Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[64.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1647 Juli 1
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Münster 1647 Juli 1
Kurmainz Rk FrA Fasz. 21 nr. 47 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurköln zA I fol. 318’–
321 ( damit identisch Kurköln spA II fol. 716–721 und Kurköln zA Extrakt fol. 35’ );
Kurbayern Rk in K III fol. 591–596’ ( damit gleichlautend Kursachsen Rs II fol. 102–104’ );
Kurbayern Rp in K III fol. 552–554; Kurbrandenburg Rk II fol. 96’–102.
Stellungnahme des Kurkollegs in Sachen Weserzoll: Antwortschreiben an die Niederlande, Auf-
nahme der Zollrechte der Grafen von Oldenburg in den Friedensvertrag. Gütlicher Ausgleich
zwischen den Kontrahenten, der Stadt Bremen und der Grafschaft Oldenburg.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kursachsen, Kurbrandenburg.
Kurmainz. Stelten in keinen zweivel, es werden die herrn gesanden ver-
leßen haben, waß nit allein der alhie anweßende Holländischer gesander
sonder auch die gräfflich Oldenburgische deputirte deß Ihrer Gnaden ver-
liehenen Weeßerzolls halber vor- und anpracht. Dieweiln dann die Staden
von Holland starck uff die cassation desselben nechst anführung allerhand
motiven tringen, die Oldenburgische aber zue ihrer versicherung starck
umb einverleibung einer gewißen clausul im instrumento pacis anhalten
thun, alß werde bey gegenwertiger session zu deliberiren sein, ob und waß
dem Holländischen gesanden hinwider zu antwortten, 2º ob
pillig, daß dem herrn graven von Oldenburg zu gratificiren, gleichwie
yederzeit beschehen, also auch dießmahls uff deßen behauptung zu be-
stehen und derentwegen die notturfft ahn die Kayßerliche herrn comis-
sarien zu pringen. Es ist daran zu erinnern, daß dieser Zoll 1619 vom Kaiser
mit vorwißen und einhelliger genehmhaltung des Kurkollegs angeordnet worden
ist und das Kurkolleg auf den heftigen Widerstand der Stadt Bremen hin an 11 Gut-
achten erteilt hat, und zwar in der haubtsach für Oldenburg, während in den
incidentpuncten die rechtliche decision oder güetliche commission vorge-
sehen wurde, diese Gutachten aber yedesmahls unvolnzogen plieben. Wehre
also frembd, daß die Holländer in reichssachen sich einzumischen und dem
churfürstlichen collegio ziehl und maß zu geben sich understünden; man
erinnerte sich nit, daß ihnen a parte des reichs ihemahln dergleichen
beschehen.
Kurtrier. Mangele ihnen ahn bericht nit, wie die concession beschehen,
waß vor guetachten ertheilt, auch noch iüngst ahn die Staden von Holland
geschrieben worden.
einiger antwortt nit gewürdiget
Ein Schreiben der Niederlande an Ks. Ferdinand III. erging allerdings, Den Haag 1647 IX 24
( Druck Meiern V S. 386f. ). Vgl. Düssmann S. 88f.
fürstliche collegium ahn die Staden von Holland zu schreiben. Solten
gleichwohl die herrn gesanden solche antwortt zu erhaltung gueter nach-
parschafft vor guet ansehen, wolten sich davon nit separiren und ratione
materialium uff daß vorige abgelaßene schreiben bezogen haben.
Wegen begehrter einrückung der clausul, erinnerten sich, daß albereit in
affirmativam geschloßen worden. Und nachdemahln nit allein Ihre Kayßer-
liche Mayestät wegen dero hohen regal, daß churfürstliche collegium auch
deßen praerogativ und praeeminenz halber hoch interessirt, so hielten, zu
erhaltung allerseits iurium auch dießer sachen in dem instrumento pacis zu
gedencken und derentwegen die herrn Kayßerliche zu ersuchen, zumahln
man befinde, daß auch der geringsten, iha wohl mediatständ iura und unbe-
fugte sachen besagtem instrumento eingeruckt werden wolten.
Seye zwar eine güetliche handlung vorgeweßen, hette sich auch der herr
graff zur gütlichen composition erpotten; nichtsdestoweniger aber könde
begehrtermaßen eine gewiße clausul dem instrumento eingerückt werden.
Kurköln. Wehre schon in dießer sachen so offt deliberirt worden, daß
man den schluß leichtlich finden könde; die vielheit der zöll seyen dem
reich wenig ersprießlich und zu befürderung der commercien hinderlich.
Weiln gleichwohl dieße zollsachen von vielen jahren hero vom churfürst-
lichen collegio beliebet und daß einpringen erheblich erachtet, auch uff
desselben einrathen der Kayßerliche consens ertheilt worden, so sehen nit,
mit waß reputation davon abzuspringen; derowegen sie es nachmahln bey
vorigen conclusis und ertheilten collegialguetachten bewenden ließen.
Ob der Holländische deputirte widerumb zu beantwortten, da vermeinten,
wann die in ihrem memorial enthaltene ingredientia vor wichtig gehalten
werden solten, man hette vielmehr ex parte chur-, fürsten und ständ bey
ihnen einzukommen, die onera in ihren landen zu moderiren, weiln die
wahren, so von dannen ins reich geführt werden, mit zöllen, licenten und
dergleichen sehr hoch beschwehrt seind, und könden die rationes, so sie
angeführt, darwider militiren. Gleichwie man ihnen aber in ihren landen
keine ziehl oder maß vorzuschreiben begehrt, also werden sie auch verhof-
fentlich ahn daß churfürstliche collegium wider die reichssatzungen nichts
suchen. Hielten, man hette ihnen umb glimpfs willen wiederumb zue ant-
wortten , weiln daß churfürstliche collegium albereit anno 1619 Ihrer Kay-
ßerlichen Mayestät die ansetzung dießes zolls allerunderthenigst einge-
rathen , allerhöchstgedachte Ihre Kayßerliche Mayestät auch dero consens
darin allergnedigst ertheilt, alß wehre res nit mehr integra, sonder dem-
selben die händ dergestalt gebunden, daß sie davon nit abzuspringen
wüsten. Dafern gleichwohl der herr graff zu Oldenburg die zollroll uber-
schreiten und darin einiger excess begangen werden solte, wolte daß chur-
fürstliche collegium darin solche maß halten, daß man sich darwider nit zu
beschwehren.
Ob dieße sach dem instrumento pacis einzurucken, da wehre man hiebevor
der meinung geweßen, einige particularsachen demselben nit beyzusetzen.
Wann es dabey verplieben wehre, hette man auch dießfals keinen streit;
dieweiln aber viel sachen inserirt worden, die in contradictorio bestunden
und der tertius mit interessirt, so sehen sie nit, warumb man dieße sach,
dabey daß churfürstliche collegium interessirt, außschließen solte. Und
weiln Churtryr in affirmativam geschloßen, so ließen sie es auch dabey
bewenden und dahingestelt sein, daß
orthen erinnerung thue und die sach zu end befürdern helffe.
Wann die güetliche handlung zum ausgang gepracht werden könde,
würde es desto beßer sein; damit gleichwohl die sach befürdert und der
herr graff, so die concession vor sich habe, desto beßern genoß empfinden
möge, so vermeinten, dieße inserirung mögte nit undienlich sein, und würde
dieselbe daß werck mehrers facilitiren.
Kurbayern. Hielten auß allerhand bedencken die antwortt ahn die General-
staden unräthlich; sonsten vernehmmen sie, daß albereit die sach zur güt-
lichen composition kommen; damit nun dieselbe vor den herrn graven zu
Oldenburg umb soviel mehr außschlagen möge, so ließen sich die insertion
der clausul im instrumento pacis nit zuwider sein. Wann solches die Bremer
vernehmmen, werden sie sich dergestalt accommodiren, daß hochwohlge-
dachter herr graff damit zufrieden sein werde.
Kursachsen. Hielten, es bey den ertheilten bedencken zu laßen; und weiln
daß churfürstliche collegium den herrn Staaden albereit bericht gethan,
waß es mit dießem zoll vor eine beschaffenheit habe und daß die concession
legitimo modo beschehen seye, dieselbe aber bis noch darauff nit geant-
worttet , so sehen sie nit, wie ohne verschimpfung des churfürstlichen col-
legii dieße letzt eingebene schriefft zu beantwortten. Solte aber solches per
maiora vor guet angesehen werden, wolten sie sich davon nit separiren und
ratione materialium mit Churtryr vergleichen.
Vermeinten, zu verhütung allerhand sequelen solche clausul dem instru-
mento pacis nit zu inseriren, sonder beyde parthey zur güete zu disponiren,
dann da dieße insertion geschehen solte, würden andere mehr nachvolgen
und dergleichen begehren und also der schlueß des friedens dardurch
gehindert werden; yedoch wolten sich von den maioribus nit separiren.
Kurbrandenburg. Hielten unnöthig, die merita causae zu examiniren, weil
dieselbe genugsamb bekand; müsten sich uff ihre dabevorn in dießer
sachen abgelegte vota beziehen. Und gleichwie Ihre Churfürstliche Durch-
laucht zu Brandenburg […] ihe und allewegen ihr intentiones dahin
gerichtet, wie alle strittigkeid uffgehoben werden möge, also müsten sie
auch gleicher meinung bey dießer sachen anderer respecten willen umb do
mehr sein, weiln andere außwertige ihr eigen interesse dabey machen wolten.
Bestünden dahero noch uff der gütlichen vergleichung und hielten, daß
der Hollandische gesande mit antwortt zu würdigen auß ursachen, weil er
in loco wehre und uff resolution warte.
vermeinten, man hette anzuführen, wie daß churfürstliche collegium wün-
schen mögte, daß dieße sach mit respect, reservatis iuriis et praeeminentiis,
verglichen werden könde, maßen dan daß churfürstliche collegium allschon
so weit condescendirt und den herrn graven von Oldenburg zur güte
disponirt, wobei dann die Staden von Holland zu ersuchen, beyden theilen
gleichergestalt zuzusprechen, wie die sach verglichen werde.
2º wegen insertion der clausul trügen sie umb deßwillen, sich darüber
vernehmmen zu laßen, bedencken, weil Ihr Gnedigster Herr zum commis-
sario vorgeschlagen, von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht solche com-
mission auch ubernohmmen worden, worzu sie dann auch noch verstünden,
dahero ihnen nit gepüren wolle, cathegorice sich darüber vernehmmen zu
laßen, sondern müsten dahingestelt sein [laßen], weil hierauff albereit
unlengsthin vom churfürstlichen collegio affirmative geschloßen, wie sol-
cher schluß per maiora reassumirt und genehmgehalten werde.
33 vota] Laut Kurbayern Rk, Kursachsen Rs II, Kurbrandenburg Rk II
werden die Voten ausführlich wiederholt, wobei Kurmainz als Differenz feststellt, daß man
1. außer Kurbrandenburg mehr der Meinung zuneigt, den Niederländern nicht zu antworten,
2. für Aufnahme in den Friedensvertrag stimmt, und zwar bedingt auch Kursachsen und
Kurbrandenburg.
nit bekand, waß nun zu verschiedenen mahlen bey vielen reichs- und colle-
gialtägen dießer sachen halben vorkommen und welchergestalt daß chur-
fürstliche collegium yederzeit uff der ersten relosution bestanden und
derentwegen die notturfft durch guetachten ahn die Römisch Kayßerliche
Mayestät allerunderthenigst gepracht, bey welchem es Ihre Churfürstliche
Gnaden zu Maintz […] auch annoch bewenden ließen und ihnen gnedigst
ahnbevohlen, dahin zu sehen, wie der herr graff bey solcher erlangter zolls-
concession verpleiben und dagegen nichts wiederigs vorgenohmmen wer-
den möge.
Hinsichtlich der Antwort auf das dem Kurfürstenrat eingelieferte particularschrei-
ben des Barthel von Gent könden sie zwar indifferent sein; da aber auf das
vor Jahresfrist an die Niederlande gerichtete Schreiben des Kurkollegs keine Antwort
erfolgt ist, halten sie ein nochmahliges Schreiben für disreputirlich und für das beste,
daß ermelten Holländischen gesanden eine copi obangezogener ahn seine
herrn principaln abgelaßener remonstration sowohl in Teutsch alß Lateini-
scher sprach zugestelt werde.
Die Einfügung der Sache ins Instrumentum pacis ist bereits früher vom Kur-
fürstenrat gutgeheißen worden; wolte sich dahero nit wohl fügen, anietzo von
solchem concluso abzuweichen. Zwar wehren sie auch nit der meinung,
daß die güetliche composition auß handen zu laßen,
Kayßerliche zu ersuchen, zu gütlicher hin- und beylegung dießer sachen
noch verner zu bemühen. Solten sich nun die Bremer accommodiren, wohl
und guet, wo aber nit, daß sie alsdann die clausul in favorem deß herrn
graven dem instrumento pacis einrücken wolten.
Bey nachmahlig beschehener umbfrag
gesanden mit der von Maintz vorgeschlagenen communication deren ahn
die Generalstaden vorm jahr abgelaßenen schrifft verglichen, wie wenigers
nit,
ordnen und umb mehren nachtrucks willen gesambter hand die notturfft
ahn die herrn Kayßerliche zu pringen, maßen auch beschehen.