Acta Pacis Westphalicae III C 4 : Diarium Lamberg: 1645-1649 / Herta Hageneder
1. Johann Maximilian Lamberg
Der Verfasser des vorliegenden Tagebuches, auf das erstmals Hans
Sturmberger aufmerksam machte
Vgl.
Sturmberger,
Tagebuch S. 275–289.
, ist der am 21. November 1608 in Brünn geborene Johann Maximilian von Lamberg
Vgl. dazu die eigenhändigen Aufzeichnungen seines Vaters im O. Ö. LA, HASteyr, Sch. 1212,
Fasz.
2 Nr. 51;
in der Literatur wurden zumeist falsche Geburtsdaten angegeben (vgl.
Rolleder,
S. 158;
Wurzbach
14 S. 30; ADB
17 S. 538 ).
. Er entstammte einem ursprünglich in Krain seßhaf-ten, dann vornehmlich in Ober- und Niederösterreich beheimateten katholi-schen Adelsgeschlecht, das im 16. und vor allem im 17. Jahrhundert rasch die Stufenleiter im kirchlichen und höfischen Dienst emporstieg, hatte es doch niemals zu dem Kreis der gegen das Haus Habsburg revoltierenden Stände gehört
Dazu in letzter Zeit:
Weiss, Passau (mit einem Kapitel über die Herkunft der Familie Lamberg) S. 46ff.;
K.
Müller, Habsburgischer Adel S. 81ff.;
NDB
13 S. 427–429 .
. Bereits der Vater Johann Maximilians, der Freiherr Georg Siegmund von Lamberg, war kurze Zeit Landeshauptmann in Österreich ob der Enns gewesen und hatte später das Amt eines Obersthofmeisters bei der Kaiserin Anna bekleidet
Georg Siegmund Freiherr von Lamberg (1565–1632), Reichshofrat (vgl.
Schwarz, S. 272ff.;
NDB
13 S. 428 ).
. Aus seiner dritten Ehe mit Johanna von der Leiter
Zu Herkunft und Lebenslauf vgl.
Diarium S. 4 Z. 1 (mit Anm. 2) und S. 25 Z. 19–20. Ihre erste Ehe mit Siegmund von Dietrichstein und die dadurch geknüpften Beziehungen sollten noch für ihre Kinder aus der zweiten Ehe von Bedeutung sein (vgl.
Schwarz S. 274f.).
, der Witwe Siegmunds von Dietrichstein, ging Johann Maximilian hervor
Über Johann Maximilian vgl. zuletzt
Weiss
und K.
Müller
a. a. O.; NDB
13 S. 428f .
. Er genoß die übliche adelige Erziehung und wurde dann mit seinem jüngeren Bruder Johann Wilhelm auf eine ausgedehnte Kavalierstour geschickt, die ihn nach Italien, Spanien und Frankreich führte
Dazu
Rolleder S. 158; seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte eine Bildungsreise durch die kulturell führenden Staaten Europas zum Erziehungsplan des österreichischen Adels (vgl.
Cśaky S. 408–434). Über neue Moden vgl.
Heiss S. 139–157, bes. S. 151ff.
. Auf dieser Reise waren auch Studienaufenthalte eingeplant: so finden wir ihn 1628 und 1629 in Siena und Perugia immatriku-liert
In Siena wird er am 17. Oktober 1628 immatrikuliert (vgl.
Weigle,
Siena S. 248 Nr. 6112). Vom 16. November bis zum 1. Februar 1629 erscheint er dort als consiliar
der deutschen Nation (vgl.
Luschin
von
Ebengreuth
S. 292). In den Matrikeln der Deutschen Nation in Perugia wird Johann Maximilian liber baro de Lamberg
zum 25. Mai 1629 erwähnt (vgl.
Weigle,
Perugia S. 81 Nr. 1103). – Ob er identisch ist mit dem 1621 in Graz immatrikulier-ten Maximilianus liber baro a Lamberg,
bleibe dahingestellt (vgl.
Andritsch
S. 67 Nr. 274).
. Nach seiner Heimkehr trat er in den Dienst des kaiserlichen Hofes als Kammerherr des präsumtiven Thronfolgers und späteren Kaisers Ferdinand III.
Rolleder
S. 158f.;
Schwarz
S. 274.
. Er machte schnell Karriere: 1637 erhielt er das Amt eines Reichshofrates,
[p. XXVIII]
[scan. 28]
und 1641 erfolgte die Erhebung in den Reichsgrafenstand
Geschliesser
S. 239;
Weiss,
Passau S. 52.
. Die wirtschaftliche Grundlage bildete schon damals die in Oberösterreich gelegene landesfürstliche Herrschaft Steyr, die sein Vater seit 1614 als Burggraf und pfandweise innegehabt hatte
Sturmberger,
Tagebuch S. 277.
. Noch vor seinem Tode folgte ihm auf seine dringende Bitte sein Sohn als Pfandinhaber nach
.
Für die Familie Lamberg war es von weitreichender Bedeutung, daß es Johann Maximilian 1666 gelang, diese große Herrschaft käuflich an sich zu bringen und daraus mitsamt Besitzungen in Wien ein Fideikommiß zu errichten
. Im Jahre 1635 vermählte sich Lamberg mit Judith Rebecca Eleonore Freiin von Würben (oder Wrbna), einer Hofdame der Kaiserin
Judith Rebecca Eleonore war die Tochter Georgs und Helenes von Würben. Der Vater gehörte zu den böhmischen Aufständischen, er wurde nach der Schlacht am Weißen Berg zuerst zum Tode verurteilt und dann zu lebenslänglicher Haft begnadigt. Nach seinem Tode 1625 erhielt die Witwe einige konfiszierte Güter unter der Bedingung zurück, ihre beiden Kinder katholisch erziehen zu lassen. Der Sohn Johann Georg trat in den Jesuitenorden ein, während die Tochter als Hofdame der Kaiserin aufgenommen wurde. Unter Anteilnahme des Hofes fand ihre Hochzeit mit Lamberg statt (vgl.
Igálffy, Stammtafeln S. 55, 60).
. Aus dieser anscheinend sehr glücklichen Ehe gingen fünf Söhne und fünf Töchter hervor
Rolleder
S. 197ff.; NDB
13 S. 428.
.
Zum Westfälischen Friedenskongreß nach Osnabrück wurde der Graf im Sommer 1644 geschickt
Vgl.
Sturmberger,
Tagebuch S. 276ff.
, um Johann Weikhard von Auersperg abzulösen, dessen Fähigkeiten er jedoch nicht besaß
Johann Weikhard Graf Auersperg (1615–1677), ein sehr fähiger, jedoch äußerst ehrgeiziger Mann, war zum Obersthofmeister des Erzherzogs Ferdinand, des späteren römischen Königs, bestimmt worden (vgl.
Schwarz S. 201ff.;
Mecenseffy S. 328 und passim).
. Obgleich seine Tätigkeit in der Kongreß-stadt kaum über den repräsentativen Rahmen hinausging
Vgl. die Stimmen zu Lambergs Arbeit am Kongreß: Der venezianische Gesandte Contarini weiß über ihn nur zu sagen, daß er jung und von mittelmäßiger Geschicklichkeit gewesen sei (vgl.
Fiedler S. 296). Die Schweden meinten in einem ihrer Briefe an die Königin, Lamberg sei mehr Gesandter
ob dignitatem denn führender Kopf bei den Verhandlungen (
APW
[II C 3 S. 576 Z. 17–18] ).
, blieb der dortige Aufenthalt seine bedeutendste Mission, denn schließlich stand seine Unterschrift auf einem welthistorischen Dokument, dem Instrumentum Osnabrugense, das er 1649 mit nach Wien brachte, um es in einer Privataudienz dem Kaiser zu überreichen
.
Ferdinand III. bewahrte ihm auch ferner sein Wohlwollen: 1650 erhielt er die Stelle eines Obersthofmeister bei dem jüngeren Erzherzog Leopold, dem späteren Kaiser
Darüber informiert uns Lamberg selbst in seinem Tagebuch, das er noch bis Ende Mai 1650 geführt hat, am 21. Februar.
. Von 1653 bis 1660 weilte er als Botschafter in Spanien, ohne größere
[p. XXIX]
[scan. 29]
diplomatische Erfolge aufweisen zu können, was vielleicht auch begabteren Abgesandten schwergefallen wäre
Es gelang ihm nicht, für Leopold 1. die Hand der Infantin Maria Theresia zu gewinnen (vgl.
Pribram, Heirat S. 319–375).
. Leopold I. ernannte ihn dann 1661 auf Betreiben seines Obersthofmeister Portia hin zum Oberstkämmerer, nachdem er schon 1657 in den Geheimen Rat aufgenommen worden war
Fellner-
Kretschmayr
S. 277;
Schwarz
S. 274. Portia hatte 1661 seinen Sohn mit einer Tochter Lambergs, Anna Helene, verheiratet und wollte mit dieser Ernennung wohl seine eigene Stellung am Hofe stärken (vgl.
Weiss,
Passau S. 53).
. Nach dem Tode des Fürsten Portia zögerte der Kaiser, ob er Lamberg oder den Fürsten Wenzel Eusebius Lobkowitz mit dem Amt des Obersthofmeister, respektive der Stellung eines ersten Ministers, betrauen sollte. Er entschied sich aber zuletzt doch für den glänzenden Diplomaten Lobkowitz
Fellner-
Kretschmayr
S. 276;
Schwarz
S. 289.
. Allerdings beriet Johann Maximilian Leopold I. in den nächsten Jahren in den wichtigen spanischen Angelegenhei-ten
Dazu vermerkte der Kaiser: Meine, ich werde es nit übel getroffen haben, denn 1. ist er ein wirklicher cavalier, hat keine dependenz oder passio und kan ihm gwiss wohl trauen; 2. weiss er gleichwohl viel darum und hat ziemliche notitia de negotiis hispanicis; 3. will ich doch selbst das meiste einrichten und thuen
(vgl.
Pribram,
Privatbriefe S. 105). Und am eigenständigen Handeln hinderte Lamberg den Kaiser gewiß nicht.
. Nach dem Sturz Lobkowitz’ ging dann dessen vakante Stelle 1675 an Lamberg, der sie bis zu seinem Tode 1682 innehatte
Fellner-
Kretschmayr
S. 276;
Schwarz
S. 275. – Lamberg starb am 12. 12. 1682 in Wien und wurde in der Familiengruft in der Augustinereremitenkirche bestattet (NDB
13 S. 428 ).
.
Neben den bedeutenden Persönlichkeiten am Wiener Hof im Zeitalter Ferdi-nands III. und Leopolds I. – wie Trauttmansdorff, Auersperg und Lobkowitz – verblaßt das Bild Lambergs als Staatsmann und Diplomat; er gehört eindeutig in die zweite Garnitur der Politiker der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Dies ist auch der Tenor der späteren Venezianischen Berichte: 1661 hieß es von ihm, er sei ein cavagliere d’ingenui costumi et che attaversar non può il corso di sua fortuna appresso l’imperatore;
1671 meinte man: Il talento é moderato. Il suo voto è zelante; inclina alla placidezza;
und 1674 blieb es dabei: Il genio placido di questo soggetto, la sua non eccedente capacità et il zelante talento
Vgl. dazu die
Relationen
der venezianischen Gesandten von 1661 (S. 50), 1671 (S. 130) und 1674 (S. 150). – Dazu noch die Bemerkungen eines französischen Reisenden aus dem Jahre 1672: C’est un petit homme, maigre, agé de plus de 60 ans, d’une physionomie ordinaire, doux, sans ambition, bienfaisant, honnete et homme de bien. Il n’a amassé que des biens médiocres, quoiqu’il ait beaucoup de part aux bonnes graces et à la confidence de son maitre, qui estime sa fidelité et sa probité
(vgl.
Pribram,
Aus dem Berichte S. 279).
.
Seine durchschnittlichen Fähigkeiten und sein Mangel an Ehrgeiz waren aber das Geheimnis für seine Karriere am Wiener Hof, sie hielten ihn ferne von den Intrigen. Dazu kamen wohl noch seine Freude am Zeremoniell, seine schlichte, unproblematische Frömmigkeit und seine erprobte Ergebenheit, die ihn dem
[p. XXX]
[scan. 30]
Kaiser empfahlen
. Dennoch gilt er als einer der wichtigsten Vertreter seiner Familie, der im wesentlichen sowohl die wirtschaftlichen als auch die höfisch-diplomatischen Grundlagen für den Aufstieg der Familie Lamberg schuf
Lamberg war in wirtschaftlichen Belangen sehr geschickt: Neben dem Erwerb der Pfandherr-schaft Steyr gelang ihm auch der Kauf der Herrschaft Kunstadt in Mähren, die er seinem jüngeren Sohn Kaspar Friedrich überließ; außerdem legte er noch Geld bei der Orientali-schen Kompanie und der Seidenkompanie nutzbringend an (vgl.
Rolleder S. 163–196).
.