Acta Pacis Westphalicae III A 3,1 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 1. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert

IV. Kriegsereignisse und Fürstenrat. Die allgemeine Lage im Herbst 1645

Die Zeit von Sommer 1645 bis Ende Januar 1646 war arm an herausragenden militärischen Ereignissen. Allerdings fand die Übergabe Kaneas an die Türken, die den vierundzwanzigjährigen Krieg der Osmanen gegen das venezianische Kreta einleitete, auch im Fürstenrat Osnabrück ein fernes Echo

Siehe Nr. [20 bei Anm. 21] .
. Einen türkischen Ein-fall in Krain und Windischmark erwähnten die kaiserlichen Gesandten gegenüber einer Deputation des Fürstenrates als Beweis für die Bedrängnis des Kaisers und seinen daraus resultierenden Willen, die Friedensverhandlungen zu befördern

Siehe Nr. 23 bei Anm. 13.
. Eigentlich täuschte diese Meldung, denn in Wirklichkeit hatten sich die Beziehun-gen zwischen Wien und der Pforte in der zweiten Jahreshälfte 1645 entspannt. Die

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Osmanen waren durch ihren Angriffskrieg im östlichen Mittelmeer gebunden und wurden auch durch eine diplomatische Initiative Wiens bewogen, ihrem Vasallen Fürst Rákóczy von Siebenbürgen zu befehlen, seinen Vormarsch abzubrechen und Verhandlungen mit Wien zu beginnen. Dieser Umschwung kam gerade rechtzei-tig, um die Vereinigung Rákóczys mit den schwedischen Truppen unter Torstenson zu verhindern

Siehe Ruppert, 120.
. Schweden hatte in seiner Proposition II Satisfaktion für Rákóczy gefordert, was nach dessen Frontwechsel gegenstandslos wurde. Dem trug man auch im Fürstenrat Osnabrück Rechnung

Siehe Nr. [28 Anm. 17] ; Nr. [35 bei Anm. 64] .
.
Die Einnahme Butzbachs und Marburgs durch Hessen-Kassel war zwar eine Mi-litäraktion minderen Ranges, doch betraf sie den Fürstenrat, da die Kontrahenten im Marburger Erbschaftsstreit, Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel, zu seinen Mitgliedern zählten. Der Landgraf von Hessen-Darmstadt wandte sich nach Ein-nahme der beiden Städte an den Fürstenrat und ließ um Interzession bei Schwe-den und Hessen-Kassel bitten

Siehe Nr. [63] .
. Die Gesandten zeigten eine gewisse Zurückhal-tung, da sie im Erbschaftsstreit nicht Partei ergreifen wollten. Man beschloß des-halb, ein glimpflich schreiben an die Landgräfin zu schicken und eine Deputa-tion zu dem hessen-kasselschen Gesandten Scheffer zu entsenden

Siehe Nr. 63 bei Anm. 22–23; Nr. [64] .
. Die Interzes-sion bei Schweden unterblieb, obgleich der Darmstädter darauf drängte.
Die Beeinträchtigungen, die das Reichskammergericht zu Speyer durch den Krieg erlitt, waren allgemein bekannt. Im September 1644 war die Stadt von den Franzosen besetzt worden, und seither hatte das Kammergericht oft und an vielen Stellen um Intervention gebeten. Im September 1645 befaßte sich der Osnabrüc-ker Fürstenrat mit dem Antrag, bei allen kriegführenden Mächten, besonders aber bei Frankreich, zu intervenieren, damit das Gericht eximiert werde

Siehe Nr. [11] .
. Die Ge-sandten waren sich einig, daß eine Neutralisierung Speyers Abhilfe schaffen würde, doch wurde von vornherein bezweifelt, ob dies zu erreichen sei. Man be-schloß, Erkundigungen einzuziehen, ob man gemeinsam mit dem Kurfürstenrat agieren solle, doch geschah dann nichts weiter

Siehe Nr. [94 nach Anm. 40] (textkritischer Apparat).
. Anfang Februar 1646 hatten die Gesandten erneut Anlaß, sich mit dem Reichskammergericht zu beschäftigen. In einem weiteren Memorial bat das über schwere Einquartierungslast klagende Ge-richt um Intervention bei den Kriegführenden. Dieses Mal blieben die Gesandten nicht untätig, sondern entsprachen dem Begehren mit einem mündlichen Antrag bei dem hessen-kasselschen Gesandten während der Sitzung, einer Deputation zu Trauttmansdorff, einem Memorial für die schwedischen und Briefen an die spani-schen und französischen Gesandten

Siehe Nr. [94 bei Anm. 44] , ebenda Anm. [60–61] und Nr. [94b] .
.
Der Fürstenrat nahm demnach auch an den fernen Kriegen der Osmanen einen gewissen Anteil und befaßte sich mit den unbedeutenderen Militäraktionen im

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Reich, wenn auch der Erfolg seiner Interventionen zweifelhaft war, da sie im Fall Hessens nur sehr behutsam vorgetragen wurde und im Fall des Reichskammerge-richts angesichts des mangelnden Willens der entscheidenden Mächte wenig aus-sichtsreich erschien.
Auf politisch-diplomatischer Ebene war die zweite Jahreshälfte 1645 ebenfalls eine Zeit ohne herausragende Ereignisse. Schweden und Frankreich bereiteten ihre Repliken vor, wobei Schweden die Gravamina Evangelicorum zu Hilfe nahm. Mit Spannung wurden die konkreten Satisfaktionsforderungen der Kronen erwar-tet. Allgemein erhoffte man sich von der Ankunft Trauttmansdorffs ein schnelles Voranschreiten der Verhandlungen, denn es hieß, daß er mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet sei. Tatsächlich war er instruiert, sofort nach seiner An-kunft substantielle Verhandlungen über die Satisfaktion einzuleiten, und führte entsprechende Gespräche zuerst in Münster, wo er am 29. November eintraf, und dann seit dem 15. Dezember in Osnabrück

Siehe Nr. 48 Anm. 77; Nr. [68 Anm. 22] , [27] .
. Daneben nahm er sich auch ande-rer Verhandlungspunkte an und empfing zum Beispiel viermal eine fürstliche oder fürstlich-städtische Deputation

Siehe Nr. [69] , [88] , [92] , [94b] .
. Nur wenige Tage nach seiner Ankunft in Osna-brück konnte das leidige Problem der von Schweden geforderten Geleitsbriefe pro mediatis, das auch die fürstlichen Gesandten beschäftigt hatte, aus der Welt ge-schafft werden

Siehe Nr. [30] , [42] , [46] , [56 Anm. 27] .
. Mit der Beseitigung dieses Präliminarpunktes war die Veröf-fentlichung der Repliken und damit der Beginn der Hauptverhandlungen ein Stück nähergerückt. Aus Sicht der Reichsstände war nicht der 7. Januar der ent-scheidende Termin, da Schweden an diesem Tag nur den Kaiserlichen die Replik vortrug, sondern der 21. Januar, da die Sachsen-Altenburgischen an diesem Tag das schwedische Protokoll erhielten

Siehe Nr. [80 Anm. 17] . Das ksl. Protokoll wurde seit dem 20. Januar diktiert (Nr. [80 Anm. 28] ).
. Es dauerte noch einige weitere Tage, bis der Text allen vorlag. Nachdem dann noch Richtersberger genesen war

Siehe oben Anm. 95.
, konn-ten die Hauptverhandlungen am 3. Februar 1646 beginnen.

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