Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett

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Lunae, 30. Julii 1646, haben wir den Schweedischen gesandten die visita geben und unsere
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fürtrag dhahin abgelegt, daß sich dieselbe noch gutermaßen würden zu erinnern wißen,
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waßgestalt iüngsthin, alß sie unß in unserm losament heimbgesucht, die veranlaaßung be-
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schehen, daß man super instrumento pacis, wie selbigs endtlich einzurichten, sich allerdings
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vergleichen und zu einer conferentz tretten solte . Weiln sie dan zu fortstellung solcher
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conferentz gegenwertige stundt beliebt, so erschienen wir zu dem endt, umb solcher confe-
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rentz den anfang zu geben, und wölte unsers ermeßens vorhero de modo ipso, wie solche
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conferentz anzustellen und dhabey zu verfahren, zu reden sein; dha stelleten wir es aber zu
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ihrem gutbefinden, ob man das außgeantwortetes instrumentum

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Bezug auf nr. 88 Beilage 1.
under handen nhemmen
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und von puncten zu puncten darin verfahren oder aber de materia ipsa, bevorab aber uber
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die haubtpuncten, warin man seithero noch different gewesen, alß 1. ratione termini a quo
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bey dem puncto amnistiae, 2. wegen der Pfaltzischen sach, 3. ratione puncti satisfactionis,
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4. gravaminum Imperii reden und sich darüber vergleichen wölten, warüber wir ihre ge-
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dancken zu vernhemben verlangten.

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Illi, communicato seorsim consilio, antworteten, daß sich zuvorderist wegen der heimbsu-
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chung bedanckten, wüsten sich der beschehener abred gar wol zu erinnern, seie ihnen lieb,
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die conferentz anzutretten, wölte aber ires dhafürhaltens das instrumentum pacis, so von
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unß aufgesetzt worden, under handt zu nhemmen vergeblich sein, solang man nit super
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materia allerdings vergliechen, zumaln sie auch ein instrumentum pacis aufgesetzt und mit
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unß noch nit darin eins, daß daß instrumentum auf solchen schlag, wie es von unß einge-
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richtet worden, sölle außgefertigt werden, vermeinten also der sachen vortraglicher zu sein,
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de materia ipsa zu reden und sich zuvorderist uber die noch nit vergliechene puncta zu
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vergleichen.

[p. 478] [scan. 558]


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Nos: Gelte unß gleich, waß für ordnung darbey gehalten würde, weiln es ihnen dan gefällig,
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de materia ipsa zu reden und obvermelte puncta vorzunhemmen, so vermeinten wir, daß
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darbey auch ein gewißer underschiedt zu machen, liquidum ab illiquido zu separirn und
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dieienige puncta, welche schon zur richtigkeit pragt oder aber von andern ire dependentz
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hetten, außzustellen und nur dieienige für handen zu nhemmen, so zwischen unß noch zu
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vergleichen sein, alß zum exempl der punctus gravaminum gienge die cronen directo nit
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ahn, sondern betreffe die stendte, und waß derentwegen zwischen unß controversum sein
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könte, möegte etwoh in deme bestehen, ob der vergleich, so darüber zwischen denen stend-
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ten verhöffentlich würde getroffen werden, dem instrumento ad longum zu inserirn oder
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aber ein absönderlich instrumentum darüber aufzurichten und deßen in dem instrumento
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pacis relative zu gedencken. In diesem puncto hetten wir unß nit lang aufzuhalten, weiln
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man sich dießeidts nach deme zu richten gemeindt, so den stendten hiebey am gefälligsten
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ist. Wölten dieselbe den receß dem instrumento pacis einverleibt haben, würde es gar khein
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bedencken geben, auf welche unsere erclehrung die Schweedische zufrieden gewest, daß
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dieser punctus die gravamina betreffend bey der conferentz könte beyseithen gesetzt wer-
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den.

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Wie wir aber darauf ferners auch die Pfaltzische sach beyseithen setzen wöllen und erinnert,
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die nachrichtung erlangt zu haben, daß selbige sach schon vergliechen und beede cronen
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darin einig sein, daß die churdignitet dem herrn churfürsten in Bayern und deßen posterität
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von der Wilhelmischen lini mit allen regalien, ämbtern, herrlichkeiten und gerechtigkeiten
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in perpetuum verpleiben, auch die Pfaltzische erben anders nit dan octavo et ultimo loco
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zugelaßen werden solten, haben sich die Schweedische zumahl einer unwißenheit ange-
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nhommen und es mit Teütschen worten wiedersprochen, daß ihnen niemahln dergleichen
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sachen in sinn kommen, zu dem octavo electoratu oder daß die churdignität bey dem hauß
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Bayern und der Wilhelmischen lini gelaßen werden sölte, einzuwilligen, wehren auch nit
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darauf, sondern contrarie instruirt, nemblich auf die völlige restitution des pfaltzgravens zu
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treiben. Es müste der „Bayerfürst“, wie die formalia gelautet, Beyerfürst pleiben und der
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pfaltzgraf wieder die chur haben, und würde die sach weith gebracht werden, wan mans
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würde zu der alternativa bringen können, dergestalt, daß nach absterben des churfürsten in
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Bayern die verwaltung der chur auf den pfaltzgraven Carl Ludwig fallen solte. Und ob wir
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zwar dhagegen beyverwahrtes von Ewer Kayserlicher Majestätt gesandten zu Münster ahn
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unß abgangnes schreiben

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Vgl. nr. 276.
in clausula concernente vorgelesen, so ist doch der Oxenstern
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bestendig darauf bestanden, daß er im geringsten nit darzu eingwilligt, sondern nur diese
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formalia gebraucht hette, man müße zuvor der stendt meinung hirüber vernhemmen. Wan
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dieselbe mit einführung des octavi electoratus würden zufrieden sein, so würden sie,
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Schweedische gesandten, allererst darauf nacher Schweeden schreiben und sich bescheidts
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erholen, weßen sie sich alßdan in nahmen der cronen hiebey zu erclehren hetten.

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Wie er aber solches geredt, hette er gleich darauf seine bedencken und rationes, warumb die
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stendte zu einführung deß octavi electoratus nitt verstehen khönten, eingeführt, nhemblich
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weiln solches contra bullam auream, res pessimi exempli, so bey andern einen bößen ein-
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gang verursachen und sich solchergestalt paldt mehr andere churfürsten herfürthuen khön-
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ten und immutationem universi status einführen dörffte, und durch solche repraesentation
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und zugemüthführung gnugsamb zu verstehen geben, waß hiebey der cron Schweeden mei-
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nung seie. Er wiße sönsten wol und hette es wol schmecken können, daß die Frantzosen gut
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Bayerisch und Bayeren gut Frantzösisch seie, der eine helffe dem andern und führe auch
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einer den andern bey der naaß herumb, (fuerunt formalia) et addebat Salvius, und man wiße
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nit, wehr under ihnen den andern bey der naaßen führe. Die Frantzosen vermeinten, sie
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hetten Bayern gefaßelt, der seie ihnen aber zu schlau und würde ihnen paldt wieder einen
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schlappen geben und so lang mit inen laviren, biß er sich so mächtig gemacht, daß er ihnen
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die waag werde halten können. Also könte diese sach für eine vergliechene sach nit außge-
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stelt werden, sondern müße vernhemblich hievon geredt werden. Es würden Ewer Maye-
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stätt auch wolthuen, wan sie Churbayern dhahin möegten anweisen, daß derselb dies werck

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nit so hart spanne, dardurch den frieden lenger nit aufhalte, sondern sich mit der alternativa
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angedeütetermaßen begnügen laße. Wan es recht hergehen und die acht wieder Pfaltz

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Kf. Friedrich V. von der Pfalz (1596–1632) war am 29. Januar 1621 von Ks. Ferdinand II.
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in einem rechtlich nicht unangreifbaren Verfahren in die Acht erklärt worden ( TRE IX
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S. 171; zu dem rechtlichen Hintergrund: Kampmann, 47–70).
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gelten sölte, so seie nit Bayern, sondern Pfaltz Newburg proximior agnatus und gebühre
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demselben die chur.

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Nos: Wan die Schweedische diese sach nit für vergliechen halten noch sich zu deme, waß
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die Frantzösische gesandten gegen die Churbayrische gesagt, bekhennen wölten, so stündte
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es dhahin und müeße ferners von dieser sach geredt werden. Khönten sie aber versichern,
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daß von denen terminis, so darüber in instrumento pacis abgefaßet, nit würde außgesetzt
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werden. Churbayern beclage sich, daß er durch die alternativa einmahl fast 300 jahr seie
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zuruckgesetzt worden, würde es nit wieder dhahin kommen laßen. Illi: Ergo so stündte
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diese sach biß zur negsten conferentz.

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Ratione termini a quo bey der amnistia könten sie von dem jahr 1618 nit weichen, die
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stendte wölten auch nit weichen. Nos: Man seie dießeidts 6 jahr zurückgewiechen ad an-
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num 1624. Die Schweedische solten auch 6 jahr, nhemblich ab anno 1618, zuruckgehen, so
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khomme man in medio zusamen.

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Illi: Wölten ehender das jahr 1612 pro termino a quo belieben alß vom jahr 1618 abweichen,
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maßen sie sich dan auch in irer proposition nit praecise auf das jahr 1618 restringirt, son-
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dern diese wortte hinzugesetzt hetten: „ut omnia reponantur in Imperio in eum statum in
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quo ante exortos anno 1618 motus prosperrime floruere“

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Bezug auf die schwed. Proposition II vom 1./11. Juni 1645, Art. 3 ( Meiern I, 436 ).
.

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So müsten auch bey der amnistia die Österreichische erblande nit außgenhommen, sondern
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denen underthanen das exercitium religionis, wie sy es anno 1618 gehabt, wieder gestattet
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werden, hetten solches titulo oneroso an sich gebracht. Nos: Aber mit irer rebellion wieder
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verwürckt, und würden Kayserliche majestätt iro khein maaß oder ordtnung in iren erblan-
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den vorschreiben laßen, so weenig alß die königin in Schweeden in irem königreich. Die
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unterthanen verlangten solches selbst nit, wehren mit irer obrigkeit und religion gar wol
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zufrieden, sagten derentwegen Kayserlicher majestätt danck und verlangten nach kheiner
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andern religion. Illi: Die catholische ständt in Boheimb wol, aber die Augspurgische confes-
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sionsverwandte nit.

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Nos: Das gantze corpus regni bekhenne sich zur catholischen religion, und hetten sich an-
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dere darumb nit zu bekümmern. Illi: Sie befunden sich in gewißen schüldig, selbiger be-
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trangten stendten anzunhemben. Sein kheine rebellen, waß sie gethaen, hetten sie amore
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patriae et religionis gethaen. Nos: Die gantze weldt urtheile anders, und sein die acta und
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handlung in offenem truck, und werde es zur restitution des exercitii, außerhalb waß in
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Silesien mit denen stendten pactirt

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Bestätigung des Dresdner Akkords vom 18./28. Februar 1621 für die schlesischen Mediat-
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stände im PF (Druck: BA NF II/10 nr. 565).
, nit kommen. Illi: Wölten für diesmahl nit mehr hievon
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reden, verhofften, Kayserliche majestätt werden sich uberwinden und das exercitium in de-
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nen erblanden restituirn.

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Endtlich circa satisfactionem coronarum erinnerten die Schweedische, daß es unß obliggen
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wölte, den consensum bey denen interessirten und stendten zuwege zu pringen. Es geschehe
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solches nur mit guten worten, die stendte zu disponirn oder mit dargebung eins aequivalen-
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tis zu behandtlen, dan die cron führte wieder Kayserliche majestätt den krieg, also suchte sie
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auch bey deroselben ire satisfaction.

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Nos: Man hette sich niemaln der cronen waß schüldich zu sein erkhennet, sondern waß
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man denselben loco praetensae satisfactionis verwilligt, solches seie ploß amore pacis und
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sönsten auß kheiner obligation geschehen. Die Kaiserliche majestätt heten sich, so weith sie
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gekhönt, erclehrt und das übrig ahn die interessirte undt ständte verwiesen, bey denselben
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müsten es die Schweedische selbst richtich machen, gehe unß nit ahn.

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Illi: Die Churbrandeburgische wölten sich zu nichts erclehren, die stendte hetten gestern ire
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deputation bey ihnen gehabt und sie ersuchen laßen, mit Churbrandeburg in handtlung zu
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tretten, man insinuirte ihnen auch von einiger Frantzösischen und Hollandischen interposi-
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tion, sie seien nit darauf instruirt und würde solchergestalt, waß Kayserliche majestätt ein-
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gewilligt, in effectu zunichten werden, massen dan auch die Churbrandeburgischen deütlich
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sagten, daß Kayserliche mayestätt auf Pommern zu bewilligen nicht bemächtigt gewest, die
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cron Schweeden wölte Pommern gantz behalten, und zwar nit auf gewiße generationes,
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sondern in perpetuum, auch die ertz- und stiffter Bremen und Verden zu weltlichen fürsten-
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thumben mortificirter und sich dhavon nit abtreiben laßen.

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Nos: Waß die Schweedische wegen Pommern und den stifftern bey Kayserlicher majestätt
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gesucht und ire mayestätt daran zu vergeben vermöegt, solches habe man ihnen eingewilligt
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und deütlich gnug dhabey zu verstehen geben, daß sich die cron bey denen interessirten und
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stendten pro impetrando consensu bewerben müsten. Wir khönten weiters hiebey nit thun,
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man werde das werck ahn die stendte pringen und erwarten, weßen sich dieselbe, bevorab
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aber die interessirte, werden vernhemmen laßen.

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Ist endtlich, weiln für diesmahl weiter nichts zu richten gewest, verabschiedet, daß die
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Schweedische negster tagen zu unß khommen und diese conferentz ferners offter folgen
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wölten.

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