Acta Pacis Westphalicae III A 3,5 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 5. Teil: Mai - Juni 1648 / Maria-Elisabeth Brunert

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IV. Ergebnisse der Beratungen in Osnabrück

Der Fürstenrat Osnabrück beriet am 6. Mai 1648 über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden; am 8. Mai wurde darüber re- und correferiert, am 9. und 10. Mai der Beschluß den Kaiserlichen und Schweden übergeben

S. Nr. 145, 146 und [Nr. 148 Anm. 10] und 11.
. Damit war dieses Thema sehr schnell erledigt, so daß man nun, am 9. Mai 1648, zur Beratung über die schwedische Militärsatisfaktion schritt, indem man über die vier Fragen befand: Wer soll Militärsatisfaktion erhalten? Von wem soll sie aufgebracht werden? Wie soll sie aufgebracht werden? Wie hoch soll sie sein?
Auf die ersten beiden Fragen war schnell eine Antwort gefunden: Mehr-heitlich wurde am 12. Mai 1648 beschlossen, 1. daß alle Reichsstände ohne Ausnahme, auch die Reichsritterschaft und die Hansestädte, bei-tragen sollten; 2. daß neben den Schweden der Kaiser und (Kur-)Bay-ern für die Reichsarmee Entschädigung erhalten sollten, und zwar sollte dem Kaiser der Österreichische, Bayern der Bayerische Reichskreis für die Satisfaktion der Armee zugewiesen werden und für Schweden die restli-chen sieben (da der Burgundische ohnehin nichts zahlte) verbleiben; jeder Reichsstand sollte nach Maßgabe der Reichsmatrikel seinen Beitrag leisten. Da bekannt war, daß der Kaiser und Kurbayern mehr forderten, wurde zugleich beschlossen, daß eine Deputation die kaiserlichen und (kur-)baye-rischen Gesandten ersuchen sollte, sich mit dem zufrieden zu geben, was die Reichsstände beschlossen hatten

S. Nr. 149, Ende des Protokolls.
. Beide Gesandtschaften waren aber mit den Beschlüssen nicht einverstanden und forderten mehr. Die Kaiserli-chen bekundeten am 13. Mai ihren Ärger, daß ihre Armee so unzulänglich entschädigt werden sollte, ohne zu sagen, was sie weiter forderten, während Kurbayern zusätzlich den Fränkischen und Schwäbischen Reichskreis für seine Satisfaktion zugewiesen haben wollte

S. die Berichte über die Deputationen in Nr. 150 und Nr. 151 jeweils am Anfang des Protokolls.
.
Sie waren nicht die einzigen Unzufriedenen, da zwar mehrheitlich be-schlossen worden war, daß alle beitragen müßten, eine ganze Reihe von Reichsständen aber für sich selbst eine Ausnahme in Anspruch nahm oder wenigstens eine Moderation, eine Herabsetzung der Quote, verlangte und sich vor doppelter Veranlagung (etwa zur schwedischen und bayerischen Armeesatisfaktion) schützen wollte. Viele Gesandte meldeten deshalb in einer Reihe von Sitzungen immer dieselben oder auch leicht variierte Widersprüche, Eventualproteste oder Vorbehalte an. Deren Zahl nahm

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derart überhand, daß Sachsen-Altenburg und -Coburg am 23. Mai den Vorbehalten widersprachen, während Braunschweig-Celle stellvertretend für das Haus Braunschweig und Lüneburg den Vorbehalt anmeldete, daß es nur bei Beteiligung aller an der Militärsatisfaktion seinen Beitrag leisten werde

S. Nr. 156. Die Widersprüche und Proteste sind jeweils am Kopf der Protokolle aufgezählt.
.
Am 14. Mai 1648 begann der Fürstenrat Osnabrück mit der Beratung über die dritte Frage zur Militärsatisfaktion („quomodo“). Sie wurde in einem sehr weiten Sinn verstanden, indem der Fürstenrat nicht etwa vorrangig über die Zahlungsweise beriet, sondern auch den Truppenabzug, die Resti-tution der besetzten Orte und dann ganz allgemein den Friedensvollzug (die Exekution) behandelte

S. Nr. 151.
; denn man wollte die Zahlung der Satis-faktion von Bedingungen und konkreten Gegenleistungen der Schweden abhängig machen. Sachsen-Altenburg präsentierte (als Sprecher des Corpus Evangelicorum) gleich am 14. Mai einen Textvorschlag für den Exekutions-artikel

S. Nr. 151 bei Anm. 26. Auch auf ksl. Seite gab es bereits einen Textvorschlag für den Exekutionsart. (s. Nr. 153 bei Anm. 15).
. Die „Erinnerungen“ über das „quomodo“ setzte der Salzburgi-sche Direktor Johann Adam Krebs auf, indem er die eigentlich gebotene Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Direktor Goll umging

S. S. 143 Z. 5–9; vgl. oben Anm. 41.
. So wurde der Entwurf des Salzburgischen Direktoriums zur Basis für die „Erinnerungen“ des Fürstenrats Osnabrück über das „Wie“ der Militärsa-tisfaktion und den allgemeinen Truppenabzug, die, vom Kurfürstenrat und dem Städterat Osnabrück gebilligt, als „Vorschläge“ am 20. Mai 1648 den Kaiserlichen und Schweden zusammen mit dem reichsständischen Textvor-schlag für den Exekutionsartikel übergeben wurden

S. den Bericht über die Deputationen in Nr. 155.
. Die Reichsstände wollten zuerst über den Vollzug des Friedens verhandeln, also zum Bei-spiel die Frage geklärt wissen, wann die Truppen abgedankt würden. Sie drängten auf einen möglichst frühen Zeitpunkt (sofort nach Unterzeich-nung des Friedens oder gar nach Benennung des Quantums) und wollten davon die Höhe der zu bewilligenden Summe abhängig machen

Die Deputierten versuchten am 20. Mai 1648, Oxenstierna diesen Standpunkt begreiflich zu machen (s. [Nr. 155 Anm. 3] ).
. Die Schweden gingen darauf nicht ein, so daß der Fürstenrat Osnabrück am 22. Mai 1648 mehrheitlich – und sehr unwillig – beschloß, dem schwe-dischen Druck nachzugeben und über die Summe zu beraten, doch die „Vorschläge“ und den Textvorschlag für den Exekutionsartikel dabei als

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Conditiones sine qua non zu betrachten

S. den Beschluß des FRO in Nr. 155, Ende des Protokolls.
. Sie drängten seither auf eine schwedische Stellungnahme zu beiden Schriftsätzen, die aber erst erfolgte, als man über das Quantum Einigkeit erzielt hatte.
Die Beratungen über die Höhe der schwedischen Militärsatisfaktion began-nen im Fürstenrat Osnabrück am 23. Mai, nachdem die Kurfürstlichen vorangegangen und schon in Beratungen über das Quantum begriffen waren, als die Fürstlichen noch meinten, es müsse erst eine Re- und Cor-relation über die Frage abgehalten werden, ob über die Höhe der schwe-dischen Militärsatisfaktion verhandelt werden solle

S. Nr. 156, erster Absatz des Protokolls.
. Die Osnabrücker Reichsstände einigten sich auf ein Angebot von 20 Tonnen Gold, das (geknüpft an verschiedene Bedingungen und nach vorheriger Information der Kaiserlichen) den Schweden am 25. Mai 1648 unterbreitet wurde . Die Schweden erklärten am 27. Mai die angebotene Summe für unzurei-chend, informierten über die Forderung ihrer Armee (10 Millionen Reichs-taler), gaben aber zu, daß sie von der schwedischen Königin moderater instruiert seien, also eine geringere, den Reichsständen aber nicht mit-geteilte Summe zu fordern hätten. Nachdem sie am 30. Mai zum drit-ten Mal die angebotene Summe von 20 Tonnen Gold für unzulänglich erklärt hatten

S. den Bericht darüber in Nr. 163 bei Anm. 4.
, erhöhten die Reichsstände die Summe am 3. Juni auf 30 Tonnen Gold bzw. 3 Millionen fl., dann auf 4 Millionen fl., während die Schweden ihre Forderung auf 6 Millionen Reichstaler, zahlbar in drei Raten, reduzierten

S. Nr. 165.
. Am 4. Juni lehnten die Schweden die 4 Millionen fl. als unzureichend ab und forderten wiederum 6 Millionen Reichstaler

S. Nr. 166 bei Anm. 3.
. Gleichzeitig empfahlen sie den Reichsständen die hessen-kasselsche For-derung nach einer eigenen Militärsatisfaktion, allerdings mit der leichten Einschränkung, soweit es raisonabl

S. S. 339 Z. 2. Oxenstierna übergab dazu eine Memorial Hessen-Kassels (s. [Nr. 166 Anm. 4] ).
. Die Reichsstände machten darauf-hin ihre Bewilligung an Schweden davon abhängig, daß sie nicht auch noch für Hessen-Kassels Armee zahlen müßten. Die Schweden schufen nunmehr eine Junktim zwischen der hessen-kasselschen und der (kur-)bayerischen Forderung: Wenn Bayern auf eine eigene Militärsatisfaktion verzichtete, wollten sie sich dafür einsetzen, daß auch Hessen-Kassel keine forderte

S. Nr. 167 bei Anm. 14.
. Am 5. Juni erfuhren die fürstlich sächsischen Gesandten in Abwesenheit

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Oxenstiernas vertraulich von Salvius, daß die schwedischen Gesandten letztlich 5 Millionen Reichstaler fordern müßten

Wie Anm. 49.
. Am 7. Juni reduzierten Oxenstierna und Salvius offiziell die Forderung auf 5 Millionen Reichstaler, indem sie freilich behaupteten, dazu nicht ermächtigt zu sein

S. S. 393 Z. 9–16.
. Am 8. Juni offerierten die Reichsstände 6 Millionen fl. Dieses Angebot wollten die Schweden Königin Christina mitteilen, da sie nicht ermächtigt seien, eine solch geringe Summe zu akzeptieren

S. Nr. 170. Die Schweden meinten, nach sechs Wochen Antwort aus Stockholm zu erhalten (s. S. 459 Z. 21f). Zu Plänen der Rst. , an die Kg.in zu schreiben, s. Nr. 168.
. Schon vorher war, auch auf Seiten der Reichsstände, erwogen worden, an die Königin zu schreiben, doch hatte ein solcher Brief den schwerwiegenden Nachteil, daß die Verhandlungen wochenlang brachliegen würden, bis Antwort eintraf.
Am 9. Juni beschlossen die Reichsstände, Servien um Vermittlung zu bit-ten

Zu den Verhandlungen am 9. Juni s. oben bei Anm. 60 und 61.
, und Oxenstierna erklärte, daß er und Salvius definitiv nicht weniger als 5 Millionen Reichstaler fordern könnten. Nachdem er die Aussicht auf einen unmittelbar bevorstehenden Friedensschluß eröffnet hatte, wollte der Fürstenrat bereits am 10. Juni 5 Millionen Reichstaler bewilligen, doch stimmte der Kurfürstenrat dem erst am 13. Juni zu

S. Nr. 171 und Nr. 172.
. Am selben Tag bewil-ligten die Reichsstände den Schweden sub spe rati 5 Millionen Reichstaler für ihre Militärsatisfaktion, verbanden dieses Angebot jedoch, wie stets, mit einer Reihe von Bedingungen

S. Nr. 173 unter Punkt II; schriftliche Fassung des Beschlusses: s. [Nr. 172 Anm. 24] . Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich von den in Osnabrück anwesenden Ges. , also nicht im Namen aller Rst.
. Am 15. Juni nahmen die Schweden das Angebot pure an, das heißt nicht sub spe rati, händigten aber ihrerseits endlich die vielfach erbetene Erklärung über die Militärsatisfaktion und den Vollzug des Friedens aus

S. S. 483 Z. 25. Zum schwed. Schriftsatz über die Militärsatisfaktion und den Vollzug des Friedens s. [Nr. 173 Anm. 14] .
und eröffneten damit die Möglichkeit zu Verhandlungen über das „quomodo“.
Am 13. Juni 1648 informierte das Reichsdirektorium den Fürstenrat Osna-brück, daß Servien gebeten habe, die Reichsstände möchten von Osnabrück nach Münster kommen, um dort über die noch offenen Fragen des kai-serlich-französischen Friedens zu beraten

S. S. 467 Z. 8–18.
. Der Fürstenrat wollte (wie der Kurfürstenrat) lieber in Osnabrück über die französischen Verhand-lungspunkte beraten; doch scheiterte Serviens Plan, über die noch offenen

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Verhandlungspunkte schnell und, wenn unumgänglich, in Osnabrück zu einem Ergebnis zu kommen, an dem Widerstand der Kaiserlichen

S. dazu oben S. LVIIIf.
. So würden die in Osnabrück vertretenen Reichsstände sich vorerst nicht den französischen Verhandlungen widmen, sondern weiterhin über die schwe-dische Militärsatisfaktion beraten, indem sie sich nunmehr mit dem „quo-modo“ beschäftigten.

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