Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett

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Ich stell in kheinen zweifel, Euer Kayserliche Mayestät werden albereit von ihren commis-
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sarien zue Münster und Oßnabrugg, sonderlich dem grafen vonn Trauttmanstorff, umb-
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ständlich bericht worden sein, ob mann wohl genzlich verhofft, nachdeme sowol beeden
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cronen Franckhreich und Schweden in irer praetendirten satisfaction alß auch den protestie-
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renden in iren vorgewendten gravaminibus solche offerten beschechen, daß sie sich billich
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darmit hetten contentiern lassen sollen, es werde der fridt mit Teutschlandt hierdurch völlig
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erhebt und negstens zur endtlichen richtigkheit gebracht werden, daß iedoch bey der hand-
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lung villmehr daß contrarium und sovil heraußkhommen will, daß weder eine noch andere
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billichmessige offenen angenommen werden, sonder baide cronen ihre gar zu hoch ge-
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spante praetensiones und die protestierende ihre iniquissima postulata gänzlich behaubten
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und mit gewaldt durchtruckhen wollen. Dannenhero gedachter graf von Trauttmanstorff
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neben den mediatoribus selbsten nit wenig anstehen thuet, ob auch den gegentheilen rechter
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ernst seye, einen ehrlichen und verandtworttlichen friden zu schließen oder ob sy nicht
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villmehr mit dem betrug umbgehen, Euer Majestät und daß Reich mit den tractaten und
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hoffnung deß fridens zu enterteniern, underdessen aber ihre mächtige waffen noch ferner
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fortzusezen und gedachtes Reich vollents under iren dominat zu bringen, welcher ursachen
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willen dan auch er, der graf von Trauttmanstorf, resolviert sein solle, sich ehist (so villeicht
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numehr geschechen sein würdt) widerumb von Oßnabrugg nach Münster zu begeben und
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noch einen endtlichen versuech zu tuen, ob mit den Franzößischen plenipotentiarien auf
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einen erträglichen weeg vortzukhommen und wenigist mit ihnen ain verantwortlicher fri-
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den zu ajustiern sein möchte, widerigenfahlß und da sich die handlung mit inen, den Fran-
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zösischen, nicht besser alß zu Oßnabrugg mit den Schweedischen und protestierenden an-
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lassen wurde, soll er gedacht sein, sich von danen ganz hinweg und widerumb an Euer
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Majestät hof zu begeben.

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Nun khomet mir diser widerige eventus desto befrembder und unverhoffter vor, dieweil mir
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mehrgedachter graf von Trauttmanstorff iederzeit so guette vertröstung gegeben und gleich-
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samb ganz kheinen zweifel darein gesezt hat, er wolle mit den Schwedischen und protestie-
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renden zu Oßnabrugg vil ehender und leichter alß mit den Französischen zue Münster ei-
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nen leidenlichen und annemblichen accord treffen, wie er dan auch gleich vom anfang sein
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principalabsechen und negotiation darauf gestelt hat.

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Entgegen haben die Französische plenipotentiarii nicht wenigers sowohl ihne, den grafen
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von Trauttmanstorff, und die andere Euer Majestät commissarios alß die mediatores und
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meine gesandten, ie und alzeit vergwisst und versichert, wan nur der cron Franckhreich mit
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yberlasßung der vestung Preysach neben dem Elsäsß und Sondtgau willfahrt werde, daß
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irerseits der friden alsobaldt richtig und geschlossen seye, welches mich auch der cardinal
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Mazarini selbsten durch den nuncium zue Pariß nach inhalt deren Euer Majestät communi-
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cirten schreiben so vilfeltig und beständig vertrösten lassen

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Wurden nicht ermittelt.
, daß ich mir dahero einigen
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andern gedanckhen nicht gemacht habe, alß es werde mit einer und der andern cron und
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ingleichem mit den protestierenden ehist zu einer völligen richtigkheit zue gelangen sein.
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Dieweiln sich aber die sachen aniezo wider bessere zuversicht etwas wideriges erzaigen, so
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mueß man es zwar dermahln dahingestelt sein lassen, ich khan aber nichtsdestoweniger auf
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vleissiges und reiffes nachgedenckhen nit für rathsamb und thuenlich befünden, daß man
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darumb alle hoffnung zu dem friden verliehren, die tractaten abrumpiern und unverrichter
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sachen voneinander ziechen solle, sinteinmahl zu dem Allmechtigen daß vösste vertrawen
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zu stellen ist, weiln die gegentheil sogar durch alle angewendte menschliche mitel, mie und
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vleiß zu kheinem billichmessigen und verandtworttlichen fridensconditionen in giette zu
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bringen und zu disponiern seindt, seine Göttliche providenz werdte in beide die sachen auf
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andere weg dahin richten, daß sye, die gegentheil, dardurch verursacht werden mechten,
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bessere und schidlichere consilia an handt zu nemmen und nicht alles zumahl auf den spüz
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und ungewisen außgang der waffen zu sezen. Hoffnung auf Fortgang der Verhandlungen
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durch militärische Erfolge, wann man allein noch ein zeitlang beysammen verpleiben, in den
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güettlichen tractaten sovil immer möglich unaußgesezt fortfahren und solche nicht auf ein-
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mahl abrumpiern thuet. Dargegen ist höchstens zu besorgen, ia gleichsamb fur richtig zue
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halten, wan man einmahl einen riß darein machen und dise mit grosser mühe und uncos-
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sten, wie die Hamburgische praeliminartractaten

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Anspielung auf die langen Vorverhandlungen der Präliminarverträge vom 15./25. Dezember
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1641.
genuegsamb zu erkhenen geben, erhand-
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lete congressus sich dissolviern solten, daß man so baldt nicht mehr oder wol gar zue khei-
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nen andern tractaten khommen und alles auf die extrema hinaußlauffen, auch das ganze
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Heylige Römische Reich, weiln dasselb die mittel, den krieg wider so underschidliche
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starckhe außwendige feindt (der inwendigen, welche sich besorglich von tag zu tag mehrers
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zu ihnen schlagen mechten, zue geschweigen) in die jaar zu continuiern, nicht hat, dariber
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ganz und gar corruiern wurde.

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Zweifle derhalben gar nicht, Euer Kayserliche Majestät werden von selbsten dahin incli-
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niern und ihren commissarien zue Münster und Oßnabrugg, daß sie nichtsdestominder in
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den tractaten verfahren und sonderbaren vleiß anwenden sollen, damit man solche, wie
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schwähr sie auch immer fahlen, annoch offen behalte und nicht etwan durch deren aufstos-
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ßung den gegentheilen zue noch grössern extremiteten und gefährlichen resolutionen anlaß
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gebe, gnädigst anbevelchen, insonderheit aber den grafen von Trauttmanstorff erinnern
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werden, daß er auß denen obangeführten und andern mehr ursachen sich noch ein zeitlang
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alda aufhalten und, wan er schon weder zu Münster mit den Französischen noch zu Oßna-
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brugg mit den Schwedischen und protestierenden dißmahl waß sonderbars effectuiern
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khöndt, dannoch zue verhiettung grössern ybels und unhailß die fridenshandlungen durch
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seine gegenwarth nur solang enterteniern solle, biß man etwan mit negstem sichet, wie sich
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der status militiae hin und wider ferners anlasset und ob nicht die baide gegenthailige cro-

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nen pacatiora consilia und der billigkheit mehrers gemäsße fridensmitl ergreiffen mechten,
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dann ich nicht unzeitig in sorgen begriffen bin, wan der graff von Trauttmanstorff die trac-
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taten durch sein obangezognes schon in eventum vorhabendes abraisen abandonirt, daß es
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die Französische und Schwedische plenipotentiarii anderster nicht aufnemmen und halten
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werden, alß daß Euer Majestät an dem friden ganz desperiern und numehr ihro intentiones
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auf die fortstelllung der waffen richten. Dahero wurden sie einer nach dem andern auch
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hinweckhziechen, die cronen zu noch grössern und ernstlicherm krieg anfrischen und so-
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wol den aufstosß der tractaten alß alle darauß weiters endtstehende ungelegenheiten Euer
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Majestät beymessen, welches umb sovihl mehr zu verhietten ist, weil man den feinden dis-
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seits bekhandtermassen nicht zu geniegen widerstehen noch derselben grosse macht außtau-
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ren khan.

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Und wan schon der allmechtige Gott Euer Majestät und dem Reich einige glickhliche suc-
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cess verleichen und dero waffen in etwaß bessern standt gerathen wurden, hat man iedoch
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meines erachtens daß principalabsechen iederzeit auf die fridenshandlung zue richten und
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zue consideriern, daß eben alßdan daß rechte tempo seye, den friden mit ernst zu befürdern
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und zu schliessen, wann die sachen baiderseits etlichermassen widerumb ad aequilibrium
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khommen seindt. Es besteht keine Hoffnung, die Feinde auf Dauer durch Waffen aus dem Reich
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zu bringen. Aus England habe ich Nachricht, daß das Parlament nach einer Einigung mit dem
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König dem Pfalzgrafen helfen will.

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Welchem allem nach ich nochmahl der tröstlichen hoffnung gelebe und Euer Kayserliche
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Majestät gehorsamblich ersueche, sie wollen und werden der sachen notturfft wol erwegen
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und derenthalben sowohl dero commissariis insgesambt alß insonderheit dem grafen von
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Trauttmanstorff zue vorangedeütem ende firderlichen behörigen bevelch und instruction
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zueferttigen.

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Dieweiln Euer Kayserliche Majestät auch von ermelten dero commissarien berichtet und
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yberschickht worden sein wirdt, waß fir yberauß schwähre exorbitirende und im gewissen
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nimermehr verantworttliche postulata die protestierende ständt zu Oßnabrugg dem grafen
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von Trauttmanstorff und durch dennselben den andern catholischen zuestellen lassen

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Gemeint ist die Fernere Erklärung der Protestanten vom [ 8./18. Juni 1646] (vgl. nr. 203
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Beilage [ 1]) .
und
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waß fir nachdenckhliche sonderbare begehren die reichsstätt noch darzue absonderlich vor-
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her ybergeben

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Gemeint ist offenbar das Memorial des Städterats vom 26. Mai/5. Juni 1646 (vgl. nr. 162
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Beilage 1).
, dergleichen an seiten der protestierenden vorher auf einigem reichsconvent
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niemahlen vorgebracht worden, inmassen dan eben darumb die Cursäxische in der protestie-
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renden absonderlichen conferenzien daß directorium bey berathschlagung und abhandlung
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diser sachen nicht führen wollen, beneben starckhe indicia vorhanden seind, daß sie, die
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protestierende, albereit under sich selbsten und mit den Schwedischen eine neue haimbliche
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confoederation tractiern und ire unbilliche intentiones mit gewaldt durchzutruckhen ge-
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maindt sein sollen, alß habe Euer Majestät ich gehorsamblich und auß gethreuer wolmainung
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zu bedenckhen geben wollen, ob nicht rathsamb und vorstendig, daß dieselbe besagte pro-
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testierende ständt und auch die reichsstätt, sonderlich die vornembste und welche die maiste
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authoritet bey den andern haben, durch bewegliche erinnerungsschreiben von ihren unbilli-
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chen postulaten und vorhabenden extremiteten abmahnen und selbige zue schidlichern und
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verandtworttlichern vergleichsmitlen disponiern, auch hierunder dero commissarien zue
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Münster und Oßnabrugg die erhaischende notturfft weiters anbevelchen möchten.

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Schließlich khan Euer Kayserlicher Majestät ich auch nicht verhalten, waßgestalt mich
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meine gesandten bey negster ordinari berichtet haben, daß die Schwedische plenipotentiarii
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in der Pfälzischen sach von dem medio alternationis nicht weichen wollen, auch der mehrer
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thail von den protestierenden inen hierin starckhen beyfahl thuen und zu dem octavo elec-
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toratu nicht incliniern. Dieweiln aber Euer Majestät die hochwichtige motiva und ursachen,
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warumb einige alternation nicht rathsamb und practicierlich, sondern dem gemainen catho-

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lischen wesen und deß Reichs bestendigen ruehstandt eüsserist nachtailig und hinderlich ist,
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vorhero genuegsamb bekhant seindt, ich mich auch zu solchem mitel nimermehr verstehen
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khönte und würdte, so zweifle ich zwar nicht, Euer Mayestät commissarii und sonderlich
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der graf von Trauttmanstorff werden irer habenden gemessenen instructionen in angedeü-
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ten, der Schwedischen und protestierenden sehr praeiudicierlichen vorschlag im geringsten
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nicht einwilligen, sondern sich bestendig darwider sezen und demjenigen 〈inhaeriern〉,
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waß sye den Französischen und Schwedischen plenipotentiariis in den proiectis pacis sowol
8
der curwürde alß der landen halber albereit ybergeben und pro conditione sine qua non
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gesezt haben, beharlich inhaeriern. Wan iedoch Euer Majestät inen hierunder nochmahlen
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specialiter zueschreiben und sye irer instruction gnädigst erindern wolten, wurden sye inen
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solches werckh mit dem bißher darin gebrauchten sonderbaren vleiß und eüffer noch firder-
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hin angelegen sein und sich sowohl der Schwedischen alß etlicher protestierenden starkhe
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oppositiones desto weniger irren lassen, darumben Euer Kayserlicher Majestät ich hiemit
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angelegenes vleiß ersuechen und deroselben mich zu dero Kayserlichen hulden und gnaden
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in underthenigkheit empfelchen thue.

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