Acta Pacis Westphalicae III C 2,2 : Diarium Volmar, 2. Teil: 1647-1649 / Joachim Foerster und Roswitha Philippe
Sonntag
Dominica, 30. huius, hatt bei mir, Volmarn, herr
bischoff von Oßnabrukh mit zuziehung herrn thumbprobts von Paderborn
und herrn de Galen als thumbherrn zu Minden, deß herrn officials zu Oßna-
brukh und syndici zu Minden
, nachfolgendes anbringen gethan: Erstlich
hett er wegen Churcöln unterhabender stiffter zu erinnern: 1. Daß bei besche-
hener vergebung deß ambts Wiltzhausen die catholische religion sambt der
bischofflichen iurisdiction außbedingt, auch zwei dorffschafften, so auß dem
undisputirlichen ambt Cloppenburg umb besserer commoditet willen dar-
zugeschlagen worden, uff deßwegen vorweisende documenta wider zurukh-
gefolgt, sonsten aber alle actiones und processus, so dieses ambts Wiltz-
hausen wegen am Kayserlichen cammergericht anhengig, utrinque cassirt
und auffgehebt werden sollen. 2. Daß § 12 versiculus ’Pacta autem‘, dise
wortt gesetzt werden sollen: ’Et inter illa, quae episcopus Hildesiensis et
duces Brunsuicenses et Luneburgenses de libertate exercitii Augustanae con-
fessionis quoad nobilitatem et subditos circa terminos septuaginta et respec-
tiue quadraginta annorum anno domini 1643 particulariter transegerunt
Neben dem die Rückgabe des ‘Großen Stiftes’ regelnden Hildesheimer Hauptvertrag 1643 IV 27
(Druck: J. Ch. Lünig V/1 S. 523ff) war gleichzeitig ein Religionsrezeß (Druck: ebd. S. 537ff)
geschlossen worden, der die protestantische Religionsausübung auf 70 bzw. 40 Jahre beschränkte,
daneben die Einführung des katholischen Bekenntnisses erlaubte und die Rückgabe verschiedener
Klöster und geistlicher Fundationen an die Katholiken vorsah.
,
reliquis in dicta transactione contentis in suo vigore permanentibus‘. 3.
Waß die restitution deß ambts Hachenburg betreffe, wollten Ihr Chur-
fürstliche Durchlaucht die restitution dem thuen, dem es entzogen, namblich
der Saynischen wittib
Die Herrschaft Hachenburg (Westerwald) war kurkölnisches Lehen der Altsayner Linie des
Hauses Sayn. Als die männliche Nachkommenschaft der Erbtochter Anna Elisabeth von Sayn
(1572–1608), verh. mit Gf. Wilhelm III. von Sayn-Wittgenstein (1569–1623), mit Gf. Ludwig
(1626–1636) erlosch, zog Kurköln die Herrschaft als erledigtes Lehen ein und gab sie an Wartenberg.
Restitutionsansprüche erhoben die Mutter Gf. Ludwigs, Juliane von Erbach (1603–1670), im
Namen ihrer Töchter Ernestine Salentine (1626–1661) und Johannetta (1632–1701), aber auch
die nicht von der Altsayner Linie abstammenden Agnaten des Hauses Sayn-Wittgenstein.
, wölches auch gleichermaßen von Hessen Darmstatt
als curatorn eiusdem erinnert worden.
Zum andern hette herr bischoff von Aichstett begehrt, daß wegen restitu-
ion der reichspfantschaff Weissenburg diser statt in specie kein meldung
solte gethan werden, dann es wer ein grosser unterschied gegen derjenigen
reichspfantschafft, so der statt Lindaw
Die Reichspfandschaft Lindau betraf Hoheitsrechte in vier dem Kloster Lindau gehörenden
Dörfern und war 1430 an die Stadt Lindau gekommen. Diese mußte nach längeren Streitigkeiten
1628 auf kaiserlichen Befehl hin die Einlösung durch Gf. Hugo von Montfort-Tettnang (gest.
1662) geschehen lassen, welcher seine Rechte 1638 an Österreich abtrat.
abgelöst worden, dan dise hett ein
priuilegium, solche pfantschafft nit abzelösen, jene aber keins. Und hetten
Ihr Kayserliche Maiestät herrn bischoffen vertröstet, daß er dabei handge-
habt werden solte.
Drittens hetten Sein Fürstliche Gnaden wegen ihres und ihrer stiffter interesse
folgende erinnerung ze thuen: 1. Daß ihr stifft Verden den Schweden in satis-
factionem vergeben, müeßten sie zwar geschehen lassen, köndten aber keinen
consensum darein geben, sondern sich passive halten. 2. Waß aber die stifft
Minden anlangte, da wer bekandt, daß iedermeniglich, die Schweden und pro-
testierenden selbst, darfür iederzeit gehalten, Brandenburg sei mit Magden-
burg und Halberstatt überflüssig recompensirt, daher er uff mittel gedacht,
ob nit die stifft noch denn catholischen erhalten werden möcht. Die bestüen-
den nun darinnen: Die 4 Schaumburgischen ämbter
Nach dem Tode des letzten Grafen von Holstein-Schaumburg (1640) suchte seine Mutter Elisabeth
von der Lippe (1592–1646) die Grafschaft an sich zu bringen und übertrug 1643 ihre Ansprüche
auf ihren Bruder Philipp von der Lippe zu Alverdissen (1601–1681). Dieser verglich sich mit
Hessen-Kassel, das seit 1518 die Lehnshoheit über die Ämter Rodenberg, Hagenburg und Arens-
burg beanspruchte, auf eine Teilung der Grafschaft. Gleichzeitig gehörten die Grafen von der
Lippe durch ihre Mutter Elisabeth von Holstein-Schaumburg (1566–1638) zu den Schaumburger
Allodialerben. Die Lehnshoheit über die Ämter Schaumburg, Bückeburg, Stadthagen und Sachsen-
hagen, die durch Reichshofratsurteil 1645 dem Stift Minden als Lehnsherrn zugesprochen worden
waren, sollte Hessen-Kassel aufgrund der Satisfaktionsbestimmungen erhalten.
seyen quoad utile domi-
nium nit, sondern allein quoad directum dominium der landtgräfin zu Cassel
vergeben, deß utilis dominii halben aber noch nichts disponirt, dann obwol
der graf von der Lippe selbige derzeit innhalte, so gebüren die iedoch ime
nit, sondern müesse sich mit separation deß aigenthumbs beschlagen lassen
und solches außfündig machen. Er hette auch beraits 3 ambter ohnedaß, so
Hessen Cassel in possessorio zu verleihen hett, von der zu lehen bekommen
und sonst vom allodio und seinem appenagio so vil innen, daß er sich wol
darmit betragen köndt. Man solte also Churbrandenburg dise 4 ambter ledig
übergeben und dargegen Minden denn catholischen erhalten. Dise stifft
trage nit mehr dann 20 000 thaler jarlichs einkommens, die ämbter aber in
40–50 000 thaler, also wurde Brandenburg sein condition meliorirn. Zu-
deme so weren Sein Fürstliche Gnaden erbiettig, der landtgräfin zu Cassel zu
gwissen terminen noch 200 000 thaler über die von gmeinen interessirten be-
raits eingewilligte 600 000 thaler auß der stifft Minden zu bezahlen und biß uff
erfolgende bezahlung beede ämbter Reden und Renneberg pfandtsweise
einzeraumen. Gesetzt aber den fahl, daß man ie die stifft Minden Churbran-
denburg überlassen müeßt, so werde vordrist darvon ze reden [sein], wie
gleichwol das capitul bei seinen rechten und gerechtigkheiten möge erhal-
ten und gelassen werden. Item köndte nit nachgeben werden, daß der statt
Minden so großer bezirkh wider alles herkommen bestimbt und damit
gleichsamb die darinn gelegne stiffts- und rittergüetter der statt iurisdiction
unterwürfflich gemacht werden.
Respondi, waß die reichspfandtschafft Weissenburg anlangte, da hette ich
mich lang bemühet, solche specification auß dem weeg ze halten, aber die
stätt hetten so starkh drauff getrungen, daß mans entlich nachgeben
müessen. So irrete sich herr bischoff zu Aichstett mit angebner differentz,
dann es fundirten dise querelanten auff die Kayserliche wahlcapitulation, in
wölcher denn reichsständen die confirmation und handhabung ihrer reichs-
pfandtschafften versprochen werde. Waß die übrige erinnerungen anlangte:
Wegen Churcöln, wolte ich sehen, waß zu erhalten. Betreffendt die auß-
wexlung mit Minden gegen denn 4 Schaumburgischen amptern, da wer wol
guett gewesen, das man disen vorschlag under werendem tractat gewußt
hette. Ich wolt es zwar gern versuechen, ob waß zu erhalten, weil aber dise
stifft iuxta terminum anni 1624 den protestierenden ze bleiben, so trag ich
sorg, es werde wenig zu erhalten sein. Das beste medium persuadendi wer,
wann herr churfürst in Bayern sein armada widerumb mit dem Kayser con-
iungirte. Herr bischoff vermeint, wann diß nit gehen wolt, so solt man denn
protestierenden ein alternatiuam auff diser stifft anerbietten und hingegen
Oßnabrukh den catholischen freybehalten, weil dißortts der terminus a quo
pro catholicis. Der abschied war, man solts versuechen, so guett man
köndte.
bischoff von Oßnabrukh mit zuziehung herrn thumbprobts von Paderborn
und herrn de Galen als thumbherrn zu Minden, deß herrn officials zu Oßna-
brukh und syndici zu Minden
hett er wegen Churcöln unterhabender stiffter zu erinnern: 1. Daß bei besche-
hener vergebung deß ambts Wiltzhausen die catholische religion sambt der
bischofflichen iurisdiction außbedingt, auch zwei dorffschafften, so auß dem
undisputirlichen ambt Cloppenburg umb besserer commoditet willen dar-
zugeschlagen worden, uff deßwegen vorweisende documenta wider zurukh-
gefolgt, sonsten aber alle actiones und processus, so dieses ambts Wiltz-
hausen wegen am Kayserlichen cammergericht anhengig, utrinque cassirt
und auffgehebt werden sollen. 2. Daß § 12 versiculus ’Pacta autem‘, dise
wortt gesetzt werden sollen: ’Et inter illa, quae episcopus Hildesiensis et
duces Brunsuicenses et Luneburgenses de libertate exercitii Augustanae con-
fessionis quoad nobilitatem et subditos circa terminos septuaginta et respec-
tiue quadraginta annorum anno domini 1643 particulariter transegerunt
Neben dem die Rückgabe des ‘Großen Stiftes’ regelnden Hildesheimer Hauptvertrag 1643 IV 27
(Druck: J. Ch. Lünig V/1 S. 523ff) war gleichzeitig ein Religionsrezeß (Druck: ebd. S. 537ff)
geschlossen worden, der die protestantische Religionsausübung auf 70 bzw. 40 Jahre beschränkte,
daneben die Einführung des katholischen Bekenntnisses erlaubte und die Rückgabe verschiedener
Klöster und geistlicher Fundationen an die Katholiken vorsah.
reliquis in dicta transactione contentis in suo vigore permanentibus‘. 3.
Waß die restitution deß ambts Hachenburg betreffe, wollten Ihr Chur-
fürstliche Durchlaucht die restitution dem thuen, dem es entzogen, namblich
der Saynischen wittib
Die Herrschaft Hachenburg (Westerwald) war kurkölnisches Lehen der Altsayner Linie des
Hauses Sayn. Als die männliche Nachkommenschaft der Erbtochter Anna Elisabeth von Sayn
(1572–1608), verh. mit Gf. Wilhelm III. von Sayn-Wittgenstein (1569–1623), mit Gf. Ludwig
(1626–1636) erlosch, zog Kurköln die Herrschaft als erledigtes Lehen ein und gab sie an Wartenberg.
Restitutionsansprüche erhoben die Mutter Gf. Ludwigs, Juliane von Erbach (1603–1670), im
Namen ihrer Töchter Ernestine Salentine (1626–1661) und Johannetta (1632–1701), aber auch
die nicht von der Altsayner Linie abstammenden Agnaten des Hauses Sayn-Wittgenstein.
als curatorn eiusdem erinnert worden.
Zum andern hette herr bischoff von Aichstett begehrt, daß wegen restitu-
ion der reichspfantschaff Weissenburg diser statt in specie kein meldung
solte gethan werden, dann es wer ein grosser unterschied gegen derjenigen
reichspfantschafft, so der statt Lindaw
Die Reichspfandschaft Lindau betraf Hoheitsrechte in vier dem Kloster Lindau gehörenden
Dörfern und war 1430 an die Stadt Lindau gekommen. Diese mußte nach längeren Streitigkeiten
1628 auf kaiserlichen Befehl hin die Einlösung durch Gf. Hugo von Montfort-Tettnang (gest.
1662) geschehen lassen, welcher seine Rechte 1638 an Österreich abtrat.
priuilegium, solche pfantschafft nit abzelösen, jene aber keins. Und hetten
Ihr Kayserliche Maiestät herrn bischoffen vertröstet, daß er dabei handge-
habt werden solte.
Drittens hetten Sein Fürstliche Gnaden wegen ihres und ihrer stiffter interesse
folgende erinnerung ze thuen: 1. Daß ihr stifft Verden den Schweden in satis-
factionem vergeben, müeßten sie zwar geschehen lassen, köndten aber keinen
consensum darein geben, sondern sich passive halten. 2. Waß aber die stifft
Minden anlangte, da wer bekandt, daß iedermeniglich, die Schweden und pro-
testierenden selbst, darfür iederzeit gehalten, Brandenburg sei mit Magden-
burg und Halberstatt überflüssig recompensirt, daher er uff mittel gedacht,
ob nit die stifft noch denn catholischen erhalten werden möcht. Die bestüen-
den nun darinnen: Die 4 Schaumburgischen ämbter
Nach dem Tode des letzten Grafen von Holstein-Schaumburg (1640) suchte seine Mutter Elisabeth
von der Lippe (1592–1646) die Grafschaft an sich zu bringen und übertrug 1643 ihre Ansprüche
auf ihren Bruder Philipp von der Lippe zu Alverdissen (1601–1681). Dieser verglich sich mit
Hessen-Kassel, das seit 1518 die Lehnshoheit über die Ämter Rodenberg, Hagenburg und Arens-
burg beanspruchte, auf eine Teilung der Grafschaft. Gleichzeitig gehörten die Grafen von der
Lippe durch ihre Mutter Elisabeth von Holstein-Schaumburg (1566–1638) zu den Schaumburger
Allodialerben. Die Lehnshoheit über die Ämter Schaumburg, Bückeburg, Stadthagen und Sachsen-
hagen, die durch Reichshofratsurteil 1645 dem Stift Minden als Lehnsherrn zugesprochen worden
waren, sollte Hessen-Kassel aufgrund der Satisfaktionsbestimmungen erhalten.
nium nit, sondern allein quoad directum dominium der landtgräfin zu Cassel
vergeben, deß utilis dominii halben aber noch nichts disponirt, dann obwol
der graf von der Lippe selbige derzeit innhalte, so gebüren die iedoch ime
nit, sondern müesse sich mit separation deß aigenthumbs beschlagen lassen
und solches außfündig machen. Er hette auch beraits 3 ambter ohnedaß, so
Hessen Cassel in possessorio zu verleihen hett, von der zu lehen bekommen
und sonst vom allodio und seinem appenagio so vil innen, daß er sich wol
darmit betragen köndt. Man solte also Churbrandenburg dise 4 ambter ledig
übergeben und dargegen Minden denn catholischen erhalten. Dise stifft
trage nit mehr dann 20 000 thaler jarlichs einkommens, die ämbter aber in
40–50 000 thaler, also wurde Brandenburg sein condition meliorirn. Zu-
deme so weren Sein Fürstliche Gnaden erbiettig, der landtgräfin zu Cassel zu
gwissen terminen noch 200 000 thaler über die von gmeinen interessirten be-
raits eingewilligte 600 000 thaler auß der stifft Minden zu bezahlen und biß uff
erfolgende bezahlung beede ämbter Reden und Renneberg pfandtsweise
einzeraumen. Gesetzt aber den fahl, daß man ie die stifft Minden Churbran-
denburg überlassen müeßt, so werde vordrist darvon ze reden [sein], wie
gleichwol das capitul bei seinen rechten und gerechtigkheiten möge erhal-
ten und gelassen werden. Item köndte nit nachgeben werden, daß der statt
Minden so großer bezirkh wider alles herkommen bestimbt und damit
gleichsamb die darinn gelegne stiffts- und rittergüetter der statt iurisdiction
unterwürfflich gemacht werden.
Respondi, waß die reichspfandtschafft Weissenburg anlangte, da hette ich
mich lang bemühet, solche specification auß dem weeg ze halten, aber die
stätt hetten so starkh drauff getrungen, daß mans entlich nachgeben
müessen. So irrete sich herr bischoff zu Aichstett mit angebner differentz,
dann es fundirten dise querelanten auff die Kayserliche wahlcapitulation, in
wölcher denn reichsständen die confirmation und handhabung ihrer reichs-
pfandtschafften versprochen werde. Waß die übrige erinnerungen anlangte:
Wegen Churcöln, wolte ich sehen, waß zu erhalten. Betreffendt die auß-
wexlung mit Minden gegen denn 4 Schaumburgischen amptern, da wer wol
guett gewesen, das man disen vorschlag under werendem tractat gewußt
hette. Ich wolt es zwar gern versuechen, ob waß zu erhalten, weil aber dise
stifft iuxta terminum anni 1624 den protestierenden ze bleiben, so trag ich
sorg, es werde wenig zu erhalten sein. Das beste medium persuadendi wer,
wann herr churfürst in Bayern sein armada widerumb mit dem Kayser con-
iungirte. Herr bischoff vermeint, wann diß nit gehen wolt, so solt man denn
protestierenden ein alternatiuam auff diser stifft anerbietten und hingegen
Oßnabrukh den catholischen freybehalten, weil dißortts der terminus a quo
pro catholicis. Der abschied war, man solts versuechen, so guett man
köndte.