Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
Freitag [...]
– W bei Salvius. Dieser berichtet zur pom-
merischen Frage: Vor Jahren hat Schweden vergeblich Sonderverhandlun-
gen vorgeschlagen, erst jetzt haben die Brandenburger sich dazu angegeben
und äußerstenfalls Rügen und einige Ämter auf dem Festland gegen ein
Äquivalent geboten. Obwohl Schweden darin keine Verhandlungsgrund-
lage sieht, haben sie sich nach den Gegenforderungen erkundigt. Wittgen-
stein hat zuerst geäußert, er scheue sich, sie namhaft zu machen, dann aber
Großglogau, Sagan, Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim, Minden, Osna-
brück und Münster genannt. Und weyl nun solches anmutthen nicht nur in
sich ganz uber die proportion, sondern auch eine sach seye, die sie Schwe-
den bey Ihrer Kayserlichen Maiestet und den stenden zu erheben nicht
getrawet, sie Brandenburgische aber sich mit ihrer instruction endschuldigt
und dan auff ihres gnädigsten herrn furderliche ankunfft in diese landen
beruffen, so were das werck abermaln biß dahin verschoben plieben. Nach
Ankunft des Kurfürsten in Ravensberg sind Wittgenstein/Löben zu ihm
gereist, soviel man schwedischerseits weiß, hat sich seine Haltung aber nicht
geändert. Die Franzosen wollen ihn durch St. Romain zum Nachgeben er-
mahnen und wünschen deshalb auch eine Deputation des Kurkollegs. Und
wurde solches seines ermeßens zu beforderung des wercks nicht undienlich
sein. W: Daß alßlang man nicht eigentlich wisse, warauf die cron
Schweden ihrer satisfaction halber beharren oder wamit sie sich contentiren
laßen wolle, solche deputation vergeblich sein, auch dem churfursten von
Brandenburg frembd vorkommen würde, wan er ohn vorgangene specifica-
tion und benahmbsung umb consens belangt. Es seye aber deme wie ihm
wolle, so müße bey dieser sach das absehen auf einiges aequivalens nicht
gemacht werden, dan kein land zu finden, so vacant und ohne herrn seye;
der dan nun sein land dem churfürsten loco aequivalentis hingeben solt,
wurde abermal von andern ein gegenaequivalens begehren wollen und also
ein processus in infinitum darauß endstehen. Salvius: Er habe die end-
liche resolution bey ihm, auf deren edirung die Kayserliche starck tringen
thetten, bißherzu aber hab er des Oxensterns ankunfft noch erwarttet, der
dan auch gleich in dieser stund ahn ihn geschrieben und zu wissen begert,
ob die sachen in solchem stand, daß er mit nutzen hier sein kondte. Deme er
heut andtwortten wolle, und vermein, es werde derselb under wenig tagen
sich alhier einfinden. Immittelst weren die Franzosische plenipotentiarii der
mainung, daß sie Schweden negst benennung desienigen antheyls der Pom-
merischen landen, mit welchem sie sich befriedigen wolten, zu restitution
des ubrigen under dieser bedingung sich anerpiethig machen solten, wan
nemblich Churbrandenburg seinen consens darin ertheylen würde, im wie-
drigen fall aber demselben von ermelten Pommerischen landen ganz nichts
restituirt werden solte, und daß sie Franzosen sambt dem Kayser auch ohn
des churfürsten consens die cron Schweden dabey schon manuteniren helfen
wolten. Und eben solcher mainung scheineten die Kayserlichen auch zu
sein, und wurde der churfürst von Brandenburg auch keine grose ursach
sich zu beklagen haben, dan er erstlich Pommern noch nie in besitz, son-
dern allein actionem ad rem, nemblich die expectanz gehabt, welche er
auch ex mera gratia Imperatorum Austriacorum erlangt. Sie Schweden
hetten es iure belli occupirt, zumaln sie ihren feind darin gefunden und ver-
trieben, so weren auch pacta endzwischen kommen, daß sie darauß zu wei-
chen nicht schuldig sein solten, biß ihnen ihre kosten erstattet. Einmal seye
kein anderß mittel, alß endweder per arma oder tractatus hinaußzuschaf-
fen ubrig. Ob nun Churbrandenburg solches per arma versuchen wolle,
werde er zue bedencken haben, per tractatus werde ihr der Schweden will
auch hinzukommen müßen. Wan sie dan nun dem churfürsten die Hinder-
pommerische landen, alß welche er noch nie in besiz gehabt, wieder ab-
tretten, wurde sein gebieth nicht verringert, sondern umb ein groses ver-
mehret, wie dan auch hinzukomme, daß ihme die Kayserliche den stifft
Halberstatt angetragen. Neben deme habe der Kayser auch andere nit
geringe actiones wieder den churfursten, alß erstlich, daß er Preußen vom
reich alienirt und ahn die cron Polen gebracht habe, von dem furstenthumb
Crospen in Schlesien
in vielen jahren zu der cron Boheimb, wie auch von
den dreyen stiffter Havelberg, Brandenburg und Libuß zu dem reich nichts
contribuirt, welche anforderung sich auf ein immensum hinausbelieffe.
Wan nun Ihre Kayserliche Maiestet solche actiones fallen liesen, kondte
sich der churfurst wol befriedigen. Alß nun ferner von dem quanto dieser
Schwedischen red movirt worden, gab der Salvius soviel zu verstehen, daß
die cron Schweden den Oderstroomb pro termino gesezt haben wolle, auch
vielleicht noch etwas wenigs auf jener seitthen der Oder begehren wird, bey
den Churbrandenburgischen aber die meiste difficultet mit den stätten
Stettin und Wolgast, so sie gern bey der Hinderpommerischen landschafft
behalten wolten, gemacht werde. Diesem nach hat der Salvius von den gra-
vaminibus religionis zu reden angefangen und I. H. G., alß welche wegen
underschiedlicher fuhrender stimmen viel bey dem werck zu thun vermoch-
ten, moderata consilia dabey zu gebrauchen ersucht. I. H. G. andwort-
teten, wan die fundamentalsatzungen des reichs und sonderlich der religi-
onfried ahn der gegenseithen in acht genommen worden und noch würde,
hette es keiner grosen vergleichung, indem die worte hell genug, vonnöthen,
und weren auch uber das von den catholischen solche milte erpiethungen
geschehen, daß man von ihnen nicht mehr wurde begehren konnen. Sal-
vius: Die satzungen und religionfrieden weren zwar vorhanden, man wüste
aber, was uber deren verstand nun beynahe 100 jahr fur disputationes ge-
führt und man endlich darüber in diesen bluttigen krieg gerathen. Damit
derowegen künfftig dergleichen nicht wieder zu befahren, müste der vori-
ger stritt beygelegt und alles verglichen werden. Die protestirende stend
hetten ihm ihre fernere erklehrung zugestelt, weren auch selbsten guten-
theyls von Oßnabruck anhero kommen, der handlung aufzuwartten
Nach längeren Auseinandersetzungen über den Ort der Religionsverhandlungen
erschienen Anfang November die meisten Protestanten in Münster; der offizielle
Beschluß zur Aufnahme der Verhandlungen 1646 XI 15 ( J. G. Meiern III S. 404f ).
, und
fünde er ermelte erklehrung also beschaffen, daß die catholische zuversicht-
lich damit zufrieden sein konnen. Es halten aber die Kayserliche rhatsamer,
diese sach noch etwas weniges, biß nemblich in dem puncto satisfactionis
mehrer gewißheit getroffen, außgestelt sein zu laßen. In specie hat er den
punctum des geistlichen vorbehalts und autonomiae berürt, jenes halber
doch selbsten dafur gehalten, daß man damit schon so weit kommen, daß
die vollige vergleichung leichtlich zu hoffen, die autonomiam aber fast hart
urgirt. Dahingegen ihm der catholischen darwieder habende fundamenta
und rationes, sonderlich auch dieses remonstrirt, daß die protestirende stend
selbst, wan sie ihre religion geändert, die catholische außgewiesen und sogar
den geistlichen ihre eigenthumbliche guetter abgenommen. So wisse man
auch, daß es in Schweden also observirt werde, daß wan ein underthan den
catholischen glauben annehme, alßdan auß dem konigreich migriren müste.
Kondten also nicht sehen, daß man den catholischen fur unrecht außdeuten
wolt, was andere bey sich selbsten recht erkennen, und sey es einmal ahn
dem, daß aller versuch vergeblich, dan sowol Ihre Kayserliche Maiestet in
deren erb- alß andere stend in ihren landen hierin sich kein ziel vorschrei-
ben laßen werden. Salvius: In Schweden seye es zwarn also, in Teutsch-
land aber hab man andere leges, und heische es bey ihnen iezo, qualem te
invenio, talem te iudico. Alß ihm hierauff replicirt, daß die catholische
solches argument auch fuhren konnen, wo sie nemblich ihre landschafft
von aller andern religion rein und sauber gehalten. Hatt er geandt-
worttet, daß solchen falß er darwieder nicht viel zu sagen hette. – [...]
merischen Frage: Vor Jahren hat Schweden vergeblich Sonderverhandlun-
gen vorgeschlagen, erst jetzt haben die Brandenburger sich dazu angegeben
und äußerstenfalls Rügen und einige Ämter auf dem Festland gegen ein
Äquivalent geboten. Obwohl Schweden darin keine Verhandlungsgrund-
lage sieht, haben sie sich nach den Gegenforderungen erkundigt. Wittgen-
stein hat zuerst geäußert, er scheue sich, sie namhaft zu machen, dann aber
Großglogau, Sagan, Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim, Minden, Osna-
brück und Münster genannt. Und weyl nun solches anmutthen nicht nur in
sich ganz uber die proportion, sondern auch eine sach seye, die sie Schwe-
den bey Ihrer Kayserlichen Maiestet und den stenden zu erheben nicht
getrawet, sie Brandenburgische aber sich mit ihrer instruction endschuldigt
und dan auff ihres gnädigsten herrn furderliche ankunfft in diese landen
beruffen, so were das werck abermaln biß dahin verschoben plieben. Nach
Ankunft des Kurfürsten in Ravensberg sind Wittgenstein/Löben zu ihm
gereist, soviel man schwedischerseits weiß, hat sich seine Haltung aber nicht
geändert. Die Franzosen wollen ihn durch St. Romain zum Nachgeben er-
mahnen und wünschen deshalb auch eine Deputation des Kurkollegs. Und
wurde solches seines ermeßens zu beforderung des wercks nicht undienlich
sein. W: Daß alßlang man nicht eigentlich wisse, warauf die cron
Schweden ihrer satisfaction halber beharren oder wamit sie sich contentiren
laßen wolle, solche deputation vergeblich sein, auch dem churfursten von
Brandenburg frembd vorkommen würde, wan er ohn vorgangene specifica-
tion und benahmbsung umb consens belangt. Es seye aber deme wie ihm
wolle, so müße bey dieser sach das absehen auf einiges aequivalens nicht
gemacht werden, dan kein land zu finden, so vacant und ohne herrn seye;
der dan nun sein land dem churfürsten loco aequivalentis hingeben solt,
wurde abermal von andern ein gegenaequivalens begehren wollen und also
ein processus in infinitum darauß endstehen. Salvius: Er habe die end-
liche resolution bey ihm, auf deren edirung die Kayserliche starck tringen
thetten, bißherzu aber hab er des Oxensterns ankunfft noch erwarttet, der
dan auch gleich in dieser stund ahn ihn geschrieben und zu wissen begert,
ob die sachen in solchem stand, daß er mit nutzen hier sein kondte. Deme er
heut andtwortten wolle, und vermein, es werde derselb under wenig tagen
sich alhier einfinden. Immittelst weren die Franzosische plenipotentiarii der
mainung, daß sie Schweden negst benennung desienigen antheyls der Pom-
merischen landen, mit welchem sie sich befriedigen wolten, zu restitution
des ubrigen under dieser bedingung sich anerpiethig machen solten, wan
nemblich Churbrandenburg seinen consens darin ertheylen würde, im wie-
drigen fall aber demselben von ermelten Pommerischen landen ganz nichts
restituirt werden solte, und daß sie Franzosen sambt dem Kayser auch ohn
des churfürsten consens die cron Schweden dabey schon manuteniren helfen
wolten. Und eben solcher mainung scheineten die Kayserlichen auch zu
sein, und wurde der churfürst von Brandenburg auch keine grose ursach
sich zu beklagen haben, dan er erstlich Pommern noch nie in besitz, son-
dern allein actionem ad rem, nemblich die expectanz gehabt, welche er
auch ex mera gratia Imperatorum Austriacorum erlangt. Sie Schweden
hetten es iure belli occupirt, zumaln sie ihren feind darin gefunden und ver-
trieben, so weren auch pacta endzwischen kommen, daß sie darauß zu wei-
chen nicht schuldig sein solten, biß ihnen ihre kosten erstattet. Einmal seye
kein anderß mittel, alß endweder per arma oder tractatus hinaußzuschaf-
fen ubrig. Ob nun Churbrandenburg solches per arma versuchen wolle,
werde er zue bedencken haben, per tractatus werde ihr der Schweden will
auch hinzukommen müßen. Wan sie dan nun dem churfürsten die Hinder-
pommerische landen, alß welche er noch nie in besiz gehabt, wieder ab-
tretten, wurde sein gebieth nicht verringert, sondern umb ein groses ver-
mehret, wie dan auch hinzukomme, daß ihme die Kayserliche den stifft
Halberstatt angetragen. Neben deme habe der Kayser auch andere nit
geringe actiones wieder den churfursten, alß erstlich, daß er Preußen vom
reich alienirt und ahn die cron Polen gebracht habe, von dem furstenthumb
Crospen in Schlesien
den dreyen stiffter Havelberg, Brandenburg und Libuß zu dem reich nichts
contribuirt, welche anforderung sich auf ein immensum hinausbelieffe.
Wan nun Ihre Kayserliche Maiestet solche actiones fallen liesen, kondte
sich der churfurst wol befriedigen. Alß nun ferner von dem quanto dieser
Schwedischen red movirt worden, gab der Salvius soviel zu verstehen, daß
die cron Schweden den Oderstroomb pro termino gesezt haben wolle, auch
vielleicht noch etwas wenigs auf jener seitthen der Oder begehren wird, bey
den Churbrandenburgischen aber die meiste difficultet mit den stätten
Stettin und Wolgast, so sie gern bey der Hinderpommerischen landschafft
behalten wolten, gemacht werde. Diesem nach hat der Salvius von den gra-
vaminibus religionis zu reden angefangen und I. H. G., alß welche wegen
underschiedlicher fuhrender stimmen viel bey dem werck zu thun vermoch-
ten, moderata consilia dabey zu gebrauchen ersucht. I. H. G. andwort-
teten, wan die fundamentalsatzungen des reichs und sonderlich der religi-
onfried ahn der gegenseithen in acht genommen worden und noch würde,
hette es keiner grosen vergleichung, indem die worte hell genug, vonnöthen,
und weren auch uber das von den catholischen solche milte erpiethungen
geschehen, daß man von ihnen nicht mehr wurde begehren konnen. Sal-
vius: Die satzungen und religionfrieden weren zwar vorhanden, man wüste
aber, was uber deren verstand nun beynahe 100 jahr fur disputationes ge-
führt und man endlich darüber in diesen bluttigen krieg gerathen. Damit
derowegen künfftig dergleichen nicht wieder zu befahren, müste der vori-
ger stritt beygelegt und alles verglichen werden. Die protestirende stend
hetten ihm ihre fernere erklehrung zugestelt, weren auch selbsten guten-
theyls von Oßnabruck anhero kommen, der handlung aufzuwartten
Nach längeren Auseinandersetzungen über den Ort der Religionsverhandlungen
erschienen Anfang November die meisten Protestanten in Münster; der offizielle
Beschluß zur Aufnahme der Verhandlungen 1646 XI 15 ( J. G. Meiern III S. 404f ).
fünde er ermelte erklehrung also beschaffen, daß die catholische zuversicht-
lich damit zufrieden sein konnen. Es halten aber die Kayserliche rhatsamer,
diese sach noch etwas weniges, biß nemblich in dem puncto satisfactionis
mehrer gewißheit getroffen, außgestelt sein zu laßen. In specie hat er den
punctum des geistlichen vorbehalts und autonomiae berürt, jenes halber
doch selbsten dafur gehalten, daß man damit schon so weit kommen, daß
die vollige vergleichung leichtlich zu hoffen, die autonomiam aber fast hart
urgirt. Dahingegen ihm der catholischen darwieder habende fundamenta
und rationes, sonderlich auch dieses remonstrirt, daß die protestirende stend
selbst, wan sie ihre religion geändert, die catholische außgewiesen und sogar
den geistlichen ihre eigenthumbliche guetter abgenommen. So wisse man
auch, daß es in Schweden also observirt werde, daß wan ein underthan den
catholischen glauben annehme, alßdan auß dem konigreich migriren müste.
Kondten also nicht sehen, daß man den catholischen fur unrecht außdeuten
wolt, was andere bey sich selbsten recht erkennen, und sey es einmal ahn
dem, daß aller versuch vergeblich, dan sowol Ihre Kayserliche Maiestet in
deren erb- alß andere stend in ihren landen hierin sich kein ziel vorschrei-
ben laßen werden. Salvius: In Schweden seye es zwarn also, in Teutsch-
land aber hab man andere leges, und heische es bey ihnen iezo, qualem te
invenio, talem te iudico. Alß ihm hierauff replicirt, daß die catholische
solches argument auch fuhren konnen, wo sie nemblich ihre landschafft
von aller andern religion rein und sauber gehalten. Hatt er geandt-
worttet, daß solchen falß er darwieder nicht viel zu sagen hette. – [...]