oberbefehlshaber der französischen Truppen im Reich, am 14. April die Weisung des Kardinalpremiers Mazarin erhalten, das Reich zu verlassen und mit seinen Truppen über den Rhein in die Spanischen Niederlande zu marschieren
. Turennes Vormarsch wurde allerdings jäh gestoppt. Nach dem Rheinübergang bei Philippsburg weigerten sich die ihm unterstellten Weimarer Truppen, d.h. die vorwiegend deutschen Söld-ner aus der ehemaligen Armee des Herzogs Bernhard von Sachsen-Wei-mar, nach Flandern weiterzuziehen und kehrten am 11. Juni wieder auf das rechte Rheinufer zurück
Höfer, 58. Am frz. Hof traf die Nachricht von der Meuterei spätestens am 25. Juni 1647 ein (vgl. Mazarin, Lettres II, 446f; Chéruel, Minorité II, 342). Longueville und d’Avaux erhielten diesbezügliche Informationen am 28. Juni und teilten dies Servien in ihrem Schreiben vom selben Tag mit (vgl. nr. 6).
. Turenne gelang es in der Folgezeit nicht, sämtliche Meuterer wieder in seine Armee zu inkorporieren. Ein Teil der Weimarer schloß sich dem schwedischen General Königsmarck an
. Damit zerschlugen sich zunächst die mit dem Eingreifen Turennes in den Spa-nischen Niederlanden verbundenen Hoffnungen des französischen Hofes
auf eine baldige entscheidende Veränderung der dortigen militärischen Lage zuungunsten Spaniens.
Insgesamt gesehen verliefen die militärischen Auseinandersetzungen im Sommer und Herbst 1647 zwischen der französischen Flandernarmee und den spanischen Truppen unter dem Kommando Erzherzog Leopold Wilhelms zur Unzufriedenheit der französischen Regierung
. Die Bilanz, die man französischerseits am Ende des Jahres ziehen konnte, war in der Tat eher ernüchternd. Zwar war den beiden französischen Generälen Gassion und Rantzau am 13. bzw. 18. Juli die Einnahme von Diksmuide und La Bassée gelungen. Zur gleichen Zeit war jedoch sehr zum Unmut des französischen Hofes Landrecies in spanische Hände gefallen
. Immer-hin konnte mit dem erfolgreichen Abschluß der Belagerung von Lens am 3. Oktober ein weiterer Erfolg verbucht werden, der jedoch mit dem Tod Gassions teuer erkauft wurde
. Hinzu kam, daß Erzherzog Leopold Wil-helm nur wenige Tage später, am 13. Oktober, die Rückeroberung Diks-muides gelang
Chéruel, Minorité II, 424. Angesichts der unbefriedigenden Resultate der militärischen Operationen in den Span. Ndl.n geriet Mazarin offenbar unter Rechtfertigungsdruck, denn er sah sich veranlaßt, in der Korrespondenz mit den frz. Ges. seine Anstrengungen hervorzuheben, die er zur Verstärkung der Flandernarmee unternommen habe (vgl. nr. 11). Wiederholt brachte er in diesem Zusammenhang sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, daß Gassion und Rantzau trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der frz. Truppen keine nennenswerten Erfolge in den Span. Ndl.n erzielen konnten (vgl. nr. 162 und nr. 174).
. Auch das erfolgreiche Vorgehen Turennes in Luxemburg im Verlauf des Monats September
vermochte es letztlich nicht mehr, eine Entscheidung zugunsten Frankreichs herbeizuführen. Vielmehr hatte sich die militärische Lage im Reich im gleichen Monat grundlegend gewandelt, so daß ein abermaliges Eingreifen Turennes auf dem deutschen Kriegs-schauplatz erforderlich wurde.
Im Reich hatte der Ulmer Waffenstillstand, wie sich sehr bald herausstell-te, den alliierten französischen, schwedischen und hessen-kasselischen Ar-meen wichtige Handlungsspielräume verschafft. Hessen-kasselischen Truppen unter dem Kommando General Mortaignes gelang es am 4. Juli 1647, die bedeutende hessen-darmstädtische Festung Rheinfels zu er-obern
. Königsmarck, der sich Ende April von Feldmarschall Wrangel und der schwedischen Hauptarmee getrennt hatte und nach Westfalen marschiert war, erzielte dort in den Monaten Mai bis Juli mit der Ein-nahme von Vechta, Fürstenau und Wiedenbrück ebenfalls kleinere militä-
rische Erfolge
. Wrangel selbst zog nach Böhmen. Seit dem 21. Juni ließ er Eger belagern, das schließlich am 18. Juli von den Schweden eingenom-men werden konnte
.
Daß die kaiserliche Armee unter dem Kommando Feldmarschall Holz-appels nicht rechtzeitig zum Entsatz der belagerten Stadt eintraf, hing mit einer Begebenheit zusammen, die für die politische und militärische Gesamtsituation im Sommer 1647 von großer Bedeutung war und fran-zösischerseits mit Besorgnis wahrgenommen wurde: Im Widerspruch zu den Befehlen Kurfürst Maximilians I. von Bayern hatte der bayerische Reitergeneral Jan von Werth Anfang des Monats Juli den Versuch unter-nommen, die bayerische Armee mit den Kaiserlichen zu vereinigen und zum Entsatz Egers marschieren zu lassen. Es stellte sich jedoch sehr bald heraus, daß Werths Unternehmung kein Erfolg beschieden war. Nach ei-ner gegen seinen Abfall gerichteten Gegenrevolte mußte er, inzwischen durch Kurfürst Maximilian geächtet, am 10. Juli nach Böhmen fliehen
Zum Abfall Jan von Werths vgl. [nr. 22 Anm. 25] , [nr. 33 Anm. 1] und [nr. 41 Anm. 9] . Lon-gueville und d’Avaux meldeten dem frz. Hof den Eingang der Nachricht vom Scheitern Werths, die am 17. Juli 1647 in Münster eingetroffen war, zwei Tage darauf, am 19. Juli (vgl. nr. 55 und nr. 56). Der Hof war durch ein Schreiben vom 16. Juli 1647 aus Köln informiert worden (vgl. nr. 72).
. Im kaiserlichen Feldlager angelangt, wurde er von Kaiser Ferdinand III. zum General über die Reiterei ernannt und nahm daraufhin an dem Feld-zug gegen die Truppen Wrangels teil. Die kaiserlicherseits erhoffte Ver-stärkung der eigenen Armee durch abgefallene bayerische Regimenter, um derentwillen man den Marsch zum Entsatz von Eger verzögert hatte, leistete der Abfall Werths freilich nicht, denn nur wenige Getreue waren mit ihm in Böhmen eingetroffen. Dennoch verbesserte sich die dortige mi-litärische Lage der Kaiserlichen im Verlauf des Sommers 1647 wesentlich. Unter Beteiligung Werths erzielte die kaiserliche Kavallerie am 22. Au-gust bei Triebl einen aufsehenerregenden Erfolg gegen die Schweden
. Wrangel sah sich schließlich gezwungen, seine Truppen aus Böhmen über Thüringen bis an die Weser zurückzuziehen, wo sie Anfang November eintrafen
Zu den Marschwegen der Armee Wrangels sowie der ksl. und kurbay. Truppen im Okto-ber und November 1647 vgl. APW [II C 4/1 nr. 37 Anm. 1] und Höfer, 97–106.
.
Zuvor waren erhebliche Differenzen zwischen Königsmarck, der seit Au-gust zusätzlich über die Weimarer Truppen verfügen konnte, und Wran-gel aufgetreten. Königsmarck war einem Befehl des Feldmarschalls nicht nachgekommen, den westfälischen Kriegsschauplatz zu verlassen und der schwedischen Hauptarmee nach Mitteldeutschland entgegenzuziehen. Statt dessen hatte er zunächst nur einen Teil seiner Truppen unter dem Kommando Generalmajor Hammersteins zur Unterstützung Wrangels
entsandt
. Hintergrund der Entscheidung Königsmarcks für einen Ver-bleib im Nordwesten des Reiches waren die am 15. August 1647 gegen-über Schweden und Hessen-Kassel erfolgte Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes durch Kurfürst Ferdinand von Köln
und die militäri-schen Operationen Feldmarschall Lamboys, der die kaiserlichen Truppen im Niederrheinisch-westfälischen Reichskreis kommandierte und im Ver-bund mit kurkölnischen Truppen insbesondere Hessen-Kassel in Bedräng-nis brachte. So sah sich Königsmarck am 14. September zur Aufhebung der durch schwedische und hessen-kasselische Truppen ausgeführten Belage-rung der Stadt Paderborn veranlaßt, als Lamboy in die hessen-kasse-lischen Quartierräume in Ostfriesland eindrang
. In der Folgezeit setzte sich Königsmarck bei Rheine an der Ems fest
. Erst das Heranrücken Wrangels, der sich auf dem Rückzug aus Böhmen befand, und des inzwi-schen erneut vereinigten kaiserlich-kurbayerischen Heeres löste die gegen-seitige Blockade der Truppen Königsmarcks und Lamboys: Der schwe-dische General zog Anfang November zur schwedischen Hauptarmee, die sich zu diesem Zeitpunkt bei Höxter verschanzt hielt
.
Damit ist bereits ein Sachverhalt angesprochen, der die politischen und militärischen Erwägungen im Spätsommer und Herbst 1647 maßgeblich prägte und für die französische Regierung eine Neuorientierung zur Folge hatte. Gemeint ist die vom 14. September 1647 datierende kurbayerische Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes gegenüber Schweden sowie der damit einhergehende Kurswechsel Kurfürst Maximilians
Vgl. [nr. 185 Anm. 6] . Wrangel erhielt die Waffenstillstandsaufkündigung Kf. Maximilians am 28. September 1647 zugestellt (vgl. TE VI, 30; APW II C 4/1 nr. 2). Die Nachricht vom definitiven Bruch Kurbay.s mit Schweden erreichte den frz. Hof am 2. Oktober 1647 ( Riezler, Frk., 528). In Münster war sie spätestens am 28. September 1647 bekannt ge-worden (vgl. APW III C 1/1, 365f, 1647 IX 28).
.
Bereits im Juli und August 1647 hatten kaiserliche und kurbayerische Ver-treter in Passau über eine erneute Parteinahme des Kurfürsten für den Kaiser und einen gemeinsamen Feldzug beraten
. Die Ergebnisse der Verhandlungen wurden in dem sogenannten Rekonjunktionsrezeß vom 7. September 1647 festgeschrieben, der am 23. September ergänzt wurde und am 29. September eine neue vertragliche Fassung erhielt, die vom Kaiser schließlich am 12. Oktober in Prag und von Kurfürst Maximilian am 17. Oktober 1647 in München ratifiziert wurde
. Wenige Tage zuvor, am 12. Oktober, war die Vorhut der kurbayerischen Truppen unter dem Kommando Feldmarschall Gronsfelds, die im Gefolge der erneuerten kai-
serlich-kurbayerischen Militärallianz die Order erhalten hatten, zur Un-terstützung der Kaiserlichen nach Böhmen zu ziehen, mit den Truppen Holzappels zusammengetroffen. Damit war die im Rekonjunktionsrezeß vorgesehene Vereinigung der beiden Armeen vollzogen
. Seit dem 29. September belagerten zudem kaiserliche und kurbayerische Truppen die schwäbische Reichsstadt Memmingen
.
Der französische Hof reagierte auf den Übertritt Kurfürst Maximilians auf die kaiserliche Seite und die Belagerung Memmingens mit der Wei-sung an Turenne, Luxemburg unverzüglich zu verlassen und den Rhein zu überqueren
. Angesichts der Tatsache, daß von kurbayerischer Seite wiederholt ausdrücklich betont wurde, die Aufkündigung der Neutralität beziehe sich nicht auf Frankreich, wurde der Marschall jedoch aufgefor-dert, den Bruch mit Kurbayern möglichst noch aufzuschieben
. In der Tat dauerte es noch bis zum Ende des Jahres 1647, ehe Frankreich den Waf-fenstillstand mit Kurbayern offiziell aufkündigte
.
Der politisch-militärische Rückschlag infolge der kurbayerischen Neutra-litätsaufkündigung wog für Frankreich um so schwerer, als sich auch die militärische Lage an den Schauplätzen des französisch-spanischen Krieges im Sommer und Herbst des Jahres 1647 nicht wie erhofft entwickelte. Zu den Schwierigkeiten der französischen Flandernarmee, entscheidend an Boden gegenüber den spanischen Truppen zu gewinnen, kam hinzu, daß auch in Katalonien eine herbe Enttäuschung hingenommen werden muß-te: Am 18. Juni 1647 hob der französische Feldmarschall Condé die seit dem 14. Mai des Jahres währende Belagerung der Schlüsselfestung Lérida auf
. Spektakuläre Erfolge blieben für beide Kriegsparteien auf dem ka-talanischen Kriegsschauplatz im weiteren Verlauf des Jahres aus. Die Ein-nahme Agers durch französische Truppen am 9. Oktober, weitere kleinere Erfolge Condés
und die fortgesetzten Fortifikationsarbeiten trugen dazu bei, daß die Franzosen weitgehend Herr der Lage blieben. Gleichwohl vermochten es diese Erfolge nicht, das Scheitern vor Lérida militärisch zu kompensieren und die enttäuschten französischen Hoffnungen auf eine baldige wesentliche Verbesserung der militärischen Lage in Katalonien doch noch zu erfüllen.
Vielversprechend gestaltete sich für Frankreich dagegen die politische und militärische Entwicklung in Italien. Seit dem Frühjahr 1647 entluden sich die durch zunehmenden Steuerdruck und Mißernten forcierten sozialen Spannungen in den spanischen Vizekönigreichen Neapel und Sizilien in offenen Aufständen gegen die vizeköniglichen Regierungen, die letztlich erst 1648 wieder unter Kontrolle gebracht werden konnten
. Somit stellte sich dem französischen Hof seit dem Sommer 1647 verstärkt die Frage, ob und auf welche Weise die offenkundige Destabilisierung der spanischen Herrschaft in Süditalien militärisch ausgenutzt werden könnte
.
Verheißungsvolle Eingriffsmöglichkeiten schienen sich insbesondere in Neapel zu ergeben. Fontenay-Mareuil, der französische Botschafter in Rom, stand in Kontakt mit den Aufständischen und drängte darauf, die Gelegenheit zu nutzen und möglichst bald eine französische Flotte nach Neapel segeln zu lassen
. Der französische Hof reagierte jedoch abwar-tend und ordnete ein zurückhaltendes Vorgehen an, was auch von den französischen Gesandten in Münster befürwortet wurde
Vgl. nr. 130. Longueville, d’Avaux und Servien empfahlen zwar eine militärische Unter-stützung der Aufständischen in Form von Waffen- und Munitionslieferungen, warnten jedoch den frz. Hof gleichzeitig davor, bei den Neapolitanern den Eindruck zu erwecken, Frk. wolle von der Aufstandsbewegung profitieren.
.
Die Frage, wie man militärisch auf die Ereignisse in Süditalien reagieren sollte, stellte sich erneut mit Nachdruck, als der Herzog von Guise, dem seitens der aufständischen Neapolitaner eine Führungsrolle im Kampf ge-gen Spanien angeboten worden war, die französische Regierung um ent-sprechende Rückendeckung bat
. Erneut zeigte sich der französische Hof skeptisch. Zweifellos hätte man lieber den von Longueville, d’Avaux und Servien geäußerten Gedanken einer militärischen Verwicklung Herzog Karls IV. von Lothringen in die süditalienischen Unruhen unter Zusiche-rung französischer Unterstützung in die Tat umgesetzt, in der Hoffnung, sich auf diesem Wege des unbequemen Nachbarn entledigen zu können
. Als jedoch Nachrichten von ersten Fehlschlägen des Don Juan José de Aus-tria, der Anfang Oktober 1647 mit einer spanischen Flotte vor Neapel ein-getroffen war
, am französischen Hof eintrafen und zudem Gennaro An-nese, der oberste militärische Befehlshaber der aufständischen Neapolita-
ner, um französische Unterstützung bat
, gelangte Mazarin in der ersten Novemberhälfte zu dem Entschluß, mittels der französischen Flotte in Neapel zu intervenieren
.
Insgesamt gesehen konnte die französische Regierung zu diesem Zeit-punkt eine positive Bilanz des bisherigen Verlaufs des Aufstandes ziehen: Mit der am 24. Oktober erfolgten Proklamation Neapels zur Republik war der Bruch der Aufständischen mit Spanien endgültig vollzogen, und ein militärisches Scheitern Don Juans lag im Bereich des Möglichen. Die zukünftige Entwicklung der dortigen politischen und militärischen Lage galt am französischen Hof freilich Mitte des Monats November – gerade aufgrund der als unbeständig wahrgenommenen Haltung der Neapolita-ner
– nach wie vor als offen. Der weitere Verlauf des Aufstandes, der im April 1648 endgültig niedergeschlagen wurde, hat mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß die Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten der neapoli-tanischen Loslösungsbestrebungen von Spanien nur zu berechtigt waren.
Auch in Oberitalien eröffnete sich für Frankreich die Möglichkeit, offensiv gegen die spanischen Besitzungen vorzugehen, als es gelang, mit Herzog Francesco I von Modena am 1. September 1647 eine Offensiv- und Defen-sivallianz abzuschließen. Das vertraglich vereinbarte gemeinsame Vor-gehen gegen Cremona wurde jedoch zur Enttäuschung des französischen Hofes nur zögerlich in die Tat umgesetzt. Infolge sintflutartiger Regen-fälle geriet der Vormarsch der Verbündeten ins Stocken, so daß die Spa-nier ausreichend Zeit gewannen, Cremona zu befestigen und sich dort er-folgreich zu behaupten
.
Eine Gesamtbewertung des Kriegsverlaufs im Sommer und Herbst 1647 fällt im Hinblick auf die militärische Lage Frankreichs somit zwiespältig aus. Im Reich war mit dem kurbayerischen Kurswechsel zugunsten des Kaisers eine neue, für Frankreich und seine Alliierten nachteilige Konstel-lation entstanden, die eine erneute französische Truppenpräsenz auf dem deutschen Kriegsschauplatz erforderlich erscheinen ließ. Dagegen konnten in den Spanischen Niederlanden und in Katalonien, trotz des Rückschlages vor Lérida, zumindest deutliche Positionsgewinne Spaniens verhindert und sogar vereinzelt kleinere Erfolge erzielt werden. Im Hinblick auf Ober- und Süditalien schließlich war gegen Ende des Jahres noch offen, ob die günstigen Ausgangskonstellationen und die dort eingeleiteten of-fensiven Militäraktionen die erhofften Resultate zur Folge hätten. Maza-
rin hat diesen wechselhaften Verlauf des Krieges in den Sommer- und Herbstmonaten 1647 in zutreffender Weise aus französischer Sicht bilan-ziert: Zwar empfand er die militärische Entwicklung in diesem Zeitraum angesichts der deutlichen Diskrepanz zwischen seinen ursprünglichen Er-wartungen und den erzielten Ergebnissen als unbefriedigend, doch ver-buchte er es als positives Resultat, daß die Spanier, trotz der
malignité de l’astre qui nous a traversé tout cette campaigne
, augenscheinlich nicht in der Lage waren, entscheidende Vorteile gegen die französischen Armeen zu erringen.
Höfer, 58. Am frz. Hof traf die Nachricht von der Meuterei spätestens am 25. Juni 1647 ein (vgl. Mazarin, Lettres II, 446f; Chéruel, Minorité II, 342). Longueville und d’Avaux erhielten diesbezügliche Informationen am 28. Juni und teilten dies Servien in ihrem Schreiben vom selben Tag mit (vgl. nr. 6).
Chéruel, Minorité II, 424. Angesichts der unbefriedigenden Resultate der militärischen Operationen in den Span. Ndl.n geriet Mazarin offenbar unter Rechtfertigungsdruck, denn er sah sich veranlaßt, in der Korrespondenz mit den frz. Ges. seine Anstrengungen hervorzuheben, die er zur Verstärkung der Flandernarmee unternommen habe (vgl. nr. 11). Wiederholt brachte er in diesem Zusammenhang sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, daß Gassion und Rantzau trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der frz. Truppen keine nennenswerten Erfolge in den Span. Ndl.n erzielen konnten (vgl. nr. 162 und nr. 174).
Zum Abfall Jan von Werths vgl. [nr. 22 Anm. 25] , [nr. 33 Anm. 1] und [nr. 41 Anm. 9] . Lon-gueville und d’Avaux meldeten dem frz. Hof den Eingang der Nachricht vom Scheitern Werths, die am 17. Juli 1647 in Münster eingetroffen war, zwei Tage darauf, am 19. Juli (vgl. nr. 55 und nr. 56). Der Hof war durch ein Schreiben vom 16. Juli 1647 aus Köln informiert worden (vgl. nr. 72).
Zu den Marschwegen der Armee Wrangels sowie der ksl. und kurbay. Truppen im Okto-ber und November 1647 vgl. APW [II C 4/1 nr. 37 Anm. 1] und Höfer, 97–106.
Vgl. [nr. 185 Anm. 6] . Wrangel erhielt die Waffenstillstandsaufkündigung Kf. Maximilians am 28. September 1647 zugestellt (vgl. TE VI, 30; APW II C 4/1 nr. 2). Die Nachricht vom definitiven Bruch Kurbay.s mit Schweden erreichte den frz. Hof am 2. Oktober 1647 ( Riezler, Frk., 528). In Münster war sie spätestens am 28. September 1647 bekannt ge-worden (vgl. APW III C 1/1, 365f, 1647 IX 28).
Vgl. nr. 130. Longueville, d’Avaux und Servien empfahlen zwar eine militärische Unter-stützung der Aufständischen in Form von Waffen- und Munitionslieferungen, warnten jedoch den frz. Hof gleichzeitig davor, bei den Neapolitanern den Eindruck zu erwecken, Frk. wolle von der Aufstandsbewegung profitieren.