Acta Pacis Westphalicae III C 1,1 : Diarium Chigi, 1639 - 1651, 1. Teil: Text / Konrad Repgen
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VORWORT
Der Sammelbegriff »Diarien« als Bezeichnung der Abteilung III
der
Acta
Pacis
Westphalicae
umfaßt zwei verschiedene Quellentypen: laufend geführte, umfangreiche Aufzeichnungen im großen Folioformat, die für den internen Dienstbetrieb angefertigt wurden, und – auch vom Format her davon schon deutlich unterschieden – persönlich-private Merkhefte und Notizbücher, die ihre Entstehung einem autobiographischen Interesse verdanken. Zum erstgenannten Typus gehören die Diarien Volmar (1643–1649) und Wartenberg (1644–1648), zum zweiten das Diarium Lamberg (1644–1647, 1648–1649) und das Tagebuch des Kölner Nuntius Fabio Chigi, dessen Text hier vorgelegt wird. Beide Tagebuchtypen sind Quellen ersten Ranges, allerdings für ganz unterschiedliche Fragen.
Chigi hat sich von 1644 bis 1649 in Münster aufgehalten und als Friedensver-mittler dort eine zentrale Stellung eingenommen. Insofern bedarf die Publika-tion seines Notizenbuches für diese Jahre keiner Rechtfertigung. Zu erklären ist aber, warum auch das Tagebuch für die nahezu fünf Jahre, die der Nuntius zuvor in Köln verbracht hatte, sowie für die beiden Jahre nach dem Friedens-kongreß, während derer er in Aachen lebte, an dieser Stelle, in den APW,
publiziert wird.
Die Begründung dafür ist praktischer Natur. Erstens liefen Chigis Amtspflichten als Kölner Nuntius während der Jahre in Münster weiter, und bei dem Charakter seines Tagebuchs wäre es untunlich, die Eintragungen, soweit sie Chigis »normale« Dienstpflichten betreffen, aus der Edition auszuschließen: das Notizenbuch läßt sich sinnvoll nur in toto publizieren. Zweitens bedarf diese Quelle hier unbedingt eines ausführlichen Kommentars, der als gesonderter Teil erscheinen soll; dieser Kommentar aber muß oft auf Vorgänge zurückgreifen oder Personen erläutern, die bereits vor Chigis Reise zum Friedenskongreß in seinem Diarium erwähnt worden sind, so daß die Hinzunahme der Jahre 1639 bis 1644 nahezu unvermeidlich ist. Drittens aber ist die Person des Verfassers dieses Tagebuchs, der 1655 bis 1667 als Papst regiert hat, von so großem biographischen Interesse, daß es richtig erschien, die gesamten zwölfeinhalb Jahre der Mission Chigis in Deutschland, für die das Tagebuch nun einmal vorliegt, an dieser Stelle geschlossen und ungekürzt zu publizieren. Das Chigi-Tagebuch für die Jahre zuvor (1632–1639) und danach (1651–1655) kann und mag getrennt von diesem zeitlichen Mittelstück erschlossen werden; das Diari-um der „deutschen“ Jahre Alexanders VII. bildet durch den Schauplatz, auf dem Chigi zwischen 1639 und 1651 wirkte, eine innere Einheit. Sie darf nicht unter editionstechnischen Gesichtspunkten zerstört werden. Das Diarium Chigi wird daher an dieser Stelle für die Jahre 1639 bis 1651 geschlossen publiziert, beginnend – wie bei den anderen Diarien-Bänden der APW
Das Diarium Volmar (für den Zeitraum 1643 VII 28 bis 1649 VII 2) wird in drei Teilen (zwei Textteile und ein Registerteil) im Jahre 1984 als
APW III C 2 erscheinen, das Diarium Wartenberg (1644 IX 27 bis 1648 XII 25) als
APW III C 3 in zwei Halbbänden Ende 1985, das Diarium Lamberg (1644 VIII 4 bis 1647 V 31, 1648 IX 1 bis 1649 VI 15) als
APW III C 4 im Verlauf des Jahres 1985 (oder früher).
– mit der Anreise und endend mit der Rückkehr. Es umfaßt 4215 Tage.
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Zweck dieses Tagebuchs war nicht Selbstreflexion oder Festhalten von (eigenen oder fremden) Meinungen, sondern Notiz über den Tagesablauf. Rechnet man im Durchschnitt etwa sechs Notizen pro Tag, so enthält das Diarium Chigi insgesamt ungefähr 25 000 Informationen. Diese große Nachrichtenmasse bedarf, um verständlich und damit benutzbar zu werden, zum großen Teil eines Kommentars, für den der umfangreiche Nachlaß Chigis nicht in allen, jedoch in den meisten Fällen genügend Anhaltspunkte bietet: Personen müssen identifi-ziert, die Stichworte über das jeweilige Amtsgeschäft müssen erläutert, und vieles andere muß verifiziert werden. Oft muß daher der Umfang des Kommentars erheblich länger sein als die Notiz der Quelle, zumal dann, wenn nur (unterschiedlich plausible) Wahrscheinlichkeiten bestimmt und unbezweifelbar sichere Aussagen über Tatsächlichkeiten nicht gemacht werden können, der Benutzer aber an jedem Punkt über den Grad der Sicherheit, der gegeben ist, zuverlässig informiert sein soll. Das verlangt teilweise etwas Platz. Schon aus typographischen Gründen empfahl es sich daher, abweichend von den übrigen Bänden der APW,
die Sachanmerkungen nicht dem Text unmittelbar, als Fußnoten, beizufügen, sondern in einem eigenen Kommentarteil unterzubrin-gen, der als APW III C 1,2
erscheinen wird. Infolgedessen enthält der hier vorgelegte Teil APW III C 1,1
allein den Text mitsamt den (insgesamt wenig zahlreichen) textkritischen Anmerkungen.
Die Publikation dieses Textteils ist schon seit längerem angekündigt worden. Die Gründe für die Verzögerung liegen in vielfältigen anderen Pflichten und Verpflichtungen, die im letzten Jahrzehnt auf mich zugekommen sind und mir ein kontinuierliches Arbeiten an der Edition des Chigi-Tagebuches unmöglich machten. Die Geduld des Hauses Aschendorff, das die Herstellung dieses komplizierten Druckwerks mit größter technischer Sorgfalt in bewährter Quali-tät geleistet hat, mußte ich durch die Verzögerung über Gebühr strapazieren. Ein Warten auf die Fertigstellung auch des Kommentarteils aber wäre nicht zu verantworten gewesen, zumal die Umstellung der Drucktechnik (von Blei- auf Lichtsatz) das auch technisch erschwert. Folge dieser Entscheidung ist jedoch, daß der Text
ohne Register erscheinen muß. Das Register setzt nämlich den Kommentar voraus, wenn es erreichen will, daß der Benutzer über den Sicherheitsgrad der jeweiligen Verifizierung und Identifizierung informiert ist. Hinzu kommt, daß viele Identifizierungen und Verifizierungen überhaupt erst durch den Kommentar verständlich werden, wie in der Einleitung beispielhaft gezeigt wird.
Unter diesen Umständen habe ich die Publikation des ungefähr tausend Namen umfassenden Personenregisters, die im Diarium Chigi 1639–1651 erwähnt werden und das schon weitgehend vorbereitet ist, zurückgestellt. Es wird mit dem Kommentarteil publiziert werden. Erst dann ist dieses Tagebuch, eine
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Quelle von einzigartiger Bedeutung für den Tagesablauf des Kölner Nuntius vor dem Westfälischen Friedenskongreß, während des Kongresses und nachher, voll verwertbar. Andererseits hat die Konstituierung eines zuverlässigen Textes in dicsem Falle weit mehr Schwierigkeiten bereitet, als bisher sonst bei den APW
aufgetreten sind. Auch das rechtfertigt wohl die Vorabpublikation dieses Text-bandes, für den ich das erste, vorläufige Manuskript vor fast zwei Jahrzehnten niederzuschreiben begonnen habe.
In diesen Jahren habe ich für die mehrfachen, rein mechanischen Übertragungs- und Kontrollarbeiten, die notwendig wurden, gelegentlich Mitarbeiter und Schüler herangezogen, denen ich auch an dieser Stelle für ihre Hilfe danken möchte, ebenso wie dem Lande Nordrhein-Westfalen, das mir durch ein Forschungsfreisemester im Winter 1972/73 die Möglichkeit bot, die bis dahin nur nach dem Mikrofilm erarbeiteten Texte an Hand des Originals im Vatikan zu überprüfen. Da ich jedoch das meiste auch der mechanisch-technischen Arbeiten an diesem Text selbst geleistet habe, fallen die eventuellen Fehler allein auf mich zurück.
z. Z.
München, den 28. Oktober 1983 Konrad Repgen