Acta Pacis Westphalicae III C 4 : Diarium Lamberg: 1645-1649 / Herta Hageneder
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EINLEITUNG
1. Johann Maximilian Lamberg
Der Verfasser des vorliegenden Tagebuches, auf das erstmals Hans
Sturmberger aufmerksam machte
Vgl.
Sturmberger,
Tagebuch S. 275–289.
, ist der am 21. November 1608 in Brünn geborene Johann Maximilian von Lamberg
Vgl. dazu die eigenhändigen Aufzeichnungen seines Vaters im O. Ö. LA, HASteyr, Sch. 1212,
Fasz.
2 Nr. 51;
in der Literatur wurden zumeist falsche Geburtsdaten angegeben (vgl.
Rolleder,
S. 158;
Wurzbach
14 S. 30; ADB
17 S. 538 ).
. Er entstammte einem ursprünglich in Krain seßhaf-ten, dann vornehmlich in Ober- und Niederösterreich beheimateten katholi-schen Adelsgeschlecht, das im 16. und vor allem im 17. Jahrhundert rasch die Stufenleiter im kirchlichen und höfischen Dienst emporstieg, hatte es doch niemals zu dem Kreis der gegen das Haus Habsburg revoltierenden Stände gehört
Dazu in letzter Zeit:
Weiss, Passau (mit einem Kapitel über die Herkunft der Familie Lamberg) S. 46ff.;
K.
Müller, Habsburgischer Adel S. 81ff.;
NDB
13 S. 427–429 .
. Bereits der Vater Johann Maximilians, der Freiherr Georg Siegmund von Lamberg, war kurze Zeit Landeshauptmann in Österreich ob der Enns gewesen und hatte später das Amt eines Obersthofmeisters bei der Kaiserin Anna bekleidet
Georg Siegmund Freiherr von Lamberg (1565–1632), Reichshofrat (vgl.
Schwarz, S. 272ff.;
NDB
13 S. 428 ).
. Aus seiner dritten Ehe mit Johanna von der Leiter
Zu Herkunft und Lebenslauf vgl.
Diarium S. 4 Z. 1 (mit Anm. 2) und S. 25 Z. 19–20. Ihre erste Ehe mit Siegmund von Dietrichstein und die dadurch geknüpften Beziehungen sollten noch für ihre Kinder aus der zweiten Ehe von Bedeutung sein (vgl.
Schwarz S. 274f.).
, der Witwe Siegmunds von Dietrichstein, ging Johann Maximilian hervor
Über Johann Maximilian vgl. zuletzt
Weiss
und K.
Müller
a. a. O.; NDB
13 S. 428f .
. Er genoß die übliche adelige Erziehung und wurde dann mit seinem jüngeren Bruder Johann Wilhelm auf eine ausgedehnte Kavalierstour geschickt, die ihn nach Italien, Spanien und Frankreich führte
Dazu
Rolleder S. 158; seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte eine Bildungsreise durch die kulturell führenden Staaten Europas zum Erziehungsplan des österreichischen Adels (vgl.
Cśaky S. 408–434). Über neue Moden vgl.
Heiss S. 139–157, bes. S. 151ff.
. Auf dieser Reise waren auch Studienaufenthalte eingeplant: so finden wir ihn 1628 und 1629 in Siena und Perugia immatriku-liert
In Siena wird er am 17. Oktober 1628 immatrikuliert (vgl.
Weigle,
Siena S. 248 Nr. 6112). Vom 16. November bis zum 1. Februar 1629 erscheint er dort als consiliar
der deutschen Nation (vgl.
Luschin
von
Ebengreuth
S. 292). In den Matrikeln der Deutschen Nation in Perugia wird Johann Maximilian liber baro de Lamberg
zum 25. Mai 1629 erwähnt (vgl.
Weigle,
Perugia S. 81 Nr. 1103). – Ob er identisch ist mit dem 1621 in Graz immatrikulier-ten Maximilianus liber baro a Lamberg,
bleibe dahingestellt (vgl.
Andritsch
S. 67 Nr. 274).
. Nach seiner Heimkehr trat er in den Dienst des kaiserlichen Hofes als Kammerherr des präsumtiven Thronfolgers und späteren Kaisers Ferdinand III.
Rolleder
S. 158f.;
Schwarz
S. 274.
. Er machte schnell Karriere: 1637 erhielt er das Amt eines Reichshofrates,
[p. XXVIII]
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und 1641 erfolgte die Erhebung in den Reichsgrafenstand
Geschliesser
S. 239;
Weiss,
Passau S. 52.
. Die wirtschaftliche Grundlage bildete schon damals die in Oberösterreich gelegene landesfürstliche Herrschaft Steyr, die sein Vater seit 1614 als Burggraf und pfandweise innegehabt hatte
Sturmberger,
Tagebuch S. 277.
. Noch vor seinem Tode folgte ihm auf seine dringende Bitte sein Sohn als Pfandinhaber nach
.
Für die Familie Lamberg war es von weitreichender Bedeutung, daß es Johann Maximilian 1666 gelang, diese große Herrschaft käuflich an sich zu bringen und daraus mitsamt Besitzungen in Wien ein Fideikommiß zu errichten
. Im Jahre 1635 vermählte sich Lamberg mit Judith Rebecca Eleonore Freiin von Würben (oder Wrbna), einer Hofdame der Kaiserin
Judith Rebecca Eleonore war die Tochter Georgs und Helenes von Würben. Der Vater gehörte zu den böhmischen Aufständischen, er wurde nach der Schlacht am Weißen Berg zuerst zum Tode verurteilt und dann zu lebenslänglicher Haft begnadigt. Nach seinem Tode 1625 erhielt die Witwe einige konfiszierte Güter unter der Bedingung zurück, ihre beiden Kinder katholisch erziehen zu lassen. Der Sohn Johann Georg trat in den Jesuitenorden ein, während die Tochter als Hofdame der Kaiserin aufgenommen wurde. Unter Anteilnahme des Hofes fand ihre Hochzeit mit Lamberg statt (vgl.
Igálffy, Stammtafeln S. 55, 60).
. Aus dieser anscheinend sehr glücklichen Ehe gingen fünf Söhne und fünf Töchter hervor
Rolleder
S. 197ff.; NDB
13 S. 428.
.
Zum Westfälischen Friedenskongreß nach Osnabrück wurde der Graf im Sommer 1644 geschickt
Vgl.
Sturmberger,
Tagebuch S. 276ff.
, um Johann Weikhard von Auersperg abzulösen, dessen Fähigkeiten er jedoch nicht besaß
Johann Weikhard Graf Auersperg (1615–1677), ein sehr fähiger, jedoch äußerst ehrgeiziger Mann, war zum Obersthofmeister des Erzherzogs Ferdinand, des späteren römischen Königs, bestimmt worden (vgl.
Schwarz S. 201ff.;
Mecenseffy S. 328 und passim).
. Obgleich seine Tätigkeit in der Kongreß-stadt kaum über den repräsentativen Rahmen hinausging
Vgl. die Stimmen zu Lambergs Arbeit am Kongreß: Der venezianische Gesandte Contarini weiß über ihn nur zu sagen, daß er jung und von mittelmäßiger Geschicklichkeit gewesen sei (vgl.
Fiedler S. 296). Die Schweden meinten in einem ihrer Briefe an die Königin, Lamberg sei mehr Gesandter
ob dignitatem denn führender Kopf bei den Verhandlungen (
APW
[II C 3 S. 576 Z. 17–18] ).
, blieb der dortige Aufenthalt seine bedeutendste Mission, denn schließlich stand seine Unterschrift auf einem welthistorischen Dokument, dem Instrumentum Osnabrugense, das er 1649 mit nach Wien brachte, um es in einer Privataudienz dem Kaiser zu überreichen
.
Ferdinand III. bewahrte ihm auch ferner sein Wohlwollen: 1650 erhielt er die Stelle eines Obersthofmeister bei dem jüngeren Erzherzog Leopold, dem späteren Kaiser
Darüber informiert uns Lamberg selbst in seinem Tagebuch, das er noch bis Ende Mai 1650 geführt hat, am 21. Februar.
. Von 1653 bis 1660 weilte er als Botschafter in Spanien, ohne größere
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diplomatische Erfolge aufweisen zu können, was vielleicht auch begabteren Abgesandten schwergefallen wäre
Es gelang ihm nicht, für Leopold 1. die Hand der Infantin Maria Theresia zu gewinnen (vgl.
Pribram, Heirat S. 319–375).
. Leopold I. ernannte ihn dann 1661 auf Betreiben seines Obersthofmeister Portia hin zum Oberstkämmerer, nachdem er schon 1657 in den Geheimen Rat aufgenommen worden war
Fellner-
Kretschmayr
S. 277;
Schwarz
S. 274. Portia hatte 1661 seinen Sohn mit einer Tochter Lambergs, Anna Helene, verheiratet und wollte mit dieser Ernennung wohl seine eigene Stellung am Hofe stärken (vgl.
Weiss,
Passau S. 53).
. Nach dem Tode des Fürsten Portia zögerte der Kaiser, ob er Lamberg oder den Fürsten Wenzel Eusebius Lobkowitz mit dem Amt des Obersthofmeister, respektive der Stellung eines ersten Ministers, betrauen sollte. Er entschied sich aber zuletzt doch für den glänzenden Diplomaten Lobkowitz
Fellner-
Kretschmayr
S. 276;
Schwarz
S. 289.
. Allerdings beriet Johann Maximilian Leopold I. in den nächsten Jahren in den wichtigen spanischen Angelegenhei-ten
Dazu vermerkte der Kaiser: Meine, ich werde es nit übel getroffen haben, denn 1. ist er ein wirklicher cavalier, hat keine dependenz oder passio und kan ihm gwiss wohl trauen; 2. weiss er gleichwohl viel darum und hat ziemliche notitia de negotiis hispanicis; 3. will ich doch selbst das meiste einrichten und thuen
(vgl.
Pribram,
Privatbriefe S. 105). Und am eigenständigen Handeln hinderte Lamberg den Kaiser gewiß nicht.
. Nach dem Sturz Lobkowitz’ ging dann dessen vakante Stelle 1675 an Lamberg, der sie bis zu seinem Tode 1682 innehatte
Fellner-
Kretschmayr
S. 276;
Schwarz
S. 275. – Lamberg starb am 12. 12. 1682 in Wien und wurde in der Familiengruft in der Augustinereremitenkirche bestattet (NDB
13 S. 428 ).
.
Neben den bedeutenden Persönlichkeiten am Wiener Hof im Zeitalter Ferdi-nands III. und Leopolds I. – wie Trauttmansdorff, Auersperg und Lobkowitz – verblaßt das Bild Lambergs als Staatsmann und Diplomat; er gehört eindeutig in die zweite Garnitur der Politiker der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Dies ist auch der Tenor der späteren Venezianischen Berichte: 1661 hieß es von ihm, er sei ein cavagliere d’ingenui costumi et che attaversar non può il corso di sua fortuna appresso l’imperatore;
1671 meinte man: Il talento é moderato. Il suo voto è zelante; inclina alla placidezza;
und 1674 blieb es dabei: Il genio placido di questo soggetto, la sua non eccedente capacità et il zelante talento
Vgl. dazu die
Relationen
der venezianischen Gesandten von 1661 (S. 50), 1671 (S. 130) und 1674 (S. 150). – Dazu noch die Bemerkungen eines französischen Reisenden aus dem Jahre 1672: C’est un petit homme, maigre, agé de plus de 60 ans, d’une physionomie ordinaire, doux, sans ambition, bienfaisant, honnete et homme de bien. Il n’a amassé que des biens médiocres, quoiqu’il ait beaucoup de part aux bonnes graces et à la confidence de son maitre, qui estime sa fidelité et sa probité
(vgl.
Pribram,
Aus dem Berichte S. 279).
.
Seine durchschnittlichen Fähigkeiten und sein Mangel an Ehrgeiz waren aber das Geheimnis für seine Karriere am Wiener Hof, sie hielten ihn ferne von den Intrigen. Dazu kamen wohl noch seine Freude am Zeremoniell, seine schlichte, unproblematische Frömmigkeit und seine erprobte Ergebenheit, die ihn dem
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Kaiser empfahlen
. Dennoch gilt er als einer der wichtigsten Vertreter seiner Familie, der im wesentlichen sowohl die wirtschaftlichen als auch die höfisch-diplomatischen Grundlagen für den Aufstieg der Familie Lamberg schuf
Lamberg war in wirtschaftlichen Belangen sehr geschickt: Neben dem Erwerb der Pfandherr-schaft Steyr gelang ihm auch der Kauf der Herrschaft Kunstadt in Mähren, die er seinem jüngeren Sohn Kaspar Friedrich überließ; außerdem legte er noch Geld bei der Orientali-schen Kompanie und der Seidenkompanie nutzbringend an (vgl.
Rolleder S. 163–196).
.
2. Der Inhalt des Diariums
Das Diarium Lamberg zählt zu den privaten Tagebüchern der Kongreßgesand-ten; es ähnelt also dem Tagebuch, das der Mediator und päpstliche Nuntius Fabio Chigi geführt hat, obgleich es sich mit diesem weder nach Inhalt noch Umfang messen kann
Das Tagebuch Chigi liegt jetzt vor in den
APW III C 1,1.
. Es diente dem Grafen wahrscheinlich als eine Art Notizbuch, zur persönlichen Erinnerung an seine erste größere und bedeutendste Mission im Auftrag des Kaisers. Später verfaßte Lamberg keine derartigen Aufzeichnungen mehr, auch nicht als Gesandter in Spanien
Jedenfalls ist im Zentralarchiv Lamberg nichts überliefert; Briefschaften Johann Maximilians hingegen sind in staatlicher Anzahl vorhanden (vgl. O. Ö. LA HASteyr, Bestand Familienarchiv, Korrespondenzen).
. Über den Inhalt des Tagebuches hat Hans
Sturmberger bereits vor längerer Zeit eingehend gehandelt
Sturmberger,
Tagebuch S. 275–289.
. Wie er zeigen konnte, darf man sich keine näheren Aufschlüsse über den Gang der Verhandlungen am Westfälischen Friedenskongreß erwarten. Es führt uns einen Edelmann der Barockzeit vor Augen, den besonders das höfische Zeremoniell und die Etikettefrage beschäftigten, die weltpolitischen Auseinan-dersetzungen dagegen weniger berührten, zumindest aber nicht der Nieder-schrift wert waren
Vgl. z. B. die Eintragungen Lambergs am 11. Juni 1645, als die Schwedischen den Kaiserlichen ihre Friedensbedingungen übermitteln: Nur Äußerlichkeiten werden notiert, über den Inhalt wird nichts gesagt (
Diarium S. 70–71 Z. 25–27 und 1–6; siehe dazu auch
Sturmberger S. 282).
. Die Kenntnis über das Ringen um den Frieden wird durch ihn nicht sonderlich bereichert, hingegen fällt einiges Licht auf das Alltagsge-schehen um ihn her. Er läßt uns teilhaben am sozialen und kirchlichen Umfeld, ohne, wie schon Sturmberger bemerkte, ein Meister der Feder zu sein
. Lamberg war, nach längeren Verhandlungen über die Höhe seines Deputates am Kon-greß
Am 19. Mai 1644 hatte die Hofkammer dem Grafen mitgeteilt, daß der Kaiser ihm zu den 6000 fl Reisekosten noch weitere 2000 fl bewilligt habe, ebenso 500 fl von den noch ausstehenden Hofmeisterbezügen seines verstorbenen Vaters, mit der Bemerkung, er solle mit diesen Mitteln auskommen (vgl. O. Ö. LA HASteyr, Sch. 1220,
Fasz.
9 Nr. 191).
Vgl. auch die Aufzeichnungen Lambergs über die ihm bewilligten Gelder für die Reise (
Diarium Hs. 1495, a. a. O.,
fol. [9
v
]. Siehe unten
[S. XXXVIII] ). Dazu neuerdings
Bosbach
S. 5 und passim.
, im September 1644 nach einer eher gemächlichen Reise in Osnabrück
[p. XXXI]
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eingetroffen
, wo er den Grafen Johann Weikhard Auersperg, der zum Oberst-hofmeister des späteren römischen König Ferdinand IV. ernannt worden war
Mecenseffy
S. 328;
Schwarz
S. 201. – Auersperg war empört über Lambergs Reisetempo gewesen (vgl. APW
[II A 1 Nr. 381 S. 616] ).
, ablöste. Zur Unterstützung fand er den Reichshofrat Johann Krane vor
, der ihn in die Geschäfte, die seiner harrten, einführen sollte.
Wie schon oben angedeutet, bietet das Diarium wenig über die Amtstätigkeit. Zwar vermerkt der Graf in der Regel gewissenhaft alle Audienzen und Besuche, die ihm als kaiserlichem Prinzipalgesandten abgestattet worden sind, aber man hört selten Näheres über den Inhalt der Gespräche. Niemals vergißt der Verfasser den täglichen Besuch der Messe zu notieren und über die Wetterlage zu berichten
Auch das Diarium Chigi enthält Nachrichten über das Wetter (vgl.
APW III C 1 S. XXXV).
. Dennoch lebte er nicht in den Tag hinein, wenngleich sich seine Arbeit am Kongreß zumeist auf dem repräsentativen Felde bewegte und die eigentlichen Entscheidungen von dem vorübergehend in Münster und Osna-brück weilenden
caput legationis, dem Grafen Maximilian Trauttmansdorff, sowie von dem Sekundargesandten Dr. Isaak Volmar getroffen wurden
Vgl. dazu vor allem
Dickmann
S. 195 und passim sowie APW
III C 2 S. XXXIIIff.
. Während der Anwesenheit Trauttmansdorffs scheint dann auch für Lamberg und Krane eine etwas hektische Zeit angebrochen zu sein, wurden sie doch täglich von diesem zur Konferenz berufen und mit Aufgaben betraut, die dem schnelleren Fortgang der Unterhandlungen dienen sollten. Davon gibt selbst das Tagebuch in dürren Worten Aufschluß
.
Daneben fand der Graf Zeit genug, mit seiner Familie, die er bald nach Osnabrück nachkommen ließ
Am 2. Juli 1645 traf Judith Rebecca Eleonore Gräfin Lamberg mit der ältesten Tocher Eleonore Franziska und dem Sohn Franz Joseph in Osnabrück ein (Diarium
[S. 74] ).
, vor allem an den kirchlichen Festen teilzuneh-men, für die er eine besondere Vorliebe hegte
. Das Diarium weist auf den kirchlichen Alltag in Osnabrück und später in Münster ausführlich hin: Es werden die Sorgen und Nöte der in einer weitgehend protestantischen Umwelt katholisch gebliebenen Bevölkerung angeführt
. Ausflüge zu den Wallfahrerzie-len und Klöstern der Umgebung nehmen in der Schilderung einen etwas
[p. XXXII]
[scan. 32]
breiteren Raum ein
Gerne suchte Lamberg das Zisterzienserinnenkloster Rulle, einen beliebten Wallfahrtsort im Osnabrücker Land, auf (
Diarium
[S. 21 Z. 15–19] und öfter); ebenso kam er etliche Male zu den Benediktinerinnen nach Oesede, deren Kloster ebenfalls in der Nähe lag (
Diarium
[S. 27 Z. 14–23] und passim).
. Ebenso bemerken wir seine Neigung für einzelne Orden, vornehmlich für Dominikaner und Jesuiten
Mit den Dominikanern nahm er in Osnabrück sofort die Verbindung auf (vgl.
Diarium
[S. 20 Z. 2–3] ), pflegte auch persönliche Beziehungen zu deren Prediger Heinrich Freitag (vgl.
[ebd. [mit Anm. 2]] ,
[S. 25 Z. 28] ,
[S. 29 Z. 9–10] und passim) und besuchte sonntags häufig im Dominikanerkloster die Messe, wo er auch beichtete (vgl.
ebd.
[S. 30 Z. 20–21] ,
[S. 32 Z. 4–8] und passim). Mitglieder der Gesellschaft Jesu kamen erstmals am 24. Dezember 1644, verkleidet, zu Lamberg, so daß man in der Stadt bald mutmaßte, er wolle den von den Schweden vertriebenen Orden wieder einführen (vgl.
Diarium
[S. 36 Z. 7–10] ). Während seines Aufenthaltes in Münster unterhielt er engen Kontakt mit den Patres des Münsteraner Kollegs (
Diarium
S. 193–231).
. Selbstverständlich suchten schon früh einzelne Domherren die Gesellschaft des kaiserlichen Hauptbevollmächtig-ten in Osnabrück, zumal Lamberg bei der Wahl eines neuen Dompropstes 1644 für den Sohn seines Münsteraner Kollegen, des Grafen Johann Ludwig Nassau-Hadamar, intervenierte
, freilich ohne Erfolg, da anscheinend die französische Partei im Domkapitel siegreich geblieben ist
Vgl.
Diarium
S. 30 Z. 3–4.
. Mit dem Kollegiatstift St. Johann wurden bald enge Kontakte geknüpft durch den Dechanten Raban Heyster-mann, der gelegentlich als Internuntius bei den Schwedischen Gesandten diente
Vgl. das
Diarium
[S. 17 Z. 7] (mit Anm. 1) und passim; auch der Pastor von St. Johann war zuweilen Gast im Hause Lamberg: so vollzog er z. B. am 23. Juli 1646 die Taufe an dem neugeborenen Sohn des Grafen (
Diarium
[S. 137] ).
. Das Diarium vermerkt auch freundschaftliche Beziehungen zu einigen Edelleuten der Kongreßstadt und ihrer Umgebung
. Ein lebhafteres Bild ergibt sich aus den Berichten über das Zusammentreffen mit den anderen Legaten und ihren Familien
. Man erfreute sich am Kegel- oder
a la beste Spiel; zuweilen werden kleinere Ausflüge oder der Vogelfang erwähnt
.
Ende September 1648 trat Lamberg mit seiner Frau und den beiden Kindern eine Reise zum Grafen Anton Günther von Oldenburg an
Vom 21. bis zum 28 September 1648; die brandenburgischen Gesandten vermerken lakonisch: recreationis causa
begebe sich der Graf nach Oldenburg (
Urkunden
und
Acten-stücke
S. 724).
, der ihm schon
[p. XXXIII]
[scan. 33]
wiederholt sein Wohlwollen gezeigt hatte
. Nach der Osnabrücker Enge mußte ihm das höfische Leben in einem vom Krieg weitgehend verschont gebliebenen Land außerordentlich zusagen. Er wird redselig in der Beschreibung der festlichen Tafel, die ihn mit ihren zeremoniellen Einrichtungen entzückt, vergißt nicht, die Tafelmusik zu erwähnen und das angeblich angeregte Gespräch. Der Graf von Oldenburg behandelte allerdings seine Gäste recht großzügig, er ließ Pferde vorführen, veranstaltete eine Jagd, die dem kaiserli-chen Legaten sichtlich behagte, und präsentierte ihm schließlich sieben Pferde als Abschiedsgeschenk
Vgl.
Sturmberger,
Tagebuch S. 286f.
. Befriedigt von all diesen Aufmerksamkeiten kehrte Lam-berg nach Osnabrück zurück. In der letzten Phase des Kongresses ging er mit den Seinen nach Münster, wo neben den Bemühungen um den endgültigen Abschluß des Friedens, ein reges gesellschaftliches Treiben begann
Diarium
[S. 198f] . – vgl.
Dickmann
S. 488ff.
. Nach der Unterzeichnung der Verträge am 24. Oktober 1648 gab es festliche Tage mit Hochamt und Tedeum im Dom zu Münster und Theateraufführungen bei den Jesuiten
Diarium
[S. 199 Z. 16–17] ;
Lahrkamp,
Friedensunterzeichnung S. 287; bei den Jesuiten wurde das Schauspiel Zorobabel seu laetus ab exilio Persico reditus …
etc. aufgeführt (
Diarium
[S. 202 Z. 8–9] ).
. Der Austausch der Ratifikationsurkunden erfolgte aber erst am 18. Februar des folgenden Jahres
. Hierauf wurde in Münster ein großes Feuerwerk abgehalten, das leider nicht ohne Unglücksfälle verlief
. Dem Fasching hatte man in der westfälischen Kongreßstadt schon zu Jahresbeginn Tribut gezollt: So fand bei dem kaiserlichen Prinzipalgesandten in Münster, Johann Ludwig Graf Nassau, am 7. Januar 1649 eine Bauernhochzeit statt, bei der z. B. Lamberg als Pfarrer, seine Frau als Beschließerin und seine Tochter Eleonore als Magd fungierten
Anwesend waren neben Nassau und Lamberg Mitglieder der gräflichen Familien Wittgen-stein, Waldeck und zur Lippe. Es wurde bis um Mitternacht getanzt (vgl.
Diarium
[S. 216] ).
.
Bevor Johann Maximilian endgültig seine Zelte in Westfalen abbrach, entschloß er sich noch zu einer größeren Fahrt, die er zusammen mit seiner Familie und kleinem Gefolge am 13. März 1649 antrat. Sie führte ihn, den Binnenländer, in eine völlig fremde Welt, nach Holland, an die See
Vom 13. bis zum 31. März 1649 (vgl.
Sturmberger, Tagebuch S. 288); die Tagebuchaufzeich-nungen über diese Reise wurden in die vorliegende Edition nicht aufgenommen, vgl. dazu unten
[S. 229] .
.
Das Diarium gewinnt wieder an Farbe, der Verfasser wird redseliger, vornehm-lich Amsterdam mit den großen Schiffen, den Märkten und den überseeischen Waren hat es ihm angetan. Er besucht sogar die portugiesische Synagoge und läßt sich auch das dortige
spinnhaus, wo böse puben und weiber eingeschlos-sen werden und arbeiten müssen, nicht entgehen
Diarium
zum 20. März 1649.
. Die kleine Reisegesellschaft
[p. XXXIV]
[scan. 34]
besichtigte noch weitere Städte mit ihren Sehenswürdigkeiten und kaufte u. a. Damasttischwäsche ein
A. a. O.
zum 24. März 1649.
, um dann am 31. März wiederum in Münster einzu-treffen
.
Für Lamberg begann nun der letzte Akt: Wie es die Höflichkeit vorschreibt, machte er seine Abschiedsbesuche bei den noch am Kongreßort weilenden Gesandten
.
Am 13. April 1649 verließ Lamberg Münster, nachdem er sich mit seiner ganzen Familie von den Jesuiten verabschiedet hatte
, und reiste über Paderborn, Kassel und Frankfurt
Zu den Besichtigungen in Paderborn, den Empfängen und Geschenken in Kassel, am Hofe der Landgräfin, und dem Aufenthalt in Frankfurt vgl. das
Diarium
[S. 232–236] .
nach Nürnberg, wo über die Exekution der Friedensver-einbarungen verhandelt werden sollte
A. a. O.
S. 237–243;
Sturmberger,
Tagebuch S. 288.
. Allein, obgleich er kaiserlichen Auftrag dazu hatte, war Lamberg anscheinend der Fremde überdrüssig und ersuchte um die Rückreiseerlaubnis, die er Ende Mai erhielt. Den größten Teil seiner Heimfahrt legte er auf dem Wasser zurück; er ging in Passau und in Linz an Land und machte noch einen Abstecher nach Steyr. Endlich traf er in Wien ein, wo er am 15. Juni 1649 an Ferdinand III. die Originale der Friedensverträge übergab
.
Das Diarium gibt keinen Aufschluß, welche Bedeutung sein Verfasser diesen Dokumenten beimaß; persönlich mag ihn wohl seine Unterschrift auf dem Instrumentum Pacis Osnabrugense, die Zufriedenheit des Monarchen und die Bewunderung etlicher Bekannter und Verwandter für seine diplomatische Tätigkeit mit einer gewissen Genugtuung erfüllt haben. Natürlich stellte diese Mission eine große Erweiterung seines gesellschaftlichen und sozialen Horizon-tes dar. Schließlich hatte er die unterschiedlichsten Persönlichkeiten kennenge-lernt: den päpstlichen Nuntius Chigi, der später als Alexander VII. die Tiara getragen hat
, den streitbaren Bischof von Osnabrück, Franz Wilhelm von Wartenberg, der sich mit dem Friedensschluß nicht abfinden konnte und bis zuletzt um seine beiden anderen Bistümer Minden und Verden kämpfte
Zu den Verhandlungen mit Wartenberg vgl. das
Diarium passim und neuerdings
Hageneder, Zum kirchlichen Alltag (erscheint in Festschrift für Josef Lenzenweger, 1986).
, die zwei schwedischen Gesandten, Johann Axelsson Oxenstierna und Johan Adler Salvius, mit denen der kaiserliche Legat jahrelang zu tun hatte
Vgl.
Diarium passim. – Selbst mit Oxenstierna bahnte sich ein halbwegs freundschaftliches Verhältnis an, siehe dazu u. a. eine Notiz vom 10. August 1645: Der Schwede wartet anläßlich eines Besuches Lambergs mit Kirschenwein auf, zeigt ihm dann sein Studierzimmer und seine Bibliothek (
Diarium
[S. 81f] .).
. Man soll auch
[p. XXXV]
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nicht die spanischen Vertreter vergessen, denen ja Lamberg persönlich zuneig-te
, und die beiden Franzosen d’Avaux und Servien, von denen der letztere sich sogar um sein Porträt bemühte und eigens einen Maler zu ihm schickte
, von der Vielzahl der Gesandten der Reichsstände gar nicht zu reden. Wir finden sie alle, mehr oder minder kurz erwähnt, in seinem Tagebuch wieder, ohne daß er den Versuch gemacht hätte, sie näher zu charakterisieren oder in ihrer Vielschichtig-keit zu erfassen. Sein Diarium legt Zeugnis ab von den Interessen eines sprachenkundigen, barocken Edelmannes mit seiner Freude am Zeremoniell und seinen Vorstellungen von der repräsentativen Stellung eines kaiserlichen Gesandten, auch von einem gewissen Fleiß, der sich u. a. in seiner weitläufigen Korrespondenz niederschlug. Nicht der Jahre dauernde erbitterte Kampf um die Herbeiführung des Friedens erscheint ihm aufzeichnungswert, sondern die kirchlichen und weltlichen Feste, die Ehrenbezeigungen, die ihm als dem Vertreter des Kaisers erwiesen worden sind, aber auch eigene und fremde Freuden und Krankheitsfälle, Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse
Im
Diarium (
[S. 99 Z. 16–18] ) erwähnt er z. B. die Hochzeit seines Barbiers mit der Tochter eines Osnabrücker Kollegen, die zwei Tage lang unter Beteiligung seiner Bedienten gefeiert wurde.
Ebd.
[S. 158–159] berichtet er über den Todessturz seines Pagen und dessen Begräbnis in der Osnabrücker Dominikanerkirche. Lamberg notiert aber auch eine Faschingsunterhal-tung im Dominikanerkloster, wozu er noch den Dompropst, zwei Domherren und den Dechanten von St. Johann geladen sowie
das ganze convent gespeiset hatte (
ebd.
[S. 113 Z. 6–9] ).
. Damit läßt er uns einen Blick hinter die Kulissen tun, in den Alltag eines höfischen Diplomaten der Barockzeit und sein soziales Umfeld.
3. Überlieferung und Quellenwert des Diariums
Das Diarium Lamberg liegt im Original im Oberösterreichischen Landesarchiv in den Handschriften Nr. 1495 und 1496 des Herrschaftsarchivs Steyr vor. Die Handschrift 1495, 20,3 x 15,5 cm, 8°, besteht aus 187 Blättern zu 15 Lagen, die sich aus Sexternen zusammensetzen. Lage 1 enthält nur vier Blätter, da die ersten zwei Blätter am Vorderdeckel innen aufgeklebt sind. Ebenso ist die letzte Lage nur aus vier Blättern gebildet, sind doch zwei Blätter wiederum mit dem Deckel verklebt. Die Handschrift ist unfoliiert. Der Schweinsledereinband, der noch zu Lambergs Lebzeiten angefertigt worden ist, trägt auf der Vorderseite die Aufschrift:
Einschreibbuch vom 1. August 1644 unzt 31. May 1647. Im Inneren des Deckblattes findet sich als Exlibris folgender Hinweis:
Ex Biblio-
[p. XXXVI]
[scan. 36]
theca
principis de Lamberg mit der Signatur
4933 y 3
Diese Vermerke stammen aus dem 19. Jahrhundert, wahrscheinlich aus der Zeit des Fürsten Karl Eugen von Lamberg (1764–1831), der sein Augenmerk besonders der Bibliothek zuwandte (vgl.
Wurzbach 14 S. 34).
. Vor dem Beginn des eigentlichen Tagebuches hatte Lamberg bereits eigenhändige Aufzeichnungen über ihm wichtig erscheinende Reisevorbereitungen eingetragen
Sie beginnen auf der fünften Seite mit dem Verzaichnus aller stätt, markh und fleckhen, da ich underschribner einggekhert, alß von Ihr Khayserl. Majestät ich zu den allgemeinen fridenstractaten nacher Oßnabrugg alß gevollmächtigter gesandte geschikht worden
etc. und schließen mit einem Verzaichnus aller der officier und diener, welche ich zu diser ambassada nach Oßnabrugg aufgenommen
etc. an und vermerken auf der neunten Seite den Empfang von Geldern für die Reise. Auf Seite 10, dem Beginn der Tagebucheintragungen, enden sie mit der Überschrift: Verzaichnus aller örtter, wo ich eingekhert hab, alß ich von Wien gegen Oßnabrugg geraist.
.
Die Handschrift 1496, 18,2 x 16,1 cm, 8°, besitzt 139 Blätter zu 17 Lagen, die aus einer Terne, wovon ein Blatt mit dem Vorderdeckel verklebt ist, einer Quinterne, dreizehn Quaternionen und zwei Sexternen – wobei von letzterem wieder zwei Blätter mit dem Deckel verklebt sind – bestehen. Die Handschrift ist ebenfalls unfoliiert. Auch sie trägt im Umschlagdeckel des zeitgleichen Schweinsledereinbandes den Vermerk:
Ex Biblio-theca principis de Lamberg mit der Signatur
4933 y 3
Auf Seite 2 vermerkt Lamberg: Diarium von 1. September 1648 biß lezten May 1650. Joh. Maximilian Graf von Lamberg m. p.
.
Selbstverständlich fällt sofort die Lücke in der Führung des Tagebuches auf: Vom 1. Juni 1647 bis zum 31. August 1648 fehlen uns die Aufzeichnungen Lambergs. Sturmberger hatte gemeint, daß einstmals ein dritter Band vorhan-den gewesen sei
Sturmberger,
Tagebuch S. 277.
; aber alle Nachforschungen in den einschlägigen Archiven waren vergeblich
Archivalien zur Geschichte der Familie Lamberg gibt es im N. Ö. Landesarchiv, Steiermär-kischen Landesarchiv,
im Österr. Staatsarchiv,
in den Abteilungen: H-H-Staatsarchiv, Allgem. Verwaltungsarchiv, Hofkammerarchiv
und Kriegsarchiv.
Auf alle Anfragen ergab sich nur eine negative Antwort.
. Das Mittelstück blieb verschollen. Manches spricht nun dafür, daß es diesen Teil niemals gegeben hat. Es scheint nämlich erstens der Zeitraum von 15 Monaten für einen ganzen Band zu kurz und zweitens dürfte Lamberg damals sehr beschäftigt gewesen sein, waren doch die Verhandlungen mit den Schweden in ein entscheidendes Stadium getreten. So hatte selbst Graf Trauttmansdorff noch am 16. Juli 1647 die Schwedischen Gesandten für den Fall, daß man zu keiner Einigung gelange, sondern über die offenen Fragen weiter verhandeln müsse, an Lamberg verwiesen
. Kein Wunder also, daß der Autor erst nach dem Vertragsabschluß mit der Schwedischen Krone im Septem-ber 1648 wieder Muße fand, sein Tagebuch fortzusetzen
Am 6. August 1648 erfolgte der Abschluß mit Schweden (vgl.
Dickmann,
S. 477;
Ruppert,
S. 342).
.
[p. XXXVII]
[scan. 37]
Die beiden überlieferten Diarien sind von Johann Maximilian eigenhändig und im allgemeinen fortlaufend geführt worden. Lamberg scheint die Eintragungen ziemlich bald nach den Ereignissen niedergeschrieben zu haben, denn er notiert Vorgänge, die er später, zumeist am Rande, mit einer näheren Erklärung versieht
Z. B. 1644 X 4 (
Diarium
S. 19).
. Auch Namen von Besuchern oder Begebenheiten trug er oftmals zu einem anderen Zeitpunkt nach
Z. B. 1644 X 13 (
Diarium S. 22), wo er den Tod seiner Mutter am Rande vermerkt; die Nachricht erhielt er erst am 9. November (ebd. S. 25). Ferner ist hier noch auf 1644 XI 24 (
ebd. S. 28), 1645 III 11 (ebd. S. 50) und 1648 X 3 (ebd. S. 194) zu verweisen.
. Gelegentlich zeichnete Lamberg für ihn wichtige Geschehnisse erst am nächsten Tag auf. So berichtet er z. B. unter dem Datum des 15. Februar 1645 (S. 45) voller Ärger über seinen ungetreuen Hofmeister, der ihn bestohlen hatte, und zugleich über dessen am Morgen des kommenden Tages erfolgte Abreise. Erst am 17. Februar erfuhr er aber, daß der Hofmeister entgegen seinen Weisungen gehandelt hatte und fügte nun dieses Wissen als späteren Nachtrag seiner Eintragung hinzu
. Manchmal fand der Autor nicht täglich Zeit für sein Diarium und trug daher einige Tage zusammen ein. Daraus mögen sich Wiederholungen erklären, die er zu tilgen pflegte
Lamberg berichtet am 21. Mai 1645, daß er nachmittags in des Dompropstes von Osnabrück Wald gefahren sei; am folgenden Tag schreibt er nochmals davon, um dann diese Eintragung durchzustreichen (
Diarium S. 67). Ebenso tilgt er am 25. Februar 1646 eine ganze Eintragung, die sich mit der des Vortages deckte, zu dem angegebenen Datum aber falsch war (
ebd.
[S. 114] ).
. Hierher gehören auch Notizen, die er mit einem falschen Datum versah, wenn ihn die Erinnerung im Stich ließ
. Im großen und ganzen kann aber doch von einer möglichst kontinuierlichen Eintragung gesprochen werden; darauf verwei-sen vor allem die Neuansätze in der Schrift des Autors
In der Hs. 1495 z. B. 1644 XI 21; 1645 IV 20; 1645 V 13; 1646 VII 23; 1646 VIII 3; 1647 IV 2. – In der Hs. 1496: z. B.: 1648 XII 8; 1649 II 19.
. Lamberg schrieb sein Tagebuch zumeist in einer ausgeschriebenen Kurrentschrift mit den gängigen Abkürzungen, in einer Tinte, die stellenweise stark verblaßt ist. Die lateini-schen, italienischen und französischen Einschübe verfaßte er in lateinischen Buchstaben.
Am oberen Rande jeder Seite stand stets der Monatsname, der Anfang des Jahres wird nur an dessen Beginn, meist in der Mitte der Zeile vermerkt. Den linken und rechten Blattrand hielt der Autor frei für spezielle Notizen. Seine täglichen Wetteraufzeichnungen fügte er zuerst an der linken, später an der rechten Seite hinzu, während sich links am Rande das Tagesdatum – ohne Monat und Jahr – sowie Angaben über die Anzahl der erhaltenen und geschriebenen Briefe findet.
Die Namen der Orte, die Lamberg auf seiner Hin- und Rückreise passierte, setzte er in der Regel unterhalb der Tagesangabe an den Rand. Während seines
[p. XXXVIII]
[scan. 38]
Aufenthaltes in Osnabrück und Münster erfolgte ein solcher Hinweis nur bei einem Ortswechsel.
Ähnlich dem Chigi-Tagebuch
Vgl. dazu
APW III C 1 S. XXXV.
enthält das Diarium Lamberg, wie bereits erwähnt, Wetterberichte und zwar täglich bis zur Rückkehr nach Wien
. Dies dürfte klimageschichtlich nicht uninteressant sein. Aufmerksamkeit verdienen auch die sozial- und kirchenhistorischen Aspekte des Tagebuches, tritt uns doch selten die große Politik, sondern vor allem der Alltag aus der Sicht eines barocken Edelmannes entgegen
.
4. Einrichtung der Edition
Grundlage dieser Edition bilden die beiden Tagebücher, die Lamberg selbst als Diarien bezeichnete. Der edierte Text beginnt mit der Abreise des Grafen von Wien am 4. August 1644 und endet mit seiner Rückkehr am 15. Juni 1649
. Nicht in die Edition aufgenommen sind also die dem eigentlichen Tagebuch vorangegangenen Aufzeichnungen Lambergs über seine Reisegelder
Vgl. O. Ö. LA, Hs. 1495,
fol. [9
v
]: Zu der ausstaffierung und rais uncosten von Wien biß nach Oßnabrugg
etc.
, ferner sein
Verzeichnus aller der officier etc.
A. a. O. Hs. 1495,
fol. [7
r
].
und Bemerkungen über seinen Auftrag am Friedenskongreß
. Da seine zwei Reisen nach Oldenburg und Holland, die er von Osnabrück und Münster aus unternahm, für den Gang der Friedensver-handlungen unwesentlich erschienen, fanden sie gleichfalls keine Beachtung.
Der Rest des Tagebuches, das noch bis Ende Mai 1650 geführt worden ist, wurde ebenfalls nicht berücksichtigt. Die Edition gibt die Eintragungen zu den einzelnen Tagen wieder. Wenn sich unter einem Datum eine zweite mit
eodem eingeleitete Bemerkung findet, wird sie als neuer Absatz gedruckt, wobei das
eodem wegfällt
Z. B. 1644 VIII 19 (
Diarium
[S. 5] ).
. Wörter wie
audienz, nova oder
NB werden mit Doppel-punkt versehen in den Text hineingenommen
Sie stehen in der Hs. zumeist am linken Rande (z. B. 1644 X 4 –
Diarium
[S. 18] ).
. Die täglichen Wetterangaben, die ursprünglich am linken und später am rechten Rande zu finden sind, wurden an das Ende der Tageseintragungen gesetzt. Nachrichten über erhaltene oder von ihm geschriebene Briefe, die der Graf am linken Rande vermerkte, werden vor dem Wetter angeführt.
Im Diarium hat Lamberg in der Zeit vom 4. August bis zum 8. August 1644 täglich das Wort
verzehrt eingetragen, ohne die dazugehörigen Geldangaben zu vermerken. Diese Bemerkung wurde daher ausgelassen.
[p. XXXIX]
[scan. 39]
In einem Fall gebraucht Lamberg eine Chiffre, die nicht entziffert werden konnte: Am 17. August 1645 erscheint bei ihm eine verkleidete Person, deren Namen er in seinem Tagebuch zunächst nur verschlüsselt wiedergibt. Aus der Eintragung vom 27. August ergibt sich jedoch, daß es sich zehn Tage zuvor um den kaiserlichen Obristen Bothe gehandelt haben muß, der inzwischen mit Lambergs Hilfe die Stadt wieder verlassen hatte, so daß kein Grund mehr zur Geheimhaltung seiner Identität bestand
.
Die Wiedergabe des Textes erfolgte nach der für die APW verbindlichen Vorschriften.
Die Interpunktion wurde zum besseren Verständnis fast durchweg nach moder-nen Richtlinien gestaltet. Die Sachanmerkungen dienen der Erläuterung des Textes und wurden auf das Wesentliche beschränkt.
Zuletzt obliegt es mir, allen zu danken, die mir bei dieser Arbeit ihre Hilfe und Unterstützung zuteil werden ließen: vor allem der Direktion und den Beamten des Oberösterreichischen Landesarchivs, dem Österreichischen Staatsarchiv in Wien, besonders dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv, dem Hofkammerarchiv und dem Kriegsarchiv, hier vornehmlich Herrn Oberrat Dr. Peter Broucek, sowie dem Niederösterreichischen Landesarchiv.
Für Auskünfte bin ich ferner zu Dank verpflichtet Herrn Dr. Wolfgang Seegrün vom Archiv des bischöflichen Generalvikariates Osnabrück, dem Niedersächsi-schen Staatsarchiv in Osnabrück und dem Stadtarchiv Frankfurt am Main. Dasselbe gilt für P. Bücken SJ vom Archiv der Norddeutschen Provinz SJ in Köln für seine Bemühungen.
Frau Magister Ruth Frick-Pöder in Innsbruck und Frau Maria-Elisabeth Brunert in Bonn haben in dankenswerter Weise das Mitlesen der Korrekturen auf sich genommen, Herrn Univ.-Prof. P. Dr. Hermann Zeller SJ danke ich für seine Großzügigkeit, mit der er mir die reichhaltige Bibliothek des Innsbrucker Jesuitenkollegs zugänglich machte. Nicht vergessen möchte ich auch Herrn Dr. Günter Buchstab, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden ist. Diese Edition ist Hans Sturmberger gewidmet, der zuerst auf diese Quelle und ihre Bedeutung hingewiesen hat.